Erbrecht

Geschäftswert für die Jahresgebühr bei einer Dauerbetreuung im Rahmen eines Behindertentestaments

Aktenzeichen  8 W 55/19

Datum:
9.9.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
FamRZ – 2020, 947
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
GNotKG Nr. 11101 Abs. 1 S. 2
KostO § 92 Abs. 1
BGB § 2209, § 2216

 

Leitsatz

1. Ist einer betreuten Person durch sogenanntes Behindertentestament eine Erbschaft als nicht befreiter Vorerbe bei gleichzeitig angeordneter Dauertestamentsvollstreckung zugefallen, so ist der Nachlass bei der Ermittlung des Reinvermögens als Grundlage der gerichtlichen Jahresgebühr für eine Dauerbetreuung, die unmittelbar das Vermögen oder Teile des Vermögens zum Gegenstand hat, nicht werterhöhend zu berücksichtigen. Gegenstand der Betreuung ist nicht der Nachlass, sondern sind nur die Rechte des Erben gegenüber dem Testamentsvollstrecker (Anschluss an OLG München BeckRS 2019, 183). (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Beschränkung des Gegenstandes der Betreuung auf einen Teil des Vermögens des Betreuten kann sich nicht nur aus einer ausdrücklichen Einschränkung im Bestellungsbeschluss, sondern auch “aus den Verhältnissen” und dem Aufgabenkreis ergeben.  (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

