Europarecht

Anordnung der Industrie- und Handelskammer zur Vorlage der Erklärung zur Erfüllung der Weiterbildungspflicht als Versicherungsvermittler, „Alte-Hasen-Regelung“, Verhältnismäßigkeit, Kontrolle, Weiterbildungsangebote, Ausnahmen von der Weiterbildungspflicht

Aktenzeichen  22 ZB 20.1840

Datum:
12.8.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 24957
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GewO § 34d Abs. 9 S. 2, § 34e Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Buchst. c
VersVermV § 7 Abs. 3
GG Art. 12

 

Leitsatz

Verfahrensgang

AN 4 K 19.2370 2020-07-01 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin wendet sich gegen eine Anordnung zur Vorlage der Erklärung zur Erfüllung ihrer Weiterbildungspflicht als Versicherungsvermittlerin für das Jahr 2018.
Mit Bescheid vom 29. Oktober 2019 forderte die Beklagte die Klägerin auf, die Erklärung über die Erfüllung der Weiterbildungsverpflichtung nach § 34d Abs. 9 Satz 2 GewO i.V.m. § 7 Abs. 1 VersVermV für das Jahr 2018 vollständig ausgefüllt und unterschrieben bis zum 20. November 2019 einzusenden.
Das Verwaltungsgericht Ansbach wies die gegen diesen Bescheid erhobene Klage mit Urteil vom 1. Juli 2020 ab, das der Klägerin am 17. Juli 2020 zugestellt wurde. Zur Begründung der Klageabweisung führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, dass die Klägerin bzw. ihr Geschäftsführer der Weiterbildungspflicht unterlägen. Die Anordnung sei auch verhältnismäßig, da die Klägerin die erforderliche Weiterbildung unabhängig von Fortbildungsangeboten der Beklagten auch im Selbststudium betreiben könne.
Mit Schriftsatz vom 31. Juli 2020, beim Verwaltungsgericht eingegangen am 3. August 2020, beantragte die Klägerin die Zulassung der Berufung und begründete den Antrag mit Schriftsatz vom 9. September 2020, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingegangen am 11. September 2020. Sie macht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts sowie die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.
Die Beklagte ist dem Zulassungsantrag entgegengetreten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegten Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) ergeben sich nicht die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist bereits nicht den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt.
Ernstliche Zweifel i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen dann, wenn nach dem Vortrag des Rechtsmittelführers gegen die Richtigkeit des Urteils gewichtige Gesichtspunkte sprechen. Davon ist immer dann auszugehen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und wenn sich nicht ohne nähere Prüfung die Frage beantworten lässt, ob die Entscheidung möglicherweise im Ergebnis aus einem anderen Grund richtig ist (BVerfG, B.v. 7.10.2020 – 2 BvR 2426.17 – juris Rn. 34; BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – juris Rn. 9). Der Rechtsmittelführer muss konkret darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis falsch ist. Dazu muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts konkret auseinandersetzen und im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 62 f.). Gemessen daran hat die Klägerin keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts aufgezeigt.
Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Beklagte gegenüber der Klägerin eine Anordnung nach § 7 Abs. 3 VersVermV erlassen konnte, weil die Klägerin der Weiterbildungspflicht nach § 34d Abs. 9 Satz 2 GewO i.V.m. § 7 VersVermV unterliegt.
Das Verwaltungsgericht hat hierzu ausgeführt, dass die Weiterbildungspflicht nach § 7 Abs. 1 VersVerwV unabhängig davon gelte, dass der Geschäftsführer der Klägerin ein rechtswissenschaftliches Studium abgeschlossen habe, da die Weiterbildungspflicht als jährliche Pflicht ausgestaltet sei. Eine allgemeine Ausnahme von der Weiterbildungspflicht für Inhaber von Berufsqualifikationen sei in § 5 VersVermV gerade nicht normiert worden.
