Europarecht

Aufhebung einer Ausweisungsverfügung und Erteilung bzw. Verlängerung eines Aufenthaltstitels

Aktenzeichen  AN 5 K 18.00691

Datum:
11.12.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 56694
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 11 Abs. 1 S. 2§ 32 Abs. 3, § 53 Abs. 1, § 54 Abs. 1 Nr. 1, § 55, § 58, § 59§ 81 Abs. 4 S. 1
BtMG § 29
StPO § 154 Abs. 1
BayVwVfG Art. 28 Abs. 1
VwGO § 67 Abs. 2 S. 2 Nrn. 3 bis 7, § 80 Abs. 5, § 113 Abs. 1, Abs. 5, § 154 Abs. 1, § 117 Abs. 5
StGB § 64
EMRK Art. 8
GKG § 52 Abs. 1 u. 2

 

Leitsatz

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei spezialpräventiven Ausweisungen und deren gerichtlicher Überprüfung eine eigenständige Prognose zu der Wiederholungsgefahr zu treffen (vgl. BVerwG, U.v. 15.1.2013 – 1 C 10.12  (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet, da der streitgegenständliche Bescheid vom 19. März 2018 nicht rechtswidrig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§§ 113 Abs. 1, Abs. 5 VwGO).
Die in Ziffer I verfügte Ausweisung des Klägers ist ebenso wenig zu beanstanden wie die in Ziffern IV und V verfügten Annexentscheidungen. Ebenso wenig zu beanstanden ist die Ablehnung der Erteilung bzw. Verlängerung des Aufenthaltstitels (Ziffer II) und das auf die Dauer von 7 Jahren befristete Einreise- und Aufenthaltsverbot (Ziffer III).
Die in Ziffer I des streitgegenständlichen Bescheids vom 19. März 2018 verfügte Ausweisung ist rechtmäßig. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung einer Ausweisung ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (vgl. BVerwG, U.v. 15.1.2013 – 1 C 10.12 – juris Rn. 12; BayVGH, U.v. 8.3.2016 – 10 B 15.180 – juris Rn. 25).
Gemäß § 53 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem Verbleib des Ausländers ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Dies ist hier der Fall.
Die Beklagte hat die Ausweisung unter anderem auf generalpräventive Gründe gestützt. Dies ist nicht zu beanstanden. Das BVerwG hat zuletzt in den Urteilen vom 12. Juli 2018 und 9. Mai 2019 entschieden, dass sich auch nach dem seit 1. Januar 2016 geltenden Recht mit generalpräventiven Gründen ein Ausweisungsinteresse begründen lässt (BVerwG, U.v. 12.7.2018 – 1 C 16.17 – juris Rn. 16; BVerwG, U.v. 9.5.2019 – 1 C 21.18 – juris Rn. 17). Dem Gedanken der Generalprävention liegt zugrunde, dass – über eine ggf. erfolgte strafrechtliche Sanktion hinaus – ein besonderes Bedürfnis besteht, durch die Ausweisung andere Ausländer von Taten ähnlicher Art und Schwere abzuhalten. Erforderlich ist regelmäßig, dass eine Ausweisungspraxis, die an die Begehung ähnlicher Taten anknüpft, geeignet ist, auf potentielle weitere Täter abschreckend zu wirken. Bei der generalpräventiven Aufenthaltsbeendigung ist besonders sorgfältig das Gewicht der mit ihr verfolgten, im öffentlichen Interesse liegende Ziele zu ermitteln. Hierzu gehört auch für die Verwaltungsgerichte eine genaue Kenntnisnahme und Würdigung des der Aufenthaltsbeendigung zugrundeliegenden Tatgeschehens und seiner strafgerichtlichen Bewertung (BVerfG, B.v. 21.3.1985 – 2 BvR 1642/83 – juris Rn. 24). Zudem gehört der Kläger nicht zu den durch § 53 Abs. 3 AufenthG privilegierten Personengruppen, so dass auch insoweit das Abstellen auf generalpräventiven Gründe nicht ausgeschlossen ist.
