Baurecht

Zurückstellungsantrag gegen Umbau eines Lebensmittelmarkts in eine Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber

Aktenzeichen  RN 6 E 16.722

Datum:
14.6.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB BauGB § 1 Abs. 3, § 14 Abs. 1, § 15 Abs. 1 S. 1
VwGO VwGO § 123 Abs. 1

 

Leitsatz

Tritt die Gemeinde dem Umbau eines Supermarktes in eine Gemeinschaftsunterkunft unter Verweis auf eine andere Planungsabsicht entgegen, kann ein Zurückstellungsantrag nur Erfolg haben, wenn es sich nicht um eine Verhinderungsplanung handelt. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert wird auf 7.500,- € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt als Standortgemeinde den Erlass einer einstweiligen Anordnung zur vorläufigen Zurückstellung eines Antrags der Beigeladenen auf Erteilung einer Baugenehmigung für die Nutzungsänderung und Erweiterung eines Lebensmittelmarktes zu einer Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber.
Das streitgegenständliche Grundstück Fl.Nr. …4/3 der Gemarkung … (B-straße 22a, … 1…), das derzeit mit einem Lebensmittelmarkt mit einer Grundfläche von 1.536 m² bebaut ist und eine Grundflächenzahl von 0,29 besitzt, unterliegt keinem Bebauungsplan. Im Flächennutzungsplan ist für den Bereich dieses Grundstücks eine gemischte Baufläche dargestellt. Ausweislich des Bauantrages vom 14.08.2014 (B 15/689) plant die Beigeladene, den bestehenden Lebensmittelmarkt zu einer Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber umzubauen. Zu diesem Zweck soll die Grundfläche des Gebäudes auf 2.993 m² erhöht werden, was mit einem Anstieg der Grundflächenzahl auf 0,56 verbunden wäre. Ursprünglich plante die Beigeladene, auf dieser Fläche 231 Personen unterzubringen, reduzierte diese Zahl aber in ihren Tekturplänen vom 22.04.2016 auf 185 Bewohner.
Zugunsten der Beigeladenen besteht am streitgegenständlichen Grundstück ein für 30 Jahre bestelltes Erbbaurecht gemäß Bestellungsurkunde vom 19.02.1987, dessen Laufzeit derzeit noch sieben Jahre beträgt. In dieser Bestellungsurkunde wurde der Beigeladenen das Recht eingeräumt, insgesamt dreimal jeweils nach vertragsgemäßem Ablauf des Erbbaurechts die Bestellung eines weiteren Erbbaurechts auf die Dauer von weiteren zehn Jahren zu verlangen. Gemäß Vertrag vom 24.09.2015 vereinbarte die Beigeladene mit dem Antragsgegner die Vermietung des geplanten Bauvorhabens zur Unterbringung von Asylbewerbern für einen Zeitraum von zwölf Jahren ab Übergabe.
Mit Beschluss des Stadtrats vom 23.09.2015 versagte die Antragstellerin ihr gemeindliches Einvernehmen zum Bauantrag der Beigeladenen und bestätigte ihre Haltung durch einen weiteren Stadtratsbeschluss vom 24.02.2016. Das geplante Vorhaben füge sich nach dem Maß der baulichen Nutzung nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein und sei planungsrechtlich unzulässig, da die Grundfläche der geplanten Gemeinschaftsunterkunft beispielsweise 27-mal größer sei als die Grundfläche des Gebäudes R…-Straße 9 und fünfmal größer als das Gebäude mit der größten Grundflächenzahl in der näheren Umgebung (B-straße 24). Auch hinsichtlich der Freiflächen füge sich das geplante Gebäude nicht in die nähere Umgebung ein, da das streitgegenständliche Grundstück nach Umsetzung des Bauvorhabens eine Grundflächenzahl von 0,59 aufweisen würde, während die umliegenden Grundstücke nur Grundflächenzahlen zwischen 0,10 und 0,38 besäßen (R-Straße 1 bis 13). Nur wenige, allerdings nicht repräsentative Grundstücke hätten eine Grundflächenzahl zwischen 0,29 und 0,56 (B-straße 20, 20a, 22 und 24). Die geplante Belegung der Gemeinschaftsunterkunft sei mit dem bestehenden Gebietscharakter eines Mischgebiets nicht zu vereinbaren, da die Nutzungsart „Wohnen“ gegenüber der Nutzungsart „nicht störendes Gewerbe“ ein deutliches Übergewicht erlangen würde. Außerdem sei die Belegung mit 231 bzw. 185 Personen absolut unverhältnismäßig in Bezug auf die nähere Umgebung und verstoße gegen das planungsrechtliche Rücksichtnahmegebot.
