Erbrecht

Verauslagte Bestattungskosten, Sozialhilfeträger, Bestattungspflichtige, Kosten der Ersatzvornahme, Leistungsbescheid, Verwaltungsgerichte, Gesamtschuldnerische Haftung, Vertrauensschutz, Kostentragungspflicht, Festsetzungsfrist, Öffentlich-rechtlicher Anspruch, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Unterhaltsverpflichtung, Kostenentscheidung, Rechtsmittelbelehrung, Prozeßbevollmächtigter, Unterhaltsverpflichteter, Kostenerstattungspflicht, Verwaltungshandeln, Außergewöhnliche Umstände

Aktenzeichen  M 12 K 20.2467

Datum:
11.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 6287
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BestG Art. 14
BestG Art. 15
BestV § 15
BestV § 1
AGBGB Art. 71
BGB § 242

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags ab-wenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung ergehen, da die Beteiligten dem zugestimmt haben (§ 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
Das Gericht legt die ohne einen bestimmten Antrag erhobene Klage gem. § 88 VwGO dahingehend aus, dass der Kläger die vollumfängliche Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 26. Mai 2020 begehrt.
Die so verstandene Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 26. Mai 2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
1. Die unter Nr. 1 des angefochtenen Bescheides ausgesprochene Verpflichtung des Klägers, die für die Bestattung seines verstorbenen Vaters angefallenen Kosten in Höhe von 2.389,51 EUR zu bezahlen, ist rechtmäßig.
Rechtsgrundlage für die Verpflichtung des Klägers ist Art. 14 Abs. 2 Satz 2 Bestattungsgesetz (BestG). Danach kann die Gemeinde von einem Bestattungspflichtigen Ersatz der notwendigen Kosten verlangen, wenn sie gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BestG selbst oder durch vertraglich Beauftragte für die Bestattung und die ihr vorausgehenden notwendigen Verrichtungen sorgen musste, weil der nach § 15 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 der Verordnung zur Durchführung des Bestattungsgesetzes (Bestattungsverordnung – BestV) Bestattungspflichtige seiner Bestattungspflicht nicht nachgekommen ist und Anordnungen nach Art. 14 Abs. 1 BestG nicht möglich, nicht zulässig oder nicht erfolgsversprechend waren.
a) Vorliegend sind nicht nur die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BestG für das Entstehen des geltend gemachten Erstattungsanspruches dem Grunde wie der Höhe nach erfüllt, sondern ist – soweit die Verpflichtung im Übrigen in das Ermessen der zuständigen Behörde gestellt war – seitens der Beklagten das Ermessen auch gemäß Art. 40 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung entsprechend ausgeübt worden.
aa) Die Entscheidung der Beklagten, den Kläger dem Grunde nach zur Erstattung der von Amts wegen durchgeführten Bestattung seines Vaters als Gesamtschuldner zu verpflichten, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
(1) Der Kläger gehört gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 lit. b) BestV als Sohn des Verstorbenen – wie auch der andere Sohn des Verstorbenen, Herr R.S. sowie die noch lebenden Geschwister des Verstorbenen bzw. deren Kinder (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 lit. f) bzw. g) BestV) – zum Kreis derjenigen Angehörigen, die gemäß Art. 15 Abs. 1 BestG i.V.m. § 15 Satz 1, § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BestV bestattungspflichtig sind bzw. – im Falle einer zulässigen Bestattung von Amts wegen – gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BestG für die Erstattung der angefallenen Kosten in Anspruch genommen werden können.
Die Bestattung durfte durch die Beklagte von Amts wegen im Wege der Ersatzvornahme nach Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BestG durchgeführt werden.