Die generalpräventiven Erwägungen der Beklagten sind im vorliegenden Fall nicht zu beanstanden. Der Kläger hat sich wegen bewaffneten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge strafbar gemacht. Es ist insoweit nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte im streitgegenständlichen Bescheid ausführt, dass ein gewichtiges öffentliches Interesse der Bundesrepublik Deutschland an der Einhaltung der Rechtsvorschriften besteht und anderen Ausländer deutlich vor Augen geführt werden soll, dass ein Verhalten, wie vom Kläger gezeigt, nicht hingenommen wird und zur unverzüglichen Aufenthaltsbeendigung mit allen rechtlichen Konsequenzen führt. Es besteht ein besonderes Bedürfnis, durch die Ausweisung andere Ausländer von Taten ähnlicher Art abzuhalten.
Die Beklagte hat die Ausweisung zutreffend aber auch auf spezialpräventive Gründe gestützt. Die Kammer geht mit der Beklagten davon aus, dass von dem Kläger eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei spezialpräventiven Ausweisungen und deren gerichtlicher Überprüfung eine eigenständige Prognose zu der Wiederholungsgefahr zu treffen (vgl. BVerwG, U.v. 15.1.2013 – 1 C 10.12 – juris, Rn. 18). Dabei sind die Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte an die Feststellungen und Beurteilungen der Strafgerichte rechtlich nicht gebunden. Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (BayVGH, U.v. 30.10.2012 – 10 B 11.2744 – juris, Rn. 33). An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind bei dieser Prognose umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (BVerwG, U.v.4.10.2012 – 1 C 13.11 – Rn. 18; BayVGH, B.v. 8.3.2016 – 10 B 15.180 – juris Rn. 31). Bei Straftaten, die auch auf der Suchterkrankung des Ausländers beruhen, kann von einem Wegfall der Wiederholungsgefahr zudem nicht ausgegangen werden, solange der Ausländer nicht eine Drogentherapie erfolgreich abgeschlossen und die damit verbundene Erwartung künftig drogen- und straffreien Verhaltens auch nach Therapieende glaubhaft gemacht hat. Angesichts der erheblichen Rückfallquoten während einer andauernden Drogentherapie und auch noch in der ersten Zeit nach dem erfolgreichen Abschluss einer Drogentherapie kann allein aus der begonnenen Therapie noch nicht auf ein künftiges straffreies Leben geschlossen werden (BayVGH, B.v. 26.11.2015 – 10 ZB 14.1800 – juris Rn. 7; B. v. 13.5.2015 – 10 C 14.2795 – juris Rn. 4; B.v. 21.2.2014 – 10 ZB 13.1861 – juris Rn. 6). Selbst eine erfolgreich abgeschlossene Drogentherapie schließt eine Rückfall- und Wiederholungsgefahr nicht per se aus (BayVGH, B.v. 24.5.2012 – 10 ZB 11.2198 – juris Rn. 13).
