Erbrecht

Erblasser, Hinterlegung, Testament, Erbengemeinschaft, Testamentsvollstrecker, Auslegung, Erledigung, Kennzeichnung, Zuschlag, Testamentsvollstreckung, Honorar, Anlage, Grundbuchamt, Zinsen

Aktenzeichen  18 O 11437/19

Datum:
5.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 39734
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Erbengemeinschaft nach Dr. P. F., verst. Am 03.01.2018, bestehend aus
1. Frau A. F.
2. Frau A. F. und
3. Herrn Dr. O. F.
EUR 88.925,87 Euro nebst fünf Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB hieraus seit dem 26.03.2019 zu bezahlen.
2. Der Beklagte wird verurteilt, den unter Ziff. I genannten Klagebetrag nebst Zinsen bei der Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts München zugunsten der Erbengemeinschaft Dr. P. F. zu hinterlegen und der Erbengemeinschaft nach Dr. P. F. die Hinterlegung des Betrages nachzuweisen.
3. Der Beklagte wird verurteilt, an die Erbengemeinschaft nach Dr. P. F., verst. am … 2018 bestehend aus
4. Frau A. F.
5. Frau A. F. und
6. Herrn Dr. O. F.
vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 2.217,45 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB hieraus seit dem 13.04.2019 zu erstatten.
4. Der Beklagte wird verurteilt, den unter Ziff. III. genannten Klagebetrag nebst Zinsen bei der Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts München zugunsten der Erbengemeinschaft Dr. P. F. zu hinterlegen und der Erbengemeinschaft nach Dr. P. F. die Hinterlegung des Betrages nachzuweisen.
5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
7. Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger 10 % und der Beklagte 90 % zu tragen.
8. Das Urteil ist für die Parteien jeweils gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 98.580,53 € festgesetzt.

