Erbrecht

Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i. H. v. 105% des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Aktenzeichen  L 8 SO 294/16

Datum:
25.10.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BtPrax – 2019, 83
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB XII § 74

 

Leitsatz

1. Dem Verpflichteten im Sinne des § 74 SGB XII ist es grundsätzlich zumutbar, vorhandenen Nachlass zur Deckung der Bestattungskosten einzusetzen.
2. Der Nachlass muss dem Verpflichteten jedoch als „bereites Mittel“ zur Deckung der Bestattungskosten zur Verfügung stehen. Die Veräußerung des Nachlasses in Form eines Miteigentumsanteils an einer (bereits vor dem Erbfall im Miteigentum des Verpflichteten stehenden) selbst bewohnten Eigentumswohnung zur Deckung der Bestattungskosten kann dem Hilfeempfänger nach dem SGB II nicht zugemutet werden.
3. Der Verpflichtete muss sich dann bei auch fehlender Möglichkeit der Beleihung einer Eigentumswohnung zur Deckung der Bestattungskosten nicht auf ein Darlehen des Sozialhilfeträgers gegen dingliche Sicherung durch die Eigentumswohnung verweisen lassen.
4. Es würde einen Wertungswiderspruch darstellen, wenn der Verpflichtete den erworbenen Miteigentumsanteil mangels „bereiter Mittel“ nicht einsetzen muss, um selbst Leistungen nach dem SGB II zu erhalten, von ihm im Rahmen des § 74 SGB XII aber verlangt würde, diesen Nachlassgegenstand zur Deckung der Bestattungskosten einzusetzen.

Verfahrensgang

S 42 SO 737/14 2016-10-31 Urt SGMUENCHEN SG München

Tenor

I. Das Urteil des Sozialgerichts München vom 31. Oktober 2016 sowie der Bescheid des Beklagten vom 22. September 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Dezember 2014 werden aufgehoben und der Beklagte verurteilt, den Bescheid vom 4. März 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juli 2014 zurückzunehmen und offene Bestattungskosten in Höhe von 885,04 Euro zu übernehmen.
II. Der Beklagte hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist auch in der Sache begründet.
A.
Die nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung wurde form- und fristgerecht eingelegt (§ 151 SGG). Die Berufung ist nicht ausgeschlossen, da streitig offene Bestattungskosten in Höhe von 885,04 Euro sind, so dass der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG von 750,- Euro überschritten ist.
B.
Die zulässige Berufung führt auch in der Sache zum Erfolg. Das Urteil des SG vom 31.10.2016 sowie der Bescheid des Beklagten vom 22.09.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.12.2014 sind aufzuheben und der Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 04.03.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.07.2014 zurückzunehmen und offene Bestattungskosten in Höhe von 885,04 Euro zu übernehmen.
Die Klage ist – wie das SG zu Recht ausführt – als kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage zulässig, da bei Erlass eines sog. negativen Zugunstenbescheides nach § 44 SGB X nicht unmittelbar ohne Verpflichtungsantrag auf die Leistung geklagt werden kann. § 44 SGB X lässt sich nicht entnehmen, dass die gesetzlich vorgesehene und vom Beklagten zu treffende Rücknahmeentscheidung durch das Gericht ersetzt werden darf. Das Gericht hat damit auf die Anfechtungsklage über die Ablehnung des geltend gemachten Anspruchs auf Rücknahme zu entscheiden; auf die damit verbundene Verpflichtungsklage wird die Verpflichtung des Beklagten zur Rücknahme des früheren Verwaltungsaktes und mit der Leistungsklage die Verurteilung des Beklagten zur Gewährung der begehrten Leistung ausgesprochen (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, Kommentar, 12. Aufl. 2017, § 54, Rdnr. 20 c).
Zu Unrecht hat das SG allerdings entschieden, dass vorliegend ein Rücknahmetatbestand nach § 44 SGB X nicht gegeben ist. Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, vgl. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X.
