Europarecht

Asylantrag, Asylverfahren, Mitgliedstaat, Asyl, Fluchtgefahr, Aufenthaltstitel, Ausreisepflicht, Bundespolizei, Migration, Haftantrag, AufenthG, Pass, Bundesamt, Frist, milderes Mittel

Aktenzeichen  3 XIV 202/20 (B)

Datum:
2.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 54200
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Weiden
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Gegen den oben Genannten wird im Rahmen der einstweiligen Anordnung Haft zur Sicherung der Zurückschiebung bis zum Vollzug der Zurückschiebung, längstens jedoch bis zum xx gemäß Artikel 28 Abs. 2, 2 lit. n der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 in Verbindung mit § 2 Abs. 14, 62, 71 Abs. 3 Nr. 1 e, 1 Abs. 14 AufenthG angeordnet.
2. Die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung wird angeordnet.
3. Von der Erhebung von Gerichtskosten wird abgesehen. Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens werden nicht erstattet.
4. Die weiteren, dieses Verfahren betreffenden Entscheidungen, werden dem Amtsgericht xx übertragen.

Gründe

I.
Der xx Betroffene reiste am xx über den ehemaligen Grenzübergang xx kommend auf einem LKW im Rahmen einer Schleusung unerlaubt gegen xx nach Deutschland ein. Bei der Kontrolle am xx um xx Uhr konnte er keinerlei legitimierende Dokumente vorlegen. Er hat auch keinerlei Zugriff mehr auf seine Dokumente. Der Ausländer ist wohnsitzlos und hat keinerlei familiäre Bindungen in Deutschland. Der Betroffene wollte in Deutschland untertauchen. Dies ist schon auch darin begründet, dass in Bezug auf den gesamten Aufgriff im Umfeld der Schleusung von -xxunerlaubt eingereisten Personen bereits nach kurzer Zeit mindestens -xxAbholfahrzeuge im Nahbereich aufgegriffen wurden, welche jeweils einige Ausländer aufnahmen und ins Inland weiterfahren wollten, um dort unterzutauchen.
Im Rahmen der EURODAC-Recherche wurde festgestellt, dass der Betroffene in dem Mitgliedstaat Rumänien (Asylantrag vom xx) ein Asylverfahren betreibt. Der Ausländer hat den Mitgliedstaat Rumänien vor Abschluss eines laufenden Asyl- und Dublin-Verfahrens verlassen, da er nach eigenen Angaben nach Deutschland will, weil es in Deutschland am besten sei, was einen Anhaltspunkt für eine Fluchtgefahr gem. § 2 XIV Nr. 1 AufenthG begründet, da mit einer Rückkehr in den eigentlich zuständigen Dublin-Staat nicht zu rechnen ist. Bis zur Klärung des Sachverhalts und zur Zurückschiebung, welche zeitnah durchzuführen ist, soll der Betroffene für die Dauer von vorerst maximal xx Wochen in Zurückschiebehaft genommen werden. Nach Mitteilung der Bundespolizei wird die Bearbeitung des Wiederaufnahmeersuchens maximal 6 Wochen dauern, da sich der Antrag auf Angaben aus dem EURODAC System stützt.
II.
Mit Antrag vom xx hat die Bundespolizeiinspektion xx bei dem Amtsgericht Weiden beantragt, gegen den Betroffenen Haft zur Sicherung der Zurückschiebung gemäß Artikel 28 Abs. 2, 2 lit. n der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 in Verbindung mit § 2 Abs. 14, 62, 71 Abs. 3 Nr. 1 e, 1 Abs. 14 AufenthG beantragt.
Der Betroffene verfüge über keinen gültigen Pass oder Aufenthaltstitel, weshalb er gem. § 14 Abs. 1 und 2 AufenthG unerlaubt eingereist und gem. § 50 Abs. 1 AufenthG vollziehbar ausreisepflichtig sei. Die Voraussetzungen für eine Zurückschiebung nach Rumänien lägen vor. Für die weitere Behandlung seines Asylbegehrens sei zudem ausschließlich Rumänien zuständig, da er dort bereits einen Asylantrag gestellt habe. Die Zurückschiebung könne zeitnah durchgeführt werden. Die Erfahrungen der jüngsten Vergangenheit hätten gezeigt, dass solche regelmäßig innerhalb von 6 Wochen durchgeführt werden können. Aktuell wären keine Umstände ersichtlich, weshalb die Zurückschiebung nicht durchgeführt werden könne. Auf den Antrag vom xx wird vollumfänglich Bezug genommen.