Gründe

I. Die zulässige Klage ist teilweise erfolgreich.
1. Der Kläger kann von dem Beklagten die Rückzahlung der zuviel vereinnahmten Testamentsvollstreckervergütung nach §§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 i.V.m. § 2221 BGB verlangen.
a) Der Beklagte war mit privatschriftlicher Verfügung vom 17.11.2017 (Anlage K 1) als Testamentsvollstrecker eingesetzt. Der Klägervortrag, dass der Erblasser die Testamentsvollstreckung vor seinem Tod habe streichen wolle, nur nicht mehr dazu gekommen sei, läuft ins Leere. Eine Streichung ist tatsächlich nicht erfolgt.
b) Nach der privatschriftlichen Verfügung soll die Vergütung nach der Rheinischen Tabelle abgewickelt werden. In der Praxis gibt es die „alte“/„ursprüngliche“ Rheinische Tabelle vom Notariat in Rheinpreußen aus dem Jahre 1925, welche noch in Reichsmark bemessen ist oder die sog. Neue/fortentwickelte „Rheinische Tabelle“ des Deutschen Notarvereins. Die Klausel ist daher auslegungsbedürftig.
Maßgeblich für die Auslegung der testamentarischen Verfügung ist nicht der objektive Empfängerhorizont, sondern allein der Erblasserwille. Ausgangspunkt jeder Auslegung ist zunächst der Wortlaut der Verfügung. Auch wenn an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks nicht zu haften ist und der Tatrichter sich nicht auf die Analyse des Wortlauts beschränken darf (BGHZ 86, 41 (47) = NJW 1983, 672), so ist sie immer der Ausgangspunkt (BayObLG NJW 1993, 256 (257)). Der Wortsinn der benutzten Ausdrücke ist zu hinterfragen (BGH ZEV 2009, 459 (461); FamRZ 1987, 475 (476)). Welcher Wille mit dem vom Erblasser gewählten Worten zum Ausdruck gebracht wurde, hängt zunächst vom Sinn der Worte nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ab (MüKoBGB/Leipold Rn. 9). Da das Wort aus Sicht des Erklärenden auszulegen ist, kann auch ein Wort im üblichen Sprachsinne aus Sicht des Erklärenden einen anderen Sinn haben (z.B. Bezeichnung der Ehefrau als „Mutter“ oder „Mutti“). Der Wortsinn der benutzten Ausdrücke ist unter Heranziehung aller Umstände zu hinterfragen, dahingehend, was der Erblasser mit seinen Worten sagen wollte. Denn der Sprachgebrauch ist nicht immer so exakt, dass der Erklärende mit seinen Worten genau das unmissverständlich wiedergibt, was er eigentlich zum Ausdruck bringen will (BGHZ 121, 357 (363) = NJW 1993, 2168 (2169, 2170); NJW 1993, 256 (257)). Dabei ist allein das subjektive Verständnis des Erblassers hinsichtlich des von ihm verwendeten Begriffs maßgeblich (OLG Brandenburg NJW-RR 2009, 14 f.), Czubayko in: Burandt/Rojahn, Erbrecht, 3. Aufl., § 2084 Rn. 8.
Es kann dahin gestellt bleiben, ob eine Vergütungsberatung durch den Notar G. erfolgt ist, da diese Beratung oder auch ausgesprochene Empfehlung bei Verfassen der testamentarischen Verfügung vom 07.11.2017 eingeflossen sein müsste. Dafür gibt es keine objektiven Erkenntnisse. Solche hätte auch die Zeugin A. F. nicht liefern könne, da sie ausweislich des Beweisthemas nur zu der Vergütungsberatung und dem zeitlich nachfolgendem Abfassen der Verfügung als Zeugin benannt wurde. Die Zeugin musste daher nicht vernommen werden. Es verbleibt daher beim Wortlaut der Verfügung.
Als Rheinische Tabelle wird grundsätzlich nur die alte Rheinische Tabelle bezeichnet. Die neue Rheinische Tabelle wird stets mit dem Zusatz „neu“ oder „fortgeführt“ gekennzeichnet. Eine derartige Kennzeichnung ist vorliegend nicht erfolgt. Dabei ist unschädlich, dass die alte Rheinische Tabelle bis heute in Reichsmark besteht. Eine Umrechnung in Euro ist jederzeit auffindbar. Auch der BGH hat diese Empfehlungen als akzeptable Grundlage bezeichnet mit der Einschränkung, dass jeder von den Einzelfallumständen absehende Schematismus zu vermeiden ist und alle Richtlinien nur als ein Anhalt für Normalfälle herangezogen werden dürfen, Zimmermann in: MueKO, BGB, 8. Aufl., § 2221 Rn. 10, m.w.N.
c) Bei Anwendung dieser Rheinischen Tabelle gilt daher ein Wert von 1 % von dem Bruttonachlass. Der Nachlass beträgt unstreitig mehr als 511.291,88 Euro (1 Mio. RM).
