Europarecht

Beantragung eines Europäischen Berufsausweises für den Beruf Bergführer

Aktenzeichen  M 16 K 18.5437

Datum:
19.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 14418
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
RL 2005/36/EG Art. 4a, Art. 4d
BayBQFG Art. 13a
BayBergSkiV § 1, § 2, § 3

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Beklagte wird verpflichtet, die rechtmäßige Niederlassung des Klägers in dessen IMI-Datei gemäß Antrag vom 12. April 2018 zu bestätigen und den Antrag an die zuständige Behörde der Republik Österreich weiterzuleiten.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

1. Ziel der Klage ist, dass der Beklagte hinsichtlich des Antrags des Klägers vom 12. April 2018 die sog. „vorbereitenden Schritte“ des Verfahrens zur Ausstellung eines Europäischen Berufsausweises i.S.d. Art. 4a Abs. 5 RL 2005/36/EG abschließt, d.h. die „rechtmäßige Niederlassung des Klägers“ als Bergführer in Deutschland i.S.d. Art. 4b Abs. 3 RL 2005/36/EG, Art. 6 Abs. 2 der Durchführungsverordnung (EU) 2015/983 im sog. Binnenmarktinformationssystem (IMI) bescheinigt, und den Antrag sodann der zuständigen Behörde der Republik Österreich übermittelt.
2. Mit diesem Ziel ist die Klage, über die mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne (weitere) mündliche Verhandlung entschieden werden konnte (§ 101 Abs. 2 VwGO), zulässig und begründet.
3. Die Klage ist als Verpflichtungsklage statthaft und auch im Übrigen zulässig.
a) Das begehrte Handeln stellt sich als feststellender Verwaltungsakt i.S.d. Art. 35 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG dar. Eine Regelung mit Außenwirkung ist dabei darin zu sehen, dass Deutschland als Herkunftsmitgliedstaat (vgl. Art. 1 RL 2005/36/EG) in einer rechtlich ungewissen Situation feststellt, ob der Kläger nach innerstaatlichem Recht rechtmäßig in Deutschland niedergelassen ist (vgl. Art. 4a Abs. 5 RL 2005/36/EG, Art. 6 Abs. 2 Durchführungsverordnung (EU) 2015/983). Nach der Konzeption der Richtlinie ist diese Prüfung den Behörden des Herkunftsmitgliedstaats übertragen und der Aufnahmemitgliedstaat grundsätzlich an die Bescheinigung des Herkunftslands gebunden (vgl. Art. 4d Abs. 3, 4 RL 2005/36/EG sowie EuGH, U.v. 27.9.1989 – Rs. 130/88, van de Bijl – Slg. 3057, Rn. 20 ff.). Damit stellt sich die Vornahme der „vorbereitenden Schritte“ als selbständiges Zwischenverfahren in einem gestuften Verfahren dar (vgl. dazu v. Alemann/Scheffczyk in Bader/Ronellenfitsch, BeckOK VwVfG, Stand 1.4.2020, § 35 Rn. 185; Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 35 Rn. 170; BVerwG, U.v. 10. 7. 1958 – I C 195.56 – NJW 1959, 590). Dafür, dass das begehrte Handeln als Verwaltungsakt und nicht bloß als Verwaltungsinternum anzusehen ist, spricht auch die Bezeichnung als „Entscheidung“, gegen die ein Rechtsbehelf eingelegt werden können muss, durch die Richtlinie (vgl. Art. 4d Abs. 6 RL 2005/36/EG). Abgesehen davon kommt es auf die Qualifikation des begehrten Handelns aber auch nicht entscheidungserheblich an, denn bei einer Einordnung als Realakt wäre die Klage als allgemeine Leistungsklage statthaft und zulässig.
b) Die Klage ist nicht verfristet. Die Mitteilung des Beklagten vom 13. April 2018 war mit keiner Rechtsbehelfsbelehrung:versehen, so dass die Klagefrist des § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V. § 74 Abs. 2, Abs. 1 Satz 2 VwGO, Art. 15 Abs. 2 AGVwGO nicht zu laufen begonnen hat (§ 58 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 VwGO).
