Erbrecht

Verpflichtung zur unentgeltlichen Übertragung von Geschäftsanteilen an einer Kapitalgesellschaft

Aktenzeichen  4 K 1916/16

Datum:
6.9.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
UVR – 2018, 14
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
BewG § 11, § 14 Abs. 1, § 151 Abs. 1 S. 1 Nr. 3
BGB § 1967 Abs. 1, § 2147
ErbStG § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 1 S. 1, § 12 Abs. 2

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Erbschaftsteuerbescheid vom 18. Mai 2017 wird dahingehend geändert, dass die Erbschaftsteuer der Klägerin auf 28.389.570,- € herabgesetzt wird.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.
4. Die Revision zum Bundesfinanzhof wird nicht zugelassen.

Gründe

1.) Die Klage ist zulässig. Das im Regelfall des § 44 Abs. 1 FGO erforderliche Vorverfahren ist im Streitfall entbehrlich, weil der Beklagte der Klageerhebung binnen der gemäß § 45 Abs. 1 Satz FGO vorgeschriebenen Frist von einem Monat zugestimmt hat. Die Sprungklage ist auch fristgerecht im Sinne des § 47 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 FGO innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des angefochtenen Erbschaftsteuerbescheides vom 14. Juni 2016 erhoben worden. Gegenstand des Klageverfahrens ist der nach Rechtshängigkeit wirksam gewordene geänderte Erbschaftsteuerbescheid vom 18. Mai 2017 (§ 68 Satz 1 FGO).
2.) Die Klage hat in Bezug auf das als zweiten Hilfsantrag gestellte Klagebegehren, die Erbschaftsteuer auf 28.389.570,- € herabzusetzen, Erfolg. Dieser hilfsweise gestellte Antrag der Klägerin ist insoweit zulässig, als er von der innerprozessualen Bedingung abhängt, dass der erkennende Senat nicht der zur Auslegung des notariellen Testamentes des Erblassers von der Klägerin vertretenen Rechtsansicht folgen sollte. Da der hilfsweise gestellte Klageantrag jedoch in seiner erbschaftsteuerrechtlichen Auswirkung über das als Hauptantrag sowie den als ersten Hilfsantrag gestellte Klagebegehren hinausreicht, hat der Senat ausschließlich über das weitreichendste Klagebegehren zu entscheiden. Die Klage hat demnach aus folgenden Gründen in vollem Umfange Erfolg. Über die übrigen Sachanträge der Klägerin war nicht mehr zu entscheiden.
a) Sowohl der Erwerb durch Erbanfall im Sinne des § 1922 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) als auch der Erwerb aufgrund Vermächtnisses im Sinne des § 2147 BGB unterliegen jeweils als Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer (§ 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes in der auf den Streitfall anzuwendenden Fassung – ErbStG –). Die Erbschaftsteuer entsteht in beiden Fällen mit dem Tode des Erblassers (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Als steuerpflichtiger Erwerb gilt – vorbehaltlich besonderer, im Streitfall jedoch nicht streitrelevanter erbschaftsteuerrechtlicher Befreiungsvorschriften – die Bereicherung des Erwerbers (§ 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG). Die Bewertung der Bereicherung richtet sich gemäß § 12 Abs. 1 ErbStG nach den Vorschriften des Ersten Teiles des Bewertungsgesetzes (BewG), soweit nicht die vorrangigen Vorschriften des § 12 Abs. 2 bis 7 BewG Anwendung finden. Nicht an der Börse notierte Anteile an Kapitalgesellschaften – wie etwa die Geschäftsanteile der GmbH – sind gemäß § 12 Abs. 2 ErbStG im Wege einer gesonderten Feststellung nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BewG nach Maßgabe des § 11 Abs. 2 BewG zu bewerten.