11 T 93/19 2019-08-08 Bes LGSCHWEINFURT LG Schweinfurt

Tenor

Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 4) gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Schweinfurt vom 08.08.2019 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
Für den Beteiligten zu 1) besteht seit 27.03.1986 eine Betreuung mit den Aufgabenkreisen Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge und Vermögenssorge. Der Beteiligten zu 2) ist sein Betreuer und die Beteiligte zu 3) seine weitere Betreuerin.
Der Beteiligte zu 1) wurde auf Grundlage eines notariellen Erbvertrages vom 13.02.1989 als nicht befreiter Vorerbe Miterbe zu 1/7 nach seinem am xx.xx.2017 verstorbenen Vater. Es wurde Dauertestamentsvollstreckung angeordnet. Der Wert des bezeichneten Erbteils betrug zu Beginn des Jahres 2018 ca. 80.000 Euro und zu Beginn des Jahres 2019 ca. 89.000 Euro. Das übrige Reinvermögen des Beteiligten zu 1) beläuft sich durchgehend auf deutlich weniger als 25.000 Euro.
Das Amtsgericht – Betreuungsgericht – Bad Neustadt an der Saale hat mit Jahresrechnung vom 19.02.2019 für 2018 und für 2019 jeweils eine Jahresgebühr für Dauerbetreuung gemäß KV-GNotKG Nr. 11101 in Höhe von 200 Euro angesetzt (Kostenlast: 400 Euro).
Mit Schreiben vom 27.02.2019 hat der Beteiligte zu 2) als Betreuer des Beteiligten zu 1) Erinnerung gegen den Kostenansatz eingelegt. Zur Begründung hat er mit Schreiben vom 11.03.2019 vorgebracht, dass das Vermögen des Betreuten die Wertgrenze von 25.000 Euro gemäß Vorbemerkung zu Nr. 1.1 Abs. 1 KV-GNotKG nicht übersteige, weil bei einer Einsetzung als nicht befreiter Vorerbe bei Anordnung einer Dauertestamentsvollstreckung der Nachlass nicht Gegenstand der Betreuung sei. Er hat hierbei auf die Gründe einer Entscheidung des Oberlandesgerichts München vom 18.01.2019, Az. 34 Wx 165/18 Kost, Bezug genommen und sich ihnen angeschlossen.
Das Amtsgericht Bad Neustadt an der Saale hat daraufhin mit Beschluss vom 27.03.2019 den Kostenansatz vom 19.02.2019 ersatzlos aufgehoben und die Beschwerde zugelassen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass zwar nach den Bezirksrevisor-Richtlinien 2017 Nr. 276 ererbtes Vermögen auch bei Einsetzung als nicht befreiter Vorerbe sowie Testamentsvollstreckung in vollem Umfang anzusetzen sei, dies aber nach der zutreffenden Ansicht des Oberlandesgerichtes München nicht richtig sei, weil das ererbte Vermögen in einem solchen Fall nicht der vom Betreuungsgericht zu kontrollierenden Verwaltung des Betreuers unterliege, sondern der Verwaltung des Testamentsvollstreckers.
Die Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Schweinfurt als Vertreterin der Staatskasse legte gegen diesen Beschluss vom 27.03.2019 mit Schreiben vom 15.04.2019 Beschwerde ein und verwies zur Begründung zum einen auf die Richtlinien der bayerischen Bezirksrevisoren 2017 sowie insbesondere auch auf Rechtsprechung zur Vorschrift des § 92 KostG. Die Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Jahresgebühr habe auch solches Vermögen einzubeziehen, das dem Betroffenen nicht zur freien Verfügung stehe.
Mit Beschluss vom 08.08.2019 hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Schweinfurt die Beschwerde zurückgewiesen. Zur Begründung hat die Beschwerdekammer ausgeführt, dass das für die Berechnung der Jahresgebühr maßgebliche Vermögen des Betreuten die Wertgrenze von 25.000 Euro gemäß Vorbemerkung Nr. 1.1 Abs. 1 KV-GNotKG nicht übersteige, weil ein Nachlass bei der Ermittlung des Reinvermögens als Grundlage der Jahresgebühr für die Dauerbetreuung nicht werterhöhend zu berücksichtigen sei, wenn der betreuten Person durch sogenanntes Behindertentestament eine Erbschaft als nicht befreiter Vorerbe bei gleichzeitig angeordneter Dauertestamentsvollstreckung zugefallen sei. Das Landgericht Schweinfurt hat sich der Rechtsauffassung des OLG München (Beschluss vom 18.01.2019, Az. 34 Wx 165/18 Kost) angeschlossen. Die weitere Beschwerde hat es zugelassen.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beteiligte zu 4) mit weiterer Beschwerde vom 08.08.2019. Sie verweist erneut auf die ihrer Auffassung nach maßgebliche Richtlinie (BezRevRi 2017 Nr. 276) und auf ihre vorausgegangenen Stellungnahmen.