4. Die Klage hat auch in der Sache Erfolg.
a) Die Klage richtet sich gegen den richtigen Beklagten (§ 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Mit der Mitwirkung im Verfahren zur Ausstellung des Europäischen Berufsausweises hat die Technische Universität München keine Körperschaftsangelegenheit wahrgenommen, sondern eine staatliche Angelegenheit, die ihr durch Gesetz zugewiesen ist (vgl. dazu Art. 13a, Art. 13 Abs. 4 Satz 2 BayBQFG, § 1 Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Fachsportlehrer im freien Beruf in Bayern – BayAPOFspl). Folglich ist sie als staatliche Einrichtung des Beklagten tätig geworden (Art. 11 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 8 BayHSchG).
b) Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung einen Anspruch darauf, dass der Beklagte seine rechtmäßige Niederlassung als Bergführer in Bayern im sog. Binnenmarktinformationssystem bescheinigt und den Antrag sodann der zuständigen Behörde der Republik Österreich übermittelt.
aa) Das Begehren des Klägers beurteilt sich nach der Richtlinie 2005/36/EG (sog. Berufsanerkennungsrichtlinie) in Verbindung mit der Durchführungsverordnung (EU) 2015/983 sowie Art. 13a BayBQFG.
aaa) Die Richtlinie 2005/36/EG legt die Vorschriften fest, nach denen ein Mitgliedstaat, der den Zugang zu einem reglementierten Beruf oder dessen Ausübung in seinem Hoheitsgebiet an den Besitz bestimmter Berufsqualifikationen knüpft („Aufnahmemitgliedstaat“), für den Zugang zu diesem Beruf und dessen Ausübung die in einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten („Herkunftsmitgliedstaat“) erworbenen Berufsqualifikationen anerkennt, die ihren Inhaber berechtigen, dort denselben Beruf auszuüben (Art. 1). Zum Anwendungsbereich der Richtlinie bestimmt Art. 2 Abs. 1, dass sie für alle Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats gilt, die als Selbständige oder abhängig Beschäftigte, einschließlich der Angehörigen der freien Berufe, einen reglementierten Beruf in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem sie ihre Berufsqualifikation erworben haben, ausüben wollen. Reglementierter Beruf ist dabei eine berufliche Tätigkeit oder eine Gruppe beruflicher Tätigkeiten, bei der die Aufnahme oder Ausübung oder eine der Arten der Ausübung direkt oder indirekt durch Rechts- und Verwaltungsvorschriften an den Besitz bestimmter Berufsqualifikationen gebunden ist; eine Art der Ausübung ist insbesondere die Führung einer Berufsbezeichnung, die durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften auf Personen beschränkt ist, die über eine bestimmte Berufsqualifikation verfügen (Art. 3 Abs. 1 Buchst a).
Der hier inmitten stehende „Europäische Berufsausweis“ ist nach der Richtlinie eine elektronische Bescheinigung entweder zum Nachweis, dass der Berufsangehörige sämtliche notwendigen Voraussetzungen für die vorübergehende und gelegentliche Erbringung von Dienstleistungen in einem Aufnahmemitgliedstaat erfüllt oder zum Nachweis der Anerkennung von Berufsqualifikationen für die Niederlassung in einem Aufnahmemitgliedstaat (Art. 3 Abs. 1 Buchst. k). Für welche Berufe ein Europäischer Berufsausweis ausgestellt werden kann, legt die Europäische Kommission durch Durchführungsrechtsakt fest (Art. 4a Abs. 1, 7); der Beruf des Bergführers gehört dazu (Art. 1, Anhang I Nr. 4 der Durchführungsverordnung (EU) 2015/983). Das Verfahren ist grundsätzlich elektronisch und stützt sich auf das sog. Binnenmarktinformationssystem („Internal Market Information System“), ein von der Europäischen Kommission bereitgestelltes elektronisches Instrument zur Erleichterung der Verwaltungszusammenarbeit u.a. zwischen den Mitgliedstaaten (vgl. dazu die sog. IMI-Verordnung (EU) Nr. 1024/12). Beantragt wird der Europäische Berufsausweis über ein (weiteres) von der Europäischen Kommission zur Verfügung gestelltes Online-Instrument, durch das eine eigene Datei des Antragstellers im Binnenmarktinformationssystem, die sog. IMI-Datei, erstellt wird (vgl. Art. 4b Abs. 1 RL 2005/36/EG).
