Europarecht

Auskunftserteilung über die Höhe von Steuern und Gebühren bei einem gebuchten Flugvertrag

Aktenzeichen  21 C 8857/19

Datum:
27.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 4936
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 242, § 307 Abs. 1, § 398
Rom I Art. 5 Abs. 2, Art. 6, Art. 10 Abs. 1
RL 93/13 EWG Art. 3 Abs. 1

 

Leitsatz

Eine Vertragsklausel, die nicht im einzelnen ausgehandelt wurde, ist rechtsmissbräuchlich, wenn sie entgegen dem Gebot von Treu und Glauben zum Nachteil des Verbrauchers ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der Rechte und Pflichten der Vertragspartner verursacht (ebenso EuGH BeckRS 2016, 81742). Das gilt vorliegend auch für die getroffene Rechtswahlklausel in den Allgemeinen Beförderungsbedingungen.  (Rn. 18 – 25) (red. LS Andy Schmidt)

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, offen zu legen, in welcher Höhe gem. Art. 23 VO 1008/2008/EG als solche auszuweisende Steuern und Gebühren bei den folgenden Buchungen angefallen sind:
1. – 94. …
2 Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten
2. Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 4.900,00 € vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 4.700,00 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Stufenklage ist auf der 1. Stufe begründet. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch aus §§ 242,398 BGB aus abgetretenem Recht.
Im Rahmen der Sonderverbindung, die zwischen den Parteien also den Zedenten und der Beklagten aufgrund des gebuchten Flugvertrages besteht, gewährt § 242 BGB grundsätzlich einen Auskunftsanspruch in soweit, dass die Zedenten, wenn sie in entschuldbarer Weise über Bestehen oder Umfang ihrer Rechte im Ungewissen sind und der Verpflichtete also die Beklagte, die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer erfüllen kann. Insoweit besteht ein Auskunftsanspruch der Zedenten gegenüber der Beklagten auf Auskunft nämlich der unterbliebenen Ausweisung der gesteuerten und Gebühren.
Die Klägerin kann sich auch auf § 242 BGB als auf das deutsche Recht berufen.
Grundsätzlich ist der Beklagten zuzugeben, dass die Rechtswahl gemäß Art. 3 Abs. 5 in Verbindung mit Art. 10 Abs. 1 Rom I-VO grundsätzlich möglich ist. Als Kontrollmaßstab sind allerdings auch die der Umsetzung der Klauselrichtlinie dienenden Vorschriften, welche richtlinienkonform auszulegen sind, anzuwenden.
Allerdings sind die getroffene Rechtswahlklausel in den ABB der Beklagten irreführend und intransparent und daher rechtsmissbräuchlich im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Klausel-Richtlinie und infolgedessen unwirksam. Die Klausel ist irreführend, insofern als der Anschein erweckt wird, dass neben den einschlägigen Gesetzen lediglich das Übereinkommen von Montreal aus dem Jahr 1999 der Wahl irischen rechts entgegenstehen könnte, nicht aber die Verordnung ((EG) 261/2004. Die Beklagte definiert in ihren ABB unter Art. 1 Begriffsbestimmungen den Begriff Übereinkommen dahingehend, dass damit das Übereinkommen von Montreal aus dem Jahr 1999 gemeint ist. Weitere Bestimmungen des Begriffs „Übereinkommen“ finden sich in den ABB der Beklagten nicht. Auch ein Verbraucher kann anhand des Wortes Übereinkommen nicht darauf kommen dass die Verordnung (EG) 261/2004 damit gemeint ist, da es sich um einen unmittelbar geltenden europäischen Rechtsakt und nicht um einen völkerrechtlichen Vertrag handelt. Den Begriff der „einschlägigen Gesetze“ definiert die Beklagte in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht. Aus Sicht eines Verbrauchers ist es fern liegend unter einschlägigen Gesetzen“ auch die Verordnung (EG) 241261/2004 zu verstehen. Allerdings handelt es sich bei dieser Verordnung um einen zentralen Baustein des europäischen Gesetzgebers im Bereich des Kundenschutzes welche das Montrealer Übereinkommen ergänzt. Das Verschweigen der Beklagten in der entsprechenden Klausel, dass der Inhalt dieser Verordnung dem gewählten irischen Rechts entgegenstehen könnte, führt zu einer Irreführung der Verbraucher macht die Klausel daher unwirksam.
Ein Verweis auf Art. 5 II RomI VO findet sich in den ABB der Beklagten nicht. Damit weist die Beklagte nicht auf die Einschränkung der Rechtswahlklausel nach Art. 5 II RomIVO hin, was zur Unwirksamkeit der Rechtswahlklausel führt.
Dies hat der EUGH bereits in seiner „Amazonentscheidung“ für den fehlenden Hinweis auf Art. 6 RomVOI entschieden. Nichts anderes kann in dem unterlassenen Hinweis auf Art. 5 II Rom VO I gelten.
