Erbrecht

Bemessung der Jahresgebühr für Dauerbetreuung

Aktenzeichen  13 T 6648/18

Datum:
24.9.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 49995
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 133, § 2084, § 2216 Abs. 2

 

Leitsatz

Der Gesichtspunkt, dass ein Vermögensbestandteil nicht verwertbar ist, sagt grundsätzlich nichts darüber aus, ob dieser der Verwaltung des Betreuers unterliegt. Soweit ein nicht verwertbarer Vermögensgegenstand der Vermögenssorge eines Betreuers unmittelbar unterliegt, rechtfertigt dies den entsprechenden Wert bei der Festsetzung der Jahresgebühr für Dauerbetreuung anzusetzen. Denn unabhängig von einer Verwertung hat der Betreuer sich um den Erhalt des Vermögensgegenstandes zu bemühen.  (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1.)
Auf die Beschwerde der Erben der Betroffenen wird die Kostenrechnung des Amtsgerichts München vom 23.6.2017 abgeändert:
Die Kostenrechnung wird aufgehoben.
2.)
Die weitere Beschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.
1. Aus dem Vermerk der Rechtspflegerin vom 21.11.2016 ergibt sich zum 31.12.2015 ein Vermögen der Betreuten in Höhe von EUR 424.459,51.
2. Am 20.04.2014 ist die Mutter der Betroffenen verstorben. Die Betroffene hat gemäß dem Testament EUR 400.000,00 als Vorerbin geerbt. Aus der Niederschrift der Testamentseröffnung vom 08.07.2014 ergibt sich, dass die Betroffene als nicht befreite Vorerbin EUR 400.000,00 erhält und insoweit auf Dauer Testamentsvollstreckung angeordnet wurde. Nach dem Testament von Juli 1995 „Fonds für …“ darf der Verwalter „die Erträgnisse dieses Geldes gegebenenfalls auch dem Stamm nach freien Ermessen zum Wohle meiner Tochter … einsetzen. Hieraus ist jedoch kein unmittelbarer Anspruch … ableitbar. Insbesondere entfallen etwaige Zahlungsverpflichtungen, soweit sie nur den Wegfall staatlicher Leistungen zur Folge hätten.“ Nach dem Testament vom 10.08.1995 hat der Testamentsvollstrecker die Erträgnisse des Erbteils dazu zu verwenden, dass … bestmöglich versorgt wird, d.h., Vorrang das damit Extraleistungen finanziert werden, z.B. Ferienreisen, Ferienaufenthalte, Geschenke zu Geburts- und Feiertagen. Der Testamentsvollstrecker soll dabei nach eigenem pflichtgemäßem, jedoch völlig freiem Ermessen handeln. Mit Nachtrag vom 12.01.2012 bestimmte die Erblasserin weiter: „Das Geld soll wie unter Fonds … bestimmt verwaltet werden.“
Im Testament wurde Frau … als Testamentsvollstreckerin bestimmt.
Im Beschluss vom 28.06.2016 (13 T 7952/16) führt die Kammer zum hier zugrundeliegenden Testament aus:
Die durch ein Behindertentestament angeordnete Vorerbschaft bei gleichzeitiger Anordnung der Testamentsvollstreckung führt zwar zu einer Einschränkung der Verfügungsbefugnis des Erben gemäß § 2211 BGB. Allerdings hat die Betroffene als Erbin einen durchsetzbaren Anspruch darauf, dass der Testamentsvollstrecker die vom Erblasser getroffenen Verwaltungsanordnungen i.S.d. § 2216 Abs. 2 BGB umsetzt. Für die Feststellung des Erblasserwillens gelten die allgemeinen Auslegungsregeln der §§ 133, 2084 BGB. Hiernach ist der wirkliche Wille des Erblassers zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Die Auslegung der von der Erblasserin getroffenen Regelungen ergibt hier für die Testamentsvollstreckung, das nach dem Willen der Erblasserin der Verwalter die Erträgnisse des Geldes und „gegebenenfalls auch den Stamm“ zum Wohl der Betroffenen einsetzt (Testament Juli 1995) und dass die Betroffene „bestmöglich versorgt wird“. Das Testament von Juli 1995 sieht ausdrücklich vor, dass nach freiem Ermessen des Testamentsvollstreckers auch die Substanz des Nachlassvermögens den „Stamm“ zugriffen werden kann. Die Änderung des Testaments vom 12.01.2012, wonach die „Erträgnisse des Erbteils“ für die bestmögliche Versorgung der Betroffenen verwendet werden