Für den Umfang und den Wert des erbschaftsteuerrechtlichen Erwerbes durch Vermächtnis (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) ist demnach grundsätzlich die Rechtslage im Zeitpunkt der Entstehung der Erbschaftsteuer mit dem Tode des Erblassers maßgebend (§ 11 in Verbindung mit § 9 Abs. 1 Nr. ErbStG). Etwaige nach dem Tode des Erblassers zwischen den erbrechtlich beteiligten Personen geschlossene Vereinbarungen können – zumindest im Grundsatz – Umfang und Wert des erbschaftsteuerrechtlichen Erwerbes deshalb nachträglich nicht mehr beeinflussen. Zwar hat der Bundesgerichtshof (BGH) zum Zweck der „schiedlich-friedlichen“ Beilegung eines Erbrechtsstreites einen sogenannten postmortalen Auslegungsvertrag zur Klärung eines Widerspruches oder jedenfalls einer Mehrdeutigkeit letztwilliger Verfügungen zugelassen, jedoch gleichzeitig klargestellt, dass hierdurch die erbrechtlichen Erwerber lediglich schuldrechtlich so gestellt werden, als ob die hierin getroffene Auslegung tatsächlich zuträfe (vgl. BGH Urteil vom 22. Januar 1986 Iva ZR 90/84, NJW 1986, 1812). Ausgehend davon hat der Bundesfinanzhof (BFH) in früher mehrfach bestätigter Rechtsprechung Erbvergleichs- und/oder Auslegungsverträge, durch die die Regelungswirkungen zwischen den erbrechtlich als Berechtigte in Betracht kommenden Personen umstrittener letztwilliger Verfügungen abschließend geklärt worden sind, mit der Begründung, dass der Erwerb nach Maßgabe des Vergleiches letztlich seinen Rechtsgrund immer noch im Erbrecht habe, auch für den erbschaftsteuerrechtlichen Erwerb als maßgeblich angesehen (vgl. BFH Urteile vom 1. Februar 1961 II 269/58 U, BFHE 72,358, BStBl III 1961, 133, vom 24. Juli 1972 II R 35/70, BFHE 106, 555, BStBl II 1972, 886 und vom 6. Dezember 2000 II R 28/98, BFH/NV 2001, 601, sowie Beschluss vom 25. August 1998 II B 45/98, BFH/NV 1999, 313). In diesem Zusammenhang hat der BFH jedoch wiederholt festgehalten, dass die erbschaftsteuerrechtliche Anerkennung eines solchen Erbvergleiches eine nicht weiter verallgemeinerungsfähige Ausnahme von dem Grundsatz darstellt, dass weder die Erben noch sonst am Nachlass beteiligte Personen berechtigt sind, den Kreis der steuerpflichtigen Personen oder den Umfang der steuerpflichtigen Bereicherung nach dem Erbfall durch freie Vereinbarung eigenmächtig neu zu bestimmen (vgl. BFH Urteile vom 26. Februar 2008 II R 82/05, BFHE 220, 526, BStBl II 2008, 629, vom 1. Juli 2008 II R 71/06, BFHE 222, 63, BStBl II 2008, 874 und vom 4. Mai 2011 II R 34/09, BFHE 233, 184, BStBl II 2011, 725). Zudem hat sich der BFH in der letztgenannten Entscheidung ausdrücklich insoweit von seiner o.g. früheren Rechtsprechung zum Erbvergleichs- und/oder Auslegungsvertrag abgewendet, als er die an den weichenden Erbprätendenten in einem Rechtsstreit bezahlte Abfindung nicht mehr als einen erbschaftsteuerrechtlichen Erwerbstatbestand ansieht (vgl. hierzu BFH Urteil vom 15. Juni 2016 II R 23/15, BFH/NV 2016, 1568). Der Grundsatz, dass allein der in der letztwilligen Verfügung zum Ausdruck kommende Wille des Erblassers Grundlage der Bestimmung der Person des erbschaftsteuerrechtlichen Erwerbers sowie des Umfanges seines Erwerbes ist, wird durch die (zumindest partielle) Abkehr der bundesgerichtlichen Rechtsprechung von den früheren Erwägungen wieder bestärkt.
b) Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall ist die Klage – allerdings aus einem ursprünglich von den Beteiligten nicht streitigen Grunde – begründet.
aa) Im Zeitpunkt des Erbfalles sind die vom Erblasser herrührenden Verpflichtungen aus den notariellen Schenkungsversprechen erbrechtlich von dessen Alleinerbin als seiner Gesamtrechtsnachfolgerin gemäß § 1967 Abs. 1 BGB zu erfüllen gewesen. Soweit diese Verpflichtungen durch die Vereinbarungen in der notariellen Urkunde vom 27. August 2013 von der Klägerin übernommen worden sind, ist diese lediglich im Nachhinein schuldrechtlich so gestellt worden, als ob sie Rechtsnachfolgerin des Erblassers geworden wäre. Eine erbrechtliche Rückwirkung kommt den Vereinbarungen nicht zu. Daher sind – entgegen der in den Schriftsätzen der Klägerin vom 3. Juli 2017 und 14. August 2017 ausgeführten und wohl auch vom Beklagten vertretenen Rechtsansicht – allein die letztwilligen Verfügungen des Erblassers im notariellen Testament vom 13. Februar 2013 und nicht die hiervon abweichenden Vereinbarungen in der nach dem Tode des Erblassers errichteten notariellen Urkunde vom 27. August 2013 der Besteuerung des Erwerbes der Klägerin zugrunde zu legen. Die in dieser notariellen Urkunde getroffenen Regelungen weichen in so beträchtlicher Weise von dem Wortlaut der letztwilligen Verfügungen des Erblassers in seinem notariellen Testament vom 13. Februar 2013 ab, dass von einer Auslegung des Willens des Erblassers nicht mehr gesprochen werden kann. Zudem ist der Wortlaut des Testamentes, das immerhin von einem Notar beurkundet worden ist, eindeutig und lässt keinen Zweifel daran, dass der Erblasser die Verfügungen auch tatsächlich so gewollt hat. Dies gilt insbesondere für den Umfang des Vermächtnisses der Klägerin, die Behandlung der notariellen Schenkungsversprechen gegenüber der Alleinerbin, gegenüber der Klägerin sowie gegenüber A, B und C, sowie den Umfang des der Alleinerbin zugesprochenen Quotennießbrauches an den der Klägerin vermächtnisweise zugewendeten Geschäftsanteilen der GmbH. Die Argumentation der Klägerin, eklatante Widersprüche in dem notariellen Testament des Erblassers würden die in der notariellen Urkunde vom 27. August 2013 getroffenen Vereinbarungen zwingend erforderlich machen, weil die letztwilligen Verfügungen ihrem Wortlaut nach nicht vollziehbar gewesen wären, ist nicht überzeugend. Es erschließt sich dem Senat nicht, warum die umfassend für sämtliche Geschäftsanteile der GmbH, sowie für die Erfüllung der notariellen Schenkungsversprechen vom 13. Februar 2013 angeordnete Testamentsvollstreckung nur in der Weise umsetzbar gewesen sein soll, dass sämtliche Anteile zunächst auf die Klägerin übertragen werden und diese deshalb zur Erfüllung der Schenkungsversprechen verpflichtet werden muss. Dasselbe gilt für den Umfang des Quotennießbrauches der Alleinerbin.
