Europarecht

1 WB 26/20

Aktenzeichen  1 WB 26/20

Datum:
31.3.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2021:310321B1WB26.20.0
Spruchkörper:
1. Wehrdienstsenat

Tenor

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Tatbestand

1
Der Antrag betrifft die Besetzung des mit A 16 bewerteten Dienstpostens eines Verbindungsstabsoffiziers im deutschen Verbindungskommando beim Ministry of Defence in Großbritannien.
2
Der 1962 geborene Antragsteller ist Diplom-Pädagoge und seit 1990 Berufssoldat. Seine Dienstzeit wird voraussichtlich mit dem März 2024 enden. Mit Wirkung zum 1. Oktober 2014 wurde er zum Oberst befördert und in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 16 eingewiesen. Mit Wirkung vom 12. August 2016 ist für ihn eine Schwerbehinderung mit einem Grad der Behinderung von 80 festgestellt worden. Zum 9. Januar 2006 wurde er an die … versetzt, wo er auf verschiedenen Dienstposten … verwendet wurde. Zudem war er in der Folgezeit auch beim Bundesministerium der Verteidigung als Grundsatzreferent Militärpolitik und bilaterale Beziehungen, als Verbindungsoffizier im britischen Verteidigungsministerium und als Heeresattaché im Militärattachéestab London verwendet worden. Seinen letzten Auslandseinsatz absolvierte er 2003/2004 im Kosovo. Am 25. Februar 2012 wurden ihm die Kompetenzbereiche Militärpolitik sowie Führung und Einsatz zugewiesen. Seine zum Stichtag 30. September 2017 erstellte und ihm am 21. Juni 2017 eröffnete planmäßige Beurteilung weist für ihn die Kompetenzbereiche Militärpolitik und Ausbildungsmanagement aus.
3
Der 1965 geborene Beigeladene ist Diplom-Staatswissenschaftler und seit 1994 Berufssoldat. Seine Dienstzeit wird voraussichtlich mit dem März 2027 enden. Er wurde im August 2018 zum Oberst ernannt und in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 16 eingewiesen. Seinen letzten Auslandseinsatz absolvierte er vom 26. Mai bis zum 14. Dezember 2018 in Kabul. Bis zu seiner Versetzung auf den streitigen Dienstposten war er bei der … verwendet worden. Davor war er seit Juli 2014 als Austauschreferent im britischen Verteidigungsministerium eingesetzt. Seine planmäßige Beurteilung zum Stichtag 30. September 2019 weist die Kompetenzbereiche Militärpolitik und Führung und Einsatz aus.
4
Der Antragsteller hatte sich unter dem 14. Oktober 2018 für den streitgegenständlichen Dienstposten beworben.
5
Unter dem 6. März 2020 wurde der Antragsteller darüber informiert, dass er nicht die zwingenden Bedarfsträgerforderungen für den streitigen Dienstposten erfülle. Der Bedarfsträger verlange aktuelle Einsatzerfahrung auf Stabsoffiziersebene aus den vergangenen fünf Jahren. Er habe seinen letzten Auslandseinsatz 2004 absolviert. Die Forderung sei üblich und zulässig. Der Antragsteller könne für andere Dienstposten in Großbritannien oder dem weiteren Ausland mitbetrachtet werden.
6
Unter dem 10. März 2020 beschwerte sich der Antragsteller hiergegen. Er habe in den Jahren 1995 und 2004 seine Bereitschaft zu Auslandseinsätzen bewiesen. Nach Erkrankungen … und … sei er schwerbehindert. Durch die Bedarfsträgerforderung nach aktueller Einsatzerfahrung entstehe ihm als Schwerbehinderten ein Nachteil. Nach Eignung, Leistung und Befähigung werde er im Hinblick auf seine sonstigen Qualifikationen benachteiligt.
7
Die Bezirksschwerbehindertenvertretung der Streitkräftebasis teilte nach Anhörung unter dem 2. April 2020 mit, der Antragsteller müsse nicht mitbetrachtet werden, da der Bedarfsträger eine Einsatzerfahrung in den vergangenen fünf Jahren fordere und der Antragsteller dieses Erfordernis nicht erfülle. Eine Benachteiligung eines schwerbehinderten Soldaten werde nicht gesehen. Diese Sichtweise werde auch durch die Hauptschwerbehindertenvertretung beim Bundesministerium der Verteidigung geteilt.