Das Landgericht hat der weiteren Beschwerde nicht abgeholfen.
II.
Das Rechtsmittel der Staatskasse ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.
1. Die gemäß § 81 Abs. 4 Satz 1 GNotKG statthafte weitere Beschwerde ist zulässig erhoben. Sie wird gestützt auf die Rüge, die landgerichtliche Entscheidung beruhe auf einer Verletzung des Rechts, weil die dem Kostenansatz zugrunde liegende Gebührenvorschrift nicht richtig ausgelegt und angewendet worden sei, § 81 Abs. 4 Satz 2 GNotKG i.V.m. § 546 ZPO. Die Staatskasse, vertreten durch die Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Schweinfurt, ist sowohl erinnerungswie beschwerdeberechtigt (Hartmann, Kostengesetze, 47. Aufl., § 81 GNotKG Rn. 20, 5-7).
Über das Rechtsmittel entscheidet der Senat, § 122 Abs. 1 GVG.
2. Die weitere Beschwerde hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
Die Entscheidung des Landgerichts beruht nicht auf einer Verletzung des Rechts.
Gemäß Nr. 11101 Abs. 1 Satz 2 KV GNotKG (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GNotKG) ist der Erbanteil der Betroffenen, der im Rahmen eines sog. Behindertentestaments mit einer Nacherbfolge und einer Testamentsvollstreckung beschwert ist, bei der Berechnung des Geschäftswerts für die Erhebung der Jahresgebühr nicht zu berücksichtigen. Der Senat schließt sich – wie bereits das Landgericht Schweinfurt in den Gründen zum angegriffenen Beschluss – der überzeugenden Auffassung des Oberlandesgerichts München (Beschluss vom 18.01.2019, Az. 34 Wx 165/18 Kost) an.
So hat das OLG München in dem vorgenannten Beschluss u.a. ausgeführt:
a) Gemäß Nr. 11101 KV GNotKG ist eine wertabhängige Jahresgebühr für jedes angefangene Kalenderjahr einer Dauerbetreuung zu erheben, sofern die Betreuung (zumindest auch) unmittelbar das Vermögen oder Teile des Vermögens zum Gegenstand hat.
Nach Vorbemerkung 1.1 Abs. 1 werden von dem Betroffenen Gebühren nur erhoben, wenn dessen Reinvermögen den Freibetrag von 25.000 € übersteigt, wobei die in § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII genannten Vermögenswerte nicht mitgerechnet werden. Berechnet wird die Jahresgebühr nach Nr. 11101 KV GNotKG gemäß Abs. 1 Satz 1 des Gebührentatbestands nach dem Wert des Betroffenenvermögens, soweit es nach diesen Vorgaben den Betrag von 25.000 € übersteigt. Ist Gegenstand der Betreuung allerdings nur ein Teil des Vermögens, so ist gemäß Abs. 1 Satz 2 des Gebührentatbestands höchstens dieser Teil des Vermögens zu berücksichtigen.
b) Nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes kommt es somit für die Bemessung des Geschäftswerts zwar nicht darauf an, ob das Vermögen des Betreuten verwertbar oder verfügbar ist, wohl aber darauf, ob sich die Betreuung auf das gesamte Vermögen des Betreuten oder nur auf einen Teil desselben bezieht.
Insoweit unterscheidet sich der Gebührentatbestand der Nr. 11101 KV GNotKG von den Bestimmungen des § 92 Abs. 1 KostO in der durch das Gesetz zur Reform des Rechts der Vormundschaft und Pflegschaft für Volljährige vom 12.9.1990 (BGBl. I S. 2002) ergangenen und der Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 24.7.1996, 3Z BR 116/96 (RPfleger 1997, 86) zugrunde liegenden Fassung. Nach dem Wortlaut der damals geltenden Bestimmung war der Wert des gerichtlichen Verfahrens in Betreuungssachen stets nach dem gesamten Vermögen des Betroffenen zu bemessen, selbst dann, wenn die Betreuung ausschließlich für Aufgabenkreise ohne vermögensrechtlichen Bezug eingerichtet war. Erst aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23.5.2006, 1 BvR 1484/99 (BVerfGE 115, 381) wurde § 92 Abs. 1 KostO durch das Gesetz vom 22.12.2006 (BGBl. I S. 3416) geändert. Mit den in Abs. 1 neu eingefügten Sätzen 3 und 4 wurde ausdrücklich bestimmt, dass sich der Verfahrenswert nur nach dem Wert eines Vermögensteils richtet, wenn Gegenstand der Betreuung lediglich dieser Teil des Vermögens ist, und dass eine Festgebühr nach näherer Maßgabe zu entrichten ist, wenn vom Aufgabenkreis nicht unmittelbar das Vermögen erfasst ist. Die mit Satz 3 eingeführte Beschränkung des Werts auf höchstens den Teil des Vermögens, der Gegenstand „der Maßnahme“, also der Betreuung, ist, entspricht der nun geltenden Beschränkung gemäß Abs. 1 des in Nr. 11101 KV GNotKG geregelten Gebührentatbestands.