aa) Soweit sich der Beklagte auf Zuschläge wegen einer schwierigen Auseinandersetzung des Nachlasses beruft, folgt ihm das Gericht nicht. Zwar werden auch Zuschlage für die alte Rheinische Tabelle akzeptiert werden, Rainer Lorz in: Christian Klein-Wiele Uricher, Erbrecht, 4. Auflage, § 5 Rn. 263. Solche Zuschläge sollen in Betracht kommen bei aufwändiger Grundtätigkeit, wenn die Konstituierung des Nachlasses gegenüber dem Normalfall einen höheren Aufwand erfordert; Auseinandersetzung des Nachlasses, wenn ein Teilungsplan aufzustellen und zu vollziehen ist oder Vermächtnisse zu erfüllen sind; komplexerer Nachlassverwaltung, wenn sich z.B. Auslands- oder Gesellschaftsvermögen im Nachlass befindet; schwierigen Gestaltungsaufgaben, wenn z.B. unter der Regie des Testamentsvollstreckers Umstrukturierungen und Umschuldungen vorzunehmen sind; Erledigung von Steuerangelegenheiten, wenn diese mehr als die durch den Erbfall entstehenden inländischen (Erbschaft-)Steuern umfassen, Rainer Lorz in: Christian Klein-Wiele Uricher, Erbrecht, 4. Auflage, § 5 Rn. 263. Die vom Beklagten hierfür angeführten Aspekte rechtfertigen nach Überzeugung des Gerichts keinen Zuschlag. Soweit der Beklagte behauptet, dass aufgrund der angespannten Atmosphäre die Auseinandersetzung schwierig gewesen sei, ist dies bereits nicht für einen Zuschlag geeignet. Nachlassaufteilungen unter mehreren Erben werden regelmäßig emotional geführt. Auch die Einbindung von Anwälten ist dabei nicht ungewöhnlich und rechtfertigt nicht per se Zuschläge. Hier hat sich der Beklagte auch teilweise anwaltlich vertreten lassen, insoweit hat er derartige Schwierigkeiten selbst durch Einschaltung eines eigenen Anwalts gelöst. Ein die Zuschläge rechtfertigender Mehrverwaltungsaufwand ist ihm dadurch nicht entstanden. Der Verkauf von Immobilien bzw. die Bereinigung von Grundbucheinträgen durch Löschungsbewilligungen genügt hierfür ebenfalls nicht aus. Die Zugehörigkeit von Immobilien in einen großen Nachlass ist nicht ungewöhnlich. Hier wurden beide Objekte verkauft. Soweit eine Bereinigung von Grundbucheinträgen für die Immobilie in B. notwendig war, rechtfertigt auch dies keinen Zuschlag. Es handelt sich um ein formalistisches Verfahren, der Löschungsbewilligung wird bei Vorlage entsprechender Unterlagen (die vom Grundbuchamt benannt werden) erfolgen. Die Einschaltung eines Anwalts bedarf es nicht, dies kann der Testamentsvollstrecker alleine. Auch die Erstellung einer deutschen Steuererklärung gehört zu den üblichen Aufgaben des Testamentsvollstreckers und rechtfertigt damit keinen Zuschlag. Ein Auslandssachverhalt oder ein minderjähriger Erbe lag hier nicht vor. Insoweit war ein Zuschlag nicht gerechtfertigt.
bb) Nach der Tabelle kommt es für die Vergütungshöhe auf den Bruttonachlasswert an. Dieser bemisst sich nach Anlage K 4 in Höhe von 3.190.175,00 Euro. Soweit die Klageseite den Bruttonachlasswert aufgrund eines geringeren Verkehrswerts der Immobilie G. V. um 450.000,00 Euro infolge eines Sachverständigengutachten (Anlage K 12) kürzen will, folgt ihr das Gericht nicht. Die Immobilie in B. wurde knapp vier Monate nach Versterben des Erblasser für 3,0 Mio. Euro veräußert. Die Rechtsprechung orientiert sich bei der Bewertung solcher Nachlassgegenstände regelmäßig am tatsächlich zeitnah erzielten Verkaufspreis, abzüglich der verkaufsbedingten Kosten, auch wenn er stark von den individuellen Verhältnissen abhängt, Lange, MueKO, BGB, 8. Aufl., § 2311 Rn. 35. Die Einzelrichterin legt daher den erzielten Verkaufspreis auch als geschätzten Wert der Immobilie zugrunde, § 287 ZPO. Der Verkauf der Immobilie erfolgte weniger als ein halbes Jahr. Abzüge sind aufgrund der Lastenfreiheit der Immobilie nicht vorzunehmen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem von Klägerseite vorgelegten Verkehrswertgutachten (Anlage K 12). Ein tatsächlich erzielter Verkaufserlös verdient den Verzug, da dieser den derzeit auf den Markt erzielbaren Wert genauer widerspiegelt als ein Gutachten.
cc) Im Ergebnis bemisst sich daher die Testamentsvollstreckervergütung auf 1 % des Bruttonachlasswertes in Höhe von 3.190.175,00 Euro mithin auf: 31.901,75 Euro.
Soweit der Beklagte hierauf eine Umsatzsteuer geltend macht, ist er darlegungs- und beweisbelastet für den Umstand, dass die Vergütung umsatzsteuerpflichtig ist. Hierauf wurde er in der Verhandlung vom 05.02.2021 hingewiesen. Ausführungen hierzu sind nicht erfolgt. Damit kann er die Zahlung von Umsatzsteuer nicht verlangen.
Im Ergebnis hat damit der Kläger einen Rückzahlungsanspruch von 88.925,87 Euro. Dieser ergibt sich aus der Differenz von 131.667,00 Euro (entnommener Vergütung vom Beklagten) abzgl. Geschuldeter Vergütung von 31.901,75 Euro abzgl. der vom Kläger angeführten Zuschlage Bl. 81, 82 d.A. (409,03 Euro, 1.227,10 Euro, 9.203,25 Euro).
2. Die vorgerichtlichen Anwaltskosten hat der Beklagte als Verzugsschaden nach §§ 280 Abs. 2, 286 BGB zu ersetzen. Der Beklagte befand sich aufgrund der Rückzahlungsaufforderung durch Rechtsanwalt B. (Anlage K 5) in Verzug.
II. Kosten § 92 ZPO; Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO. Der Streitwert bemisst sich am Klageantrag.


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