Gemessen an diesen Grundsätzen geht die Kammer mit der Beklagten davon aus, dass nach dem persönlichen Verhalten des Klägers mit hinreichender Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden muss, dass von ihm auch künftig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Die Gefahrenprognose wird konkret durch das Verhalten des Klägers im Bundesgebiet getragen. Anlass für die Ausweisung ist die Verurteilung des Klägers durch das Landgericht Nürnberg-Fürth vom 19. Dezember 2017 wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren. Der Kläger hatte in seiner Wohnung 2.409 Gramm Marihuana (abzüglich eines Eigenkonsumanteils von 5 Prozent) für den gewinnbringenden Verkauf und eine nicht mit einem Prüfzeichen versehene, jederzeit griffbereite Taschenlampe mit funktionsfähiger Elektropulsfunktion, „Police 50000 V“ aufbewahrt. Ausgehend davon, dass gerade bei Fallgruppen besonders schwerer und schädlicher Delikte, wie Betäubungsmitteldelikten an den Grad der Wiederholungswahrscheinlichkeit regelmäßig nur geringe Anforderungen zu stellen sind, geht die Beklagte in dem streitgegenständlichen Bescheid zutreffend von einer Wiederholungsgefahr beim Kläger aus. Sowohl nach der Höhe der gegen ihn verhängten Freiheitsstrafe als auch der Art und Weise der konkreten Begehung handelt es sich bei den insoweit abgeurteilten Betäubungsmitteldelikten um schwerwiegende Straftaten, die typischerweise mit einem hohen Wiederholungsrisiko verknüpft sind. Dies gilt insbesondere für den illegalen Handel mit Betäubungsmitteln, der regelmäßig mit einer hohen kriminellen Energie verbunden ist und in besonders schwerwiegender Weise Gesundheit und Leben anderer Menschen gefährdet (BVerwG, U.v. 14.5.2013 – 1 C 13/12 – juris Rn. 12). Das Strafgericht hat im Rahmen der Strafzumessung zwar berücksichtigt, dass der Kläger die Taten aufgrund seiner Betäubungsmittelabhängigkeit begangen hat, es sich bei Marihuana um eine Droge von geringerer Gefährlichkeit gehandelt hat und dass die Waffe in erster Linie zum defensiven Einsatz gedacht war, weshalb es letztendlich auch einen minder schweren Fall angenommen hat. Zu Lasten des Klägers hat das Strafgericht jedoch gewertet, dass das Rauschgift ein Vielfaches (35-fache) der nicht geringen Menge war, der Kläger einschlägig vorbestraft war, über Hafterfahrung verfügt und die Tat während einer laufenden Bewährung begangen hat. Zudem wurde in dem Strafurteil die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet, nachdem der im Strafverfahren eingeschaltete Sachverständige L. dargelegt hatte, dass beim Kläger eine Cannabisabhängigkeit besteht und ohne Behandlung der Abhängigkeit eine Wiederholungsgefahr gegeben ist. Die beim Kläger offensichtlich vorliegende Drogenabhängigkeit ist bisher auch noch nicht erfolgreich therapiert. Der Kläger befindet sich zwar seit dem 5. Januar 2018 im Bezirksklinikum Ansbach gemäß § 64 StGB, ein Entlassungstermin steht aber laut Therapiebericht des Bezirksklinikums Ansbach vom 21. November 2019 noch nicht fest. Demnach entwickelte sich der Kläger positiv und konnte sich auch in der weiteren Erprobung bewähren, so dass er seit dem 1. Juli 2019 in einem Betrieb in Festanstellung arbeiten kann. Seit August 2019 hat der Kläger im Rahmen des Probewohnens eine Ein-Zimmer-Wohnung in Nürnberg. Während der Therapie kam es aber auch zu einem Regelverstoß durch Konsum von Alkohol. Das Bezirksklinikum will den suchtmittel- und straffreien Lebensstil beim Kläger auch künftig weiter erproben. Um die Wiederholungsgefahr ernsthaft in Zweifel ziehen zu können, wäre jedenfalls erforderlich, dass der Kläger die Therapie erfolgreich abgeschlossen und die damit verbundene Erwartung künftig straffreien Verhaltens auch nach Straf- bzw. Therapieende glaubhaft gemacht hat (BayVGH, B.v. 3.2.2015 – 10 b 14.1613 – juris Rn. 32). Dies ist bislang nicht geschehen. Im Übrigen spricht vorliegend für die Wiederholungsgefahr, dass der Kläger auch in der Vergangenheit immer wieder in erheblichem Maße, unter anderem wegen Betäubungsmitteldelikten, strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, ihn selbst Bewährungswiderruf und Haftverbüßung nicht ausreichend beeindrucken konnten und er sogar unter laufender Bewährung erneut straffällig geworden ist. Nach dem persönlichen Verhalten des Klägers muss daher mit hinreichender Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden, dass von ihm auch künftig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht.