Demgegenüber bringt die Klägerin im Zulassungsverfahren vor, dass gemäß § 2 Abs. 3 VersVermV Personen, die seit dem 31. März 2000 ununterbrochen selbstständig als Versicherungsvermittler tätig gewesen seien, keiner Sachkundeprüfung bedürften und daher § 7 VersVermV nicht für diesen Personenkreis gelte.
Die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass auch die Klägerin bzw. ihr Geschäftsführer der Weiterbildungspflicht unterliegen, hat die Klägerin mit diesem Vorbringen nicht ernsthaft in Zweifel gezogen. Der Gesetzgeber trennt in § 34d GewO zwischen dem Sachkundenachweis, der Voraussetzung für die Erteilung der entsprechenden Vermittlungserlaubnis ist (§ 34d Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 GewO) und der Weiterbildungspflicht in § 34d Abs. 9 Satz 2 GewO. Ausnahmen vom grundsätzlich erforderlichen Sachkundenachweis sind in § 2 VersVermV geregelt, Ausnahmen von der Weiterbildungsflicht in § 34d Abs. 9 Satz 3 und 4 GewO. Mit Artikel 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Januar 2016 über Versicherungsvertrieb – IDD-RL – und zur Änderung weiterer Gesetze vom 20. Juli 2017 (BGBl. I S. 2789) wurde § 34d GewO (Versicherungsvermittler und Versicherungsberater) neu gefasst und unter anderem die Weiterbildungspflicht in § 34d Abs. 9 Satz 2 GewO aufgenommen. Die Änderung der auf der Verordnungsermächtigung in § 34e GewO beruhenden Versicherungsvermittlungsverordnung erfolgte durch Verordnung vom 20. Dezember 2018.
Die diesbezügliche BT-Drs. 19/3109 vom 2. Juli 2018 führt bzgl. der sog. „Alte-Hasen-Regelung“, auf die sich die Klägerin beruft, bei § 2 (Sachkundeprüfung) folgendes aus: „Für die in Abs. 3 Satz 1 getroffene ‚Alte-Hasen-Regelung‘ besteht in der Praxis weiterhin Bedarf. Die Regelung in Satz 2 hat folgenden Hintergrund: Nach § 1 Absatz 4 der Versicherungsvermittlerverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Mai 2007 bedurften Personen, die seit dem 31. August 2000 selbständig oder unselbständig ununterbrochen als Versicherungsvermittler tätig waren, keiner Sachkundeprüfung, wenn sie bis zum 1. Januar 2009 eine Erlaubnis beantragen. Insoweit hatte diese Regelung für die Betroffenen einen Bestandschutz bewirkt. Diese Antragsfrist wurde durch Artikel 1 Nummer 1 der Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Versicherungsvermittlung und -beratung vom 19. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2969) gestrichen. Für Gewerbetreibende, die aufgrund der alten Regelung bis zum 1. Januar 2009 einen Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis als Versicherungsvermittler oder Versicherungsberater gestellt und die Voraussetzungen des § 1 Absatz 4 der Versicherungsvermittlungsverordnung alter Fassung zu diesem Zeitpunkt erfüllt haben, soll auf Grund des § 2 Absatz 3 Satz 2 die Befreiung von der Sachkundeprüfung in Abweichung von der neuen Fassung des § 1 Absatz 4 auch dann gelten, wenn sie nach Antragstellung ihre Tätigkeit als Versicherungsvermittler oder Versicherungsberater unterbrochen haben.“ Hierdurch wird deutlich, dass sich der durch diese Regelung bewirkte Bestandsschutz ausschließlich auf die Sachkundeprüfung nach § 2 VersVermV bezieht. Die Weiterbildungspflicht in § 7 VersVermV ist davon nicht umfasst. Hätte der Verordnungsgeber den „alten Hasen“ auch insoweit Bestandsschutz einräumen wollen, hätte es nahegelegen, in § 7 VersVermV eine entsprechende Ausnahmeregelung aufzunehmen.
