Erbrecht

Kostenbescheid wegen Bestattungskosten gegenüber Angehörigen

Aktenzeichen  Au 7 K 16.716

Datum:
6.6.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
FamRZ – 2018, 138
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BestG Art. 14 Abs. 2 Satz 2
BestG Art. 14 Abs. 2 Satz 1
BestV § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1b
BestV § 15

 

Leitsatz

1 Können bestattungspflichtige Angehörige in angemessener Zeit nicht ermittelt werden und ihnen gegenüber deshalb keine Anordnungen nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 BestG ergehen, liegt ein unaufschiebbarer Fall iSd Art. 14 Abs. 2 S. 1 BestG vor. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Bestattungspflicht eines Angehörigen besteht auch bei gestörten Familienverhältnissen und unabhängig von der erbrechtlichen Stellung des Angehörigen und dem Vermögen des Verstorbenen; ein Ausnahmefall besteht nur bei schweren Straftaten des Verstorbenen zu Lasten des an sich Bestattungspflichtigen, die zu einer Verurteilung des Verstorbenen geführt haben (VGH München BeckRS 2009, 39214). (Rn. 32, 34 und 37) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.
Die Entscheidung konnte im vorliegenden Fall durch Gerichtsbescheid ergehen, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Parteien wurden gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO zu dieser Form der Entscheidung angehört. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.
II.
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 8. April 2016 (Kostenrechnung) ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung/VwGO).
1. Der Bescheid ist formell rechtmäßig.
Auch wenn der Bescheid die Überschrift „Kostenrechnung“ trägt handelt es sich erkennbar um einen Verwaltungsakt im Sinne des Art. 35 Satz 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG), nämlich einen Leistungsbescheid, der vom Beklagten im öffentlich-rechtlichen Bereich und damit in hoheitlicher Tätigkeit erlassen wurde. Der Leistungsbescheid ist schriftlich erlassen worden, lässt die erlassende Behörde (Polizeipräsidium …) erkennen und enthält die Unterschrift bzw. Namenswiedergabe des Behördenleiters bzw. seines Beauftragten (vgl. Art. 37 Abs. 1 bis 3 VwVfG). Der Bescheid enthält eine Begründung (vgl. Art. 39 Abs. 1 VwVfG) und eine (ordnungsgemäße) Rechtsbehelfsbelehrung:.
2. Der Bescheid vom 8. April 2016 unterliegt auch in materieller Hinsicht keinen Zweifeln. Der Beklagte hat in rechtlich nicht zu beanstandender Weise die erstattungsfähigen Kosten für die von ihm veranlasste Überführung der Mutter des Klägers in das nächst gelegene Leichenhaus durch Leistungsbescheid gegenüber dem Kläger geltend gemacht.
Rechtsgrundlage für den Bescheid ist Art. 14 Abs. 2 Satz 2 Bestattungsgesetz (BestG). Danach kann der Träger der Polizei von einem Bestattungspflichtigen Ersatz der notwendigen Kosten verlangen, wenn er gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BestG in unaufschiebbaren Fällen u.a. für die der Bestattung vorausgehenden notwendigen Verrichtungen – hier: Überführung der Verstorbenen ins Leichenhaus – Sorge tragen musste, weil der nach § 15 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 2 der Bestattungsverordnung (BestV) Bestattungspflichtige seiner Bestattungspflicht nicht nachgekommen ist und Anordnungen nach Art. 14 Abs. 1 BestG nicht möglich, nicht zulässig oder nicht erfolgversprechend gewesen sind.
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt.
Die Überführung der Verstorbenen zum Leichenhaus durfte von der Polizei beziehungsweise von dem durch diese beauftragten Bestattungsunternehmen durchgeführt werden. Bestattungspflichtige Angehörige konnten in angemessener Zeit nicht ermittelt werden, so dass diesen gegenüber keine Anordnungen nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BestG ergehen konnten. Es lag damit ein unaufschiebbarer Fall im Sinne des Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BestG vor.
Der Kläger ist als Sohn der Verstorbenen bestattungspflichtig nach § 15 Satz 1 der Bestattungsverordnung – BestV – in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b) BestV.