Das Verfahren zur Ausstellung des Europäischen Berufsausweises stellt dabei eine Alternative zu den in Titeln II und III der Richtlinie vorgesehenen Verfahren über die Anerkennung von Berufsqualifikationen dar; der Inhaber der entsprechenden Berufsqualifikation kann entscheiden, einen solchen Ausweis zu beantragen oder sich der Verfahren nach den Titeln II und III zu bedienen (Art. 4a Abs. 2 RL 2005/36/EG). Aus dem Vorschlag der Kommission für die Richtlinie 2013/55/EU, mit der die Regelungen über den Europäischen Berufsausweis in die Richtlinie 2005/36/EG eingefügt worden sind, ist ersichtlich, dass der EU insoweit insbesondere Bereiche vor Augen standen, in denen die grenzüberschreitende Mobilität von besonderer Bedeutung ist. Der Europäische Berufsausweis soll das Anerkennungsverfahren vereinfachen und beschleunigen, indem jedenfalls Teile davon von dem Aufnahmeauf den Herkunftsmitgliedstaat verlagert werden. Denn der Herkunftsstaat besitzt bereits einschlägige Informationen über den Antragsteller und kennt die dortigen Voraussetzungen für die Erwerbsausübung (vgl. Erwägungsgrund Nr. 4 zur Richtlinie 2013/55/EU; Vorschlag der Kommission, KOM(2011) 883 endgültig, S. 8).
Das konkrete Verfahren sowie die Verteilung der Zuständigkeit auf Herkunfts- und Aufnahmemitgliedstaat hängen davon ab, ob sich der Antragsteller im Aufnahmestaat niederlassen oder nur vorübergehende und gelegentliche Dienstleistungen erbringen möchte, sowie, im Falle der Erbringung von Dienstleistungen, davon, ob diese unter Art. 7 Abs. 4 RL 2005/36/EG fallen, d.h. die öffentliche Sicherheit oder Gesundheit berühren und nicht unter eine automatische Anerkennung nach der Richtlinie fallen. Sofern Dienstleistungen in Rede stehen, die nicht unter Art. 7 Abs. 4 fallen, stellt die Behörde des Herkunftsmitgliedstaats den Europäischen Berufsausweis aus (Art. 4a Abs. 4, Art. 4c RL 2005/36/EG). Steht hingegen eine Niederlassung oder eine Dienstleistung, die von Art. 7 Abs. 4 erfasst wird, inmitten, beschränkt sich die Zuständigkeit der Behörde des Herkunftsmitgliedstaats darauf, alle „vorbereitenden Schritte hinsichtlich der Datei des Antragstellers“ abzuschließen, die im IMI-System erstellt wird (Art. 4a Abs. 5 RL 2005/36/EG). Zu diesen „vorbereitenden Schritten“ gehört, dass die Behörde des Herkunftsmitgliedstaats prüft, ob der Antragsteller im Herkunftsland „rechtmäßig niedergelassen“ ist und ob alle „notwendigen Dokumente“, die im Herkunftsland ausgestellt wurden, gültig und echt sind (vgl. Art. 4b Abs. 3, Art. 4d Abs. 1 RL 2005/36/EG, Art. 6 Abs. 2 Durchführungsverordnung (EU) 2015/983). Ist der Antragsteller rechtmäßig niedergelassen, bestätigt die Behörde des Herkunftsmitgliedstaates dies in der IMI-Datei (Art. 6 Abs. 2 Durchführungsverordnung (EU) 2015/983). Anschließend übermittelt der Herkunftsstaat den Antrag an die zuständige Behörde des Aufnahmemitgliedstaats (Art. 4d Abs. 1 RL 2005/36/EG), der über die Ausstellung des Europäischen Berufsausweises entscheidet (Art. 4a Abs. 5, Art. 4d Abs. 3 bis 5 RL 2005/36/EG, Art. 20 Abs. 1 Durchführungsverordnung (EU) 2015/983).
bbb) Umgesetzt sind die Art. 4a bis 4d RL 2005/36/EG in Bayern in Art. 13a BayBQFG, der auf die Richtlinie verweist. Ob der Beruf des Bergführers in den Anwendungsbereich der GewO fällt (vgl. dazu Marcks in Landmann/Rohmer GewO, Stand 12/2019 § 6 Rn. 14 ff.; BVerwG, U.v. 1.7.1987 – 1 C 25.85 – juris Rn. 20 ff.; BayVGH, U.v. 28.1.1998 – 7 B 97.288 – juris Rn. 24), bedarf dabei keiner Erörterung, denn eine Rechtsverordnung nach § 6b GewO liegt nicht vor (Unger in Pielow, GewO, BeckOK, Stand 1.3.2020, § 6b Rn. 18).