Zweifellos hat der Erblasser durch die testamentarische Bestimmung seiner Ehefrau zur Alleinerbin dieser eine Vielzahl von schuldrechtlichen Verpflichtungen auferlegt. Zum einen hat er dies jedoch in seinem immerhin notariell beurkundeten Testament in aller Klarheit getan und zum anderen ist die Alleinerbin durch die gleichfalls umfassend angeordnete Testamentsvollstreckung wiederum wirksam von der Notwendigkeit der höchstpersönlichen Umsetzung dieser Verpflichtungen entlastet worden. Die schriftliche Erklärung des beurkundenden Notars … vom 17. Juni 2014 gibt deshalb keine Veranlassung zu einer hiervon abweichenden rechtlichen Einschätzung. Die Erklärung des Notars, der Erblasser hätte unter allen Umständen verhindern wollen, dass seine Ehefrau für die verschenkten Geschäftsanteile der GmbH Erbschaftsteuer zu bezahlen und erforderlichenfalls zwischenzufinanzieren gehabt hätte, kann der Senat als wahr unterstellen. Durch die Anordnung, die Testamentsvollstreckung auf sämtliche Geschäftsanteile der GmbH und damit auch auf die Erfüllung der Schenkungsversprechen zu erstrecken, hat der Erblasser seine Ehefrau von der diesbezüglichen Handlungsverantwortung freigestellt. Vielmehr bestätigt der beurkundende Notar ausdrücklich in seiner Erklärung, dass sich der Erblasser bewusst, dafür entschieden hat, seiner Ehefrau die Stellung als (Allein-)Erbin und nicht nur die rein schuldrechtliche Stellung als Vermächtnisnehmerin einzuräumen, weil er letzteres als „unpassend“ empfunden habe. Damit wird jedoch auch deutlich, dass nach dem Willen des Erblassers die Schenkungsverpflichtungen aus dem der Alleinerbin zustehenden Nachlass und nicht durch die Klägerin zu erfüllen sein sollten. Schließlich hat zwischen der Alleinerbin und der Klägerin auch kein erbrechtlicher Streit über den Inhalt des letzten Willens des Erblassers bestanden, der diese zu einer eine etwaige Unklarheit beseitigenden Auslegungsvereinbarung gezwungen hätte. Jedenfalls rechtfertigt allein das Argument, dass die in der notariellen Vereinbarung vom 27. August 2013 getroffenen Bestimmungen unter dem Gesichtspunkt eines effektiveren Vollzuges zweckmäßig gewesen sein könnten und den wirtschaftlichen oder familiären Bedürfnissen entsprächen, noch keine erbschaftsteuerrechtliche Anknüpfung. Vielmehr hat auch im Streitfall der bundesgerichtlich bestätigte Grundsatz zu gelten, dass weder die Alleinerbin noch sonst am Nachlass beteiligte oder schuldrechtlich berechtigte Personen befugt sind, den Kreis der steuerpflichtigen Personen oder den Umfang der steuerpflichtigen Bereicherung durch freie Vereinbarung nach dem Erbfall eigenmächtig neu zu bestimmen (vgl. oben u.a. BFH Urteil vom 26. Februar 2008 II R 82/05, BFHE 220, 526, BStBl II 2008, 629).
