Erbrecht

Nachweis der Erbfolge, wenn Grundbuchberichtigung durch Eintragung der Ersatzerben nach Ausschlagung der berufenen Erbin beantragt wird

Aktenzeichen  34 Wx 396/16

Datum:
9.1.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
FGPrax – 2017, 67
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB BGB § 1944, § 1945 Abs. 1
GBO GBO § 22 Abs. 1 S. 1, § 29 Abs. 1, § 35 Abs. 1, § 71 Abs. 1

 

Leitsatz

Zum Nachweis der Erbfolge durch öffentliche Urkunde, wenn Grundbuchberichtigung durch Eintragung der Ersatzerben nach Ausschlagung der berufenen Erbin beantragt wird (im Anschluss an Senat vom 24.8.2016, 34 Wx 216/16 = RNotZ 2016, 683). (amtlicher Leitsatz)

Tenor

I.
Die Beschwerde des Beteiligten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Passau – Grundbuchamt – vom 18. Oktober 2016 wird zurückgewiesen.
II.
Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 100.000 € festgesetzt.

Gründe

I. Im Grundbuch sind D. B. und dessen Ehefrau H. je zur Hälfte als Eigentümer eines Grundstücks eingetragen. Der Beteiligte, Sohn des am … 2015 verstorbenen H. D. B., hat am 4.5.2016 Grundbuchberichtigung beantragt und dazu jeweils in notariell beglaubigter Kopie vorgelegt:
a) Anschreiben des auswärtigen Nachlassgerichts A. vom 24.8.2015 über die Eröffnung zweier für die Erbfolge nach Aktenlage maßgeblicher Verfügungen von Todes wegen mit dem Zusatz, dass „nach Ausschlagung von B. H.“ zu Miterben der Beteiligte und S. B. (dessen Schwester) berufen seien;
b) Niederschrift des Amtsgerichts A. vom 24.8.2015 über die Eröffnung zweier Erbverträge vom 3.6.1976 und vom 16.6.2015;
c) Erbvertrag unter den Eheleuten vom 3.6.1976;
d) Erbvertrag unter den Eheleuten vom 16.6.2015,
mit dem alle früheren Verfügungen widerrufen werden, beide Eheleute sich gegenseitig zum alleinigen und unbeschränkten Erben einsetzen sowie als Schlusserben und Ersatzerben nach jedem von ihnen sämtliche Abkömmlinge von ihnen beiden zu unter sich gleichen Teilen, nämlich die Kinder S. B. und O. B. (= der Beteiligte), bestimmt werden.
Das Amtsgericht – Grundbuchamt – hat am 11.5.2016 folgende fristsetzende Zwischenverfügung getroffen:
Zum Nachweis der Erbfolge sei vorliegend ein Erbschein vorzulegen. In der Verfügung vom 16.6.2015 sei die Ehefrau des Erblassers als Erbin, als Schluss- und Ersatzerben seien die gemeinsamen Kinder eingesetzt. Nach der formlosen Feststellung des zuständigen Nachlassgerichts solle die eingesetzte Erbin die Erbschaft ausgeschlagen haben. Nach ebenfalls formlos mitgeteilter Ansicht des Nachlassgerichts solle Ersatzerbfolge eingetreten und der Erblasser von seiner Tochter und seinem Sohn, dem Antragsteller, beerbt worden sein.
Die Erbfolge beruhe nicht nur auf Tatsachen, die in der öffentlichen Verfügung von Todes wegen enthalten oder durch Auslegung zu ermitteln seien, sondern auf weiteren noch zu ermittelnden Tatsachen, so der Klärung, inwieweit die zunächst berufene Erbin wirksam ausgeschlagen habe und im Anschluss daran Ersatzerbfolge eingetreten sei. Diese Prüfung könne das Grundbuchamt nicht vornehmen.
Beim Grundbuchamt ging sodann am 1.6.2016 in beglaubigter Kopie des Nachlassgerichts die notariell beglaubigte, alle Berufungsgründe umfassende Ausschlagungserklärung der Witwe H. B., datiert auf den 4.8.2015, ein.