Entgegen seinem Vorbringen im Klageverfahren ist der Geschäftsführer der Klägerin aber auch nicht durch die erfolgreich absolvierte Zweite Juristische Staatsprüfung im Jahr 1970 von seiner Weiterbildungspflicht für das Jahr 2018 befreit. Zwar gilt der Erwerb einer der in § 5 VersVermV aufgeführten Berufsqualifikationen gemäß § 7 Abs. 1 Satz 7 VersVermV als Weiterbildung i. S. d § 7 Abs. 1 VersVermV, allerdings nur dann, wenn die angemessene Sachkunde bereits vorliegt, d. h. die Berufsqualifikation nicht dem Erwerb der Erstqualifikation, sondern der Weiterbildung dient (BT-Drs. 19/3109, S. 35). Offensichtlich hat vorliegend die Juristische Staatsprüfung nicht der Weiterbildung des Geschäftsführers der Klägerin als Versicherungsvermittler gedient. Zudem bedeutet die Regelung in § 7 Abs. 1 S. 7 VersVermV nicht, dass der Erwerb einer der in § 5 VersVermV aufgeführten Berufsqualifikationen den Betroffenen dauerhaft von der Weiterbildungspflicht befreien würde. Dies ergibt sich auch aus Art. 10 Abs. 2 UAbs. 1 IDD-RL, nach dem die Herkunftsmitgliedsstaaten dafür Sorge tragen, dass Versicherungsvermittler den Anforderungen „ständiger“ beruflicher Schulung und Weiterbildung genügen, um ein angemessenes Leistungsniveau aufrechtzuerhalten, das den von ihnen wahrgenommenen Aufgaben und dem entsprechenden Markt entspricht. Bei der in § 34d Abs. 9 Satz 2 GewO statuierten Weiterbildungspflicht handelt es sich um eine jährliche Weiterbildungspflicht, da bereits der Gesetzeswortlaut von 15 Stunden je Kalenderjahr ausgeht. Dem widerspräche es, wenn der einmalige Erwerb einer beruflichen Qualifikation dauerhaft die Weiterbildungsflicht entfallen ließe.
Auch das Vorbringen der Klägerin zur in § 7 Abs. 1 VersVermV näher geregelten Weiterbildungspflicht und zum in § 7 Abs. 3 VersVermV normierten Überprüfungsrecht der Beklagten vermag die Richtigkeit des Urteils vom 1. Juli 2020 nicht ernsthaft in Zweifel zu ziehen.
Das Verwaltungsgericht hat diesbezüglich ausgeführt, dass die Anordnung der Beklagten verhältnismäßig sei, weil der Nachweis der Weiterbildungspflicht einem legitimen Zweck diene und zum Erreichen des Zwecks geeignet sei. Ein Nachweis sei zum Erreichen des Zwecks auch erforderlich. Ein milderes Mittel als die in § 7 Abs. 1 Satz 3 VersVermV normierten Nachweismöglichkeiten sei nicht ersichtlich, da sie insbesondere die Möglichkeit zum Selbststudium umfassten. Die Argumentation der Klägerin, wonach unabhängige Fortbildungsangebote nicht existierten, laufe ins Leere. Es sei Aufgabe eines Versicherungsvermittlers den Überblick über die Versicherungsprodukte unterschiedlicher Anbieter zu haben.