Der Beklagte hat mit Bescheid vom 04.03.2014 zu Unrecht die Übernahme der noch offenen Bestattungskosten abgelehnt. Der Kläger hat einen Anspruch gegen den Beklagten, die geltend gemachten Kosten in Höhe von insgesamt 885,04 Euro zu übernehmen, da ihm der Einsatz des (restlichen) Nachlasses, der nur noch in dem erworbenen Anteil an der von ihm selbst bewohnten Wohnung bestand, nicht zuzumuten war. Zu den zu übernehmenden Bestattungskosten zählen auch die zusätzlichen Kosten der Mahnung der Landeshauptstadt A. vom 06.05.2013 in Höhe von 8,95 Euro, nicht aber die von der Städtischen Bestattung A-Stadt verauslagten Kosten für zwei weitere Sterbeurkunden in Höhe von 20,- Euro, so dass dem zuletzt gestellten Berufungsantrag des Bevollmächtigten des Klägers auf Kostenübernahme in Höhe von insgesamt 885,04 Euro stattzugeben war.
Nach § 74 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) werden die erforderlichen Kosten einer Bestattung übernommen, soweit den hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen. Der Anspruch auf „Übernahme“ der Bestattungskosten richtet sich dabei auf Zahlung der erforderlichen Bestattungskosten an den Leistungsempfänger, gleich, ob die Forderung des Bestattungsunternehmens bereits beglichen oder aber nur fällig sein sollte. Der Begriff der „Übernahme“ ist nicht im Sinne eines Schuldbeitritts zur Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Bestattungsunternehmen zu verstehen, sondern normiert eine Geldschuld (vgl. BSG, Urteil vom 28.10.2008 – B 8 SO 22/07 R; BSG, Urteil vom 29.09.2009 – B 8 SO 23/08 R; BSG, Urteil vom 25.08.2011 – B 8 SO 20/10 R).
Die sachliche und örtliche Zuständigkeit des Beklagten für die Leistung ergibt sich vorliegend aus §§ 3, 97 Abs. 1, 2, 4, 98 Abs. 3 SGB XII iVm Art. 82 des Gesetzes zur Ausführung des Sozialgesetzbuches (AGSG).
Der Kläger ist Verpflichteter im Sinne des § 74 SGB XII, da er als alleiniger Erbe seiner Mutter nach § 1968 BGB zur Tragung der Beerdigungskosten verpflichtet ist. Personen, die im Leistungsbezug nach dem SGB II stehen, können den Anspruch nach § 74 SGB XII ebenfalls besitzen, da die hier geregelte Hilfe nicht (mehr) zur Hilfe zum Lebensunterhalt zählt und damit § 5 Abs. 2 SGB II keine Sperrwirkung entfaltet (vgl. Grube in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, Kommentar, 6. Aufl. 2018, § 74, Rdnr. 2).
Der Beurteilungsmaßstab dafür, was dem Verpflichteten zugemutet werden kann, ergibt sich insbesondere aus den allgemeinen Grundsätzen des Sozialhilferechts. Da § 74 SGB XII den Anspruch auf Kostenübernahme nicht zwingend an die Bedürftigkeit des Anspruchsinhabers (der Verpflichtete) knüpft, sondern die eigenständige Leistungsvoraussetzung der „Unzumutbarkeit“ verwendet (vgl. auch bereits BVerwG, Beschluss vom 04.02.1999 – 5 B 133/98; BSG, Urteil vom 29.09.2009 – B 8 SO 23/08 R, Rdnr. 19, juris), nimmt § 74 SGB XII im Recht der Sozialhilfe eine Sonderstellung ein. Die Regelung unterscheidet sich von anderen Leistungen des 5. bis 9. Kapitels des SGB XII u.a. dadurch, dass der Bedarf bereits vorzeitig (vor Antragstellung) gedeckt sein kann, eine Notlage, die andere Sozialhilfeansprüche regelmäßig voraussetzen, also nicht mehr gegeben sein muss. Die Verpflichtung des zuständigen Trägers der Sozialhilfe setzt nach § 74 SGB XII nur voraus, dass die (ggf. bereits beglichenen) Kosten „erforderlich“ sind und es dem Verpflichteten nicht „zugemutet“ werden kann, diese Kosten zu tragen, ohne ausdrücklich und ausschließlich auf die Bedürftigkeit abzustellen. Der sozialhilferechtliche Bedarf der Sozialleistung nach § 74 SGB XII ist daher nicht die Bestattung, sondern die Entlastung des Verpflichteten von den Kosten. Damit wird die Verbindlichkeit als solche als sozialhilferechtlicher Bedarf anerkannt (BVerwG, Urteil vom 05.06.1997 – 5 C 13/96). Die Bestattung und die Begleichung der Bestattungsrechnung ohne vorherige Unterrichtung der Sozialhilfebehörde steht dem Anspruch damit nicht entgegen (vgl. Loos, Die Sozialhilfe, der Tod und das Recht, 2004, S. 25 ff). § 18 SGB XII, wonach die Sozialhilfe (erst) einsetzt, sobald dem Träger der Sozialhilfe bekannt wird, dass die Voraussetzungen für die Leistung vorliegen, findet folgerichtig keine Anwendung, soweit hiermit die Forderung verbunden wird, dass Leistungen für die Vergangenheit bei fehlender Kenntnis des Sozialhilfeträgers nicht erbracht werden (vgl. BSG, Urteil vom 29.09.2009 – B 8 SO 23/08 R).
Der Begriff der Zumutbarkeit ist nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls auszulegen; dies entspricht § 9 Abs. 1 SGB XII, wonach sich die Leistungen nach den Besonderheiten des Einzelfalls richten. Eine besondere Bedeutung kommt dabei den wirtschaftlichen Verhältnissen des Verpflichteten zu. Dies ergibt sich aus § 2 iVm § 19 Abs. 3 SGB XII, wonach u.a. Hilfen in anderen Lebenslagen (§§ 70 bis 74 SGB XII) nur geleistet werden, soweit den Leistungsberechtigten die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des 11. Kapitels des SGB XII nicht zugemutet werden kann (Nachranggrundsatz). Ist der Bestattungspflichtige bedürftig, kann ihm die Übernahme der Bestattungskosten nicht zugemutet werden; nur bei fehlender Bedürftigkeit kommen sonstige Zumutbarkeitsgesichtspunkte zum Tragen (vgl. BSG, Urteil vom 25.08.2011 – B 8 SO 20/10 R, Rdnr. 24, juris). Bedürftigkeit bzw. Unzumutbarkeit aus anderen Gründen muss nach Sinn und Zweck des § 74 SGB XII zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Forderung des Bestattungsunternehmens vorliegen, weil der Leistungsfall die Verbindlichkeit und nicht die erforderliche Bestattung selbst ist (vgl. BSG, Urteil vom 29.09.2009 – B 8 SO 23/08 R). Beruht die Unzumutbarkeit allein auf finanziellen Gründen, muss die Bedürftigkeit noch im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung vorliegen, es sei denn, dem Hilfesuchenden war es nicht zuzumuten, diese Entscheidung abzuwarten (vgl. Grube in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, Kommentar, 6. Aufl. 2018, § 74, Rdnr. 54; Greiser/Eicher/Siefert in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 74 SGB, Rdnr. 64).
Zwar ist mit der allgemeinen Meinung in Rechtsprechung und Literatur davon auszugehen, dass – wenn die Erbschaft nicht ausgeschlagen worden ist – vorhandener Nachlass mit seinem vollen, nicht durch Schonbeträge geminderten Wert grundsätzlich stets zur Deckung der Bestattungskosten einzusetzen ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 04.02.1999 – 5 B 133/98, Rdnr. 4, juris zur Vorgängerregelung in § 15 BSHG; H. Schellhorn in: Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, Kommentar, 19. Aufl. 2015, § 74, Rdnr. 11; Grube in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, Kommentar, 6. Aufl. 2018, § 74, Rdnr. 41; Greiser/Eicher/Siefert in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 74 SGB, Rdnr. 63).