Der Antrag der Bundespolizei vom xx wurde dem Betroffenen in einer ihm verständlichen Form durch das Gericht eröffnet und übersetzt. Der Haftantrag wurde ihm ausgehändigt. Ihm wurde Gelegenheit gegeben, sich hierzu zu äußern.
III.
1. Die Zuständigkeit der Bundespolizeidirektion xx, vertreten durch die Bundespolizeiinspektion xx, für die Beantragung der Haft zur Sicherung der Zurückschiebung ergibt sich aus §§ 1 Abs. 2 BPolG; 2 BPolZV in Verbindung mit § 71 Abs. 3 Nr. 1e AufenthG.
2. Die Zuständigkeit des Amtsgerichts Weiden ergibt sich aus § 416 Abs. 1 FamFG, weil die unerlaubte Einreise über xx erfolgte.
3. Der zulässige Antrag ist begründet und der Betroffene ist gemäß Artikel 28 Abs. 2, 2 lit. n der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 in Verbindung mit § 2 Abs. 14, 62, 71 Abs. 3 Nr. 1 e, 1 Abs. 14 AufenthG für die Dauer von maximal 6. Wochen (xx) zur Sicherung der Zurückschiebung nach Rumänien in Haft zu nehmen.
Der Betroffene ist als xx Staatsangehöriger Ausländer im Sinne des § 2 Abs. 1 AufenthG. Er gehört nicht zu dem in § 1 Abs. 2 AufenthG aufgeführten Personenkreis. Somit unterliegt er nach §§ 3 und 4 AufenthG der Pass- und Aufenthaltstitelpflicht. Eine Befreiung nach der AufenthVO oder dem Recht der Europäischen Union liegt nicht vor.
Er verfügt über keinen gültigen Pass bzw. Aufenthaltstitel und ist somit § 50 Abs. 1 AufenthG ausreisepflichtig. Die Ausreisepflicht ist gemäß § 58 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 AufenthG vollziehbar, da er unerlaubt im Sinne des § 14 Abs. 1 Nr .1 und 2 AufenthG eingereist ist.
Da der Betroffene bereits in Rumänien ein Asylverfahren betreibt liegen die Voraussetzungen für die Zurückschiebung nach Rumänien gem. §§ 50 Abs. 1 in Verbindung mit 58 Abs. 2 Nr. 1, 57 Abs. 2 AufenthG vor und der Betroffene soll gemäß § 57 Abs. 2 AufenthG nach Rumänien zurückgeschoben werden, das aufgrund der Dublin-VO grundsätzlich verpflichtet ist, den Betroffenen zu übernehmen.
4. Die Freiheitsentziehung ist erforderlich, da aus dem Gesamtverhalten des Betroffenen der Schluss gezogen werden muss, dass er keinesfalls freiwillig nach Rumänien zurückkehren werde.
Der Betroffene reiste ohne Aufenthaltstitel und Reisepass illegal nach Deutschland ein um hier in Deutschland illegal zu arbeiten und zu leben. Bereits in seiner polizeilichen Anhörung äußerte der Betroffene, dass er in Deutschland bleiben wolle. Er reiste aus Tschechien kommend unerlaubt nach Deutschland ein und führte keinerlei Ausweisdokumente mit sich. Im Rahmen der EURODAC-Recherche wurde festgestellt, dass der Betroffene in den Mitgliedstaaten Rumänien ein Asylverfahren betreibt. Der Ausländer hat den Mitgliedstaat Rumänien vor Abschluss eines laufenden Asyl- und Dublin-Verfahrens verlassen, da er nach eigenen Angaben nach Deutschland will, weil es in Deutschland am besten sei, was einen Anhaltspunkt für eine Fluchtgefahr gem. § 2 XIV Nr. 1 AufenthG begründet, da mit einer Rückkehr in den eigentlich zuständigen Dublin-Staat nicht zu rechnen ist.
Dies wertet das Gericht als Verhaltensweise, welche eine konkrete Fluchtgefahr i. S. d. § 62 Abs. 3a Nr. 6 AufenthG begründet.
Auch Art. 2 lit. n) der Dublin III-VO sieht Fluchtgefahr dann für gegeben an, wenn im Einzelfall Gründe gegeben sind, die auf objektiven gesetzlich festgelegten Kriterien beruhen und zu der Annahme Anlass geben, dass sich ein Antragsteller, ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser, gegen den ein Überstellungsverfahren läuft, diesem Verfahren möglicherweise durch Flucht entziehen könnte. Diese Fluchtgefahr sieht das Gericht vorliegend für gegeben.
5. Die Zurückschiebung ist nach Darlegung der Antragstellerin durchführbar und kann innerhalb von 6 Wochen vollzogen werden.