Nach Art. 13a Satz 1 BayBQFG stellt die zuständige Stelle für Berufe, für die auf Grund von Durchführungsrechtsakten der Europäischen Kommission nach Art. 4a Abs. 7 RL 2005/36/EG ein Europäischer Berufsausweis eingeführt ist, nach den Art. 4a bis 4e RL 2005/36/EG einen Europäischen Berufsausweis aus. Gemäß Art. 13a Satz 2 BayBQFG gilt Art. 13a Satz 1 BayBQFG über Art. 2 Abs. 3 BayBQFG hinaus – danach gilt das BayBQFG für Personen, die im Ausland einen Ausbildungsnachweis erworben haben und eine Erwerbstätigkeit in Bayern ausüben wollen – im gesamten Anwendungsbereich der dort genannten Bestimmungen, also der Art. 4a bis 4e RL 2005/36/EG.
Nach Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte erfasst Art. 13a Satz 1 BayBQFG zwar nur die Ausstellung eines Europäischen Berufsausweises an Antragsteller, die in Deutschland als Aufnahmemitgliedstaat tätig werden wollen, sowie – in Verbindung mit Art. 13a Satz 2 BayBQFG – im Fall des Art. 4a Abs. 4, 4c RL 2005/36/EG an Antragsteller aus Deutschland, die in einem anderen Mitgliedstaat Dienstleitungen erbringen wollen, die nicht unter Art. 7 Abs. 4 RL 2005/36/EG fallen (vgl. auch LT-Drs. 17/8457 S. 12). Die Vornahme der „vorbereitenden Schritte“ im Falle von Inländern, die Dienstleistungen im Sinne des Art. 7 Abs. 4 RL 2005/36/EG in einem anderen Mitgliedstaat erbringen (oder sich dort niederlassen wollen), erfasst Art. 13a BayBQFG bei einer einfachen Gesetzesauslegung im engeren Sinne hingegen nicht. Auch Art. 13a Satz 2 BayBQFG bezieht diese nicht mit ein, denn damit soll, wie die Gesetzgebungsmaterialien bestätigen (LT-Drs. 17/8457 S. 12), allein der persönliche Anwendungsbereich auf Inländer erweitert werden.
Den Vorgaben der Richtlinie, die insoweit bis zum 18. Januar 2016 umzusetzen war (vgl. Art. 3 Abs. 1 Richtlinie 2013/55/EU, Art. 288 Abs. 3 AEUV), kann jedoch durch eine richtlinienkonforme Rechtsfortbildung Geltung verschafft werden, indem Art. 13a Satz 1 BayBQFG im Wege der analogen Anwendung auf die dort nicht genannte Vornahme „vorbereitender Schritte“ i.S.d. Art. 4a Abs. 5, 4d Abs. 1 RL 2005/36/EG erstreckt wird. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts liegt die für eine Analogie erforderliche planwidrige Regelungslücke vor, wenn das Ziel einer richtlinienkonformen Umsetzung durch die Regelung nicht erreicht worden ist und ausgeschlossen werden kann, dass der Gesetzgeber die Regelung in gleicher Weise erlassen hätte, wenn ihm bekannt gewesen wäre, dass sie nicht richtlinienkonform ist (BVerwG, U.v. 31.1.2017 – 6 C 2.16 – juris Rn. 27 ff.; BGH, U.v. 7.5.2014 – IV ZR 76/11 – juris Rn. 20 ff.). Dabei ist – außer im Falle einer ausdrücklichen Umsetzungsverweigerung – davon auszugehen, dass der Gesetzgeber eine Richtlinie korrekt umsetzen wollte (BVerwG, a.a.O. Rn. 29; BGH, a.a.O. Rn. 23; EuGH, U.v. 5.10.2004 – C-397/01 u.a., Pfeiffer – Slg. I – 8878, Rn. 112). So liegt es auch hier; der Gesetzgeber ist erkennbar von einer richtinienkonformen Umsetzung ausgegangen (LT-Drs. 17/8457 S. 1, 12) und wollte den „gesamten Anwendungsbereich“ der Art. 4a bis 4e RL 2005/36/EG erfassen, also auch die Fälle des Art. 4a Abs. 5, 4d (vgl. Art. 13a Satz 2 BayBQFG).