Dies sieht die auch für Luftbeförderungsverträge anzuwendende Richtlinie 93/13/EWG zum Schutz der Verbraucher vor. Sie enthält eine Beschränkung der Gestaltung der Verträge der Unternehmer vor. Die streitgegenständliche Klausel also die ABB der Beklagten hätte auf das bindende Recht, dass ihre Wirksamkeit beeinflusst, hinweisen müssen. (Rechtsprechung des EuGH C-191/15) nach dieser Rechtsprechung müssen Rechtswahlklauseln, die im Kern auch Elemente betreffen, die nicht von der Rechtswahlklausel erfasst sind, auch solche Ausnahmen also das sogenannte bindende Recht aufmerksam machen. Diese bindende Rechtsvorschrift, die die Wirksamkeit der streitgegenständlichen Rechtswahlklausel vorliegend beeinflusst, wäre nach Art. 5 Abs. 2 Rom 1-VO die Fluggastrechte für 261/2004/EG.
Dies hat der EuGH in seiner Rechtsprechung zu dem Streitfall (Amazon) betont, dass nach Art. 3 Abs. 1der Richtlinie 93/13 eine Vertragsklausel, die nicht im einzelnen ausgehandelt wurde, als missbräuchlich anzusehen ist, wenn sie entgegen dem Gebot von Treu und Glauben zum Nachteil des Verbrauchers ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der Rechte und Pflichten der Vertragspartner verursacht.
So liegt der Fall auch in dem vom EuGH entschiedenen gleichgelagerten. Die Verträge sind auf elektronischem Weg geschlossen worden und vermitteln den Eindruck, dass nur das Recht des Mitgliedsstaates anzuwenden sei, in dem der Gewerbetreibende seinen Sitz hat, ohne ihn darüber zu unterrichten, dass er nach der Verordnung Art. 6 Absatz Art. 6 der Richtlinie 93/13 auch den Schutz der zwingenden Bestimmungen des Rechts genießt, dass ohne diese Klausel anzuwenden wäre. Darüber hat die Beklagte unstreitig die Zedenten nicht aufgeklärt.
Wenn man die Rechtswahlklausel der Beklagten im Sinne der Richtlinie 93/13 EWG und der VO 261/2004/EG auslegt ist diese rechtsmissbräuchlich und unwirksam.
Eine wirksame Abtretung der Auskunftsansprüche liegt damit vor. Aufgrund der Anwendbarkeit des deutschen Rechts ist von einer Unwirksamkeit des Abtretungsverbotes in den ABB wegen unangemessener Benachteiligung im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB auszugehen. Eine solche Klausel ist unwirksam, wenn ein schützenswertes Interesse des Verwenders an einem Abtretungsverbot nicht besteht, die berechtigten Belange des Kunden an der Abtretbarkeit vertraglicher Forderungen dem entgegenstehenden Interesse des Anwenders überwiegt. Ein solches schützenswertes Interesse ist von der Beklagten nicht vorgetragen worden und auch nicht erkennbar. Die Bearbeitung von Anfragen von „claim-Handling-Companies“ führt nicht erkennbar zu einem höheren Aufwand als die Bearbeitung von Anfragen von Naturalparteien (ständige Rechtsprechung AG Nürnberg LG Nürnberg)
Auch die in den ABB enthaltene Ausschlussfrist für die Geltendmachung der Rückzahlungsansprüche ist gemäß § 307 Abs. 1 BGB wegen unangemessener Benachteiligung der Zedenten unwirksam. Ein schützenswertes Interesse der Beklagten, eine derart kurze Ausschlussfrist zu vereinbaren und damit eine Rückforderung schon deutlich vor dem Eintreten der gesetzlichen Verjährungsfrist auszuschließen, ist nicht erkennbar. Die Klausel ist darüber hinaus auch intransparent. Die Formulierung nach der innerhalb eines Monats die vollständige Rückerstattung der bezahlten staatlichen Steuern beantragt werden kann, lässt den Vertragspartner über den Fristbeginn im Unklaren.
Ob die in den A BB vereinbarte Verwaltungsgebühren wirksam vereinbart wurden, kann auf dieser Stufe dahinstehen, da derzeit unklar ist, in welcher Höhe Rückforderungsansprüche bestehen und ob die Aufrechnung den Rückforderungsanspruch in voller Höhe erlöschen lassen würde.
Allerdings hat der Europäische Gerichtshof bereits entschieden, dass Luftfahrtunternehmen, die von den Kunden geschuldeten Beiträge für Steuern und Gebühren bei der Veröffentlichung ihrer Flugpreise gesondert ausweisen müssen und diese nicht (auch nicht teilweise) in den Flugpreis einbeziehen dürfen. (Urteil vom 06.07.2017, Rs.C290-16) in derselben Entscheidung wurde klargestellt, dass Klauseln in AGB, die ein pauschales Bearbeitungsentgelt für die Rückerstattung solcher Gebühren und Steuern vorsehen, als unwirksam aufgrund eines nationalen Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 05.04.1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen angesehen werden können. Nach deutschem Recht wäre daher die Klausel in Nummer 4.2.1 der AGB der Beklagten gemäß § 307 Absatz ein Satz 1 BGB wegen unangemessener Benachteiligung unwirksam (BGH Beschluss vom einen 20.04.2016, AZ: IZR220/14)
Die Entscheidung die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 und 3 ZPO


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