Die gegen die Zwischenverfügung gerichtete Beschwerde des Beteiligten vom 1.6.2016 blieb vor dem Senat erfolglos. Auf die Entscheidung vom 24.8.2016 (34 Wx 216/16 = RNotZ 2016, 683) wird verwiesen.
Der Beteiligte hat mit Schreiben vom 14.10.2016 dem Grundbuchamt noch ein formloses Schreiben des Nachlassgerichts vom 11.10.2016, unterzeichnet von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, vorgelegt, in dem bestätigt wird,
dass die Ausschlagung der Ehefrau form- und fristgerecht erfolgt ist. Versehentlich befindet sich auf der Ausschlagungserklärung kein Eingangsstempel des Amtsgerichts. Aufgrund des Rückscheins des Notars ist jedoch ersichtlich, dass die Ausschlagungserklärung am 06.08.2015 beim Amtsgericht … eingegangen ist.
Beigefügt ist ferner die unbeglaubigte Kopie des bezeichneten Rückscheins, ferner in notarieller Ausfertigung die eidesstattliche Erklärung von H. B., wonach sie am 4.8.2015 die Erbschaft nach ihrem Ehemann form- und fristgemäß ausgeschlagen und ab Eintritt des Erbfalls bis zur Ausschlagung die Erbschaft auch nicht angenommen habe. Unter Bezugnahme auf die nun übersandten und die bereits vorliegenden Unterlagen werde Grundbuchberichtigung entsprechend der Erbfolge beantragt. Falls dem nicht nachgekommen werde, so lege er bereits jetzt „weitere Beschwerde“ ein.
Mit Beschluss vom 18.10.2016, dem Beteiligten am 20.10.2016 förmlich zugestellt, hat das Grundbuchamt den Berichtigungsantrag zurückgewiesen, weil das Eintragungshindernis auch durch die nachgereichten Unterlagen nicht beseitigt sei. Urkundlich sei nicht nachgewiesen, ob und inwieweit die Ausschlagung wirksam sei oder nicht.
Auf die Anfrage des Rechtspflegers, ob die bereits vor der anzugreifenden Entscheidung eingelegte Beschwerde vorgelegt werden solle, erklärte der Beteiligte (mit Eingang beim Grundbuchamt am 24.10.2016) schriftlich, er lege Beschwerde ein.
Das Grundbuchamt hat nicht abgeholfen.
II. Das am 24.10.2016 eingegangene Rechtsmittel ist als Grundbuchbeschwerde nach § 11 Abs. 1 RPflG, § 71 Abs. 1 GBO statthaft. Diese ist nach Erlass der Entscheidung (vgl. § 38 Abs. 3 Satz 3 mit § 41 Abs. 1 FamFG) in schriftlicher Form beim Grundbuchamt eingelegt (vgl. § 73 Abs. 1 und 2 Satz 1 GBO). Dass auf dem angegriffenen Beschluss des Grundbuchamts das Datum der Übergabe an die Geschäftsstelle nicht vermerkt ist, hindert dessen Wirksamkeit nicht (Keidel/Meyer-Holz FamFG 18. Aufl. § 38 Rn. 93). Antrag und Begründung sind für die Zulässigkeit des Rechtsmittels keine Voraussetzungen (vgl. Demharter GBO 30. Aufl. § 74 Rn. 5 und 9). Die fehlende Statthaftigkeit des im Voraus bereits mit Schreiben vom 14.10.2016 eingelegten Rechtsmittels (vgl. Hügel/Kramer GBO 3. Aufl. § 71 Rn. 86) hat in diesem Fall keine eigenständige Bedeutung.
In der Sache bleibt die Beschwerde erfolglos.