sollen, nehmen Bezug auf die vorherige Bestimmung vom Juli 1995 („Das Geld soll wie unter Fonds … bestimmt verwaltet werden“). Durch diese Bezugnahme ist der Zugriff des Testamentsvollstreckers nicht auf die „Erträgnisse“ beschränkt, sondern gegebenenfalls darf der Verwalter „auch den Stamm“ des Geldes nach freiem Ermessen zum Wohl der Betroffenen einsetzen. Die weitere bestmögliche Versorgung wurde daher mit dem Testament sichergestellt. Dass der Vorerbe aufgrund der Testamentsvollstreckung keine eigene Verfügungsmöglichkeit auf den Vermögensstamm hat, liegt in der Rechtsstatur des Behindertentestaments.
II.
1. Mit der Jahresrechnung vom 26.04.2017 erhob das Amtsgericht München (Nacherhebung) Jahresgebühr für Dauerbetreuung 2016 11101 KV GNotKG aus einem Wert von EUR 399.459,51 in Höhe von EUR 800,00 sowie Jahresgebühr für Dauerbetreuung 2017 KV GNotKG 11101 aus einem Wert von EUR 375.731,00 mit einem Betrag von EUR 760,00. Weiter worden zwölf Auslagenpauschalen für Zustellungen gem. KV GNotKG 31002, insgesamt EUR 42,00 erhoben. (Aufgrund Beschlusses der Rechtspflegerin vom 20.09.2017 sind die Verfahrenspflegerkosten nicht mehr Gegenstand der Kostenrechnung).
2. Im Übrigen wurde der Erinnerung gegen die Kostenrechnung mit Beschluss der Rechtspflegerin vom 20.09.2017 nicht abgeholfen.
Mit Beschluss der Richterin vom 14.11.2017 wurde die Erinnerung zurückgewiesen; auf den Beschluss (446/450) wird Bezug genommen.
Der hiergegen eingelegten Beschwerde half das Amtsgericht München nicht ab.
3. Mit Schreiben vom 25.07.2018 legte der Bevollmächtigte … dar, dass die Betroffene von ihren Geschwistern beerbt wurde.
Mit Schreiben vom 06.08.2018 übermittelt … deren Vollmachten.
4. Zum 27.08.2018 teilt … mit:
Wie bereits dargelegt, hat … kein weiteres Vermögen. Das Pflegegeld ist für die unmittelbar mit der Pflege zusammenhängenden Ausgaben bestimmt und dementsprechend schon früher meiner Mutter und nach ihrem Tod meinem Bruder direkt überwiesen und bestimmungsgemäß ausgegeben wurden.
Bis 2016 wurden EUR 728,00, dann EUR 901,00 monatlich überwiesen. Einkommen ist das nach dem Pflegegesetz nicht und Vermögen wurde damit auch nicht gebildet. Der sonstige Nachlass ist ohne Wert, da er lediglich aus persönlicher Wäsche und einige behindertengerechten Spielsache bestand.
III.
Die zulässige Beschwerde erweist sich in der Sache als überwiegend begründet. Die Beschwerde ist zulässig; sie wurde nunmehr von den Erben der Betroffenen als deren Rechtsnachfolger eingelegt. Jedenfalls haben die Miterben mit Schreiben vom 4.8.2018 die Beschwerdeeinlegung durch … genehmigt.
1. Die Kammer hält grundsätzlich an der allgemein vertretenen Auffassung fest, dass bei der Bemessung der Jahresgebühr grundsätzlich nicht darauf abzustellen ist, ob Vermögen verwertbar ist oder nicht.
2. Allerdings sind darüber hinaus die verfassungsrechtlichen Vorgaben, wie sie vom Ersten Senat des Bundesverfassungsgerichts im Beschluss vom 23.05.2006, 1 BvR 1484/99 entwickelt wurden, zu berücksichtigen.
Ausdruck dieses Grundsatzes ist auch die Regelung in KV GNotKG Nr. 11101 Abs. 1 Satz 2:
Ist Gegenstand der Betreuung ein Teil des Vermögens, ist höchstens dieser Teil des Vermögens zu berücksichtigen.
Dies ist eindeutig, wenn bei der Bestellung eines Betreuers von den angeordneten Aufgabenkreis der Wahrnehmung der Vermögenssorge ein Teilbereich ausdrücklich ausgenommen wird (OLG Hamm, Beschluss vom 30.09.2014, 15 W 252/14).
Das Vermögen des Betroffenen wird auch sonst nur insoweit der Bewertung zugrunde gelegt, als es Gegenstand der Betreuung ist. Die Beschränkung kann sich aus „den Verhältnissen“ oder dem Aufgabenkreis, also dem Gegenstand ergeben (Korintenberg/Fackelmann, GNotKG, 20. Auflage, Nr. 11101 Rdnr. 37; Korintenberg-Lappe, Kostenordnung, 17. Aufl., § 92, Rdnr. 60).