Ausweislich Art. 14 Abs. 2 Satz 1 Hs. 1 BestG hat die Beklagte – gegebenenfalls mittels Anordnung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BestG – vorrangig zu veranlassen, dass die Bestattung des Verstorbenen rechtzeitig durch die nach Art. 15 Abs. 1 BestG bestattungspflichtigen Angehörigen erfolgt (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BestG). Nur soweit diese ihrer Bestattungspflicht nicht rechtzeitig nachkommen und entsprechende Anordnungen nicht möglich, nicht zulässig oder nicht erfolgsversprechend sind, darf die Beklagte die Bestattung an deren Stelle von Amts wegen im Wege der Ersatzvornahme durchführen (Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BestG) und die Erstattung der hierfür entstandenen Kosten verlangen (Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BestG).
Vorliegend war es der innerhalb des von Gesetzes wegen für die Durchführung der Bestattung vorgegebenen bzw. vertretbaren Zeitraums (vgl. § 19 Abs. 1 bzw. Abs. 2 BestV) nur möglich, die beiden Brüder des Verstorbenen zu ermitteln und zur Veranlassung der Bestattung aufzufordern, was diese jedoch verweigerten.
Zwar war der Beklagten bereits seit 2. März 2017 infolge Mitteilung der H. Klinik bekannt, dass der Verstorbene vermutlich zwei Söhne hatte, welche vorrangig vor den Geschwistern des Verstorbenen für die Bestattung heranzuziehen gewesen wären. Jedoch erlangte sie nähere Angaben über deren Identität (Vor- und Nachname sowie geschätztes Geburtsdatum sowie vermutlicher Wohnort) erst am 8. März 2017 durch die E-Mail der Familie der Geschwister des Verstorbenen.
Da die gesetzliche Bestattungsfrist (§ 19 Abs. 1 Satz 1 BestV) bereits weit überschritten war und eine rechtzeitige Ermittlung beider oder zumindest einer der beiden Söhne und dessen anschließende Aufforderung, die Bestattung noch rechtzeitig zu veranlassen, somit keinen Erfolg mehr versprach, durfte die Beklagte am 9. März 2017 gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 BestG die Bestattung von Amts wegen anordnen.
Die öffentlich-rechtliche Bestattungspflicht und die daran anknüpfende Kostenerstattungspflicht greift unabhängig davon, ob die Angehörigen auch Erben des Verstorbenen sind bzw. die Erbschaft zwischenzeitlich bereits ausgeschlagen haben (privatrechtliche Erbenhaftung) oder ob sie gegenüber dem Verstorbenen aufgrund ihres Verwandtschaftsverhältnis privatrechtlich nach § 1601 BGB zum Unterhalt verpflichtet gewesen sind (BayVGH, B.v.9.6.2008 – 4 ZB 07.2815 sowie B.v. 14.9.2015 – 4 ZB 15.1029). Denn die öffentlich-rechtliche Pflicht, für die Beerdigung eines Verstorbenen zu sorgen, ist nicht mit der zivilrechtlichen Pflicht zur Tragung der Beerdigungskosten identisch. Die zivilrechtlichen Vorschriften über die Kostentragungspflicht enthalten keine rechtliche Vorgabe für den Kreis der öffentlich-rechtlichen Bestattungspflichtigen. Sie schließen öffentlich-rechtliche Ansprüche, die sich aus einem ordnungsbehördlichen Einschreiten gegenüber dem Bestattungspflichtigen ergeben, unbeschadet eines etwaigen Ersatzanspruchs des Bestattungspflichtigen gegenüber dem zivilrechtlich Verpflichteten, nicht aus. Derartige öffentlich-rechtliche Ansprüche beruhen auf einem vom Zivilrecht unabhängigen, der Kompetenz des Landesgesetzgebers unterliegenden Rechtsgrund (vgl. zum Ganzen BVerwG, B.v. 19.8.1994 – 1 B 149/94 – juris Rn. 5). Die Ausschlagung einer Erbschaft führt nur zu einer Befreiung des Erben von solchen Verbindlichkeiten, die ihren Rechtsgrund gerade in der Erbenstellung haben. Verpflichtungen aus einem anderen Rechtsgrund werden von der Ausschlagung der Erbschaft dagegen nicht berührt (OVG Saarland, U.v. 27. 12. 2007 – 1 A 40/07 – juris). Damit berührt die zivilrechtliche Ausschlagung einer Erbschaft nicht die öffentlich-rechtlichen Bestattungspflichten, die im Sicherheits- und Ordnungsrecht und damit in der Gefahrenabwehr wurzeln und sicherstellen sollen, dass der Verstorbene möglichst rasch bestattet wird.