1. Das in der Zwischenverfügung des Grundbuchamts (§ 18 Abs. 1 Satz 1 GBO) bezeichnete Eintragungshindernis wurde nicht behoben, was grundsätzlich zur Zurückweisung des Eintragungsantrags nach Fristablauf führt (§ 18 Abs. 1 Satz 2 GBO). Als Beschwerdegericht hatte der Senat in seinem Beschluss vom 24.8.2016 die in der angegriffenen Zwischenverfügung vertretene Ansicht, dass es zum Vollzug der Umschreibung des Erbennachweises in der Form eines – bislang fehlenden – Erbscheins bedürfe, bestätigt. An die dort vertretene Rechtsansicht war zwar das Grundbuchamt (Demharter § 77 Rn. 38), wäre aber nicht der Senat als Beschwerdegericht gebunden, weil gegen dessen Beschluss mangels Zulassung (§ 78 Abs. 1 GBO) die Rechtsbeschwerde nicht hätte eingelegt werden können (vgl. BayObLGZ 1999, 104/108; 2001, 279/281 f.; Demharter § 77 Rn. 39; Hügel/Kramer § 77 Rn. 75; Meikel/Schmidt-Räntsch GBO 11. Aufl. § 77 Rn. 54 bei FN 205). Indessen ist kein Grund ersichtlich, der nach der Sachlage zum Zeitpunkt der damaligen Beschwerdeentscheidung eine andere Beurteilung rechtfertigen könnte. Der Senat hält mithin an seiner dort niedergelegten Rechtsansicht fest.
2. Eine Bindung besteht erst Recht nicht, wenn sich aufgrund neuer Tatsachen oder Beweismittel ein anderer Sachverhalt ergibt (OLG Karlsruhe Rpfleger 1988, 315; OLG Schleswig FGPrax 2005, 105; Demharter § 77 Rn. 3), der dazu führen könnte, dass der Nachweis in Form des Erbscheins überflüssig wird. Insofern hat das Grundbuchamt zu Recht geprüft, ob die nachgereichten Unterlagen das Eintragungshindernis beseitigen. Dessen Ansicht, dass dies nicht der Fall ist, teilt der Senat. Dabei kann, wie schon in der Entscheidung vom 24.8.2016, weiter offenbleiben, ob sich die Verpflichtung des Grundbuchamts zur eigenständigen und umfassenden Auslegung auch auf die Wirksamkeit einer Ausschlagung der Erbschaft zu beziehen hat (verneinend Hügel/Wilsch § 35 Rn. 123; bejahend LG Aschaffenburg ZEV 2009, 577 mit abl. Anm. Leif Böttcher).
a) Die (einfache) schriftliche Bestätigung des auswärtigen Nachlassgerichts vom 11.10.2016, dass die öffentlich beglaubigte Ausschlagungserklärung der Ehefrau (vgl. § 1945 Abs. 1 BGB) form- und fristgerecht erfolgt sei, ist im gegenständlichen Grundbuchverfahren nicht verwertbar.
Das Schriftstück hat keine Behördenerklärungen zum Gegenstand, die der Form des § 29 Abs. 3 GBO (Unterschrift mit Siegel oder Stempel) unterliegen. Die (Sonder-) Vorschrift gilt nur für bewirkende Erklärungen (vgl. Demharter § 29 Rn. 45), also solche, die die Grundlage einer Eintragung bilden.
Es bedarf keiner abschließenden Entscheidung, welchen Beweiswert eine Bestätigung über den Eingang der Ausschlagungserklärung als gesetzliche Pflicht des Nachlassgerichts (vgl. § 1945 BGB) im Grundbuchverfahren hat.
Nach herrschender Ansicht (grundlegend KGJ 35, A 60 noch nach dem Preuß. FGG; vgl. MüKo/Leipold BGB 6. Aufl. § 1945 Rn. 22; Palandt/Weidlich BGB 76. Aufl. § 1945 Rn. 7 a. E.) hat das Nachlassgericht auf Verlangen des Ausschlagenden diesem ein Zeugnis zu erteilen, aus dem sich die Form und der Inhalt der eingereichten Erklärung sowie der Zeitpunkt ihres Eingangs bei dem Nachlassgericht ergibt. Die vorgelegte Bestätigung geht darüber hinaus. Bestätigt wird nämlich nicht unmittelbar das (nicht vorhandene) Eingangsdatum der Erklärung, sondern aus anderen Umständen – Rückschein des Notars – wird auf deren Rechtzeitigkeit und Wirksamkeit geschlossen. Sie soll andere Voraussetzungen der Grundbucheintragung beweisen, nämlich den Schluss ermöglichen, dass nach wirksamer Ausschlagung der Erbin die bezeichneten Ersatzerben – auch der Antragsteller – berufen wären (§ 2 Nr. 2 des Erbvertrags vom 16.6.2015). Erklärungen solcher Art bedürfen im Grundbuchverfahren des Nachweises durch öffentliche Urkunden (§ 29 Abs. 1 Satz 2 GBO).