Die bei Vorliegen einer tatbestandsmäßigen Gefährdungslage nach § 53 Abs. 1 AufenthG unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise des Klägers mit den Interessen an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet ergibt, auch unter Berücksichtigung des Art. 6 GG, des Art. 8 EMRK und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, dass das öffentliche Interesse an seiner Ausweisung überwiegt. Die streitgegenständliche Ausweisung des Klägers ist weder unter Berücksichtigung der in § 53 Abs. 2 AufenthG – allerdings nicht abschließend – aufgeführten Umstände noch mit Blick auf die Anforderungen der wertentscheidenden Grundsatznormen des Art. 6 Abs. 1 GG und des Art. 8 EMRK unverhältnismäßig.
Im Fall des Klägers liegt ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse i.S.d. § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG vor, denn er wurde mit Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 19. Dezember 2017 wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt.
Dem besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresse des Klägers steht im vorliegenden Fall kein vertyptes Bleibeinteresse nach § 55 AufenthG entgegen, insbesondere da der Kläger nicht im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist. Eine Fiktionswirkung gemäß § 81 Abs. 4 S. 1 AufenthG liegt mangels rechtzeitigen Verlängerungsantrags nicht vor. Hierzu wird auf die Ausführungen im Beschluss der Kammer vom 11. Dezember 2019 im Verfahren AN 5 S 18.00751 (gem. § 55 Abs. 3 AufenthG) verwiesen. Zudem werden Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG nur dann als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne des § 55 Abs. 1 und 2 AufenthG berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde, was hier aufgrund der Ablehnung der Erteilung bzw. Verlängerung des Aufenthaltstitels nicht der Fall ist.
Nach der erforderlichen Abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalls (§ 53 Abs. 1 und 2 AufenthG) ist das Ausweisungsinteresse gegenüber dem Bleibeinteresse des Klägers als vorrangig anzusehen. Die Beklagte hat in die vorzunehmende Abwägung insbesondere berücksichtigt, dass sich die Mutter und die Geschwister des Klägers im Bundesgebiet aufhalten. Sie hat aber auch gesehen, dass es dem ledigen Kläger nicht gelungen ist, einen rechtschaffenden Lebenswandel zu führen, weshalb von einer Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse trotz des langjährigen Aufenthaltes im Bundesgebiet nicht ausgegangen werden kann. Der Eingriff in das grundgesetzlich geschützte Recht der Ehe und Familie ist aus Gründen der Gefahrenabwehr und aus den dargestellten überragenden öffentlichen Interessen notwendig und erforderlich. Gerade der Handel mit Betäubungsmitteln beeinträchtigt die Grundinteressen der Gesellschaft und stellt eine besonders schwere Straftat dar, weshalb der Kläger auch zu einer hohen Freiheitsstrafe verurteilt worden ist. Zu Lasten des Klägers spricht massiv sein noch nicht erfolgreich therapiertes langjähriges Drogenproblem. Zudem ist zu berücksichtigen, dass Art. 6 GG und Art. 8 EMRK keinen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt gewähren, sondern lediglich eine Verpflichtung begründen, die familiären Bindungen entsprechend ihrem Gewicht angemessen in die Abwägung einzustellen (BVerfG, B.v. 5.6.2013 – 2 BvR 586/13 – juris Rn. 12). Die Trennung von seiner Mutter und seinen Geschwistern ist dem Kläger jedenfalls zuzumuten, da sie ausschließlich Konsequenz seines kriminellen Verhaltens ist. Auch hat ihn seine Familie nicht von der Begehung von Straftaten abgehalten. Im Übrigen besteht seit der Inhaftierung des Klägers im Jahr 2016 und des nachfolgenden Maßregelvollzugs nur ein eingeschränkter Kontakt zu seiner Familie. Auch wenn der Kläger nach seinem Vortrag im Kosovo keine festen Bindungen hat und die dortige Sprache nicht wirklich beherrscht, so ist die Kammer der Überzeugung, dass es dem Kläger möglich und zumutbar ist, sich sprachlich und kulturell im Kosovo zu integrieren. Nachdem der Kläger in einer kosovarischstämmigen Familie aufgewachsen ist und laut Strafurteil vom 19. Dezember 2017 auch albanisch (Amtssprache im Kosovo) spricht, ist davon auszugehen, dass er mit der dortigen Sprache, Kultur und Tradition vertraut ist. Er wird sich, wenn auch nach anfänglichen Schwierigkeiten, im Kosovo zurechtfinden. Die Schwere seiner Straftat und die daraus resultierende Gefahr für die höchsten Güter der Gesellschaft – die Unversehrtheit von Leib und Leben – rechtfertigt vorliegend den Eingriff in sein Privatleben. Im Rahmen einer Gesamtabwägung kommt die Kammer damit unter Berücksichtigung des verfassungsmäßigen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und unter Berücksichtigung von Art. 6 GG und Art. 8 EMRK zu dem Ergebnis, dass vorliegend das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.