Anders als im Zivilrecht besteht die öffentlich-rechtliche Bestattungspflicht und infolgedessen auch die Verpflichtung, die Kosten der Ersatzvornahme zu tragen, unabhängig davon, ob die Familienverhältnisse zu dem Verstorbenen intakt gewesen sind und Kontakt bestanden hat. Da die Bestattungspflicht vorrangig der Gefahrenabwehr und der Einhaltung der Bestattungsfristen dient, knüpft das Gesetz die Bestattungspflicht vielmehr formal an die Verwandtschaft zum Verstorbenen. Hintergrund der gesetzlichen Regelung in Art. 15 Abs. 2 BestG und §§ 1, 15 BestV ist dabei der Gedanke, dass die in diesen Vorschriften genannten Angehörigen eines Verstorbenen diesem – ungeachtet ihrer persönlichen Beziehungen zueinander – allein schon aufgrund der familiären Verbundenheit regelmäßig näher stehen als die Allgemeinheit (BayVGH, B.v. 17.1.2013 – 4 ZB 12.2374 – juris Rn. 7). Eine Pflicht, im Bestattungsgesetz eine Ausnahme oder Einschränkung der Bestattungspflicht in Fällen vorzusehen, in denen die familiären Verhältnisse gestört waren, besteht aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht (BayVGH, B.v. 9.6.2008 – 4 ZB 07.2815 – juris).
Abgesehen davon können auf Ebene des Bestattungsrechts herangezogene Angehörige nicht nur in solchen Fällen gemäß § 74 SGB XII vom zuständigen Sozialhilfeträger die Übernahme der Kosten verlangen, in denen die Übernahme der Bestattungskosten für den Pflichtigen – unabhängig von dessen persönlicher Beziehung zum Verstorbenen – finanziell unzumutbar ist, sondern auch in solchen Fällen, in denen sich die Unzumutbarkeit der Kostentragung wegen grober Unbilligkeit aus persönlichen Gründen ergibt (BVerwG, U.v. 29.1.2004 – 5 C 2/03 sowie BVerwG, U.v. 5.6.1997 – 5 C 13-96, in welchem ausgeführt wird, dass dem Anspruch aus § 74 SGB XII nicht entgegensteht, dass die Bestattungskosten zunächst seitens des Bestattungspflichtigen „vorgestreckt“ wurden).
Insofern stellt § 74 SGB XII in Bezug auf die letztliche Kostentragung die vom Kläger inhaltlich geltend gemachte „Härtefallregelung“ dar, welche jedoch in dem Verfahren gegenüber dem Sozialhilfeträger geltend zu machen und zu prüfen ist. Für eine analoge Anwendung des seitens des Klägers geltend gemachten § 1611 Abs. 1 BGB, welcher direkt nur im Rahmen privatrechtlicher Unterhaltsansprüche im Verhältnis Unterhaltsberechtigter – Unterhaltsverpflichteter anzuwenden ist, bzw. einen Rückgriff auf einen etwaig darin zum Ausdruck kommenden allgemeinen Rechtsgedanken, verbleibt – bereits mangels Regelungslücke – kein Raum.
Lediglich bei – in der Regel abgeurteilten – schweren Straftaten des Verstorbenen zulasten des an sich Bestattungspflichtigen, bei denen es dem Angehörigen nicht einmal zugemutet werden kann, zunächst zur Übernahme der Kosten verpflichtet zu werden (vgl. etwa: BayVGH, B.v. 9.6.2008 – 4 ZB 07.2815; BayVGH, U.v. 17. 1. 2013 – 4 ZB 12.2374; HessVGH, U.v. 26.10.2011 – 5 A 1245/11), kann bereits auf Ebene des Bestattungsrechts über das der Behörde vom Gesetzgeber eingeräumte Ermessen ausnahmsweise von einer Verpflichtung abgesehen werden.