Demgegenüber wendet die Klägerin ein, dass für die Beklagte keine Pflicht bestehe, die Einhaltung der Weiterbildungspflicht zu überprüfen. Eine Weiterbildungspflicht, für deren Einhaltung keine Überprüfungspflicht bestehe, lade zur Nichtbeachtung ein und sei daher nicht geeignet ihren Zweck zu erreichen. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, es bestehe die Möglichkeit zum Selbststudium, die Weiterbildung sei lediglich zu dokumentieren, entspreche nicht der gesetzlichen Regelung. Bei Weiterbildungsmaßnahmen im Selbststudium sei eine nachweisbare Lernerfolgskontrolle durch den Anbieter erforderlich. Dies gehe weit über die angenommene Dokumentationspflicht hinaus. Weiterbildungsangebote seien zwingend notwendig, um die auferlegte Weiterbildungspflicht erfüllen zu können. Bereits ein fahrlässiger Verstoß gegen die Weiterbildungspflicht stelle eine Ordnungswidrigkeit dar. Ob der Versicherungsvermittler mit der Wahrnehmung eines Weiterbildungsangebots seine Weiterbildungspflicht erfülle, hänge von der Anerkennung des Weiterbildungsangebots durch die zuständige Industrie- und Handelskammer ab. Eine Weiterbildungspflicht, deren Erfüllung dem Betroffenen nicht sicher möglich sei und deren Verletzung zu einer Geldbuße führe, und eine auf ihr beruhende Nachweispflicht greife in unverhältnismäßiger Weise in die Berufsausübungsfreiheit ein. Einen unverhältnismäßigen Eingriff stelle es auch dar, dass die VersVermV keine Ausnahmen von der Weiterbildungspflicht vorsehe.
Diese Einwände richten sich im Ergebnis gegen die in § 34d Abs. 9 Satz 2 GewO statuierte gesetzliche Weiterbildungspflicht, zu deren Umsetzung der Gesetzgeber in § 34e Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c GewO eine Verordnungsermächtigung erlassen hat. Die Rechtmäßigkeit der auf § 7 Abs. 3 VersVermV gestützten streitgegenständlichen Anordnung und damit die Richtigkeit der die Klage abweisenden Entscheidung des Verwaltungsgerichts kann die Klägerin daher nur ernstlich in Zweifel ziehen, wenn sie darlegt, dass die VersVermV nicht verfassungsgemäß ist, weil sie gegen Art. 12 GG verstößt (zur Prüfungskompetenz der Fachgerichte BVerfG, B.v. 10.4.2012 – 1 BvR 413/12 – juris Rn. 2). Die von der Klägerin insoweit angeführten Einwände greifen jedoch nicht durch.
Die Verfassungsmäßigkeit einer Berufsausübungsregelung beurteilt sich danach, ob sie kompetenzgemäß erlassen wurde, sie durch hinreichende, der Art der betroffenen Betätigung und der Intensität des jeweiligen Eingriffs Rechnung tragende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt wird und sie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht (BVerfG, B.v. 19.7.2000 – 1 BvR 539/96 – BVerfGE 102, 197/213; ähnlich U.v. 16.3.2004 – 1 BvR 1778/01 – BVerfGE110, 141/157). Während Beschränkungen der Berufsausübungsfreiheit im Allgemeinen bereits dann zulässig sind, wenn vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls sie zweckmäßig erscheinen lassen, und der Grundrechtsschutz sich insoweit auf die Abwehr übermäßig belastender, nicht zumutbarer Belastungen beschränkt (BVerfG, U.v. 11.6.1958 – 1 BvR 596/56 – BVerfGE 7, 377/405), können selbst reine Berufsausübungsregelungen dann nicht mehr mit jeder vernünftigen Erwägung des Gemeinwohls gerechtfertigt werden, wenn sie „empfindlich“ in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG eingreifen; erforderlich sind vielmehr Interessen des Gemeinwohls, die so schwer wiegen, dass