Im Hinblick auf das Bestehen bzw. Fortbestehen der Bestattungspflicht der Angehörigen hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seiner ständigen Rechtsprechung klargestellt, dass es auch bei gestörten Familienverhältnissen bei der Bestattungspflicht der Angehörigen verbleibt. Die Bestattungspflichtigen sind aufgrund der gesetzlichen Regelung des Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BestG im Wege des intendierten Ermessens zum Kostenersatz zu verpflichten, d.h. in der Regel ist nur die Entscheidung für die Inanspruchnahme des Pflichtigen ermessensfehlerfrei. Denn nach der Zweckrichtung der Regelung in Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BestG entspricht es regelmäßig ohne Ansehung der tatsächlichen persönlichen Beziehung des Pflichtigen zum Verstorbenen dem Interesse der Allgemeinheit an der rechtmäßigen, wirtschaftlichen und sparsamen Verwendung von Steuergeldern, die durch die Gemeinde oder wie hier durch die Polizei verauslagten Bestattungskosten vom Bestattungspflichtigen zurückzufordern. Die in Art. 15 Abs. 2 BestG und §§ 1 und 15 BestV aufgezählten Angehörigen eines Verstorbenen stehen diesem im Sinne einer Solidargemeinschaft ungeachtet ihrer persönlichen Beziehungen zueinander allein schon aufgrund der familiären Verbundenheit regelmäßig näher als die Allgemeinheit, so dass es deshalb vorrangig ihnen obliegen muss, für eine Bestattung zu sorgen und die damit verbundenen Kosten zu tragen. Bei der Bestattungspflicht und der hieraus resultierenden Kostentragungspflicht geht es vor allem darum, die private Verantwortungssphäre von derjenigen der Allgemeinheit abzugrenzen. In Fällen dieser Art bedarf es einer Darlegung der Ermessenserwägungen nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, die ein Absehen von der Rückforderung rechtfertigen könnten. Außergewöhnliche Umstände, die ein Absehen von der Rückforderung rechtfertigen könnten, können danach nur bei schweren Straftaten des Verstorbenen zulasten des an sich Bestattungspflichtigen angenommen werden (BayVGH, B.v. 12.9.2013 – 4 ZB 12.2528 – juris Rn. 12; B.v. 17.1.2013 – 4 ZB 12.2374 – juris Rn. 7; B.v. 19.12.2011 – 4 C 11.2581 -juris Rn. 7; B.v. 9.6.2008 – 4 ZB 07.2815 – BayVBl 2009, 537 jeweils m.w.N.).
Gemessen daran unterliegt der streitgegenständliche Bescheid keinen durchgreifenden Zweifeln. Als Sohn der Verstorbenen ist der Kläger Bestattungspflichtiger im Sinne von Art. 15 BestG i.V.m. § 15 und § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 b BestV. Vorrangig Bestattungspflichtige sind nicht vorhanden.
Umstände, die die Annahme eines besonderen Ausnahmefalles und damit eine von dem in Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BestG normierten Regelfall abweichende Ermessensentscheidung des Beklagten rechtfertigen könnten, sind vorliegend weder dargetan noch sonst ersichtlich. Das erkennende Gericht teilt die Einschätzung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, dass ein solcher Ausnahmefall nur bei schweren Straftaten des Verstorbenen zu Lasten des an sich Bestattungspflichtigen, die zu einer Verurteilung des Verstorbenen geführt haben, angenommen werden kann (BayVGH. B.v. 9.6.2008 – 4 ZB 07.2815 – BayVBl 2009, 537, juris).
Für eine solche Fallgestaltung ist hier nichts ersichtlich.
Daher ist es unerheblich, dass der Kläger hier die der Bestattung notwendig vorausgehenden Verrichtungen nicht selbst in Auftrag gegeben hat. Der Beklagte war hierzu gesetzlich ermächtigt.
Es kommt des Weiteren auch nicht darauf an, ob der bestattungspflichtige Kläger der Erbe seiner verstorbenen Mutter ist. Denn die Bestattungspflicht der Angehörigen und die daran anknüpfende Pflicht zur Kostenerstattung stellen öffentlich-rechtliche Verpflichtungen dar, die unabhängig von der erbrechtlichen Lage bestehen; diese Verpflichtungen sind selbst dann zu erfüllen, wenn der Verstorbene ein für die Bestattung ausreichendes Vermögen hinterlassen hat (BayVGH, B.v.8.6.2015 – 4 ZB 15.364 – juris Rn.3). Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch besteht auch unabhängig davon, wer zivilrechtlich verpflichtet ist, die Bestattungskosten zu tragen; (vgl. Klingshirn, Bestattungsrecht in Bayern, Erläuterung XIX, RdNr. 8 a). Die Ausschlagung des Erbes durch den Kläger hat demnach keine Auswirkungen auf die Verpflichtung zur Erstattung der Kosten.
Die Höhe der geltend gemachten Kosten für die Bergung und Überführung zum Leichenhaus begegnet weder sachlichen noch rechtlichen Bedenken. Solche wurden vom Kläger auch nicht geltend gemacht.
Die Klage war daher abzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
IV.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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