Europarecht

Aussetzung des Verfahrens zur Nachholung der UVP-Vorprüfung

Aktenzeichen  8 B 18.413

Datum:
28.6.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 15273
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
UmwRG § 4 Abs. 1b S. 3
BayVwVfG Art. 45 Abs. 1, Abs. 2

 

Leitsatz

Eine erforderliche UVP-Vorprüfung des Einzelfalls kann in entsprechender Anwendung des Art. 45 Abs. 1 und 2 BayVwVfG bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden. (Rn. 2) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 2 K 15.518 2016-01-28 Urt VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

Auf Antrag des Beklagten wird das Verfahren ausgesetzt, bis das ergänzende Verwaltungsverfahren zur UVP-Vorprüfung abgeschlossen ist.

Gründe

Die Aussetzung beruht auf § 4 Abs. 1b Satz 3 UmwRG. Danach kann das Gericht (durch den Berichterstatter, § 87a Abs. 1 und 3 VwGO) auf Antrag anordnen, dass die Verhandlung bis zur Heilung von Verfahrensfehlern im Sinn der Absätze 1 und 1a ausgesetzt wird, soweit dies im Sinn der Verfahrenskonzentration sachdienlich ist.
1. Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1b Satz 3 UmwRG liegen vor. Die Aussetzung dient der Durchführung der erforderlichen UVP-Vorprüfung des Einzelfalls (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b UmwRG). Dieser Verfahrensschritt kann in entsprechender Anwendung des Art. 45 Abs. 1 und 2 BayVwVfG bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden (BVerwG, U.v. 20.8.2008 – 4 C 11.07 – BVerwGE 131, 352 = juris Rn. 24). Er dient (lediglich) der Feststellung, ob eine Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich ist. Der Beklagte geht in seinem Antrag zu Recht davon aus, dass eine solche allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls erforderlich war (gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1, §§ 5 und 7 UVPG i.V.m. Nr. 13.13 der Anlage 1 zum UVPG bzw. § 3 Abs. 1 Satz 1, §§ 3a und 3c UVPG i.d.F. vom 24.2.2010, zuletzt geändert durch Gesetz vom 25.7.2013 [BGBl. I S. 2749], i.V.m. Nr. 13.13 der Anlage 1). Die Heilungsmöglichkeit begegnet keinen gemeinschaftsrechtlichen Bedenken (vgl. BVerwG, U.v. 20.8.2008 – 4 C 11.07 – a.a.O. Rn. 27 ff.; OVG LSA, B.v. 14.2.2018 – 2 K 3/17 – juris Rn. 8; Pauli/Hagemann, UPR 2018, S. 8 ff. m.w.N.).
Dagegen ist die Nachholung einer Umweltverträglichkeitsprüfung selbst – sollte sich eine solche als notwendig erweisen – nicht von der Aussetzung umfasst. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung stößt eine solche Heilungsmaßnahme – im Gegensatz zur bloßen nachträglichen UVP-Vorprüfung – ohnehin regelmäßig an Grenzen (vgl. BVerwG, U.v. 20.8.2008 – 4 C 11.07 – BVerwGE 131, 352 = juris Rn. 26; OVG NW, B.v. 30.8.2017 – 8 A 493/16 – UPR 2018, 35 = juris Rn. 16 ff. m.w.N.; vgl. aber zur Heilung weiterer Mängel BVerwG, B.v. 8.5.2018 – 9 A 12.17 – juris Rn. 3 ff.), worauf der Klägerbevollmächtigte im Ergebnis zu Recht hinweist.
2. Bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen steht die Aussetzung gemäß § 4 Abs. 1b Satz 3 UmwRG im Ermessen des Gerichts, soweit „dies im Sinne der Verfahrenskonzentration sachdienlich ist“. Damit bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass über den Streitstoff betreffend die Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 2b UmwRG aus Gründen der Prozessökonomie in einem Verfahren konzentriert entschieden werden soll (BVerwG, B.v. 8.5.2018 – 9 A 12.17 – juris Rn. 7). Aus der Entstehungsgeschichte geht hervor, dass sich die Bestimmung am früheren § 94 Satz 2 VwGO (in der Fassung des 6. VwGOÄndG vom 1.11.1996, BGBl. I S. 1626) orientiert (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht, BT-Drs. 18/6385, S. 4). Diese Regelung diente der beschleunigten Bereinigung eines Rechtsstreits und der Vermeidung von mehrfachen gerichtlichen Auseinandersetzungen in derselben Sache. Ziel war es (vgl. den Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 13/3993, S. 12), zu verhindern, dass ein Verwaltungsakt allein wegen eines Verfahrensfehlers aufgehoben und dessen materielle Rechtmäßigkeit erst in einem zweiten Verfahren gerichtlich geprüft wird (vgl. zum Ganzen auch OVG LSA, B.v. 14.2.2018 – 2 K 3/17 – juris Rn. 3; OVG NW, B.v. 30.8.2017 – 8 A 493/16 – UPR 2018, 35 = juris Rn. 14).