(2) Soweit Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BestG die Entscheidung, ob einer der oben genannten Bestattungspflichtigen konkret zur Kostenerstattung herangezogen werden soll, in das Ermessen der Behörde stellt („kann“), handelt es sich um einen Fall des intendierten Ermessens. d.h. in der Regel ist nur die Entscheidung für die Inanspruchnahme des Pflichtigen ermessensfehlerfrei. Dies folgt aus der Zweckrichtung der Regelung in Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BestG, wonach es regelmäßig ohne Ansehung der tatsächlichen persönlichen Beziehung des Pflichtigen zum Verstorbenen dem Interesse der Allgemeinheit an der rechtmäßigen, wirtschaftlichen und sparsamen Verwendung von Steuergeldern entspricht, die durch die Gemeinde verauslagten Bestattungskosten vom Bestattungspflichtigen zurückzufordern. Einer Darlegung der Ermessenserwägungen bedarf es hier nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, die ein Absehen von der Rückforderung rechtfertigen könnten (BayVGH, B.v. 9.6.2008 – 4 ZB 07.2815).
Wie bereits ausgeführt, sind solche außergewöhnlichen Umstände zu bejahen bei schweren Straftaten des Verstorbenen zulasten des an sich Bestattungspflichtigen, die in der Regel zu einer Verurteilung des Verstorbenen geführt haben müssen (HessVGH, U.v. 26.10.2011 – 5 A 1245/11; BayVGH, B.v. 9.6.2008 – 4 ZB 07.2815; BayVGH, U.v. 17. 1. 2013 – 4 ZB 12.2374).
Allein die Tatsache, dass der Verstorbene dem Kläger unbekannt ist, keinen Kontakt zu diesem gesucht hat (siehe hierzu: BayVGH, B.v. 19.12.2011 – 4 C 11.2581), und seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kläger oftmals verletzt hat (siehe hierzu: BayVGH, B.v. 17.1.2013 – 4 ZB 12.2374) rechtfertigt – anders als die Verübung schwerer Straftaten – nicht die Annahme außergewöhnlicher Umstände, um bereits auf Ebene des Bestattungsrechts von einer Verpflichtung des Klägers abzusehen. Der Kläger ist vielmehr auf § 74 SGB XII und das Verfahren gegenüber dem Sozialhilfeträger zu verweisen (vgl.o.).
(3) Auch die Entscheidung der Beklagten, den Kläger neben dem weiteren Sohn des Verstorbenen für die Kostenerstattung als Gesamtschuldner heranzuziehen, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Grundsätzlich fällt die Entscheidung, welchen von mehreren Bestattungspflichtigen die Beklagte heranzieht, in deren weiten Ermessenspielraum. Grenzen ergeben sich lediglich durch das Willkürverbot und offenbare Unrichtigkeiten. Ausreichend ist deshalb, wenn die Wahl des Schuldners unter dem Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität geeignet und zweckmäßig erscheint (vgl. BVerwG, U.v. 22.1.1993 – 8 C 57/91 – NJW 1993, 1667; VG München, U.v. 30.9.2004 – M 10 K 04.2800).
Jedoch soll die Beklagte, wenn mehrere Bestattungspflichtige vorhanden sind, gemäß Art.15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 2 BestG i.V.m. § 15 Satz 2 BestV bei ihrer Auswahl den Grad der Verwandtschaft bzw. Schwägerschaft berücksichtigen. Verwaltungsrechtliche Sollvorschriften dieser Art sind im Regelfall für die mit ihrer Durchführung betraute Behörde rechtlich zwingend und verpflichten sie, so zu verfahren, wie es im Gesetz bestimmt ist. Nur wenn Umstände vorliegen, die den Fall als atypisch erscheinen lassen, darf die Behörde anders verfahren als im Gesetz vorgesehen und nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden (BVerwG, U.v.2.7.1992 – 5 C 39.90 – BVerwGE 90, 275/278).