Dies gilt vorliegend jedoch nicht für den vom Kläger geerbten Anteil an der von ihm bereits bewohnten, schon zuvor in seinem Miteigentum stehenden Eigentumswohnung. Der Kläger verfügte über keine „bereiten Mittel“ zur Deckung der restlichen Bestattungskosten:
Zwar fällt eine Erbschaft als solche auch nach Auffassung des Senats nicht unter § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII, ist also als solche nicht unter diesem Gesichtspunkt privilegiertes Vermögen. Etwas anderes kann aber für einzelne Gegenstände der Erbschaft (etwa ein nach § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII privilegiertes Hausgrundstück) gelten. Denn wenn Einkommen oder Vermögen im bezeichneten Sinne vorhanden ist, steht es in Höhe des Bestattungsbedarfs nicht für den Lebensunterhalt zur Verfügung; es handelt sich insoweit nicht um „bereite Mittel“, durch deren Einsatz sich der Verpflichtete iSd § 2 Abs. 1 SGB XII selbst helfen könnte (vgl. BSG, Urteil vom 25.08.2011 – B 8 SO 20/10 R, Rdnr. 26, juris; BSG, Urteil vom 29.09.2009 – B 8 SO 23/08 R, Rdnr. 20, juris). Der Kläger hat zwar mit dem Tod seiner Mutter deren hälftigen Anteil an der Eigentumswohnung sowie die Hälfte des Anteils aus der Miterbengemeinschaft mit seiner Mutter im Wege der Gesamtrechtsnachfolge nach § 1922 Abs. 1 BGB in diesem Zeitpunkt wertmäßig hinzuerworben. Ihm ist der Einsatz dieses Nachlasses gleichwohl nicht zuzumuten, da ihm dieser nicht als „bereites Mittel“ zur Deckung der noch offenen Bestattungskosten zur Verfügung stand (vgl. zum Erfordernis der „bereiten Mittel“ hinsichtlich der Zumutbarkeit nach § 74 SGB XII auch den Terminbericht des BSG vom 28.02.2013 zur zurückgenommenen Revision des Beklagten im Verfahren B 8 SO 19/11 R; hierzu ausführlich auch Greiser/Eicher/Siefert in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 74 SGB, Rdnr. 70, 71).
(1) Eine Veräußerung der Wohnung, nur um den noch verbliebenen Betrag der Bestattungskosten in Höhe von rund 900,- Euro zu begleichen, kann dem Kläger (insbesondere mit Blick auf seine persönliche Situation (psychische Beschwerden, langjähriger Leistungsbezug) und den angespannten Wohnungsmarkt in A-Stadt) keinesfalls zugemutet werden. Dies wurde auch vom Beklagten so gesehen.
(2) Der Kläger konnte auch durch „Beleihung“ der Eigentumswohnung kein „bereites Mittel“ aus dem Nachlass machen. Der Senat ist aufgrund seiner gerichtlichen Erfahrungen aus anderen Verfahren davon überzeugt, dass es dem Kläger als – unter Betreuung stehenden und ansonsten einkommens- und vermögenslosen und damit nicht kreditwürdigen – Leistungsempfänger nach dem SGB II und unter Berücksichtigung der ohnehin bereits bestehenden Lasten auf der Eigentumswohnung nicht gelungen wäre, ein weiteres Bankdarlehen aufzunehmen, da er zur Tilgung eines solchen Darlehens nicht in der Lage gewesen wäre. Damit bestand keine andere marktgängige Verwertungsmöglichkeit.