sie den Vorrang vor der beruflichen Beeinträchtigung der Betroffenen verdienen (BVerfG, U.v. 22.5.1963 – 1 BvR 78/56 – BVerfGE 16, 147/167). Die Abwägung, gegenüber welchen Gemeinschaftsinteressen und wie weit das Freiheitsrecht des Einzelnen zurücktreten muss, fällt in den Verantwortungsbereich des Gesetzgebers (BVerfG, B.v. 27.1.1976 – 1 BvR 2325/73 – BVerfGE 41, 251/264). Der Grundsatz, dass der vom Gesetzgeber getroffenen Einschätzung der Gefahrenlage und des Grades der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts besonderes Gewicht zukommt, greift sogar bei objektiven Berufszugangsbeschränkungen Platz (BVerfG, B.v. 18.12.1968 – 1 BvL 5, 14/64 u. a. – BVerfGE 25, 1/12; B.v. 8.6.2010 – 1 BvR 2011, 2959/07 – BVerfGE 126, 112/141); bei Vorschriften, die sich grundsätzlich als bloße Berufsausübungsregelungen darstellen, mögen sie auch die Fortsetzung einer bestimmten, in der Lebenswirklichkeit anzutreffenden Erscheinungsform eines Berufes nicht nur faktisch unmöglich machen, sondern dies auch von Rechts wegen verwehren, kann nichts anderes gelten. Andererseits müssen Berufsausübungsregelungen auch die Ungleichheiten berücksichtigen, die typischerweise innerhalb des Berufes bestehen, dessen Ausübung geregelt wird. Werden innerhalb der betroffenen Berufsgruppe nicht nur einzelne, aus dem Rahmen fallende Sonderfälle, sondern bestimmte, wenn auch zahlenmäßig begrenzte Gruppen typischer Fälle ohne zureichende sachliche Gründe wesentlich stärker belastet, kann Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG verletzt sein (BVerfG, B.v. 17.10.1984 – 1 BvL 18/82 u. a. – BVerfGE 68, 155/173; zum Ganzen m.w.N.: BayVGH, U.v. 15.12.2014 – 22 BV 13.2531 – juris).
Soweit die Klägerin vorbringt, die in § 7 Abs. 3 VersVermV geregelte Kontrollmöglichkeit der Beklagten sei nicht geeignet, die Einhaltung der Weiterbildungspflicht durchzusetzen, vermag sie eine Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG nicht dazulegen. Die Klägerin zieht schon nicht in Zweifel, dass die gesetzliche Anordnung einer Weiterbildungspflicht durch Gemeinwohlinteressen, hier dem Verbraucherschutz, gerechtfertigt ist. Auch die Tatsache, dass der Verordnungsgeber keine umfassende Kontrollpflicht durch die Beklagte angeordnet hat, führt nicht dazu, dass die Weiterbildungspflicht für das Erreichen eines besseren Verbraucherschutzes ungeeignet wäre. Durch § 7 Abs. 3 VersVermV wird der Beklagten die Befugnis eingeräumt, von dem Gewerbetreibenden die Abgabe einer Erklärung über die Erfüllung der Weiterbildungspflicht zu fordern. Die Nichtabgabe der entsprechenden Erklärung nach Aufforderung ist bußgeldbewehrt (§ 26 Abs. 1 Nr. 2 VersVermV). Es bleibt nicht der freien Entscheidung der Beklagten überlassen, ob sie von dieser Befugnis Gebrauch macht, da sie diese Befugnis entsprechend dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung ausüben muss. Art. 10 Abs. 2 S. 2 IDD-RL verlangt von den Mitgliedstaaten, dafür Sorge zu tragen, dass Versicherungsvermittler, deren Angestellte sowie Angestellte von Versicherungsunternehmen den Anforderungen “ständiger beruflicher Schulung und Weiterbildung genügen, …”. Die Mitgliedstaaten haben deshalb „Mechanismen” einzurichten, mit denen die “Kenntnisse und Fähigkeiten” dieses Personenkreises im Rahmen einer beruflichen Schulung und Weiterbildung wirksam kontrolliert und bewertet werden. § 34e Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c GewO ermächtigt zum Erlass einer Verordnung zur Überwachung der Weiterbildungsverpflichtung. Die der Umsetzung von Art. 10 IDD-RL dienende, im Referentenentwurf noch vorgesehene Pflicht gemäß § 7 Abs. 2 S. 2 VersVermV-RefE für zur Weiterbildung verpflichtete Gewerbetreibende gegenüber der zuständigen Industrie- und Handelskammer spätestens zum 31. Januar eines jeden Kalenderjahres unaufgefordert eine Erklärung nach dem Muster der Anlage 4 zur VersVermV über die Erfüllung der Weiterbildungspflicht im vorangegangenen Kalenderjahr durch sie und ihre zur Weiterbildung verpflichteten Beschäftigten abzugeben, wurde im Verordnungsgebungsverfahren aufgegeben. Sie wurde ersetzt durch die Möglichkeit der zuständigen Industrie- und Handelskammer, gemäß § 7 Abs. 3 S. 1 VersVermV anzuordnen, dass der Gewerbetreibende ihr gegenüber eine unentgeltliche Erklärung mit dem Inhalt nach dem Muster der Anlage 4 VersVermV über die Erfüllung der Weiterbildungspflicht im vorangegangenen Kalenderjahr durch ihn und seine zur Weiterbildung verpflichteten Beschäftigten abgibt (zum Ganzen: vgl. BeckOK, GewO, Stand 1.3.2021, § 34d Rn. 286). Angesichts der hohen Bedeutung der Weiterbildungspflicht, die durch die IDD -RL erstmals vorgegeben wird, ist ein wirksamer Vollzug wichtig. Zwecks wirksamer Durchsetzung der Weiterbildungsverpflichtung gem. Art. 10 IDD-RL (vgl. die Ausschussbegründung BT-Drs. 19/4881, 14 f.: Die in der künftigen Versicherungsvermittlerverordnung vorgesehene Aufzeichnungspflicht und die Pflicht zur Abgabe einer Erklärung über die Erfüllung der Weiterbildungspflicht nach Aufforderung der zuständigen Behörde reichen nicht aus, um die generelle Einhaltung dieser Verpflichtung zu gewährleisten. Für eine nachdrückliche Pflichtenmahnung ist daher zusätzlich die Androhung eines Bußgeldes für den Fall der Zuwiderhandlung erforderlich.) hat der Gesetzgeber durch Gesetz vom 11. Dezember 2018 (BGBl. I, S. 2354) in § 144 GewO einen neuen Ordnungswidrigkeitentatbestand eingefügt: Gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 7c GewO handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 34d Abs. 9 S. 2 GewO in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 34e Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. c GewO, der VersVermV, sich nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig weiterbildet. Die Kontrolle der Einhaltung der Weiterbildungspflicht wird also nicht nur durch die bußgeldbewehrte Befugnis der Beklagten nach § 7 Abs. 3 Satz 1 VersVermG, sondern auch durch einen entsprechenden Bußgeldtatbestand in § 122 GewO gewährleistet. Zudem ist im Rahmen der Überprüfung der IDD-RL durch die Kommission auch eine Evaluierung durch die Bundesregierung vorgesehen (BT-Drs. 19/3109, S. 33). Die Evaluierung soll dabei auch die Wirksamkeit der behördlichen Überwachung der Einhaltung der Weiterbildungspflicht zum Gegenstand haben. Sollten sich die bislang bestehenden Mechanismen zur Durchsetzung der Weiterbildungspflicht als nicht ausreichend erweisen, kann der Gesetzgeber entsprechend nachsteuern. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die ihr in § 7 Abs. 3 VersVermV eingeräumte Befugnis in einer gegen Art. 3 GG verstoßenden Art und Weise handhaben würde und einzelne Gruppen von Versicherungsvermittlern stärker belasten würde, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Auswahl der jährlich zu überprüfenden Gewerbetreibenden wird per Zufall ermittelt.
Auch das Vorbringen der Klägerin zur fehlenden Bereitstellung eines entsprechenden Weiterbildungsangebots durch die Beklagte begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils. Die Weiterbildung kann gemäß § 7 Abs. 1 S. 3 VersVermV in Präsenzform, im Selbststudium, durch betriebsinterne Maßnahmen des Gewerbetreibenden oder in einer anderen geeigneten Form durchgeführt werden. Dies bedeutet, dass die Formen der Weiterbildung liberal gehandhabt werden. Da die Weiterbildung auch im Selbststudium erfolgen kann, ist die Beklagte auch nicht verpflichtet, ein entsprechendes Angebot bereitzustellen. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht diesbezüglich auch darauf hingewiesen, dass die Ausgewogenheit der Weiterbildung dadurch gewährleistet werden kann, dass Angebote verschiedener Anbieter wahrgenommen werden. Gemäß § 7 Abs. 2 VersVermV müssen Versicherungsvermittler die Weiterbildungsmaßnahmen dokumentieren und entsprechende Nachweise aufbewahren. Die zuständigen Behörden haben damit die Möglichkeit, im Rahmen von Stichprobenkontrollen anhand der Unterlagen zu prüfen, ob die Weiterbildungspflicht erfüllt wurde (BT-Drs. 13/3109, S. 35). Der Hinweis des Verwaltungsgerichts auf die Dokumentationspflicht entspricht entgegen dem Zulassungsvorbringen der Klägerin also der gesetzlichen Regelung.
Davon zu trennen ist die Sicherstellung einer nachweisbaren Lernerfolgskontrolle für Weiterbildungsmaßnahmen im Selbststudium durch den Anbieter der Weiterbildung nach § 7 Abs. 1 Satz 4 VersVermV. Diese Verpflichtung trifft nicht den Gewerbetreibenden, sondern den Anbieter der Weiterbildung. Dass in den Fällen des Selbststudiums eine Lernerfolgskontrolle stattzufinden hat, führt nicht zur Unverhältnismäßigkeit der Weiterbildungspflicht. Andernfalls hätte die Beklagte keine Möglichkeit zu kontrollieren, ob der Gewerbetreibende sich tatsächlich im Selbststudium fortgebildet hat oder sich z.B. nur zu einem entsprechenden Kurs angemeldet hat, um eine Teilnahmebescheinigung zur Erfüllung der Dokumentationspflicht zu erhalten. Die Lernerfolgskontrolle für Weiterbildungsmaßnahmen im Selbststudium sichert folglich trotz der relativ liberalen Regelung in § 7 Abs. 1 Satz 3 VersVermV die effektive Durchsetzung der Weiterbildungspflicht.
Auch die fehlende Zertifizierung der Weiterbildungsangebote Dritter durch die Industrie- und Handelskammer führt nicht zur Unverhältnismäßigkeit der Weiterbildungsverpflichtung. Die Weiterbildungsmaßnahme muss bestimmten Mindestanforderungen an die Qualität genügen, die in der Anlage 3 zur VersVermV aufgeführt sind. Der Anbieter der Weiterbildungsmaßnahme muss gewährleisten, dass er diese Mindestanforderungen einhält. Die Anforderungen der Anlage 3 gelten auch für betriebsinterne Weiterbildungsmaßnahmen sowie für Weiterbildungsangebote für selbstgesteuertes Lernen mit Lernerfolgskontrollen. Dem Gewerbetreibenden ist es daher vor Antritt der Weiterbildungsmaßnahme möglich, das Weiterbildungsangebot auf die Einhaltung der in Anlage 3 genannten Kriterien zu überprüfen und ggf. bestehende Zweifel mit der Industrie- und Handelskammer zu klären. Das Vorbringen der Klägerin, dass sie Gefahr läuft, mit einem Bußgeld belegt zu werden, wenn sie ein Weiterbildungsangebot wahrnimmt, das dann im Rahmen einer Kontrolle nach § 7 Abs. 3 VersVermV nicht anerkannt wird, ist daher nur theoretischer Natur.
Die VersVermV lässt – über die bereits in § 34d GewO geregelten – keine weiteren Ausnahmen von der Weiterbildungspflicht zu. Ausnahmen und Befreiungen von der Weiterbildungspflicht sind angesichts des hohen Stellenwerts der Weiterbildungspflicht auch weder in der IDD-RL noch im Gesetz vorgesehen. Dies führt jedoch nicht zur Unverhältnismäßigkeit der Weiterbildungspflicht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass angesichts der liberalen und unbürokratischen Regelung in § 7 Abs. 1 Satz 3 VersVermV dem Gewerbetreibenden ein niedrigschwelliges Weiterbildungsangebot zur Verfügung steht. Zudem hat der Verordnungsgeber erkannt, dass die ausnahmslos bestehende Weiterbildungspflicht im praktischen Vollzug zu Härten führen kann, wenn z.B. der Gewerbetreibende länger erkrankt war. Daher wurde bereits im Verordnungsgebungsverfahren darauf hingewiesen, dass Fragen, die künftig zum Vollzug des § 7 VersVermV auftreten, gemeinsam mit den Ländern, z.B. in Form von Vollzugshinweisen, geklärt werden (BR-Drs. 487/18, S. 38). Dies ist ausreichend, um Härtefällen im Einzelfall angemessen zu begegnen.
Soweit die Klägerin mit Schriftsatz vom 25. November 2020 vorbringt, dass die Anordnung der Beklagten ermessensfehlerhaft sei, erfolgt dieser Vortrag außerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO und vermag daher ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts nicht zu begründen.
Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gem. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist nicht dargelegt bzw. liegt nicht vor.
Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn eine Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich, bislang höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht geklärt und über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus bedeutsam ist; die Frage muss ferner im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts einer berufungsgerichtlichen Klärung zugänglich sein und dieser Klärung auch bedürfen (vgl. BVerwG, B.v. 16.11.2010 – 6 B 58.10 – juris Rn. 3). Um die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechenden Weise darzulegen, muss der Rechtsmittelführer (1.) eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, (2.) ausführen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist, (3.) erläutern, weshalb die formulierte Frage klärungsbedürftig ist und (4.) darlegen, weshalb der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 72). Dem wird das Vorbringen der Klägerin nicht gerecht.
Als grundsätzlich klärungsbedürftig bezeichnet die Klägerin die Frage, ob die Weiterbildungs- und Nachweispflicht nach § 7 VersVermV auch für Vermittler gilt, die von der Bestandsschutzregelung Gebrauch gemacht haben. Diese Frage ist nicht klärungsbedürftig, weil sie sich ohne weiteres aus dem Gesetz bzw. der Verordnung (ins. der systematischen Stellung der Bestandsschutzregelung) und den Rechtssetzungsmaterialien beantworten lässt (hierzu vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124 Rn. 38).
Die „hilfsweise“ gestellten Fragen, ob die Weiterbildungs- und Nachweispflicht in unzulässiger Weise in die Freiheit der Berufsausübung eingreift, da sie wegen fehlender Pflicht zur Prüfung der Einhaltung zur Erreichung des verfolgten Zwecks ungeeignet ist, sowie unverhältnismäßig ist, weil für den Betroffenen keine sichere Möglichkeit für ihre Erfüllung gegeben ist und keine Ausnahmeregelungen für den Fall bestehen, dass dem Betroffenen die Erfüllung im vorgeschriebenen Zeitraum unmöglich ist, stellen sich in dieser Form im vorliegenden Rechtsstreit nicht und sind daher nicht entscheidungserheblich. Die Klägerin formuliert lediglich ihre Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Regelung in § 7 VersVermV als Fragen, und legt dabei tatsächliche Verhältnisse zugrunde, die in dieser Form nicht zutreffend sind, sondern ihre Bewertung der Rechtslage widerspiegeln.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus § 47, § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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