Europarecht

Auslieferung aus Deutschland nach Rumänien zur Strafvollstreckung wegen Betrugs

Aktenzeichen  1 AR 68/17

Datum:
20.2.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
GG GG Art. 6
EMRK EMRK Art. 3, Art. 8
IRG IRG § 2, § 13, § 14, § 15, § 17, § 25, § 73, § 79, § 80, § 81, § 83 Abs. 1 Nr. 3, § 83b Abs. 2 Nr. 2
StGB StGB § 263

 

Leitsatz

1. Auslieferungen nach Rumänien: Im Hinblick auf die Haftbedingungen in Rumänien hält der 1. Strafsenat des OLG München weiterhin Erklärungen der dortigen Behörden zu den Haftbedingungen für erforderlich, um nach deren Eingang im Einzelfall entscheiden zu können, ob hierdurch ausreichend sichergestellt ist, dass die den Verfolgten erwartenden Haftbedingungen den Europäischen Mindeststandards für die Unterbringung von Gefangenen entsprechen und nicht gegen Art. 3 EMRK verstoßen.
2. Handelt es sich bei dem ersuchenden Staat um einen EU-Mitgliedsstaat ist insoweit keine „völkerrechtlich verbindliche Zusicherung” zu verlangen, sondern “zusätzliche Informationen” im Sinne der diesbezüglichen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 05.04.2016 in der verbundenen Rechtssache Aranyosi und Cäldäraru – C 404/15 und C 659/15).
3. Der Senat hält nicht daran fest, dass von einem EU-Mitgliedsstaat zusätzlich zu den ergänzenden Informationen betreffend die Haftbedingungen die Möglichkeit von Besuchen konsularischer bzw. diplomatischer Vertreter der Bundesrepublik Deutschland bei dem ausgelieferten Verfolgten zuzusichern ist.
4. Bestehen beim Verfolgten gravierende gesundheitliche Einschränkungen, so ist zusätzlich zu den ihn erwartenden allgemeinen Haftbedingungen im ersuchenden Staat zu klären, ob seine Erkrankung in der Haft im ersuchenden Staat angemessen ärztlich und medikamentös behandelt werden kann.

Tenor

1. Gegen den rumänischen Staatsangehörigen V. R., geboren am . in . /Rumänien, wird zur Sicherung der Auslieferung an die rumänischen Behörden zur Strafvollstreckung Auslieferungshaft angeordnet.
2. Dem Auslieferungshaftbefehl wird der Europäische Haftbefehl des Gerichts B. vom 07.12.2016, Gz.: …., zu Grunde gelegt.
3. Die Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung wird zurückgestellt.
4. Der Antrag des Verfolgten vom 15.02.2017 auf Außervollzugsetzung des Auslieferungshaftbefehls wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
Die rumänischen Behörden haben um vorläufige Festnahme des rumänischen Staatsangehörigen V. R. zur Sicherung der Auslieferung zur Strafvollstreckung ersucht.
Es liegt gegen den Verfolgten der im Tenor unter Ziffer 2. näher bezeichnete Europäische Haftbefehl vor. Danach wurde der Verfolgte wegen folgenden Sachverhalts in Rumänien in Abwesenheit zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren verurteilt, die noch vollständig zu verbüßen ist:
Der Verfolgte und ein anderweitig verfolgter Mittäter haben in dem Zeitraum November 2010 -Januar 2011 unter Vorspiegelung falscher Tatsachen 41 Personen aus dem Kreis B./Rumänien mit dem Zweck einer Beschäftigung als Bauarbeiter in Deutschland angeworben. Die Beschuldigten stellten sich als Vertreter der Gesellschaft SC . SRL B. vor. Diese Gesellschaft wurde von dem Ministerium für Arbeit nicht akkreditiert und genehmigt. Es gab auch keinen Vertrag oder keine feste Vereinbarung mit einer Gesellschaft oder mit einem Partner in diesem Bereich in Deutschland. An die geschädigten Personen wurde Informationsmaterial mit dem Portfolio der Gesellschaft versandt, welche aus der Darstellung einer anderen Fachgesellschaft kopiert worden war. Die Beschuldigten haben von jeder entsprechend getäuschten Person Beträge zwischen 100 und 250 Euro als Vermittlungsgebühr empfangen. Zu der Vermittlung einer Beschäftigung in Deutschland kam es, wie von den Beschuldigten beabsichtigt, jedoch nicht. Der gesamte verursachte Schaden war in Höhe von 9.650 Euro.