(3) Der Nachlass in Form des hinzuerworbenen Anteils an der Eigentumswohnung wurde auch nicht dadurch zu einem „bereiten Mittel“, dass der Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 09.08.2013 ein Darlehen zur Begleichung der Bestattungskosten gegen dingliche Sicherung durch die bereits eingetragene Grundschuld angeboten hatte. Auf ein solches Darlehen musste sich der Kläger nicht verweisen lassen. Nach der gesetzlichen Wertung in § 91 Satz 1 SGB XII soll die Sozialhilfe als Darlehen geleistet werden, soweit nach § 90 SGB XII für den Bedarf der nachfragenden Person Vermögen einzusetzen ist, jedoch der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung des Vermögens nicht möglich ist oder für die, die es einzusetzen hat, eine Härte bedeuten würde. Eine vergleichbare Vorschrift existiert im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende in § 24 Abs. 5 Satz 1 SGB II. Vorliegend handelte es sich bei dem mit dem Erbfall hinzuerworbenen Anteil an der Eigentumswohnung jedoch nicht um vom Kläger einzusetzendes Vermögen. Als der Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 09.08.2013 ein Darlehen zur Begleichung der Bestattungskosten anbot, stellte die Wohnung für den Kläger als SGB II-Leistungsempfänger geschütztes Vermögen dar (vgl. BSG, Urteil vom 17.02.2015 – B 14 KG 1/14 R, Rdnr. 20, juris), da der sechsmonatige Verteilzeitraum des § 11 Abs. 3 Satz 4 SGB II in der ab 01.04.2011 geltenden Fassung für einmalige Einnahmen abgelaufen war (vgl. BSG, Urteil vom 29.04.2015 – B 14 AS 10/14 R; BSG, Urteil vom 25.01.2012 – B 14 AS 101/11 R, Rdnr. 30, juris). Es kann dahinstehen, ob die Erbschaft nach dem Leistungsrecht des SGB II im Zeitpunkt des Zuflusses als einmaliges Einkommen zunächst auf einen Verteilzeitraum von sechs Monaten zu verteilen gewesen wäre (§ 11 Abs. 3 Satz 4 SGB II). Jedenfalls im Zeitpunkt des Angebotes des Darlehens durch den Beklagten war der sechsmonatige Verteilzeitraum abgelaufen, so dass die Eigentumswohnung zu diesem Zeitpunkt Vermögen des Klägers war. Nach § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II ist ein selbst genutztes Hausgrundstück von angemessener Größe oder eine entsprechende Eigentumswohnung im Rahmen des Leistungsbezuges nach dem SGB II nicht als Vermögen zu berücksichtigen. Zweck dieser Regelung ist der Schutz der Wohnung im Sinne der Erfüllung des Grundbedürfnisses „Wohnen“ und als räumlicher Lebensmittelpunkt (vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006 – B 7b AS 2/05 R). Nach der Rechtsprechung der für das Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate zu § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II ist die angemessene Größe (als alleiniges Angemessenheitskriterium) eines selbst genutzten Hausgrundstücks weiterhin nach den Vorgaben des ab 01.01.2002 außer Kraft getretenen Zweiten Wohnungsbaugesetzes mit einem Grenzwert von 130 qm für einen Vier-Personen-Haushalt zu bestimmen, der sich bei mehr bzw. weniger Personen um je 20 qm pro Person vergrößern bzw. verringern soll, wobei bei einer Belegung einer Wohnung mit bis zwei Personen typisierend von einer Grenze von 80 qm auszugehen ist, so dass eine weitere Reduzierung bei Belegung mit nur einer Person nicht mehr vorgenommen werden soll (vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006 – B 7b AS 2/05 R zu einer Eigentumswohnung; BSG, Urteil vom 19.09.2008 – B 14 AS 54/07 R; Radüge in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 12, Rdnr. 133). Hiernach ist die 65 qm große, vom Kläger genutzte Wohnung als angemessen und zur Zeit des Darlehensangebotes durch den Beklagten als geschütztes Vermögen iSd § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II anzusehen. Damit lagen die Voraussetzungen für ein Darlehen nach § 91 SGB XII nicht vor. Der Beklagte konnte durch das Angebot eines nicht von § 91 SGB XII gedeckten Darlehens nicht aus dem „nicht bereiten“ Mittel Nachlass ein „bereites Mittel“ machen.