Der Stadtrat der Antragstellerin fasste in seiner Sitzung vom 26.10.2015 den Beschluss, für die Grundstücke Fl.Nrn. …4/3, ##5/9 Teilfläche, …5/24 Teilfläche, …5/36 und …5/38 der Gemarkung … einen Bebauungsplan für ein „Sondergebiet Wohnmobilstellplätze/Camping“ aufzustellen. Die bisher bestehenden Wohnmobilstellplätze am V-platz seien nicht ausreichend, außerdem sei das Gelände zentrumsnah gelegen und leicht zu finden. Die Reisenden könnten das Informationszentrum am Bahnhof nutzen und auch ein Stellplatz für ein Elektroauto sei vorhanden. Erforderliche Infrastruktureinrichtungen könnten schließlich ohne großen Aufwand geschaffen werden. Dieser Beschluss wurde am 05.11.2015 öffentlich bekanntgemacht.
Die Antragstellerin beantragte mit Schreiben vom 27.10.2015 und 28.10.2015 beim Landratsamt … die Aussetzung der Entscheidung über die von der Beigeladenen begehrte Baugenehmigung für einen Zeitraum von zwölf Monaten. Das Landratsamt … lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 30.12.2015 ab, der der Antragstellerin am 14.01.2016 zuging. Die Planung der Antragstellerin könne aufgrund fehlender Grundstücksverfügbarkeit über einen Zeitraum von mindestens zwölf Jahren nicht verwirklicht werden und erfülle damit nicht die Voraussetzungen einer Planung im Sinne des § 14 Abs. 1 BauGB, denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts liege ein unverhältnismäßiger und verfassungswidriger Eingriff in das Eigentumsgrundrecht vor, wenn eine hinreichend konkrete Verwirklichungsperspektive für die geplante Bauleitplanung fehle. Das geplante Sondergebiet sei demnach als unzulässige Vorratsplanung zu bewerten.
Daraufhin hat die Antragstellerin am 10.02.2016 Klage gegen diesen Bescheid erhoben (RN 6 K 16.207) und am 04.05.2016 den Erlass einer einstweiligen Anordnung zur vorläufigen Zurückstellung des Antrags der Beigeladenen auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung beantragt.
Die Antragstellerin trägt vor, dass sich ein derartiger Aussetzungsanspruch aus § 15 Abs. 1 Satz 1 BauGB ergebe und damit ein Anordnungsanspruch im Sinne des § 123 VwGO bestehe. Die Voraussetzungen einer Veränderungssperre nach § 14 Abs. 1 BauGB seien gegeben, da insbesondere der Umstand, dass die Gemeinde mit der Einleitung der Bauleitplanung auf einen konkreten Bauantrag reagiert habe, dem Erlass einer Veränderungssperre nicht entgegenstehe. Eine Gemeinde könne eine Veränderungssperre nämlich auch nur auf ein einzelnes Grundstück beschränken, um gezielt eine die zukünftige Planung beeinträchtigende Bebauung zu verhindern. Zudem könne die gemeindliche Planung trotz des derzeit bestehenden Erbbaurechts zukünftig auch verwirklicht werden. Entscheidend sei, dass nicht eine einmalige Verlängerungsoption um 30 Jahre, sondern vielmehr die Möglichkeit der dreimaligen Verlängerung um jeweils zehn Jahre vereinbart worden sei, so dass nicht automatisch von einer Erbbauberechtigung für weitere 30 Jahre ausgegangen werden könne. Vor dem Hintergrund der derzeitigen Entwicklung der Asylbewerberzahlen sei fraglich, ob in sieben Jahren überhaupt noch ein Bedarf für eine Asylbewerberunterkunft bestehe und das Erbbaurecht verlängert werde. Selbst wenn der Bedarf noch immer bestünde, käme aus Gründen der kaufmännischen Vorsicht nur eine Verlängerung um zehn Jahre in Betracht. Außerdem stehe schon heute zunehmend die der Erstaufnahme nachfolgende integrative Unterbringung im Vordergrund, so dass es sehr wahrscheinlich sei, dass der auf zwölf Jahre abgeschlossene Mietvertrag mit dem Antragsgegner vorzeitig beendet bzw. nicht verlängert werde. Weiterhin spreche für die Umsetzbarkeit der gemeindlichen Planung, dass die ebenfalls von der Planung erfassten Grundstücke mit den Fl.Nrn. …5/9 (Teilfläche), …5/24 (Teilfläche), …5/36 und …5/38 im Eigentum der Antragstellerin stünden. Schließlich bestehe neben dem Anordnungsanspruch auch ein Anordnungsgrund, da durch die Entscheidung über den Bauantrag vollendete Tatsachen geschaffen würden und damit der Anspruch der Antragstellerin aus § 15 Abs. 1 Satz 1 BauGB vereitelt würde.