Die entsprechende Form ist nicht eingehalten. Ob und in welchem Umfang eine in der Form des 3. Abschnitts des BeurkG (vgl. § 1 Abs. 2, §§ 36 ff. BeurkG; siehe Demharter § 29 Rn. 39) abgegebene Erklärung des Nachlassgerichts außerhalb eines Erbscheinverfahrens für das Grundbuchamt verbindlich wäre (verneinend BayObLGZ 1985, 244/248), kann auf sich beruhen. Der bezeichnete Rückschein, zu dessen Inhalt das Grundbuchamt überdies einen Beleg dazu vermisst, dass er sich auf die dem Nachlassgericht übermittelte Erbausschlagungsurkunde mit dem Datum vom 4.8.2015 bezieht, liegt ebenfalls nicht in öffentlicher Urkunde vor.
b) Der Senat hat es in seinem Beschluss vom 24.8.2016 (II. 2. b) bb)) dahingestellt sein lassen, ob bei Offenkundigkeit des rechtzeitigen Eingangs der Ausschlagungserklärung beim Nachlassgericht sich im Rahmen von § 35 Abs. 1 GBO ein förmlicher Nachweis erübrigt (siehe auch BayObLGZ 1989, 8/12 unter II. 3. c)). Dies kann weiter offenbleiben. Denn bei formlosen Auskünften aus Akten anderer Gerichte fehlt es jedenfalls an Offenkundigkeit in dem Sinne, dass sie beim Grundbuchamt damit aktenkundig sind.
c) Es kann auch dahin stehen, ob die eidesstattliche Erklärung der Witwe die vom Senat bemängelte weitere Lücke (II. 2. b) cc) – keine wirksame Ausschlagung wegen vorheriger wirksamer Annahme (§ 1943 BGB) – in der Nachweisführung geschlossen hat. Immerhin kann für eine Annahme der Erbschaft bereits schlüssiges Verhalten genügen (Palandt/Weidlich § 1943 Rn. 2), was sich aber erst unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles ergibt (vgl. auch Senat vom 29.1.2016 – 34 Wx 50/15 = FamRZ 2016, 1400). Damit wäre eine derartige Erklärung mit erheblichen Unsicherheiten behaftet. In der Regel ist deshalb die eidesstattliche Versicherung kein taugliches Beweismittel im Grundbuchverfahren. Die Bestimmung in § 35 Abs. 3 Satz 2 GBO deutet darauf hin, dass der Gesetzgeber eine solche nur in Ausnahmefällen als zulässig erachtet, sie jedenfalls im Anwendungsbereich von § 35 Abs. 1 GBO im Übrigen ausgeschlossen ist. Erachtet man sie namentlich für „Negativtatsachen“ als zulässig (Demharter § 35 Rn. 39 zur Pflichtteilsstrafklausel; Rn. 41 zum Nachweis, dass aus der Ehe des Erblassers keine weiteren als die bekannten Kinder hervorgegangen sind), so bliebe trotz der abgegebenen Erklärung aber noch die Rechtzeitigkeit der Ausschlagung offen und müsste im Nachlassverfahren geklärt werden.
III. Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht. Die Kostentragungspflicht des Beteiligten ergibt sich aus § 22 GNotKG.
Die Festsetzung des Geschäftswerts für die begehrte Umschreibung des Eigentums am Hälfteanteil des Grundstücks beruht auf § 79 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 46 GNotKG. Dieser hat sich am Verkehrswert (Bauplatz in Stadtlage) zu orientieren und wird vom Senat entsprechend geschätzt.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 78 Abs. 2 GBO) liegen nicht vor.


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