(4) Es stellt im Übrigen einen Wertungswiderspruch dar, wenn der Kläger zwar einerseits nach dem Erbfall den erworbenen Miteigentumsanteil mangels „bereiter Mittel“ nicht einsetzen musste, um selbst Leistungen nach dem SGB II zu erhalten, von ihm auf der anderen Seite aber nach § 74 SGB XII verlangt würde, zur Deckung der Bestattungskosten seiner Mutter diesen Nachlasswert einzusetzen (vgl. auch Greiser/Eicher in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 74, Rdnr. 62). So ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass es bei der Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen des Verpflichteten für die Beurteilung der Zumutbarkeit nach § 74 SGB XII keinen Unterschied machen könne, ob Bedürftigkeit nach dem einen oder nach dem anderen Existenzsicherungssystem vorliege (vgl. BSG, Urteil vom 29.09.2009 – B 8 SO 23/08 R, Rdnr. 18, juris). Der Bedürftigkeitsbegriff nach dem SGB II ist damit im Bereich der Sozialhilfe ebenfalls maßgeblich (vgl. Grube in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, Kommentar, 6. Aufl. 2018, § 74, Rdnr. 40). Einem Darlehen des Beklagten durfte der Kläger daher den Vermögensschutz nach § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II entgegenhalten.
Als Rechtsfolge sieht § 74 SGB XII die Übernahme der erforderlichen Bestattungskosten vor. Maßstab für die erforderlichen Beerdigungskosten ist eine einfache, aber würdige Art der Bestattung, die den örtlichen Verhältnissen entspricht (vgl. Berlit in: LPK-SGB XII, 11. Aufl. 2018, § 74, Rdnr. 16; Greiser/Eicher in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 74, Rdnr. 85). Bereits in den Gesetzesmaterialien bei Einführung des BSHG findet sich, dass der Träger die Kosten einer der Würde des Toten entsprechenden Bestattung zu übernehmen habe (vgl. BT-Drs. 3/2673, S. 4). Dabei handelt es sich um weniger als die nach § 1968 BGB geschuldete „standesgemäße“ Beerdigung, aber mehr als das nach dem Ordnungsrecht unbedingt Notwendige (vgl. Grube in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, Kommentar, 6. Aufl. 2018, § 74, Rdnr. 31). Als Maßstab herangezogen werden können dabei die Bezieher unterer bzw. mittlerer Einkommen anhand eines regelmäßig objektiven Maßstabs (vgl. BSG, Urteil vom 25.08.2011 – B 8 SO 20/10 R, Rdnr. 21, juris). Untere Grenze ist dabei das, was nach den Bestattungs- oder Friedhofsvorschriften der Länder bzw. den Satzungen der Gemeinde zwingend vorgegeben ist. Die Erforderlichkeit bezieht sich auf Art und Höhe der Kosten, sie ist gerichtlich voll überprüfbar. Die Verwaltung hat keinen Beurteilungsspielraum (vgl. Greiser/Eicher in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 74, Rdnr. 85). Die Erforderlichkeit der Kosten ist dabei im Einzelnen zu ermitteln und zu beurteilen; dabei ist eine den Individualitätsgrundsatz berücksichtigende Entscheidung zu treffen, § 9 Abs. 1 SGB XII (vgl. BSG, Urteil vom 25.08.2011 – B 8 SO 20/10 R, Rdnr. 18, juris).