Der Verfolgte wurde am 09.02.2017 in M. zur Sicherung der Auslieferung vorläufig festgenommen und befindet sich derzeit in der Justizvollzugsanstalt München.
Zu Protokoll des Ermittlungsrichters des Amtsgerichts M. hat sich der Verfolgte am 09.02.2017 mit seiner vereinfachten Auslieferung nach Rumänien nicht einverstanden erklärt. Auf die Beachtung des Spezialitätsgrundsatzes hat er hierbei nicht verzichtet.
Der Verfolgte hat sich bereits im Auslieferungsverfahren . ab dem 02.10.2014 in Auslieferungshaft befunden. Dem damaligen Auslieferungshaftbefehl hatte der Senat den Europäischen Haftbefehl des Amtsgerichts B. vom 16.01.2012, Gz.:., zu Grunde gelegt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Auslieferungshaftbefehl vom 10.10.2014 im vorgenannten Verfahren Bezug genommen.
Nachdem im damaligen Auslieferungsverfahren trotz mehrfacher Anfragen in Rumänien letztlich nicht sicher gestellt werden konnte, dass die damalige Herzkrankheit des Verfolgten in Rumänien in Haft angemessen behandelt werden kann, hat der Senat schließlich mit Beschluss vom 16.01.2015 seinen Auslieferungshaftbefehl vom 10.10.2014 aufgehoben und die Auslieferung des Verfolgten auf Grund des Europäischen Haftbefehls des Amtsgerichts B. vom 1 ar 68/17 – Seite 3 16.01.2012, Gz.: 708/197/2010, gemäß § 73 Abs. 2 IRG i.V. m. Art. 6 des Vertrages über die Europäischen Union und Art. 3 MRK für derzeit unzulässig erklärt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die vorgenannte Senatsentscheidung vom 16.01.2015 Bezug genommen.
Damals ging der Senat davon aus, dass nach Aktenlage nicht ausreichend gesichert ist, dass der Verfolgte nach durchgeführter Auslieferung in Rumänien eine adäquate ärztliche und medikamentöse Behandlung seiner zum damaligen Zeitpunkt bestehenden potentiell lebensbedrohlichen Herzerkrankung erhalten würde.
Rechtsanwältin F. war bereits im damaligen Auslieferungsverfahren Rechtsbeistand des Verfolgten und hat nunmehr als Rechtsbeistand des Verfolgten im gegenständlichen Auslieferungsverfahren 1 AR 68/17 erneut gesundheitliche Einschränkungen geltend gemacht, die der Auslieferung entgegenstehen sollen. Hierbei wurde erneut – wie im vorgenannten früheren Auslieferungsverfahren – eingewandt, dass der Verfolgte den Transport nach Rumänien und den Strafvollzug dort wegen seiner Erkrankung nicht überleben wird.
Außerdem wurde im Schriftsatz vom 15.02.2017 geltend gemacht, dass der Verfolgte seit 2012 in Deutschland lebt und seit 2014 im München angemeldet wohnt. Er lebe an dieser Adresse mit seiner Ehefrau, beide hätten ein 10 Monate altes Kind. Es wird in diesem Schriftsatz weiter ausgeführt, welche Medikamente der Verfolgte einnehmen müsse und beantragt, dass in Rumänien abgeklärt wird, ob bei dem Krankheitsbild des Verfolgten die medizinische und medikamentöse Behandlung in rumänischem Strafvollzug ausreichend sichergestellt ist.
Es wurde im Schriftsatz vom 15.02.2017 weiter beantragt, bis zum Eingang der entsprechenden Informationen durch die rumänischen Behörden den Haftbefehl außer Vollzug zu setzen.