Die Voraussetzungen einer gesamtschuldnerischen Haftung nach § 421 BGB sind vorliegend erfüllt. Der Kläger und R.S. weisen denselben Verwandtschaftsgrad (Verwandte 1. Grades, vgl. § 1589 Abs. 1 Satz 2 BGB) zum Verstorbenen auf. Die Entscheidung der Beklagten, beide als Gesamtschuldner zu verpflichten, hingegen von einer Inanspruchnahme der Geschwister bzw. deren Abkömmlinge (Verwandte 2. Grades, vgl. § 1589 Abs. 1 Satz 2 BGB) abzusehen, war rechtlich nicht zu beanstanden.
bb) Auch die Höhe der geltend gemachten Kosten ist nicht zu beanstanden.
Der Kläger ist gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BestG zur Erstattung der notwendigen Kosten der Bestattung verpflichtet. Notwendige Kosten der Bestattung sind sämtliche Kosten der Beklagten, die diese zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BestG aufwenden musste, um eine angemessene Bestattung in einfacher, aber würdiger und ortsüblicher Form zu gewähren (vgl. VGH BadenWürttemberg, U.v. 25.9.2001 – 1 S 974/01 – juris; a.A. VGH Baden-Württemberg, U.v. 15.11.2007 – 1 S 2720/06). Der Kostenrahmen darf hierbei den in § 74 SGB XII vorgegebenen erstattungsfähigen Rahmen nicht überschreiten.
Die vorliegend festgesetzten Kosten sind angemessen. Die im Rahmen der Ersatzvornahme veranlasste Bestattung beschränkte sich auf das Minimum, welches für eine ordentliche und würdevolle Bestattung notwendig ist. Die erhobenen Kosten entsprachen den örtlichen Verhältnissen. Für die Leistungen und Auslagen der Städtischen Bestattung sind Kosten in Höhe von 1.059,51 EUR sowie Friedhofsgebühren in Höhe von 1.330 EUR angefallen, somit insgesamt 2.389,51 EUR.
b) Der Anspruch der Beklagten auf Erstattung der Bestattungskosten ist – entgegen der Auffassung des Klägers – auch nicht in der Zwischenzeit infolge zu später Geltendmachung bzw. Verwirkung erloschen.
aa) Gemäß Art. 71 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Gesetz zur Ausführung des Bürgerlichen Gesetzbuches (AGBGB) erlöschen die auf eine Geldzahlung gerichteten öffentlich-rechtlichen Ansprüche einer bayerischen Gemeinde, soweit nichts anderes bestimmt ist, in drei Jahren, wobei gem. Art. 71 Abs. 1 Satz 2 AGBGB die Frist mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Berechtigte von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Verpflichteten Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste, jedoch nicht vor dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Gemäß Art. 71 Abs. 2 Hs. 2 AGBGB i.V.m. Art. 53 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG wird der Lauf der Frist durch einen Verwaltungsakt, der zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruches erlassen wird, gehemmt, mit der Wirkung, dass der Zeitraum in die Frist nicht eingerechnet wird, Art. 71 Abs. 2 Hs. 1 AGBGB i.V.m. § 209 BGB.
Vorliegend erlangte die Beklagte von den den Anspruch begründenden Umständen bzw. von der Person des Klägers im Februar bzw. März 2017 Kenntnis. Die Frist begann daher gem. Art. 71 Abs. 1 Satz 2 AGBGB mit Ablauf des Jahres 2017 zu laufen und wäre demnach – ohne eine vorherige Hemmung – grundsätzlich mit Ablauf des Jahres 2020 geendet.