Die Haftdauer von 6 Wochen bis zum xx wird benötigt bis die Ziellandbestimmung abgeschlossen ist bzw. das ermittelte Zielland die Zusage zur Wiederaufnahme erteilt hat und die Vorführung zur Haftverlängerung gem. § 417 FamFG erfolgt ist.
Die 6 Wochen setzen sich wie folgt zusammen:
– 1- Woche:
Diese eine Woche wird benötigt für die Bearbeitungszeit der Bundespolizei und beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zwischen Aufgriff und dem Eingang des Wiederaufnahmegesuchs beim voraussichtlich zuständigen Mitgliedstaat.
Am xx wird umgehend durch das Teilsachgebiet Rückführung der Bundespolizeiinspektion Waidhaus eine Treffermeldung „Aufgriffsfall“ mit allen erforderlichen Unterlagen an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zur Einleitung eines Dublin-Verfahrens gesteuert. Dort wird spätestens innerhalb eines Zeitraums von -3- Tagen ein Wiederaufnahmeersuchen an den zuständigen Mitgliedstaat gestellt.
– 2- Wochen:
Aufgrund des vorliegenden EURODC-Treffers gemäß Art. 25 12 VO (EU) 604/2013 (Dublin III VO) sind diese zwei Wochen für die Antwortfrist des voraussichtlich zuständigen Mitgliedstaats anberaumt.
Sollte dieser zuständige Mitgliedstaat innerhalb dieser Frist nicht antworten, liegt die Zustimmung gemäß Art. 25 II VO (EU) 604/2013 konkludent vor.
Ab dem o. g. Tag der Wiedereinleitung des Dublin-Verfahrens an den zuständigen Mitgliedstaat wird die Bundespolizeiinspektion xx ständig über den aktuellen Sachstand durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Kenntnis gesetzt.
– 1- Woche:
Eine Woche wird benötigt für die Erstellung eines Haftantrags gemäß § 417 FamFG sowie zur Terminierung und Vorführung beim nun zuständigen Amtsgericht xx. Während dieser Zeit erfolgt bereits die Erstellung und Übersendung des Bescheids durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge an den Betroffenen. Des Weiteren läuft die Organisation der tatsächlichen Überstellung (Flugbuchung, etc.) durch die Bundespolizei an.
Die Gesamtdauer des Verfahrens wird voraussichtlich -6- Wochen Zeit in Anspruch nehmen. Diese weiteren -2- Wochen werden zusätzlich noch benötigt für eine zu wahrende Rechtsmittelfrist gen § 34a AsylG und die weitere Organisation der tatsächlichen Überstellung (Bestätigung des Flugtermins, Verbringen zu Startflughaffen etc.) durch die Bundespolizei im Hauptsacheverfahren.
Es sind keine Umstände ersichtlich, die einer Durchführung der Zurückschiebung innerhalb der -6- Wochen-Frist gern. Art. 28 III VO (EU) 604/2013 aus Gründen entgegenstehen, die der Betroffene nicht zu vertreten hat.
Der Mitgliedstaat Rumänien hat wegen der Weihnachtsfeiertage vom 23.12.2020 bis zum 08.01.2021 einen Überstellungsstopp mitgeteilt. In diesem Zeitraum finden folglich keine Rückführungen nach Rumänien statt.
6. Die konkreten Daten der Zurückschiebung sind dem Gericht noch nicht bekannt, so dass gemäß § 427 FamFG im Rahmen der einstweiligen Anordnung zu entscheiden ist.
7. Aufgrund der relativ kurzen Haftdauer überwiegt das öffentliche Interesse an der wirksamen Durchsetzung der Zurückschiebung nach Rumänien gegenüber den Interessen des Betroffenen und ist somit verhältnismäßig. Ein milderes Mittel i.S. von § 62 Abs. 1 AufenthG zur Vermeidung der Haft kommt nicht in Betracht. Es steht zu befürchten, dass der Betroffene untertauchen könnte und für die Behörden nur nach dem Zufallsprinzip greifbar wäre.
9. Die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit beruht auf § 422 Abs. 2 FamFG.
10. Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG. 11.
Die Zuständigkeit des Amtsgerichts xx für das weitere Verfahren ergibt sich aus § 416 Satz 2 FamFG, da die Freiheitsentziehung in der JVA xx vollzogen wird. Der Betroffene wurde zur Frage der Abgabe der dieses Verfahren betreffenden Entscheidungen gerichtlich gehört und hat hiergegen keine Einwendungen erhoben.


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