Ist somit die Ausweisung voraussichtlich nicht zu beanstanden, so sind auch die in Ziffern IV und V des streitgegenständlichen Bescheids gemäß §§ 58, 59 AufenthG verfügten ausländerrechtlichen Annexentscheidungen rechtlich nicht zu beanstanden.
Keinen Bedenken begegnet auch die von der Beklagten in Ziffer III getroffene Entscheidung, die Wirkung der Ausweisung und Abschiebung des Klägers auf sieben Jahre zu befristen.
Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG in der Fassung vom 15. August 2019 ist gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot hat nach § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG zur Folge, dass der Kläger nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten darf. Ihm darf selbst im Falle eines Anspruchs nach dem Aufenthaltsgesetz kein Aufenthaltstitel erteilt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 und Satz 4 AufenthG von Amts wegen zu befristen, wobei die Frist mit der Ausreise zu laufen beginnt. Über die Länge der Frist, die nach § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten darf, wird nach § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG nach Ermessen entschieden. Die in § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG genannte Höchstfrist von fünf Jahren ist dabei fallbezogen ohne Bedeutung, da der Kläger aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist (vgl. § 11 Abs. 5 Satz 1 AufenthG). Es bedarf der prognostischen Einschätzung im Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zu Grunde liegt, das öffentlichen Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag (vgl. BayVGH, U.v. 25.8.2014 – 10 B 13.715 – juris Rn. 56). Die sich an der Erreichung des Ausweisungszwecks orientierende Sperrwirkung muss sich dabei an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen und den Vorgaben aus Art. 8 EMRK messen und gegebenenfalls relativieren lassen (vgl. BayVGH, U.v. 25.8.2014 – 10 B 13.715 – juris Rn. 56). Gemessen an diesen Vorgaben sind Ermessensfehler insoweit nicht ersichtlich. Die Beklagte hat die persönlichen Bindungen des Klägers und dessen langjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet berücksichtigt und den mit der Ausweisung verfolgten Zweck herausgearbeitet und ist beanstandungsfrei zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Befristung von sieben Jahren angemessen ist. Dass nach § 11 Abs. 2 Satz 1 AufenthG ein Einreise- und Aufenthaltsverbot gesondert angeordnet werden muss, macht den Bescheid vom 19. März 2018 nicht fehlerhaft, denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur früheren Rechtslage war in der behördlichen Befristungsentscheidung nach § 11 Abs. 2 Satz 1 AufenthG a.F. regelmäßig auch die Verhängung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots von bestimmter Dauer enthalten (BVerwG, U.v. 25.7.2017 – 1 C 13.17 – juris Rn. 23).
Auch die Ablehnung der Erteilung bzw. Verlängerung eines Aufenthaltstitels (Ziffer II) begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis steht mit der streitgegenständlichen Ausweisung jedenfalls schon die Titelerteilungssperre des § 11 Absatz 1 Satz 2 AufenthG entgegen.
Im Übrigen folgt das Gericht den ausführlichen und zutreffenden Gründen des Bescheides der Beklagten vom 19. März 2018 und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 117 Abs. 5 VwGO).
Die Klage war somit vollumfänglich abzuweisen.
Die Kostenfolge beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.


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