Mit Schriftsatz vom 17.02.2017 hat Rechtsanwältin F. verschiedene Unterlagen zu den Akten gereicht, darunter eine ärztliche Bescheinigung des Allgemeinarztes … vom 08.07.2016 und den Bescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales vom 28.10.2016, durch welchen ein Grad der Behinderung im Sinne von § 2 SGB IX von 50% festgestellt wurde. Als Gesundheitsstörungen wurden vom Zentrum Bayern Familie und Soziales dabei folgende zugrunde gelegt: (.) Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die vorgenannten Unterlagen Bezug genommen.
Die Generalstaatsanwaltschaft München ist mit Schreiben vom 16.02.2017 dem Antrag auf Außervollzugsetzung des Auslieferungshaftbefehls entgegengetreten und hat mitgeteilt, dass in Bezug auf die beim Verfolgten bestehende Herzerkrankung bei den rumänischen Behörden entsprechend nachgefragt wird, sobald die vom Anstaltsarzt der Justizvollzugsanstalt München bereits durch die Generalstaatsanwaltschaft München angeforderte Stellungnahme zum aktuellen Gesundheitszustand des Verfolgten vorliegt.
Das Oberlandesgericht München ist gemäß § 13 Abs. 1 IRG sachlich und als Gericht des Ergreifungsorts bzw. des ersten ermittelten Aufenthalts auch örtlich gemäß § 14 Abs. 1 IRG zuständig.
Gegen den Verfolgten war zur Sicherung und Durchführung der Auslieferung zur Strafvollstreckung an die rumänischen Behörden Auslieferungshaftbefehl zu erlassen, §§ 15, 17 IRG.
Dem Auslieferungshaftbefehl war der im Tenor unter Ziffer 2. näher bezeichnete Europäische Haftbefehl zu Grunde zu legen.
Die Auslieferung des Verfolgten erscheint nicht von vorneherein unzulässig, § 15 Abs. 2 IRG.
Das dem Verfolgten angelastete Verhalten ist auch nach deutschem Recht mit Strafe bedroht gemäß §§ 263, 25 Abs. 2, 53 Abs. 1 des deutschen Strafgesetzbuchs.
Die Auslieferungsfähigkeit folgt aus § 81 Nr. 2 IRG.
Der Zulässigkeit der Auslieferung stehen im gegenwärtigen Aktenstand keine Hindernisse nach §§ 2 ff., 80, 81, 83 IRG entgegen.
Zwar handelt es sich bei dem Auslieferungsersuchen zu Grunde liegenden Urteil um ein Abwesenheitsurteil; ein Auslieferungshindernis gemäß § 83 Abs. 1 Ziffer 3 IRG besteht jedoch nicht auf Grund der Angaben der rumänischen Behörden unter lit. d) des Europäischen Haftbefehls.
Ob sich aus dem aktuellen Gesundheitszustand des Verfolgten Auslieferungshindernisse ergeben, kann erst beurteilt werden, nachdem die ärztliche Stellungnahme des Anstaltsarztes der JVA München vorliegt. Die Stellungnahme wurde bereits durch die Generalstaatsanwaltschaft München unter Hinweis auf die Eilbedürftigkeit angefordert. Die ärztliche Bescheinigung des Allgemeinarztes . vom 08.07.2016 und der Bescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales vom 28.10.2016 reichen nicht aus, um den aktuellen Gesundheitszustand des Verfolgten ausreichend beurteilen zu können.
Es ist auch nicht ohne weiteres davon auszugehen, dass der derzeitige Gesundheitszustand des Verfolgten seinem Gesundheitszustand entspricht, der den Erwägungen im Auslieferungsverfahren . zu Grunde lag, die letztlich dazu geführt haben, damals die Auslieferung für „derzeit unzulässig“ zu erklären.
Es war daher schon wegen der noch erforderlichen und von der Generalstaatsanwaltschaft München noch anzufordernden ergänzenden Informationen der rumänischen Behörden dazu, dass die Erkrankungen des Verfolgten im rumänischen Strafvollzug ausreichend behandelt werden können, die Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung zurückzustellen.
Ohne nähere Erkenntnisse zum aktuellen Gesundheitszustand des Verfolgten kommt aus Gründen des Gesundheitszustands eine Außervollzugsetzung des Auslieferungshaftbefehls nicht in Betracht, weswegen der entsprechende Antrag zurückzuweisen war.