ccc) Abgesehen von Vorstehendem stellte, sofern es an einer richtlinienkonformen Umsetzung fehlte, die Richtlinie unmittelbar eine Anspruchsgrundlage für den Kläger dar. Richtlinien bedürfen zwar grundsätzlich der Umsetzung durch den nationalen Gesetzgeber, um innerstaatliche Verbindlichkeit für den Bürger zu erlangen. Für den Fall der nicht fristgerechten oder unvollständigen Umsetzung einer Richtlinie durch den Mitgliedstaat hat nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH jedoch der Einzelne das Recht, sich vor den nationalen Gerichten gegenüber dem Staat auch dann, wenn nationales Recht entgegensteht, auf durch die Richtlinie auferlegte Verpflichtungen zu berufen, wenn diese klar und unbedingt sind und zu ihrer Anwendung keines Ausführungsakts mehr bedürfen (vgl. EuGH, U.v. 5.10.2004 – C-397/01 u.a., Pfeiffer – Slg. I – 8878, Rn. 103, und vom 24.1.2012 – Rs. C-282/10, Dominguez – NJW 2012, 509 Rn. 33). Bei einer nicht fristgerechten Umsetzung einer Richtlinie sind Behörden und Gerichte aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts gehalten, die Vorgaben der Richtlinie zu befolgen und entgegenstehendes nationales Recht unangewendet zu lassen (EuGH, U.v. 24.1.2012, a.a.O. Rn. 41; vgl. zu alledem auch BVerwG, B.v. 25.6.2013 – 1 WRB 2/11 – juris Rn. 42). Diese Voraussetzungen lägen hier vor, insbesondere ist die Richtlinie klar und unbedingt (vgl. dazu auch Unger in Pielow, GewO, BeckOK, Stand 1.3.2020, § 6b Rn. 18).
bb) Nach diesen Maßstäben ist zunächst festzustellen, dass der Beruf des Bergführers reglementiert ist i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Bucht a) RL 2005/36/EG und damit in den Anwendungsbereich der Richtlinie fällt (Art. 2 Abs. 1 RL 2005/36/EG). Maßgeblich ist insoweit nach Art. 1, 2 Abs. 1 RL 2005/36/EG, dass der Aufnahmemitgliedstaat Österreich, konkret das Land Tirol, die Ausübung von „Bergsportführertätigkeiten“ an den Besitz bestimmter Berufsqualifikationen gebunden hat (vgl. §§ 1, 2 Tiroler Bergsportführergesetz, abrufbar unter www.ris.bka.gv.at).
cc) Der Beruf des Bergführers unterfällt, wie die Beteiligten übereinstimmend zu Grunde legen, Art. 7 Abs. 4 RL 2005/36/EG. Ausgehend von dem Grundsatz, dass den Mitgliedstaaten – innerhalb der durch den Vertrag gesetzten Grenzen – ein Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Umstände, die die Berufung auf den Begriff der öffentlichen Sicherheit rechtfertigen können, zusteht (vgl. Schlag in Schwarze/Becker/Hatje/Schoo, EU-Kommentar, 4. Aufl. 2019, Art. 52 AEUV Rn. 7; EuGH, U.v. 4.12.1974 – Rs. 41/74, van Duyn – Slg. 1338 Rn. 18/19), kommt es insoweit zunächst auf die Einstufung durch den Aufnahmemitgliedstaat, hier also die Republik Österreich bzw. das Land Tirol an (so auch die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage zum Tiroler EU-Berufsqualifikationen-Anerkennungsgesetz, abrufbar über ris.bka.gv.at, S. 6). Vorliegend geht das Land Tirol offenkundig davon aus, dass der Beruf des Bergführers die öffentliche Sicherheit berührt (vgl. Erläuternde Bemerkungen zum Tiroler Bergsportführergesetz, abrufbar unter www.ris.bka.gv.at, S. 1). Dies deckt sich mit der Einordnung durch den Beklagten, der ebenfalls von der Zuständigkeit des Aufnahmemitgliedstaats für die Entscheidung über die Ausstellung des Europäischen Berufsausweises ausgeht. Diese Einstufung steht in Einklang mit den Vorgaben des Unionsrechts (vgl. zum Begriff der öffentlichen Sicherheit auch Müller-Graff in Streinz, EUV/AEUV, 3. Aufl. 2018, Art. 52 AEUV Rn. 10). Bergsport ist ein Risikosport, dessen Gefahren u.a. auf das alpine Gelände und unkontrollierbare Naturgewalten zurückzuführen sind. Zu den wesentlichen Aufgaben des Bergführers gehört deshalb, Risiken zu beschränken und dafür zu sorgen, dass die körperliche Sicherheit seiner Gäste nicht gefährdet wird (vgl. nur Internationale Vereinigung der Bergführerverbände, Mountain Guides Case Study for the Steering Group on the European Professional Mobility Card v. 22.9.2011, abrufbar unter https://ec.europa.eu/growth/single-market/services/free-movement-professionals/european-professional-card_en, sowie § 8 Tiroler Bergsportführergesetz). Die Tätigkeiten des Bergführers fallen ferner nicht unter die automatische Anerkennung gemäß Titel III Kapitel II – Bergführer sind in Anhang IV Verzeichnis III Nr. 4 ausgenommen -, III oder IIIa der Richtlinie.
