Europarecht

Ausnahmegenehmigung zur Öffnung einer Ballettschule

Aktenzeichen  AN 18 E 20.00906

Datum:
15.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 10416
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123
BaylfSMV § 9, § 11

 

Leitsatz

Dem Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung für eine Balettschule im Wege der einstweiligen Anordnung fehlt die Anordnungsbefugnis, da die 4. BayIfSMV den Betrieb von Freizeiteinrichtungen ohne die Möglichkeit einer Ausnahme untersagt. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Der zuletzt gestellte Antrag
„1. Der Antragstellerin wird im Rahmen einer Ausnahmegenehmigung gestattet, ihre Ballettschule „…“ in der … Str. …, …, entsprechend dem vorgelegten Gesundheitskonzept in Kleingruppen wieder zu öffnen.
2. Hilfsweise wird beantragt, dass der Antragstellerin gestattet wird, ihre Ballettschule „…“ in der … Str.…, …, unter vom Gericht festzusetzenden Auflagen wieder zu öffnen.“
hat keinen Erfolg.
1. Zwar ist die mit Schriftsatz der Bevollmächtigten der Antragstellerin vom 14. Mai 2020 erklärte, in der Auswechslung des Antragsgegners liegende Antragsänderung zulässig (vgl. § 91 VwGO), da der Beteiligtenwechsel jedenfalls sachdienlich ist. Der derart geänderte Antrag ist allerdings dennoch unzulässig, da der Antragstellerin für dieses Begehren die analog § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Antragsbefugnis fehlt. Nach dem unmittelbar auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen anwendbaren § 42 Abs. 2 VwGO ist eine Klage, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein. Diese Vorschrift ist auf Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO entsprechend anzuwenden. Eine solche Rechtsbeeinträchtigung ist im Anordnungsverfahren geltend gemacht, wenn dem Gericht auf Grundlage des festgestellten Sachverhaltes das Vorliegen eines Anordnungsanspruches zumindest als möglich erscheint. Sofern aber – wie hier – offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen ist, dass mit Blick auf das Begehren eigene Rechte des Antragstellers verletzt oder in ihrer Verwirklichung gefährdet sein können, scheidet eine Antragsbefugnis aus (vgl. zum Ganzen VGW BW, B.v. 26.3.2020 – 1 S 424/20 – juris Rn. 31).
Mit ihrem Hauptantrag begehrt die Antragstellerin vorliegend im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zur Öffnung ihrer Ballettschule. Die Vierte Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (4. BayIfSMV) sieht die Erteilung einer solchen Ausnahmegenehmigung oder anderweitigen Gestattung jedoch nicht vor. Soweit man ihre Ballettschule unter § 9 der 4. BayIfSMV („Sport“) fassen wollte – woran das Gericht erhebliche Zweifel hat – kann für dort genannte Anlagen der Trainingsbetrieb unter den dort genannten Voraussetzungen aufgenommen werden, ohne dass es einer Ausnahmegenehmigung oder sonstiger Gestattung bedarf, das heißt, die Antragstellerin hat mangels Bedarfs einer Gestattung konsequent auch keinen Anspruch hierauf. Soweit man das Ballettstudio als Freizeiteinrichtung im Sinne von § 11 der 4. BayIfSMV verstanden wissen möchte – was der Fall sein dürfte (wohl „Tanzschule“) – ist der Betrieb nach der Verordnung untersagt, ohne dass hierfür in der Verordnung die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung vorgesehen wäre, mithin dringt die Antragstellerin auch hiernach mit ihrem Begehren nicht durch, da nach der Verordnung kein entsprechender Anspruch für eine Gestattung besteht.
Demgemäß ist der in der Hauptsache zu erhebende Verpflichtungsantrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung bereits unzulässig, da hier mangels Existenz einer rechtlichen Möglichkeit zur Erteilung dazu eine Möglichkeit der Rechtsverletzung der Antragstellerin analog § 42 Abs. 2 VwGO durch die Nichterteilung ausscheidet.
Der Antrag lässt sich auch nicht nach §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO in einen solchen auf Feststellung dahingehend umdeuten, dass die Regelungen der 4. BayIfSMV einer Öffnung des Betriebs der Antragstellerin nicht entgegenstehen. Nach § 88 VwGO ist das Gericht bei der Bestimmung des Begehrens eines Antragstellers zwar nicht an die Fassung der Anträge gebunden; vielmehr hat es das im Antrag und im gesamten Parteivorbringen zum Ausdruck kommende Rechtsschutzziel zu ermitteln und seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Mithin ist das Ziel nicht allein dem Antrag zu entnehmen, sondern dem gesamten Parteivorbringen insbesondere auch der Antragsbegründung. Vorliegend hat das Gericht aber die Bevollmächtigten der Antragstellerin mit Verfügung vom 13. Mai 2020 u.a. darauf hingewiesen, dass die 4. BayIfSMV die Erteilung einer Gestattung bzw. einer Ausnahmegenehmigung für Sport und Freizeiteinrichtungen nicht vorsieht und darum gebeten, den Antrag zu konkretisieren. Hierauf haben die Bevollmächtigten explizit mitgeteilt, dass Ziel des Antrags sei, eine Ausnahmegenehmigung zu erhalten, die die Öffnung der Ballettschule in Kleingruppen erlaube. Zudem haben sie den bisherigen Antrag, der auf Gestattung der Wiedereröffnung gerichtet war, explizit um den Zusatz ergänzt, dass dies „im Rahmen einer Ausnahmegenehmigung“ erfolgen solle. Insoweit wurde an dem ursprünglichen Antrag (bis auf Auswechslung des Antragsgegners) nicht nur festgehalten, sondern trotz des gerichtlichen Hinweises noch einmal ausdrücklich betont, dass das Begehren auf die Erlangung einer Ausnahmegenehmigung gerichtet ist. Von einem unklaren Antrag kann insofern nicht ausgegangen werden. Dieser ist vielmehr eindeutig und damit auch nicht auslegungsfähig. § 88 VwGO legitimiert das Gericht gerade nicht dazu, „die Wesensgrenzen der Auslegung zu überschreiten und […] an die Stelle dessen, was die Partei erklärtermaßen will, das zu setzen, was sie – nach Meinung des Richters – zur Verwirklichung ihres Bestrebens wollen sollte“ (vgl. BVerwG, B.v. 29.8.1989 – 8 B 9.89 – juris Rn. 2).
Entsprechendes gilt letztlich auch für den Hilfsantrag. Hier wurde zwar – anders als im Hauptantrag – nicht noch explizit der Zusatz „im Rahmen einer Ausnahmegenehmigung“ eingefügt, sondern die ursprüngliche Formulierung beibehalten. Allerdings verwendet auch der Hilfsantrag ebenso wie der Hauptantrag den Begriff „gestattet“, den die Bevollmächtigte entsprechend der Klarstellung im Hauptantrag eindeutig als auf Erhalt einer Erlaubnis verstanden wissen will.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG. Das Gericht orientiert sich dabei am Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Nach dessen Nr. 1.5 beträgt in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes der Streitwert in der Regel ½. Allerdings kann auch in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, die die Entscheidung in der Sache ganz oder zum Teil vorweg-nehmen – dies ist hier der Fall -, der Streitwert bis zur Höhe des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts angehoben werden. Hiervon wurde vorliegend Gebrauch gemacht.


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