Nachdem der Verfolgte seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat, kommt die Geltendmachung eines Bewilligungshindernisses gemäß § 83 b Abs. 2 Nr. 2 IRG in Betracht. Danach kann die Auslieferung eines Ausländers, der im Inland seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, abgelehnt werden, wenn bei einer Auslieferung zum Zwecke der Strafvollstreckung dieser nicht zustimmt und sein schutzwürdiges Interesse an der Strafvollstreckung im Inland überwiegt.
Die Generalstaatsanwaltschaft München hat mit Schreiben vom 15.02.2017 bereits mitgeteilt, dass sie nicht beabsichtigt, ein entsprechendes Bewilligungshindernis geltend zu machen und hat dies wie folgt begründet:
„Maßgebliche Kriterien für die Feststellung eines schutzwürdigen Interesses sind zum einen, ob eine Auslieferung für den Verfolgten in vergleichbarer Weise eine besondere Härte darstellen würde wie für einen Deutschen, zum anderen, ob durch die Verbüßung der Strafe im Inland die Resozialisierungschancen des Verfolgten erhöht werden. Der hiesige Strafvollzug müsste also der Aufgabe, den Verurteilten zu einem künftigen Leben in sozialer Verantwortung ohne Straftaten zu befähigen, besser gerecht werden als die Strafvollstreckung im ersuchenden Staat. Insoweit ist über den gewöhnlichen Aufenthalt des Verfolgten in Deutschland hinaus auch unter Beachtung des Gesichtspunktes des Schutzes von Ehe und Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG und der Gewährleistungen des Art. 8 Abs. 1 EMRK von Bedeutung, in welchem Maße die beruflichen, wirtschaftlichen, familiären, und sozialen Beziehungen des Verfolgten im Innern verfestigt sind.
Im allgemeinen müssen bei drohender Strafvollstreckung im Herkunftsland die Bindungen an Deutschland von besonderer Ausprägung sein, um ein Bewilligungshindernis zu begründen. Auch ist wie bei jeder Auslieferungsentscheidung der Grundsatz des § 79 Abs. 1 IRG zu beachten, wonach eine zulässige Auslieferung auf Ersuchen eines EU-Mitgliedstaates nach dem gesetzgeberischen Willen im Regelfall auch zu bewilligen ist.
In der Rechtsprechung wird dabei teilweise angenommen, dass bei einem mehr als 5 Jahre andauernden ununterbrochenen Aufenthalt im Inland die Annahme nahe liegt, dass der Verfolgte so enge Beziehungen zu Deutschland aufgebaut hat, dass seine Resozialisierung durch eine Vollstreckung im Inland besser gefördert werden kann.
Auch ist bei der Abwägung neben dem Bestehen von familiären Bindungen zu berücksichtigen, ob der Verfolgte ein festes Arbeitsverhältnis innehat und eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, dass er dieses fortsetzen kann, weil er die Voraussetzungen für die Zulassung zum Freigang erfüllt.
Bei Anlegung dieser Maßstäbe ist im vorliegenden Fall festzustellen, dass trotz der Aufenthalts des Verfolgten in Deutschland seit 2011 die beruflichen, wirtschaftlichen, familiären und sozialen Beziehungen des Verfolgten hier nicht verfestigt sind.
So spricht der Verfolgte die deutsche Sprache nicht ausreichend. Sowohl im Umgang mit der Polizei bei der Festnahme als auch vor Gericht musste er sich einer Dolmetscherin bedienen.
Auch geht er aktuell keiner Arbeitstätigkeit nach. Ein Aufbau sozialer Bindungen zu Deutschland über die Ehefrau bzw. das Kind hinaus hat nicht stattgefunden. Damit sind weder berufliche noch wirtschaftliche oder weitergehende soziale Bindungen an Deutschland vorhanden, die im Rahmen der Resozialisierungsbemühungen nutzbar gemacht werden könnten. Auch wegen der fehlenden Sprachkenntnisse wäre eine Strafvollstreckung im Inland nicht geeignet, die Resozialisierung des Verfolgten besser als eine Strafvollstreckung im ersuchenden Staat zu fördern.