Durch Erlass des streitgegenständlichen Bescheides am 26. Mai 2020, der dem Kläger am 29. Mai 2020 und damit noch vor Ablauf des Jahres 2020 zugestellt wurde, wurde ein Erlöschen des Anspruchs gemäß Art. 53 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG jedoch rechtzeitig durch Feststellung des Anspruches gehemmt.
bb) Der Anspruch der Beklagten ist vorliegend auch nicht unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) aus Gründen des Vertrauensschutzes deshalb als verwirkt anzusehen, als der Kläger, nachdem er mit Schreiben der Beklagten vom 30. August 2017 angehört worden war, trotz angeblicher Rückmeldung Anfang September 2017 sowie Bitte um Weiterleitung an den zuständigen Sozialhilfeträger bis zum 22. April 2020 nichts mehr von der Beklagten hörte und aufgrund der langen Zeitspanne sowie im Vertrauen auf ordnungsgemäßes Verwaltungshandeln daher davon ausging, seine Zahlungspflicht habe sich anderweitig erledigt und er werde nicht mehr zur Erstattung der Kosten herangezogen.
(1) Die Verwirkung eines Rechts aus Gründen des Vertrauensschutzes setzt das Verstreichen eines längeren Zeitraums seit der Möglichkeit seiner Geltendmachung (sog. zeitliches Moment) sowie das Vorliegen besonderer Umstände (sog. Umstandsmoment) voraus, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (BVerwG, 16.04.2002 – 4 B 8.02).
Auf Ebene des Umstandsmomentes ist – für die Begründung von Vertrauensschutz zu Gunsten des Verpflichteten mit der Folge der Verwirkung des Rechtes seitens des Berechtigten – insbesondere entscheidend, ob durch ein, dem Berechtigten zurechenbares, Verhalten (aktives Tun, Dulden oder Unterlassen) auf Seiten des Verpflichteten die Erwartungshaltung entstand, er würde für die bestehende Verpflichtung nicht bzw. nicht mehr herangezogen (Vertrauen), der Verpflichtete – aus seiner Perspektive heraus – dies den Umständen nach auch derart verstehen durfte (schutzwürdiges Vertrauen) und der Berechtigte die Entstehung des schutzwürdigen Vertrauens zu vertreten hat (Verantwortung), so dass er mit dem Verlust seines Rechts im Wege der Verwirkung belastet werden darf.
Zeitsowie Umstandselement stehen insoweit nicht isoliert als kumulative Voraussetzungen nebeneinander, sondern ergänzen sich in ihrer Indiz- bzw. Argumentationswirkung gegenseitig:
Je größer der zwischen Entstehung und Ausübung des Rechts verstrichene Zeitraum ist, desto geringer sind – ab einer gewissen Dauer – die spezifischen Anforderungen an die konkreten, Vertrauensschutz zu Gunsten des Verpflichteten begründenden (sonstigen) Umstände. Ein sehr langer Zeitraum kann eine geschützte Vertrauensstellung indizieren, wobei eine solche Indizierung jedenfalls für solche Zeitspannen ausscheidet, für welche der Gesetzgeber eine Frist für die Geltendmachung bestimmt hat (etwa Verjährungs- oder Festsetzungsfristen), wie vorliegend die Festsetzungsfrist in Art. 71 AGBGB.
Umgekehrt können speziell gelagerte Umstände auch schon nach sehr kurzer Zeit zu einer Verwirkung des Rechts führen, etwa wenn der Berechtigte gegenüber dem Verpflichteten zunächst explizit seinen Verzicht auf das später dann dennoch geltend gemachte Recht erklärt.
(2) Unter Anwendung der soeben dargestellten Grundsätze ist eine Verwirkung des Anspruches vorliegend zu verneinen.
Der Kläger gründet vorliegend sein Vertrauen, seine Zahlungsverpflichtung habe sich bereits anderweitig erledigt, nach eigener Aussage auf den Umstand, dass er auf das Anhörungsschreiben der Beklagten vom 30. August 2017 hin dieser bereits Anfang September 2017 per E-Mail die Gründe für eine ausnahmsweise Unzumutbarkeit einer Kostentragung dargelegt und diese gebeten habe, seine Einlassungen als Antrag an den zuständigen Sozialhilfeträger weiterzuleiten, von der Beklagten seitdem jedoch über viele Monate (bis zum Schreiben vom 22. April 2020) weder eine Rückantwort, geschweige denn einen Leistungsbescheid erhalten habe, so dass er gedacht habe, die Angelegenheit habe sich infolge Weiterleitung an den zuständigen Sozialhilfeträger längst erledigt.