Die Antragstellerin beantragt nach Antragserweiterung vom 06.05.2016 zuletzt,
dem Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufzugeben, es bei Vermeidung eines Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00 bis zur rechtskräftigen Entscheidung in dem beim Bayerischen Verwaltungsgericht Regensburg anhängigen Hauptsacheverfahren Az. RN 6 K 16.207 zu unterlassen, über das Baugesuch zum Bauvorhaben Nutzungsänderung und Erweiterung Lebensmittelmarkt zur Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber in 1…, B-straße 22 a der B. GmbH, …, … vom 14.08.2015 zu entscheiden, die Baugenehmigung der Firma B… GmbH und Dritten zuzustellen und die Baugenehmigung öffentlich bekannt zu machen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er trägt vor, dass die Antragstellerin ihre Planung über einen Zeitraum von mindestens zwölf Jahren und voraussichtlich auch in den folgenden Jahren nicht werde realisieren können und es daher aufgrund eines Verstoßes gegen das Erforderlichkeitsgebot an dem notwendigen Sicherungsbedürfnis fehle. Der Mietvertrag zwischen der Beigeladenen und dem Antragsgegner habe eine Laufzeit von zwölf Jahren und das noch für sieben Jahre bestehende Erbbaurecht besitze eine Verlängerungsoption für insgesamt weitere 30 Jahre. Die weitere Entwicklung des Flüchtlingsstroms nach Deutschland sei nicht vorhersehbar und daher rein spekulativ, so dass auch über eine vorzeitige Beendigung dieses Mietverhältnisses keine Aussage getroffen werden könne. Der Antragsgegner vertritt im Zuge seiner Ausführungen schließlich auch die Auffassung, dass das Bauvorhaben der Beigeladenen bauplanungsrechtlich zulässig sei und daher eine Baugenehmigung nach Art. 68 BayBO erteilt werden müsse.
Die mit gerichtlichem Beschluss vom 04.05.2016 Beigeladene trägt vor, dass sie das Erbbaurecht, das noch für insgesamt 37 Jahre bestehe, in Anspruch nehmen werde und nicht beabsichtige, der Antragstellerin die streitgegenständliche Grundstücksfläche für ihre Planung zur Verfügung zu stellen.
Durch Beschluss vom 10.05.2016 hat das Verwaltungsgericht Regensburg auf Antrag der Antragstellerin dem Antragsgegner im Wege der Zwischenverfügung aufgegeben, es bis zur Entscheidung im vorläufigen Anordnungsverfahren zu unterlassen, über den Bauantrag der Beigeladenen vom 14.08.2015 zu entscheiden.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf die wechselseitig ausgetauschten Schriftsätze in beiden Verfahren und die vorgelegten Unterlagen Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist zulässig, da insbesondere die spätere Möglichkeit der Anfechtungsklage gegen eine zukünftige Baugenehmigung nicht dazu führt, dass eine Gemeinde, die ihr Einvernehmen versagt hat, ihr Recht auf einen Zurückstellungsantrag nach § 15 BauGB verliert. Diese Grundsätze gelten auch für das Verfahren im vorläufigen Rechtsschutz (BayVGH, B. v. 08.12.2011, Az. 9 CE 11.2527).
In der Sache hat der Antrag allerdings keinen Erfolg.
Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO insbesondere auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern. Der Antragsteller hat gemäß § 123 Abs. 3 VwGO in entsprechender Anwendung von § 920 Abs. 2 ZPO sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft zu machen.
Ein Anordnungsanspruch ist nur dann gegeben, wenn für das Hauptsacheverfahren bei summarischer Prüfung überwiegende Erfolgsaussichten bestehen. Maßgeblich ist für diese Bewertung des Hauptsacheverfahrens die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts. Im vorliegenden Fall fehlt es an einem Anordnungsanspruch, da die Antragstellerin nicht mit der im Rahmen der Glaubhaftmachung erforderlichen Wahrscheinlichkeit darlegen kann, dass sie voraussichtlich einen Anspruch auf Zurückstellung des Baugesuchs der Beigeladenen besitzt.
Eine Gemeinde hat gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 BauGB für den Fall, dass eine Veränderungssperre nach § 14 BauGB nicht beschlossen wird, obwohl die Voraussetzungen gegeben sind, einen Anspruch auf Aussetzung der Entscheidung über einen Bauantrag für einen Zeitraum bis zu zwölf Monaten, wenn zu befürchten ist, dass die Durchführung der Planung durch das Vorhaben unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert werden würde. Der Erlass einer Veränderungssperre gemäß § 14 Abs. 1 BauGB setzt voraus, dass bereits ein gemeindlicher Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplans gefasst worden ist und eine Veränderungssperre für den künftigen Planbereich zur Sicherung der Planung erforderlich ist. Ein Sicherungsbedürfnis besteht dabei nur dann, wenn die Planung der Gemeinde hinreichend konkretisiert ist und in rechtmäßiger Weise realisiert werden kann.
Insbesondere hat die gemeindliche Planung den Anforderungen des bauplanungsrechtlichen Erforderlichkeitsgebots nach § 1 Abs. 3 BauGB zu entsprechen, das auch im Falle einer reinen Verhinderungsplanung verletzt ist. Zwar kann eine Gemeinde eine Veränderungssperre nur auf ein einzelnes Grundstück beschränken und auch gezielt auf einen konkreten Bauantrag reagieren; allerdings handelt es sich um eine unzulässige Verhinderungsplanung, wenn die gemeindliche Planungsabsicht nur vorgeschoben ist, um ein konkretes Baugesuch zu verhindern (BVerwG, B. v. 18.12.1990, Az. 4 NB 8.90). Zudem sind planerische Regelungen angesichts des verfassungsrechtlichen Schutzes des Eigentums als Inhalts- und Schrankenbestimmungen nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG auch dann nicht erforderlich, wenn keine hinreichend konkrete Verwirklichungsperspektive besteht (BayVGH, U. v. 25.10.2005, Az. 25 N 04.642). Es ist einer Gemeinde zwar grundsätzlich möglich, im Vorgriff auf zukünftige Entwicklungen und Bedarfslagen planerisch tätig zu werden, wenn mit einem bestimmten Verlauf bereits in einem absehbaren Zeitraum gerechnet werden kann (BVerwG, B. v. 08.09.1999, Az. 4 BN 14/99). Unzulässig ist ein Bebauungsplan aber dann, wenn er aus zwingenden rechtlichen oder auch aus tatsächlichen Gründen auf unabsehbare Zeit nicht verwirklicht werden kann (BVerwG, B. v. 08.09.1999, Az. 4 BN 14/99; BVerwG, U. v. 18.03.2004, Az. 4 CN 4/03). Hinsichtlich eines planfeststellungsersetzenden Bebauungsplans, der eine Landstraßentrasse festsetzt, hat das Bundesverwaltungsgericht beispielsweise einen Verstoß gegen das Erforderlichkeitsgebot nach § 1 Abs. 3 BauGB angenommen, wenn die Verwirklichung des Vorhabens innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren ab Inkrafttreten des Plans ausgeschlossen erscheint (BVerwG, U. v. 18.03.2004, Az. 4 CN 4/03).