Bei einer Gesamtbetrachtung ist daher die Auslieferung zur Strafvollstreckung für den Verfolgten weder eine besondere Härte, noch vermindert sie im Vergleich mit einer Vollstreckung im Inland die Resozialisierungschancen.”
Nachdem der Verfolgte noch nicht zur Nichtgeltendmachung von Bewilligungshindernissen richterlich angehört wurde, war auch aus diesem Grund die Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung zurückzustellen.
Die Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung war auch deswegen zurückzustellen, weil wegen der Haftbedingungen in Rumänien ohne zusätzliche Informationen zu den Bedingungen, die der Verfolgte – schon unabhängig von seiner Erkrankung – im Falle der Auslieferung zu erwarten hätte, nicht entschieden werden kann, ob (auch) insoweit ein Auslieferungshindernis gemäß § 73 IRG besteht.
Es ist im derzeitigen Aktenstand nicht ausgeschlossen, dass die Bedenken im Hinblick auf die Haftbedingungen in Rumänien durch zusätzliche Informationen der rumänischen Behörden, die folgende Punkte umfassen, ausgeräumt werden können:
Angabe der Haftanstalt(en), in die der Verurteilte nach erfolgter Auslieferung aufgenommen wird bzw. in der er während der Dauer des Freiheitsentzugs inhaftiert sein wird;
Angaben dazu, ob die räumliche Unterbringung und die sonstige Gestaltung der Haftbedingungen in dieser Haftanstalt den europäischen Mindeststandards für die Unterbringung von Gefangenen entsprechen, um sicherzustellen, dass dem Verfolgten daher dort keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten aufgrund der Haftbedingungen droht;
Beschreibung der Haftbedingungen in der/den namentlich benannten Haftanstalt(en), insbesondere im Hinblick auf: Zahl der Haftplätze, Gesamtzahl der Gefangenen, Anzahl, Größe und Ausstattung der Hafträume (insbesondere auch Angaben zu Fenstern, Frischluftzufuhr und Heizung), Belegung der Hafträume und Angaben dazu, wieviel Quadratmeter dem einzelnen Gefangenen bzw. dem Verfolgten dort zur Verfügung stehen, Ausstattung der Haftanstalt mit sanitären Einrichtungen, Verpflegungsbedingungen, Art und Bedingungen des Zugangs der Gefangenen zu medizinischer Versorgung.
Sollte eine genaue Bezeichnung der Haftanstalt(en), in der/in denen der Verurteilte inhaftiert werden wird, nicht möglich sein, so ist anzugeben, in welcher Haftanstalt er wahrscheinlich inhaftiert werden wird und es sind die oben ausgeführten Angaben bezüglich dieser Haftanstalt zu machen beziehungsweise zu erklären, dass der Verfolgte in einer Haftanstalt untergebracht werden wird, die den europäischen Mindeststandards für die Unterbringung von Gefangenen entspricht.
Hinzu kommt, wie bereits ausgeführt, dass vorliegend nicht nur die Einhaltung der europäischen Mindeststandards für die Unterbringung von Gefangenen ausreichend sichergestellt sein müsste; es müsste zusätzlich weiterhin sichergestellt sein, dass die Erkrankungen des Verfolgten im rumänischen Strafvollzug ausreichen ärztlich und medikamentös behandelt werden können, sodass sich hieraus keine Gefahren für seine Gesundheit bzw. sein Leben ergeben.
Der Senat ersucht insoweit die Generalstaatsanwaltschaft München, mit der von dort ohnehin schon beabsichtigten Anfrage bei den rumänischen Behörden, ob im rumänischen Strafvollzug die Möglichkeit besteht, die erforderliche ärztliche und medikamentöse Behandlung des Verfolgten sicherzustellen, zugleich das Ersuchen zu verbinden, zusätzliche Informationen zu den oben aufgeführten Punkten betreffend die Haftbedingungen des Verfolgten in rumänischer Strafhaft zu übermitteln.