bb) Der erbschaftsteuerrechtliche Erwerb der Klägerin aufgrund des Vermächtnisses des Erblassers umfasst daher entgegen der Sachbehandlung in dem klagegegenständlichen Erbschaftsteuerbescheid vom 18. Mai 2017 nur diejenigen Anteile der GmbH, die nicht Gegenstand der notariellen Schenkungsversprechen des Erblassers vom 13. Februar 2013 gegenüber der Alleinerbin, gegenüber der Klägerin sowie gegenüber A, B und Cgewesen sind. Da die Schenkungsversprechen insgesamt Geschäftsanteile der GmbH im Nennwert von 12.625,- € (d.h. 5 x 2.525,- €) umfassen, hat die Klägerin vermächtnisweise nur Geschäftsanteile im Nennwert von 12.375,- € zugesprochen erhalten. Diese entsprechen somit einem Anteil von 49,5% (bzw. 12.375/25.000) am Wert sämtlicher GmbH-Anteile. In Bezug auf den erbschaftsteuerrechtlichen Wert der von der Klägerin vermächtnisweise erworbenen GmbH-Anteile ist zunächst festzustellen, dass der Bescheid des Finanzamtes Mvom 22. Dezember 2016 über die gesonderte und einheitliche Feststellung des gemeinen Wertes der Anteile lediglich die Alleinerbin als Feststellungsbeteiligte benennt und die Feststellung des gemeinen Wertes in Höhe von 203.829.802,- € daher keine Bindungswirkung gegenüber der Klägerin entfaltet hat. Die insoweit unzutreffende Nennung der verfahrensrechtlichen Änderungsvorschrift des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) im klagegegenständlichen Erbschaftsteuerbescheid ist angesichts des Fortbestandes des Vorbehaltes der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 Satz 1 AO) und der sich hieraus ergebenden Änderungsbefugnis nach § 164 Abs. 2 Satz 1 AO unschädlich. Die materiell-rechtliche Änderung der Besteuerungsgrundlage findet mangels verbindlicher Grundlagenfeststellung gegenüber der Klägerin gemäß § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BewG jedoch ihre Berechtigung in der Schätzungsbefugnis des Beklagten nach § 162 AO. Da der im klagegegenständlichen Erbschaftsteuerbescheid in Anlehnung an den o.g. Feststellungsbescheid des Finanzamtes Mfür sämtliche Anteile der GmbH angenommene gemeine Wert von 203.829.802,- € zwischen den Beteiligten unstreitig ist, sieht der erkennende Senat keinen Anlass, sich diesem materiellen Schätzwert nicht anzuschließen (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO). Mithin ergibt sich hieraus ein zutreffender Wert des erbschaftsteuerrechtlichen Erwerbes der Klägerin von 100.895.752,99 € (d.h. 49,5% x 203.829.802,- €).
cc) Dem Wortlaut des notariellen Testamentes des Erblassers vom 13. Februar 2013 entsprechend sollte – entgegen der Sachbehandlung in der notariellen Vereinbarung vom 27. August 2013 – die Klägerin lediglich in Bezug auf die ihr vermächtnisweise zugewendeten Geschäftsanteile der GmbH mit einem 50%igen Quotennießbrauch zugunsten der Alleinerbin belastet werden. Folgerichtig ist bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer der Klägerin der Quotennießbrauch der Alleinerbin auch nur in diesem Umfang zum Abzug zu bringen. Ausgehend von dem zwischen den Beteiligten unstreitigen Jahresertrag der GmbH in Höhe von 1,5 Mio. €, an dessen Richtigkeit zu zweifeln der Senat nach dem Sachvortrag der Beteiligten und der Lage der Akten keinen Anlass sieht, ergibt sich der – bereits in der Erbschaftsteuererklärung ausgewiesene – Jahreswert des Quotennießbrauches der Alleinerbin von 371.250,- € (d.h. 1,5 Mio. € x 49,5% x ½). Der bei der Klägerin als Belastung abziehbare Kapitalwert des Quotennießbrauches der Alleinerbin errechnet sich durch Multiplikation des Jahreswertes der lebenslänglichen Nutzung mit dem sich aus der Sterbetafel des Statistischen Bundesamtes ergebenden Vervielfältigers (§ 14 Abs. 1 BewG). Maßgeblich ist die vor dem Bewertungsstichtag (§ 11 ErbStG) veröffentlichte Sterbetafel. Für die am 5. Juli 1940 geborene Alleinerbin ergibt sich aufgrund des Bewertungsstichtages des 2. Juli 2013 nach der ab dem 1. Januar 2013 geltenden Sterbetafel des Statistischen Bundesamtes (vgl. BMF Schreiben vom 26. Oktober 2012, IV D 4 – S 3104/09/10001, BStBl I 2012, 950) für das vollendete 72. Lebensjahr ein Vervielfältiger von 10,278 und für das vollendete 73. Lebensjahr ein solcher von 9,915. Hieraus errechnet sich angesichts des tatsächlichen Lebensalters der Alleinerbin im Bewertungszeitpunkt ein interpolierter Vervielfältiger von 9,918 (d.h. (10,278 – 9,915) x 3/365). Mithin ist zugunsten der Klägerin erbschaftsteuerrechtlich ein Kapitalwert des Quotennießbrauches von 3.682.057,50 € (d.h. 371.250,- € x 9,918) vom Wert des Erwerbes zum Abzug zu bringen.