Bei Würdigung sämtlicher Interessen und Rechte der Beteiligten ist eine Aussetzung sachdienlich. Nach Einschätzung des Senats dient es hier der Verfahrensbeschleunigung besser, den Streitstoff konzentriert gerichtlich dann zu verhandeln, wenn er vollständig ist. Die Aussetzung soll es dem Beklagten ermöglichen, die Verfahrensfehler zu heilen, damit es im vorliegenden Verfahren zu einer umfassenden gerichtlichen Prüfung des Streitstoffs auch in materieller Hinsicht kommt. Es könnte nicht ausgeschlossen werden, dass weitere Rügen, die das Vorhaben betreffen, nach Abschluss des eingeleiteten Verwaltungsverfahrens erneut gerichtlich anhängig gemacht werden. Deshalb steht auch der in § 173 VwGO i.V.m. § 198 GVG zum Ausdruck gebrachte Grundsatz, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit mit einer sachlichen Entscheidung abzuschließen (vgl. dazu auch BVerwG, B.v. 8.5.2018 – 9 A 12.17 – juris Rn. 7), einer Aussetzung nicht entgegen.
Zum Problemkreis des Prozesskostenrisikos hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 8. Mai 2018 ausgeführt (Az.: 9 A 12.17 – juris Rn. 8 f.):
„Die Verteilung des Prozesskostenrisikos gebietet keine andere Beurteilung. Die grundsätzliche Entscheidung des Gesetzgebers, noch während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens fehlerhafte Verfahrenshandlungen nachholen (§ 45 Abs. 2 VwVfG), Ermessenserwägungen ergänzen (§ 114 Satz 2 VwGO) und zur Heilung von Verfahrensfehlern das gerichtliche Verfahren auf Antrag aussetzen zu können (§ 4 Abs. 1b Satz 3 UmwRG) sowie der das Planfeststellungsrecht prägende Grundsatz der Planerhaltung einschließlich der Möglichkeit zur Fehlerbehebung durch Planergänzung oder ergänzendes Verfahren (§ 75 Abs. 1a Satz 2 VwVfG) bringen es mit sich, dass Planfeststellungsbehörden klägerischen oder gerichtlichen Hinweisen Rechnung tragen und eine zunächst begründete Klage letztlich keinen Erfolg hat (BVerwG, Beschluss vom 10. Oktober 2017 – 9 A 16.16 – NVwZ 2018, 181 Rn. 8).
Der Umstand, dass ein Beteiligter so trotz einer zunächst erfolgversprechend erscheinenden Klage bei streitiger Entscheidung die Prozesskosten tragen müsste, zwingt zu keiner einschränkenden Anwendung dieser gesetzgeberischen Regelungen. Der Kläger kann einer erst im Prozess erfolgenden Nachbesserung durch die Abgabe einer Erledigungserklärung Rechnung tragen. Die Abwägung, ob er seine Klage stattdessen, gestützt auf weitere Kritikpunkte, aufrechterhält, erfordert zwar eine Neubewertung seiner Erfolgsaussichten, sie geht damit aber nicht über die klägerseits in jedem Verfahren ohnehin erforderliche Abschätzung des Prozessrisikos hinaus (BVerwG, Beschluss vom 10. Oktober 2017 – 9 A 16.16 – NVwZ 2018, 181 Rn. 8).“
Diesen Ausführungen schließt sich der Senat an. Auch sonst nötigt der Grundsatz der fairen Verfahrensgestaltung (vgl. OVG LSA, B.v. 14.2.2018 – 2 K 3/17 – juris Rn. 10) nicht dazu, den Antrag des Beklagten auf Aussetzung des Verfahrens abzulehnen. Aus dem vom Kläger zitierten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Dezember 2013 (Az.: 4 A 1.13 – BVerwGE 148, 353 = juris) ergibt sich nichts Abweichendes. Ist die allgemeine Vorprüfung abgeschlossen, ist der Rechtsstreit von Amts wegen fortzusetzen (vgl. OVG LSA, B.v. 14.2.2018 – 2 K 3/17 – a.a.O. Rn. 10 und für die Aussetzung nach § 94 VwGO Rennert in Eyermann, VwGO, 14 Aufl. 2014, § 94 Rn. 9 m.w.N.). Ob die Vorprüfung im Ergebnis zu der Annahme führt, dass es einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedurft hätte, oder nicht, spielt insofern keine Rolle.


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