Die Begründung der Entscheidung vom 23.5.2006 (a. a. O.), mit dem die Verfassungswidrigkeit der damaligen Kostenvorschrift festgestellt wurde, stellt darauf ab, dass eine Ausrichtung der Gebühr an der Höhe des Vermögens bei solchen Dauerbetreuungen sachlich gerechtfertigt sei, die ausschließlich oder zumindest auch Vermögensangelegenheiten betreffen. Mit dem Wert des Vermögens steige typischerweise auch der Bearbeitungsaufwand, den das Gericht für die Kontrolle der das Vermögen betreffenden Maßnahmen des Betreuers zu erbringen habe. Überdies steige das Haftungsrisiko des Staats. Dies gelte in Fällen der alleinigen Personensorge nicht.
Die daraufhin mit § 92 Abs. 1 Satz 3 KostO erlassene und in Nr. 11101 Abs. 1 Satz 2 KV GNotKG übernommene Beschränkung des Verfahrenswerts in Fällen der Dauerbetreuung mit unmittelbarem Bezug auf lediglich einen Teil des Betreutenvermögens gründet in dieser Verknüpfung zwischen der Höhe des von der Maßnahme betroffenen Vermögens und dem Bearbeitungsaufwand sowie Haftungsrisiko des Gerichts (vgl. BT-Drs. 16/3038 S. 53). Das Vermögen des Betreuten wird danach nur insoweit bei der Bewertung berücksichtigt, als es Gegenstand der Betreuung ist. Dabei kann sich eine Beschränkung auf einen Teil des Vermögens nicht nur aus einer ausdrücklichen Einschränkung im Bestellungsbeschluss (vgl. OLG Hamm Rpfleger 2015, 172), sondern auch „aus den Verhältnissen“ und dem Aufgabenkreis ergeben (so auch Korintenberg/Fackelmann GNotKG 20. Aufl. Nr. 11101 KV Rn. 37).c) Das der Betreuten über ein sog. „Behindertentestament“ als nicht befreiter Vorerbin zugewandte, der Dauerverwaltung durch einen Testamentsvollstrecker unterliegende Vermögen ist bei der Berechnung des Geschäftswerts, aus dem die Jahresgebühr nach Nr. 11101 KV GNotKG zu erheben ist, nicht zu berücksichtigen, denn dieser Teil des Betreutenvermögens unterliegt nicht der vom Betreuungsgericht zu kontrollierenden Verwaltung des Betreuers, sondern derjenigen des Testamentsvollstreckers.
Diese Begründung erweist sich als überzeugend, sodass sich auch der erkennende Senat der vom OLG München vetretenen Auffassung anschließt.
Ist demnach einer betreuten Person durch sogenanntes Behindertentestament eine Erbschaft als nicht befreiter Vorerbin bei gleichzeitig angeordneter Dauertestamentsvollstreckung zugefallen, wie vorliegend dem Beteiligten zu 1), so ist der Nachlass bei der Ermittlung des Reinvermögens als Grundlage der gerichtlichen Jahresgebühr für eine Dauerbetreuung, die unmittelbar das Vermögen oder Teile des Vermögens zum Gegenstand hat, nicht werterhöhend zu berücksichtigen. Dies folgt aus dem Umstand, dass nicht der Nachlass, sondern nur die Rechte des Erben gegenüber dem Testamentsvollstrecker Gegenstand der Betreuung sind. Die BezRevRi 2017 Nr. 276 beachtet nämlich nicht den Umstand, dass das Nachlassvermögen wegen der angeordneten Dauertestamentsvollstreckung im Sinne einer Verwaltungsvollstreckung (§ 2209 BGB) nicht von dem für den Aufgabenkreis der Vermögenssorge bestellten Betreuer, sondern vom Testamentsvollstrecker verwaltet wird, der gemäß § 2216 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 BGB zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses und Einhaltung der vom Erblasser verfügten Verwaltungsanordnungen verpflichtet 8 W 55/19 – Seite 6 – ist (OLG München, a.a.O., Rn. 24, juris). Sie steht deshalb insoweit nicht in Einklang mit Nr. 11101 KV GNotKG.
Da somit das für die Wertberechnung maßgebliche Vermögen des Beteiligten zu 1) in den Abrechnungszeiträumen 2018 und 2019 den Freibetrag von 25.000 € nicht überschreitet, sind Gebühren nach Nr. 11101 KV GNotKG nicht zu erheben. Zu Recht hat deshalb das Amtsgericht Bad Neustadt an der Saale mit Beschluss vom 27.03.2019 den Kostenansatz vom 19.02.2019 ersatzlos aufgehoben.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil Gerichtskosten nicht anfallen und außergerichtliche Kosten nicht erstattet werden, § 81 Abs. 8 GNotKG.
Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben, § 81 Abs. 4 Satz 3 und 4 GNotKG (Hartmann, § 81 GNotKG, Rn. 32).


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