8
Mit Entscheidung des Staatssekretärs vom 27. April 2020 wurde der Beigeladene für die Besetzung der Stelle zum 1. Oktober 2020 ausgewählt.
9
Nach der dem Entscheidungsvorschlag der Präsidentin des Bundesamtes für das Personalmanagement vom 27. April 2020 beigefügten Auswahldokumentation sind dem Dienstposten die folgenden Hauptaufgaben zugeordnet:
– Repräsentieren der Bundeswehr und der Bundesrepublik Deutschland im Britischen Ministry of Defence
– Berichterstattung und Beantwortung von Informationsersuchen über Entwicklungen und Planungen in den britischen Streitkräften gemäß Weisung BMVg, Kdo SKB, KdoH, Kdo Lw, MarKdo, SanKdo über MilAttStab London
– Wahrnehmung und Vertretung der Interessen der Bundeswehr und der Bundesrepublik Deutschland im Britischen Ministry of Defence nach Weisung MilAttStab London
– Beantwortung von Informationsersuchen der britischen Seite
– Vorbereiten und Teilnehmen an bilateralen Gesprächsformaten auf Ebene Ministeriums (BMVg – MoD) und Militärischer Organisationsbereiche
– Planen, Vorbereiten und Durchführen von Tagungen, Besuchen und Besprechungen deutscher Delegationen im MoD.
10
Als Besonderheiten wird angeführt
– DA im Dienstgrad Oberst/Kapitän zur See
– DP nimmt in Nebenfunktion die Aufgaben des VO im PJHQ GBR wahr
11
Hiernach gehören – neben verschiedenen wünschenswerten Erfordernissen – zu den zwingenden Kriterien des Anforderungsprofils:
– Referent BMVg vor StOffz BMVg vor vergl. Verwendung
– LGAN
– Kompetenzbereich Führung/Einsatz
– ATN 1000103 – G 3 oder Verwendung als G 3/A 3/Einsatzstabsoffizier
– ATN 1002903 – Verbindungsstabsoffizier Streitkräfte oder Vorverwendung im Verbindungswesen
– Vorverwendung im integrierten/internationalen Bereich in Großbritannien
– Vorverwendung als Bataillonskommandeur oder vergleichbar
– Erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen Ü 3
– Englisch SLP 4343
– Einsatzerfahrung auf der Stabsoffizierebene in den vergangenen 5 Jahren
– Hochschulstudium mit Abschluss
12
Ausweislich des Planungsbogens wurde der Antragsteller mitbetrachtet, aber – ebenso wie zwei weitere Oberste – mangels Einsatzerfahrung in den vergangenen fünf Jahren nicht weiter betrachtet.
13
Der Auswahl lag die am 19. Februar 2020 getroffene Organisationsgrundentscheidung “Querversetzung” zugrunde.
14
Auf Nachfrage erklärte der Antragsteller am 11. September 2020, eine Vorlage seines Rechtsbehelfs an den Senat zu wünschen. Das Bundesministerium der Verteidigung hat den Antrag mit seiner Stellungnahme vom 28. September 2020 dem Senat vorgelegt.
15
Der Antragsteller führt aus, er beantrage nicht die Aufhebung der Versetzung des Beigeladenen, sondern die Feststellung, dass er ungerecht behandelt werde. Er werde allein wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt. Die Bedarfsträgerforderung nach aktueller Einsatzerfahrung sei für den von Bürotätigkeiten geprägten Dienstposten nicht zwingend notwendig. Dass aktuelle Einsatzerfahrung für die Funktion des Verbindungsoffiziers zum britischen Permanent Joint Head Quarter (PJHQ) notwendig sei, überzeuge nicht. Eine Personalentscheidung sei auf eine unbestimmte Zukunft ausgerichtet. Welcher Erfahrungsschatz in den nächsten vier Jahren hilfreich sei und ob Erfahrungen aus Auslandseinsätzen der vergangenen fünf Jahren noch künftig nutzbar seien, sei zweifelhaft. Die Frage sei über den konkreten Einzelfall hinaus bedeutend. Mit nicht schwerbehinderten Mitbewerbern, die das Kriterium aktueller Einsatzerfahrung nicht