Europarecht

7 CN 1/20

Aktenzeichen  7 CN 1/20

Datum:
18.3.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2021:180321U7CN1.20.0
Spruchkörper:
7. Senat

Leitsatz

1. Ein Widerruf im Sinne von § 20 Abs. 3 Satz 3 KrWG ist bei funktionaler Betrachtung jede Rückänderung einer in einem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsgebiet geschaffenen Ausschlussregelung.
2. § 20 Abs. 3 Satz 3 KrWG vermittelt einem privaten Entsorgungsunternehmen keinen einfachrechtlichen Drittschutz.

Verfahrensgang

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Mecklenburg-Vorpommern, 30. Oktober 2018, Az: 1 K 562/16, Urteil

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 30. Oktober 2018 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

1
Die Antragstellerin, ein im Bereich der Entsorgung von Bau- und Abbruchabfällen tätiges Unternehmen, wendet sich gegen eine Satzung des Antragsgegners über die Abfallwirtschaft. Sie betreibt eine Deponie für nicht gefährliche Abfälle (Deponieklasse I) im Landkreis Rostock und hat den Erlass eines Planfeststellungsbeschlusses für die Errichtung und den Betrieb einer weiteren Deponie der Klasse I in Ramelow im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte beantragt.
2
Der Antragsgegner ist im Jahr 2011 aufgrund einer Gebietsreform aus den Landkreisen Nordvorpommern und Rügen sowie der Hansestadt Stralsund als deren Gesamtrechtsnachfolger entstanden. Er ist öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger für sein Gebiet; dort existiert keine Deponie. Bis Ende 2015 bestanden drei Entsorgungsgebiete der früheren Gebietskörperschaften mit jeweils unterschiedlichen Satzungsregelungen fort. In den Entsorgungsgebieten waren in unterschiedlicher Weise zahlreiche Bau- und Abbruchabfälle von der Entsorgung durch öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger ausgeschlossen. Die Satzungen der ehemaligen Landkreise sahen die Wahrnehmung der Entsorgungspflichten durch eigene öffentliche Anlagen oder Eigenbetriebe vor. Zur Aufgabenerfüllung konnten Dritte beauftragt werden; die Antragstellerin war in den Satzungen nicht genannt.
3
Der Antragsgegner ist seit Januar 2013 neben den Landkreisen Mecklenburgische Seenplatte und Vorpommern-Greifswald Gesellschafter der Ostmecklenburgisch-Vorpommerschen Verwertungs- und Deponie GmbH (OVVD GmbH), die im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte die Deponie “Rosenow” der Deponieklasse II betreibt. Die Gesellschafter vereinbarten, alle im Rahmen ihrer Entsorgungspflicht aus dem Kreislaufwirtschaftsgesetz anfallenden und für die Entsorgungsanlagen der Gesellschaft und ihrer Tochtergesellschaft zugelassenen Müllarten der OVVD GmbH anzudienen. Zur Absicherung der Andienungspflicht verpflichteten sich die Gesellschafter zum Erlass von entsprechenden Satzungsregelungen. Der Antragsgegner erließ die streitgegenständliche Satzung über die Abfallwirtschaft im Landkreis Vorpommern-Rügen (AbfS) vom 14. Dezember 2015. § 4 AbfS i.V.m. der Anlage zur Satzung regelt, welche Abfälle von der Abfallentsorgung ausgeschlossen sind, § 5 AbfS das Anschluss- und Benutzungsrecht und § 6 AbfS den Anschluss- und Benutzungszwang. § 18 AbfS listet die vom Landkreis zur Verfügung gestellten und genutzten Abfallentsorgungsanlagen auf.
4
Mit Normenkontrollurteil vom 30. Oktober 2018 hat das Oberverwaltungsgericht den Antrag der Antragstellerin, die Abfallsatzung für unwirksam zu erklären, mangels Antragsbefugnis abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt: Weder seien die Grundrechte der Antragstellerin durch die Satzung betroffen noch habe der Antragsgegner bei Erlass der Satzung ihre Belange berücksichtigen müssen. In die Berufsausübungsfreiheit der Antragstellerin greife die Satzung nicht ein. Die Antragstellerin habe ihren Firmensitz und ihre Deponiestandorte nicht im Satzungsgebiet und könne ihren Beruf als Abfallentsorger ohne Einschränkung weiterhin ausüben. Es sei zwar eine Eigentumsbeeinträchtigung insoweit in Betracht zu ziehen, als die Antragstellerin aufgrund der Satzungsregelungen einen geringeren Umsatz habe; es fehle aber an einem zielgerichteten Eingriff. Die Abfallsatzung habe sich nur an den Grundsätzen der Abfallwirtschaft und insbesondere an den Regelungen des Kreislaufwirtschaftsgesetzes auszurichten. Die Einbeziehung der Bau- und Abbruchabfälle in den Kreis der andienungspflichtigen Abfälle in der Abfallsatzung sei kein Widerruf des Ausschlusses von der Entsorgung. Der Antrag sei zudem unbegründet. Die Abfallsatzung sei ordnungsgemäß zustande gekommen. Die Abfälle der Deponieklasse I dürften in der vorgesehenen Deponie der Klasse II entsorgt werden, wenn eine Deponie der Klasse I im Satzungsgebiet nicht zur Verfügung stehe.
5
Zur Begründung der vom Senat zugelassenen Revision macht die Antragstellerin geltend, antragsbefugt zu sein. Mit der angegriffenen Satzung sei ein Widerruf des Ausschlusses von der Entsorgung gemäß § 20 Abs. 2 Satz 3 KrWG a.F. erfolgt. Diese Norm sei drittschützend; außerdem seien ihre Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG berührt. Die materiellen Voraussetzungen für die Aufhebung des Entsorgungsausschlusses hätten zudem nicht vorgelegen.
6
Die Antragstellerin beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 30. Oktober 2018 die Satzung über die Abfallwirtschaft im Landkreis Vorpommern-Rügen vom 14. Dezember 2015 in der Fassung der Änderungssatzung vom 9. Oktober 2017 für unwirksam zu erklären.
7
Der Antragsgegner beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
8
Der Antragsgegner verteidigt das Urteil des Oberverwaltungsgerichts und führt ergänzend aus: § 20 Abs. 2 KrWG a.F. sei grundsätzlich nicht drittschützend. Das Ermessen beim Erlass der Abfallsatzung könne nur am Maßstab des Gleichbehandlungsgebots und der Willkürfreiheit ausgeübt werden. Nicht adressierte Dritte, wie die Antragstellerin, könnten keinen Schutz beanspruchen.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben