Europarecht

Ansprüche aus Staatsanleihen

Aktenzeichen  8 U 197/18

Datum:
22.5.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 54632
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 97, § 522 Abs. 2, § 708 Nr. 10, § 711

 

Leitsatz

Verfahrensgang

25 O 23822/15 2017-10-11 LGMUENCHENI LG München I

Tenor

I. Die Berufungen der Kläger gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 11. 10.2017 (in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses des OLG München vom 02.05.2018) werden zurückgewiesen.
II. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen
Kläger zu 1) 1,41% Kläger zu 3) 6,35% Kläger zu 6) 4,48% Kläger zu 7) 2,84% Kläger zu 12) 2,14% 8 U 197/18 – Seite 3 – Kläger zu 13) 6,34% Kläger zu 14) 1,40% Kläger zu 15) 6,11% Klägerin zu 16) 12,67% Klägerin zu 17) 8,33% Klägerin zu 18) 0,75% Kläger zu 20) 4,65% Kläger zu 21) 42,53%.
III. Der vorliegende Beschluss und das bei I. genannte Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der jeweilige Zwangsvollstreckungsschuldner kann jedoch die Vollstreckung durch Sicherheitsleitung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
IV. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 601.707,19 € festgesetzt.

Gründe

A.
Die Kläger machen gegen die beklagte H. Republik Ansprüche aus Staatsanleihen der Beklagten geltend.
Hinsichtlich der weiteren tatsächlichen Feststellungen verweist der Senat auf die Feststellungen im landgerichtlichen Urteil, das die Klagen abgewiesen hat und gegen das 13 der 21 erstinstanziellen Kläger (nämlich die Kläger zu 1), 3), 6), 7), 12) bis 18), 20) und 21)) Berufung eingelegt haben.
Diese 13 Berufungsführer verfolgen ihre erstinstanziellen (aus Bl. 6 unten/10 unten des angegriffenen Urteils ersichtlichen) Anträge weiter.
Die Beklagte beantragt,
die Berufungen zurückzuweisen.
Mit Beschluss vom 02.05.2018 (Bl. 546/552 d. A.) hat der Senat die landgerichtliche Kostenentscheidung berichtigt sowie darauf hingewiesen, dass er beabsichtige, die Berufungen gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, und dabei auch begründet, dass und warum keine Vorlagepflicht gemäß Art. 100 Abs. 2 GG bestehe. Auf diesen Beschluss haben die Kläger mit Schriftsatz vom 02.05.2018 (eingegangen am 07.05.2018) erwidert, der ausschließlich Fragen um Art. 100 Abs. 2 GG betrifft.
Zur weiteren Ergänzung des Sach- und Streitstands verweist der Senat auf alle zwischen den Parteien in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze einschließlich Anlagen sowie auf alle gerichtlichen Entscheidungen und Protokolle.
B.
Alle Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO liegen vor.
Der Senat verweist insoweit zunächst auf seinen oben genannten Beschluss vom 02.05.2018 einschließlich der dortigen Ausführungen zu Art. 100 Abs. 2 GG; die Überlegungen der Kläger im Schriftsatz vom 02.05.2018 sind aus insbesondere folgenden Gründen nicht geeignet, (der Berufung Erfolgsaussicht zu vermitteln bzw.) die Auffassung des Senats zu Art. 100 Abs. 2 GG zu widerlegen oder zu erschüttern; im Einzelnen:
Die Kläger erwähnen zwar die Entscheidung des BVerfG vom 17.03.2014 (2 BvR 736/13) – veröffentlicht z.B. in NJW 2014, 1723 -, verkennen aber Inhalt und Tragweite dieser Entscheidung und nehmen daher zu Unrecht eine Vorlagepflicht nach Art. 100 Abs. 2 GG an:
I.
Der Sachverhalt dieser Entscheidung des BVerfG ist aus NJW 2014, 1723 linke Spalte/rechte Spalte Mitte ersichtlich; der BGH hat diesen Sachverhalt im (vom erkennenden OLG-Senat bereits im Hinweisbeschluss erwähnten) Urteil vom 19.12.2017 (XI ZR 796/16) bei Rn. 22 zutreffend wie folgt zusammengefasst: „Demgemäß hat das Bundesverfassungsgericht in einem Fall, dem eine Lohnzahlungsklage gegen den griechischen Staat zugrunde lag …, der den Nettolohn eines bei ihm in Deutschland beschäftigten Staatsbürgers wegen der Einführung einer Quellensteuer in Höhe von 5% des Bruttolohnes gekürzt hatte, die Immunität mit der Begründung bejaht, Gegenstand des Rechtsstreits sei die hoheitlich zu beurteilende Besteuerung mit der ausländischen Quellensteuer durch den beklagten Staat, nicht die unterbliebene vollständige Auszahlung eines im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis vom beklagten Staat als Arbeitgeber geschuldeten (Brutto-)Gehalts (BVerfG, NJW 2014, 1723 Rn. 22).“
II.
Das BVerfG hat a.a.O. bei Rn. 21 ausgeführt, dass bei der „Kategorisierung staatlicher Tätigkeiten als hoheitlich oder nichthoheitlich“ „diese Abgrenzung grundsätzlich nach nationalem Recht erfolgen (muss)“; das BVerfG hat dann bei seiner Rn. 22 zu seinem Fall weiter ausgeführt (vgl. bereits oben bei I., wonach der BGH aaO diese Erkenntnis des BVerfG in seine Sachverhaltsschilderung eingebaut hatte): „Gegenstand des Rechtsstreits ist die Besteuerung des Kl. mit der griechischen Quellensteuer durch den griechischen Staat, nicht die unterbliebene vollständige Auszahlung eines im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber geschuldeten(Brutto-)Gehalts.“
III.
Der BGH hat a.a.O. in seinem „griechische-Staatsanleihen-Fall“ – die Entscheidung des BVerfG explizit erwähnend und an diese anknüpfend – bei Rn. 22 zutreffend gefolgert: „Damit hat das Bundesverfassungsgericht nicht auf die teilweise Nichtzahlung des Arbeitsentgelts abgestellt, sondern auf den Grund für diese Nichtzahlung, nämlich die Steuererhebung.“ Danach hat der BGH aaO bei Rn. 23 folgenden weiteren (auch den Senat überzeugenden) Schluss gezogen: „Nach diesen Maßgaben (Anmerkung des OLG-Senats: des BVerfG) ist für die Beurteilung der Immunität im vorliegenden Fall unabhängig von der rechtlichen Einkleidung der geltend gemachten Zahlungsansprüche nicht die Rechtsnatur der Kapitalaufnahme durch Emission von Staatsanleihen, sondern die Rechtsnatur der hoheitlichen Maßnahmen der Beklagten, die letztlich zur Ausbuchung der Anleihen aus den Wertpapierdepots der Kläger führten,maßgeblich.“
IV.
Die genannte Entscheidung des BVerfG hat daher – unabhängig von der Frage, ob die im Kläger-Schriftsatz insbesondere auch auf Seiten 1 und 2 zitierte „angloamerikanische Völkerrechtsdoktrin „once a trader always a trader““ eine „Regel des Völkerrechts“ im Sinne des Art. 100 Abs. 2 GG ist – dieser Doktrin eine Absage erteilt. Der vorliegende Fall der „griechischen Staatsanleihen“ betrifft – wie der OLG-Senat bereits auf Seite 6 des Hinweisbeschlusses betont hat – nur noch das Subsumieren eines konkreten Einzelfalles unter eine unstrittige bzw. vom BVerfG geklärte Regel des Völkerrechts.
V.
Unrichtig sind auch die Überlegungen von Bl. 6 des Schriftsatzes dazu, dass der dort genannte Beschluss der UN-Generalversammlung ein „kodifiziertes Völkergewohnheitsrecht“ geschaffen habe:
1. Der OLG-Senat verweist insoweit zunächst auf Rn. 31 des bereits mehrfach erwähnten BGH-Urteils vom 19.12.2017 (XI ZR 796/16).
2. Es geht nicht an, im zu verbescheidenden Schriftsatz diese Urteilsstelle zwar als „natürlich … richtig“ zu bezeichnen, weil „es sich bei dem Beschluss nicht um reines Völkerrecht im engeren Sinne handelt, weil weder 30 Staaten das Übereinkommen unterzeichnet haben und auch Griechenland und Deutschland das Übereinkommen nicht unterzeichnet und ratifiziert haben“, dann aber diesen Beschluss der UN-Generalversammlung als „kodifiziertes Völkergewohnheitsrecht“ zu bezeichnen: Denn bereits angesichts der geringen Zahl der unterzeichnenden Staaten sind solche Thesen von einem Gewohnheitsrecht bzw. von einer bereits geschehenen Kodifzierung eines Völkergewohnheitsrechts nicht haltbar.
C.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Hinsichtlich der Kostenquoten und des Streitwerts verweist der Senat auf Seite 4 seines Beschlusses vom 02.05.2018.


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