Wie oben (I.2.) dargelegt, ergibt sich aus der Rechtslage hinsichtlich der hier angeordneten Testamentsvollstreckung, dass der Betreuer in gesetzlicher Vertretung der Betroffenen zwar deren Kontrollrechte gegenüber dem Testamentsvollstrecker ausüben kann, ihm indes ein unmittelbarer Zugriff auf die Verwaltung des der Testamentsvollstreckung unterliegenden Vermögens versagt ist. Insoweit ergibt sich aus den rechtlichen Umständen, dass die Vermögenssorge auf den nicht der Testamentsvollstreckung unterliegenden Teil des Vermögens der Betroffenen beschränkt ist.
Dieser Gesichtspunkt wurde von der Kammer in der Entscheidung vom 19.01.2017 (13 T 21992/16) nicht gesehen.
Der Gesichtspunkt, dass ein Vermögensbestandteil nicht verwertbar ist, sagt grundsätzlich nichts darüber aus, ob dieser der Verwaltung des Betreuers unterliegt. Insoweit handelt es sich um zwei distinkte Kategorien. Soweit ein schwer oder derzeit nicht verwertbarer Vermögensgegenstand grundsätzlich der Vermögenssorge eines Betreuers unmittelbar unterliegt, rechtfertigt dies nach den Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts den entsprechenden Wert anzusetzen. Denn unabhängig von einer Verwertung hat der Betreuer sich um den Erhalt des Vermögensgegenstandes zu bemühen. Diese Tätigkeiten sind vom Betreuungsgericht zu überwachen.
Wenn demgegenüber ein Vermögensgegenstand nicht dem unmittelbaren Zugriff des Betreuers unterliegt, beschränkt sich dessen Tätigkeit auf die Kontrolle des Testamentsvollstreckers oder Bevollmächtigten. Insoweit ist auch die Überwachungstätigkeit des Betreuungsgerichts darauf reduziert, ob dieser Kontrolltätigkeit nachgekommen wird.
Soweit ein Wertungswiderspruch darin gesehen werden mag, dass im Rahmen von KV GNotKG Nr. 11102, also wenn sich die Betreuung überhaupt nicht auf das Vermögen der Betreuten bezöge, das gesamte – auch nicht verfügbare – Vermögen zur Bewertung heranzuziehen wäre, was ggf. zum Ansatz der Höchstgebühr von € 300,00 führen könnte, rechtfertigt dies keine andere Entscheidung.
Denn eine solche Entscheidung würde an den eindeutigen Vorgaben der KV GNotKG Nrn. 11101 und 11102 vorbeigehen:
Die beiden Gebührentatbestände stehen zueinander in einem Ausschließlichkeitsverhältnis (wenn nicht Nr. 11102 anzuwenden ist). Der von KV GNotKG Nr. 11102 ggf. abweichende Bewertungsansatz ist in KV GNotKG Nr. 11101 Abs. 1 S. 2 ausdrücklich vorgegeben, Dieser rechtfertigt sich durch den grundsätzlich abweichenden Aufwand des Betreuungsgerichts, wenn es nur die Kontrolltätigkeit, nicht jedoch die Vermögensverwaltung selbst zu überwachen hat. Insbesondere die aufwändige Überprüfung der Einzelheiten der periodischen Abrechnungen entfällt. Der Betreuer, der den Testamentsvollstrecker überwacht oder der Kontrollbetreuer mag zur Prüfung der Belege verpflichtet sein. Dem Betreuungsgericht berichtet er jedoch nur das Ergebnis dieser Prüfung.
Schon diese klaren gesetzlichen Vorgaben und Entscheidungen stehen der Möglichkeit entgegen, eine denkbare Ungleichbehandlung zu Lasten des Vermögens der Betreuten (bzw. der Erben) durch eine entsprechende Anwendung der KV GNotKG Nr. 11102 zu korrigieren.
Im übrigen ist darauf hinzuweisen, dass eine angenommene Ungleichbehandlung auch dadurch behoben werden kann, unverfügbares Vermögen im Rahmen von KV GNotKG Nr. 11102 nicht heranzuziehen. Jedenfalls muss eine Lösung eines angenommenen Wertungswiderspruchs dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben.
Schließlich sind die Beschwerdeführer durch eine angenommenen Ungleichbehandlung keinesfalls beschwert.
3. Da das der Berechnung zugrunde zu legende Vermögen der Betroffenen in den Abrechnungszeiträumen damit nicht EUR 25.000,00 überschritt, sind Gebühren nicht zu erheben.
4. Gemäß Vorbem. GNotKG 3.1 Abs. 1 S. 1 werden die Auslagen gemäß Nr. 31002 hier nicht erhoben.


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