Zu übernehmen sind hierbei insbesondere die Kosten der Leichenschau und Leichenbeförderung, die Leichenhausgebühren, die Aufwendungen für Waschen und Kleiden sowie Einsargen der Leiche und für die Sarg- oder Urnenträger, die Einäscherungskosten bei der Feuerbestattung, die Grabgebühren und die Kosten für den Sarg bzw. die Urne (vgl. H. Schellhorn in: Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, Kommentar, 19. Aufl. 2015, § 74, Rdnr. 15). Nach diesen Grundsätzen sind die Leistungen und Auslagen der Städtischen Bestattung (s. Anlage 1 zur Rechnung vom 01.03.2013) in Höhe von 966,- Euro (statt 986,- Euro) zu übernehmen. Hierbei sind auch die verauslagten Kosten jedenfalls für eine Sterbeurkunde in Höhe von 10,- Euro (nicht aber die insgesamt für drei Sterbeurkunden verauslagten Kosten in Höhe von 30,- Euro) als Bestattungskosten iSd § 74 SGB XII zu übernehmen, da ohne die Beurkundung des Sterbefalls eine Bestattung nicht zulässig ist (vgl. Art. 16 des Bayer. Bestattungsgesetzes iVm §§ 16, 17, 20 der Verordnung über die Durchführung des Bestattungsgesetzes). Die Gebühren entsprechend dem Gebührenbescheid der Städtischen Friedhöfe A-Stadt vom 28.02.2013 in Höhe von 1.616,- Euro sind in vollem Umfang als Bestattungskosten anzuerkennen. Die Mutter des Klägers wurde in einem Urnengrab in der 1. Reihe des Friedhofes P. zu Kosten von 69,- Euro pro Jahr (bei einer Mindestlaufzeit von 10 Jahren) bestattet. Ein solches einfaches (Urnen-) Reihengrab ist als sozialhilferechtlich angemessen anzusehen (vgl. H. Schellhorn in: Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, Kommentar, 19. Aufl. 2015, § 74, Rdnr. 15; Grube in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, Kommentar, 6. Aufl. 2018, § 74, Rdnr. 32; LSG Hessen, Beschluss vom 20.03.2008 – L 9 SO 20/08 B ER; LSG NRW, Urteil vom 30.10.2008 – L 9 SO 22/07). Zwar hätte grundsätzlich die Möglichkeit bestanden, eine Grabstätte auszuwählen, die nicht in der 1. Reihe lag. Nach § 4 Abs. 1 Ib) der städtischen Friedhofsgebührensatzung vom 02.07.2008 fallen für Erdgrabstätten in der 2. und folgenden Reihen 35,- Euro Gebühr pro Jahr bei einer Mindestnutzungszeit von 10 Jahren auf dem Friedhof P. (vgl. § 14 Abs. 1 der städtischen Friedhofssatzung) an. Die hat in ihrem Schreiben vom 10.10.2018 aber darauf hingewiesen, dass es sich bei der ausgewählten Grabstätte um die Familiengrabstätte gehandelt habe und die Mutter des Klägers als Inhaberin des Grabnutzungsrechts eingetragen gewesen sei. Zwar richtet sich die Erforderlichkeit der Bestattungskosten grundsätzlich nach einem objektiven Maßstab, wobei Wünsche des Verstorbenen hinsichtlich der Art und des Umfangs des Bestattungsaufwands nur eingeschränkt maßgeblich sind (vgl. Grube in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, Kommentar, 6. Aufl. 2018, § 74, Rdnr. 32). Die Bestattung in einer vorhandenen Familiengrabstätte gehört jedoch zu den angemessenen Wünschen des Leistungsberechtigten und ist nach § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB XII zu berücksichtigen, so dass auch die Kosten der Urnengrabstätte im Familiengrab in der 1. Reihe übernahmefähig sind.
Als erforderliche Bestattungskosten anzuerkennen waren zudem auch die mit der Mahnung der Landeshauptstadt A. vom 06.05.2013 geltend gemachte Mahngebühr in Höhe von 5,- Euro sowie die bezifferten Verzugszinsen (§§ 288, 289 BGB) in Höhe von 3,95 Euro. Nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen war der Kläger zu Begleichung der Rechnung vom 01.03.2013 nicht in der Lage. Sein Betreuer hatte die Mahnung der Landeshauptstadt A. am 10.05.2013 sowie die Mitteilung des Pflegeheimes der Mutter der Klägerin hinsichtlich der bereits beglichenen Kosten auf die Rechnung vom 01.03.2013 nach Aktenlage erst am 14.05.2013 erhalten und den Antrag auf Übernahme der noch offenen Bestattungskosten darauf hin unverzüglich am 15.05.2018 beim Beklagten gestellt, so dass die Mahn- und Zinskosten nicht vermeidbar waren. Abzüglich der bereits beglichenen Bestattungskosten in Höhe von insgesamt 1.705,91 Euro ergibt sich damit ein vom Beklagten noch zu übernehmender Betrag in Höhe von 885,04 Euro.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG sind nicht gegeben.


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