Im vorliegenden Fall erschöpft sich die Planung der Antragstellerin nach vorläufiger Einschätzung des Gerichts in einer reinen Verhinderungsplanung, da es ihr primär nicht an einer positiven Planung gelegen ist, sondern vielmehr allein die Abwehr des geplanten Bauvorhabens der Beigeladenen im Vordergrund steht. Dafür spricht zunächst, dass sich der überplante Bereich vorrangig auf das streitgegenständliche Baugrundstück bzw. dessen nähere Umgebung beschränkt. Im Übrigen wurden von der Antragstellerin neben dem streitgegenständlichen Grundstück allein Flächen überplant, die in ihrem Eigentum stehen, was den Anschein einer Verhinderungsplanung bekräftigt (zum Indizcharakter der Einbeziehung von gemeindeeigenen Grundstücken in eine Veränderungssperre: BayVGH, U. v. 03.11.2015, Az. 2 N 14.2790).
Außerdem fehlt es hinsichtlich der gemeindlichen Planung der Antragstellerin an einer hinreichenden Verwirklichungsperspektive und damit an deren Erforderlichkeit gemäß § 1 Abs. 3 BauGB, was darüber hinaus wiederum auch Indiz dafür ist, dass die Planung nur vorgeschoben ist, um das konkrete Bauvorhaben der Beigeladenen zu verhindern. Es ist nicht ersichtlich, dass das vom Sondergebiet umfasste Gebiet tatsächlich in absehbarer Zeit als Camping-Bereich bzw. Bereich für Wohnmobilstellplätze genutzt werden kann. Denn das streitgegenständliche Grundstück wird für die Planung der Antragstellerin nicht auf absehbare Zeit zur Verfügung stehen, da die Beigeladene an diesem Grundstück ein Erbbaurecht besitzt, das im Jahr 1987 begründet wurde und derzeit noch eine Laufzeit von sieben Jahren aufweist. Darüber hinaus wurde der Beigeladenen vertraglich die Option eingeräumt, auf ihr Verlangen insgesamt dreimal das Erbbaurecht nach dem vertragsmäßigen Ablauf für weitere zehn Jahre zu verlängern. Hinzu kommt, dass die Beigeladene nicht die Absicht hat, ihr Erbbaurecht an die Gemeinde zu übertragen, sondern dieses selbst für die mögliche Gesamtlaufzeit nutzen möchte. Im für die Gemeinde denkbar schlechtesten Fall wird die Beigeladene ihr Erbbaurecht also noch für weitere 37 Jahre innehaben und nicht entsprechend der gemeindlichen Planung nutzen. Aber auch bei einer der Antragstellerin entgegenkommenden Betrachtung ist für einen Zeitraum von zumindest 17 Jahren davon auszugehen, dass das streitgegenständliche Grundstück nicht verfügbar sein wird. Dafür, dass das Erbbaurecht unabhängig von seiner möglichen Maximallaufzeit entsprechend der Grundsätze kaufmännischer Vorsicht zumindest ein einziges Mal um zehn Jahre verlängert wird, spricht jedenfalls der Umstand, dass die Beigeladene mit dem Antragsgegner einen Mietvertrag über die Asylbewerberunterkunft für zwölf Jahre ab Übergabe geschlossen hat. Die von der Antragstellerin vorgebrachte Argumentation, dass die Flüchtlingszahlen nachlassen würden bzw. zukünftig kein Bedarf für Erstaufnahmeeinrichtungen mehr bestünde, ist reine Spekulation und kann daher nicht Anknüpfungspunkt für eine Beurteilung der Realisierbarkeit der vorliegenden Planung sein. Selbst wenn man die Prognose der Antragstellerin hinsichtlich der Flüchtlingszahlen als zutreffend einschätzen würde, müsste daraus schließlich nicht zwingend der Schluss gezogen werden, dass die Beigeladene eine anderweitige Nutzung für sich nicht in Betracht zöge, sondern das Grundstück umgehend als Fläche für Camping bzw. Wohnmobilstellplätze zur Verfügung stellen würde. An der fehlenden Realisierbarkeit der gemeindlichen Planung ändert auch der Umstand nichts, dass die weiteren überplanten Grundstücke mit den Fl.Nrn. …5/9 (Teilfläche), …5/24 (Teilfläche), …5/36 und …5/38 im Eigentum der Antragstellerin stehen, da das streitgegenständliche Grundstück aufgrund seiner Größe den Kern der gemeindlichen Planung bildet.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Ein Kostenausspruch zugunsten der Beigeladenen war nicht veranlasst, da sie keinen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung der Nrn. 1.5 und 9.10 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.


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