erfüllten, sei er nicht vergleichbar, weil diese die Erfahrungen noch erwerben könnten. Dass das Bundesministerium der Verteidigung sein in der Vergangenheit erworbenes Wissen als nutzlos bezeichne, sei ein Schlag ins Gesicht. Anzumerken sei weiter, für den Beigeladenen sei eine Vorverwendung auf einem Dienstposten als Erfüllung eines zwingenden Kriteriums anerkannt worden, auf dem dieser sein Nachfolger gewesen sei. Diese Verwendung werde ihm dagegen nicht als Erfüllung dieses Kriteriums anerkannt. Ein Militärattaché sei nicht bei einem befreundeten Verteidigungsministerium angesiedelt, sondern unterstehe dem Auswärtigen Amt und der Botschaft. Ihm sei die Zuweisung des Kompetenzbereichs Ausbildungsmanagement nicht mitgeteilt worden. Vielmehr seien ihm die Kompetenzbereiche Militärpolitik und Führung und Einsatz zugewiesen.
16
Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
17
Zwar sei die Beschwerde vom 10. März 2020 noch vor der Sachentscheidung vom 27. April 2020 gestellt worden. Jedoch sei sein Begehren nunmehr endgültig abgelehnt und der auf Aufhebung der Besetzungsentscheidung und Neubescheidung gerichtete Rechtsbehelf damit wirksam geworden. Der im gerichtlichen Verfahren gestellte Feststellungsantrag sei mangels Erledigung des Verpflichtungsbegehrens oder Nichtigkeit der Besetzungsentscheidung und mangels Feststellungsinteresses unzulässig.
18
Im Übrigen sei die Nichtberücksichtigung des Antragstellers rechtskonform und der Feststellungsantrag unbegründet. Zwar komme der Antragsteller wie der Beigeladene für eine Querversetzung, die hier rechtskonform zugrunde gelegt und ordnungsgemäß dokumentiert sei, in Betracht. Hierbei sei aber nach militärischer Zweckmäßigkeit zu entscheiden. Der Grundsatz der Bestenauslese komme auch nicht durch freiwillige Selbstbindung zur Anwendung. Da bei der dotierungsgleichen Querversetzung der künftige Status eines Soldaten nicht berührt sei, seien geringere Anforderungen an die Rechtmäßigkeit von Ausschlusskriterien des Anforderungsprofils zu stellen. Der Grundsatz der Bestenauslese gelte nur eingeschränkt. Die Forderung nach aktueller Einsatzerfahrung sei wegen einer Umstrukturierung 2019, nach der dem Dienstposteninhaber die Aufgaben des Verbindungsmannes zum PJHQ übertragen worden seien, erfolgt. Aktuelle Erfahrungen seien zweckmäßiger als länger zurückliegende. Die Forderung nach nicht länger als fünf Jahren zurückliegenden Erfahrungen sei bereits großzügig bemessen. Ihr Erfordernis ergebe sich aus einer Stellungnahme des Leiters der Deutschen Delegation in Großbritannien. Der Beigeladene erfülle das Anforderungsprofil vollumfänglich. Dem Antragsteller würde aktuelle Einsatzerfahrung fehlen. Er sei hiernach unabhängig von seiner Schwerbehinderung nicht ausgewählt worden. Auch andere, nicht schwerbehinderte Oberste seien mangels aktueller Einsatzerfahrung nicht ausgewählt worden. Den Vorgaben des Sozialgesetzbuches IX und der ZDv A-1420/37 zum Schutze Schwerbehinderter sei genügt. Die zuständigen Schwerbehindertenvertretungen seien gehört worden. Auf die Kompetenzbereichszuweisung des Antragstellers komme es nicht mehr an. Der Antragsteller stehe in der vierten Verwendung in der … und werde daher in den Kompetenzbereichen Militärpolitik und Ausbildungsmanagement betrachtet.
19
Der Beigeladene hat sich zur Sache nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.
20
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministeriums der Verteidigung und die Personalgrundakte des Antragstellers und des Beigeladenen haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.


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