dd) Entgegen der Auffassung des Beklagten ist der Kläger in Bayern rechtmäßig als Bergführer niedergelassen i.S.d. Art. 4b Abs. 3 RL 2005/36/EG, Art. 6 Abs. 2 Durchführungsverordnung (EU) 2015/983.
aaa) „Rechtmäßig niedergelassen“ in diesem Sinne ist ein Antragsteller, wenn er den reglementierten Beruf in seinem Herkunftsmitgliedstaat ausüben darf.
(1) Der Begriff „rechtmäßig niedergelassen“ ist nicht im Sinne der Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV zu verstehen und setzt insbesondere keine selbständige oder unternehmerische Tätigkeit (Art. 49 Abs. 2 AEUV) im Herkunftsmitgliedstaat voraus (so auch Haage in BÄO, BeckOK, Stand 2016, § 10b Rn. 4 zu § 10b Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 BÄO). Denn die Richtlinie 2005/36/EG gilt nach Art. 2 Abs. 1 sowohl für Selbständige als auch für abhängig Beschäftigte. Bekräftigt wird dies durch Art. 4e Abs. 7 RL, der bestimmt, dass „Arbeitgeber“ die Echtheit eines ihnen vom Inhaber vorgelegten Europäischen Berufsausweises überprüfen können müssen. Ferner wäre andernfalls die Einführung des Europäischen Berufsausweises für den Beruf „Krankenschwestern und Krankenpfleger für allgemeine Pflege“ (Anhang I Nr. 1 Durchführungsverordnung (EU) 2015/983) nicht nachvollziehbar, denn diese werden in der Regel abhängig beschäftigt sein (vgl. dazu auch die Informationen der Kommission, abrufbar unter https://ec.europa.eu/growth/content/new-european-professional-card-helps-professionals-work-throughout-eu_en). Deswegen kann dahinstehen, ob der Kläger, der seine Tätigkeit als freiberuflich qualifiziert, nach seinem Verhältnis zu den ihn einsetzenden Alpinschulen europarechtlich als Arbeitnehmer i.S.d. Art. 45 AEUV, dem die Dienstleistungsfreiheit allein als Reflex zugutekommt, oder als selbständiger Dienstleistungserbringer anzusehen ist (vgl. dazu Franzen in Streinz, EUV/AEUV, 3. Aufl. 2018, Art. 45 AEUV Rn. 17; Müller-Graff, a.a.O., Art. 56 AEUV Rn. 26).