Der Senat hat für seine Entscheidung die in der Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 03.01.2017 – Ausl 81/16 (betreffend eine Auslieferung nach Rumänien) genannten Unterlagen ausgewertet. Der Senat erachtet durch diese Unterlagen -trotz des erkennbaren Bemühens der rumänischen Behörden, die Haftbedingungen zu verbessern – seine gegenwärtigen Bedenken hinsichtlich der Haftbedingungen in Rumänien als nicht ausgeräumt.
Die vom Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg in der vorgenannten Entscheidung angestellte „Gesamtbetrachtung“ vermag angesichts der vielfältigen und von Vollzugsanstalt zu Vollzugsanstalt durchaus verschiedenen Probleme, die das Risiko gravierender Menschenrechtsverletzungen durch die Art der Haftbedingungen in sich bergen, aus der Sicht des Senats nicht generell mit ausreichender Sicherheit auszuräumen.
Der Senat besteht daher in den Fällen, in denen der Verfolgte seiner vereinfachten Auslieferung nicht zugestimmt hat, entsprechend seiner ständigen Rechtsprechung weiterhin auf Erklärungen der dortigen Behörden zu den Haftbedingungen, um nach deren Eingang im Einzelfall zu entscheiden, ob hierdurch ausreichend sichergestellt ist, dass die den jeweiligen Verfolgten erwartenden Haftbedingungen den europäischen Mindeststandards für die Unterbringung von Gefangenen entsprechen.
Der Senat hält jedoch nicht daran fest, dass diesbezüglich auch von einem EU-Mitgliedsstaat „völkerrechtlich verbindliche Zusicherungen“ verlangt werden. Es sind vielmehr „zusätzliche Informationen“ im Sinne der diesbezüglichen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs einzuholen (vgl. das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 05.04.2016 in der verbundenen Rechtssache Aranyosi und Cäldäraru – C 404/15 und C 659/15).
Der Senat hält nicht länger daran fest, dass von einem EU-Mitgliedsstaat zusätzlich zu den ergänzenden Informationen betreffend die Haftbedingungen die Möglichkeit von Besuchen konsularischer bzw. diplomatischer Vertreter bei dem ausgelieferten Verfolgten zuzusichern ist.
Darüber hinaus müsste vorliegend sichergestellt sein (was aber ebenfalls erst nach Eingang der ärztlichen Stellungnahme des Anstaltsarztes der Justizvollzugsanstalt München geklärt werden kann), dass der Verfolgte derzeit bzw. in absehbarer Zeit überhaupt reisefähig ist, also den Vollzug der Auslieferung überleben würde.
Nachdem sich bislang eine aktuelle ärztliche Stellungnahme nicht bei den Akten befindet, verbietet sich eine Spekulation darüber, ob bzw. in welchem Umfang der Verfolgte reisefähig wäre und ob er in Rumänien in Strafhaft so untergebracht werden kann, dass dies dem europäischen Mindeststandard für die Unterbringung von Gefangenen entspricht und sich darüber hinaus auch trotz der bestehenden Erkrankungen keine Gesundheitsgefahren für ihn ergeben.
Zur Sicherung der Auslieferung ist Haft erforderlich und zulässig, §§ 15, 17 IRG.
Es besteht die Gefahr, dass sich der Verfolgte dem Auslieferungsverfahren durch Flucht bzw. Untertauchen entzieht, wenn er auf freien Fuß käme. Der Verfolgte hat zwar in der Bundesrepublik Deutschland einen festen Wohnsitz; angesichts der ihm in Rumänien drohenden Sanktionen kann jedoch nicht erwartet werden, dass sich der Verfolgte dem dortigen Verfahren 1 ar 68/17 – Seite 9 freiwillig stellt.
Ohne belastbare Erkenntnisse zu dem aktuellen Gesundheitszustand des Verfolgten ist derzeit eine Außervollzugsetzung des Auslieferungshaftbefehls auf Grund seines Gesundheitszustands auch aus Verhältnismäßigkeitsgründen nicht angezeigt.
Für eine Außervollzugsetzung des Auslieferungshaftbefehls (§ 25 IRG) fehlt es zudem an der erforderlichen Vertrauensgrundlage.
Richter Richter Richterin am Oberlandesgericht am Oberlandesgericht am Oberlandesgericht


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