dd) Unstreitig zwischen den Beteiligten sind schließlich die als Nachlassregelungskosten im Sinne des § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG behandelten Gebühren für die Testamentsvollstreckung in Höhe von 2.376.209,- €. Da die Beteiligten die Frage, ob die von der Klägerin erklärten und vom Beklagten der Höhe nach bislang nicht bestrittenen Kosten, allein von der Klägerin zu tragen gewesen sind, nicht problematisiert haben, sieht der Senat keine Veranlassung von dieser unter den Beteiligten einvernehmlichen Sachbehandlung abzuweichen.
ee) Die ursprünglich von den Beteiligten unterschiedlich beantwortete Rechtsfrage, ob und gegebenenfalls wie die sich aus den notariellen Schenkungsversprechen ergebenden und erst zum 31. Dezember 2018 zu erfüllenden Verpflichtungen auf Übertragung von Geschäftsanteilen der GmbH auf den Bewertungsstichtag abgezinst werden müssen, stellt sich aufgrund der vorgenannten rechtlichen Erwägungen zumindest im vorliegenden Rechtsstreit nicht. Ebenso wenig ist in dem vorliegenden Verfahren über die etwaigen sich aus dem ErbStG ergebenden Rechtsfolgen der notariellen Vereinbarungen vom 27. August 2013 und vom 18. Dezember 2014 zu entscheiden.
c) Für den Streitfall ergibt sich danach folgende Ermittlung der Erbschaftsteuer der Klägerin:
Wert des Vermächtnisgegenstandes (203.829.802,- € x 49,5%)
100.895.751,99 €
Notarielle Schenkungsversprechen vom 13.02.2013
./. 0,00 €
Nießbrauch der Alleinerbin (371.250,- € x 9,918) * **
./. 3.682.057,50 €
Testamentsvollstreckungskosten
./. 2.376.209,00 €
Wert des Erwerbes
94.837.485,49 €
Vorerwerb
+ 194.500,00 €
Freibetrag
./. 400.000,00 €
Restbetrag
94.631.985,49 €
Steuerpflichtiger Erwerb
94.631.900,00 €
Steuersatz 30% laut Steuerklasse I
28.389.570 €
* Der Ausgangswert entstammt der Erbschaftsteuererklärung der Klägerin.
** Der anhand des Geburtsdatums der Alleinerbin ermittelte, interpolierte Vervielfältiger ergibt sich aus der Tabelle zu
§ 14 BewG (vgl. BMF vom 26.10.2012, IV D 4 – S 3104/09/10001, BStBl I 2012, 950).
3.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, weil die Klägerin mit ihrem weitreichendsten Klagebegehren obsiegt.
4.) Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und des Vollstreckungsschutzes folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1, Halbsatz 1, Abs. 3 FGO in Verbindung mit der sinngemäß anzuwendenden Vorschrift des § 708 Nr. 10, § 711 Zivilprozessordnung.
5.) Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen hierfür nach § 115 Abs. 2 FGO nicht erfüllt sind. Da der erkennende Senat in Bezug auf die Maßgeblichkeit letztwilligen Verfügungen für Art und Umfang des erbschaftsteuerrechtlichen Erwerbes nicht von der Rechtsprechung des BFH abweicht, kommt der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zu. Auch die übrigen in § 115 Abs. 2 Nr. 2 und 3 FGO genannten Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen


Nach oben