Jedoch vermag eine bloße temporäre Untätigkeit der Beklagten zur Durchsetzung der Kostenerstattungspflicht innerhalb der Festsetzungsfrist des Art. 71 AGBGB vorliegend weder ein schutzwürdiges Vertrauen seitens des Klägers noch eine Verantwortung seitens der Beklagten zu begründen. Aus diesem Grund konnte für die Zwecke dieses Verfahrens vorliegend auch dahinstehen, ob der Kläger Anfang September 2017 tatsächlich an die Beklagte schrieb und um Weiterleitung an den Sozialhilfeträger bat und die zweieinhalbjährige Untätigkeit insoweit Auswirkungen auf die materielle Beweislast bzw. die Beweisanforderungen hat.
In diesem Zusammenhang ist zunächst anzumerken, dass nach den allgemein geltenden Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung bloßem Schweigen in der Regel noch kein Erklärungswert zukommt. Dies ist ausnahmsweise nur dann der Fall, wenn dies entweder explizit gesetzlich bestimmt ist, wobei dies in der Regel eines vorherigen expliziten Hinweises auf die Konsequenzen eines etwaigen Schweigens voraussetzt, oder ganz ausnahmsweise dem Schweigen in bestimmten Situationen nach allgemeiner Verkehrssitte ein bestimmter Erklärungswert zugestanden wird.
Wie die Beklagte in ihrer Klageerwiderung zu Recht eingewandt hat, ist im Rahmen der Eingriffsverwaltung ein Verwaltungshandeln grundsätzlich erst beendet, wenn die Verwaltung dies erklärt. Bloßem Schweigen – noch dazu innerhalb der Festsetzungsfrist – kommt demnach schon nach allgemeiner Verkehrssitte grundsätzlich kein Erklärungswert zu (§ 157 BGB analog).
Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Beklagte bei der Aufforderung gegenüber den Geschwistern des Verstorbenen, ihrer Bestattungspflicht nachzukommen sowie – nach deren Weigerung – der im Wege der Ersatzvornahme vorgenommenen Anordnung der Bestattung von Amts wegen, in einem deutlich kürzeren zeitlichen Rahmen agierte. Aus Gründen des Seuchenschutzes und der Gefahrenabwehr ist zur Bestattung von Verstorbenen ein enges Zeitfenster einzuhalten. Jegliche Verzögerungen sind zu vermeiden. Solche Dringlichkeitsgründe, welche ein zügiges Handeln der Gemeinde erfordern, sind bei bloßen Zahlungsansprüchen aufgrund einer Ersatzvornahme nicht gegeben, da die Gefahrenquelle bereits durch die Ersatzvornahme beseitigt wurde. Aus diesem Grund können Kostenbescheide zur Übernahme der durch eine Ersatzvornahme angefallenen Kosten auch mit größerem zeitlichem Abstand zum Grundverwaltungsakt erlassen werden. Der Gesetzgeber räumt – anders als bei der Bestattungsfrist – der Behörde hierbei eine deutlich längere Festsetzungsfrist (Art. 71 AGBGB) für ein Tätigwerden ein, welche vorliegend nicht überschritten wurde.
2. Auch die in Nr. 2 des angefochtenen Bescheids ausgesprochene Verpflichtung des Klägers, die für die Erteilung des Bescheides angefallenen Gebühren in Höhe von 50 EUR sowie die für die Postzustellung angefallenen Auslagen in Höhe von 2,49 EUR zu zahlen, ist rechtmäßig.
Rechtsgrundlage für die festgesetzten Gebühren sind §§ 1, 2 Abs. 1, 3 der städtischen Kostensatzung i.V. m. Art. 6 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Kostengesetz. Rechtsgrundlage für die Erstattung der Auslagen sind §§ 1, 3 Abs. 2 Nr. 2 der Kostensatzung.
3. Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
4. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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