(2) Maßgeblich ist vielmehr, ob der Antragsteller zur Ausübung des Berufs, für den er den Europäischen Berufsausweis beantragt, in seinem Herkunftsland berechtigt ist, insbesondere über die erforderliche Berufsqualifikation verfügt. Das folgt bereits aus dem Konzept der gegenseitigen Anerkennung von Berufsqualifikationen. Diese zielt im Kern auf die Gleichstellung von Qualifikationsnachweisen, die in einem anderen Mitgliedstaat erworben wurden (vgl. dazu Müller-Graff in Streinz, EUV/AEUV, 3. Aufl. 2018, Art. 53 AEUV Rn. 8 ff.), und beruht im Wesentlichen darauf, dass der Aufnahmemitgliedstaat eine Qualifikation deswegen anerkennt, weil sie in dem Herkunftsmitgliedstaat den Zugang zu dem Beruf eröffnet (vgl. EuGH, U.v. 19.1.2006 – C-330/03, Colegio – Slg. I – 826 Rn. 19 zur RL 89/48 EWG, die durch die RL 2005/36/EG abgelöst wurde). Dass die Berechtigung zur Berufsausübung im Herkunftsmitgliedstaat maßgeblich ist, ergibt sich aber auch unmittelbar aus der Richtlinie 2005/36/EG (Art. 1, 4, 4f, vgl. auch Art. 13). Insbesondere bestimmt Art. 1, dass die Richtlinie die Vorschriften festlegt, nach denen ein Mitgliedstaat, der den Zugang zu diesem Beruf oder dessen Ausübung in seinem Hoheitsgebiet an den Besitz bestimmter Berufsqualifikationen knüpft, für den Zugang zu diesem Beruf und dessen Ausübung „die im Herkunftsmitgliedstaat erworbenen Berufsqualifikationen anerkennt, die ihren Inhaber berechtigten, dort denselben Beruf auszuüben“. Ferner gibt Art. 13 der Richtlinie diesen Prüfmaßstab für die Anerkennung im Verfahren nach Titel III vor und ist kein Grund ersichtlich, warum in dem – alternativen Verfahren – nach Art. 4a Abs. 5 etwas anderes gelten sollte.
bbb) Davon ausgehend ist der Kläger berechtigt, in Bayern den Beruf des Bergführers auszuüben.
(1) Dies folgt allerdings nicht bereits daraus, dass der Kläger vom Bayerischen Staatsministerium des Innern zum Polizeibergführer ernannt ist. Ein „Polizeibergführer“ übt einen anderen Beruf aus als der „Bergführer“ i.S.d. Anhangs I Nr. 4 zur Durchführungsverordnung (EU) 2015/983. Die Tätigkeit des Polizeibergführers ist darauf gerichtet, dienstliche Einsätze der Polizei im alpinen Gelände durchzuführen und somit die der Polizei obliegenden Aufgaben zu erfüllen (vgl. die sog. Alpinrichtlinie Polizei des Bayerischen Staatsministerium des Innern vom 1.10.2011, Gz. IC1-0630-42). Der „Bergführer“ i.S.d. Anhangs I Nr. 4 zur Durchführungsverordnung (EU) 2015/983 hingegen bietet, wie sich bereits aus dem Zusammenhang mit der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit ergibt, Leistungen im Bereich Bergsport und Tourismus an und richtet sich an einen Markt (vgl. auch Internationale Vereinigung der Bergführerverbände, Mountain Guides Case Study for the Steering Group on the European Profeesional Mobility Card v. 22.9.2011, a.a.O.).
(2) Mit Blick auf die Frage, wie der Beruf des – zivilen – Bergführers in Bayern reglementiert ist, lässt sich zunächst feststellen, dass § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BayAPOFspl die Berechtigung zur Führung der Berufsbezeichnung „staatlich geprüfter Berg- und Skiführer“ Personen vorbehält, die die Prüfung als Fachsportlehrer im freien Beruf nach § 1 BayAPOFspl bestanden haben (vgl. § 1 Ab. 3 Satz 1 Nr. 1 BayAPOFspl). Diese Norm verbietet dem Kläger aber bereits nicht, sich in Bayern als „Bergführer“ zu bezeichnen, so dass Folgefragen keiner weiteren Erörterung bedürfen. Anders als z.B. Art. 2 Abs. 1 BayIngG – oder auch Art. 21 Abs. 5 der Berg- und Skiführerordnung der Autonomen Provinz Bozen Südtirol (abrufbar unter www.provinz.bz.it) – verhält sich § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BayAPOFspl allein zu der Bezeichnung „staatlich geprüfter Berg- und Skiführer“ und nicht zu der Berechtigung, die Bezeichnung „Bergführer“ allein oder in einer Wortverbindung zu führen. Dem Recht ist ein Nebeneinander von Personen mit staatlich besonders anerkannter Qualifikation und solchen mit einfacher Qualifikation im Übrigen nicht fremd; so kennt es z.B. den „öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen“ nach § 36 GewO und den „einfachen“ Sachverständigen, der auch auf Selbstbezeichnung zurückgehen kann (vgl. BGH, U.v. 6.2.1997 – I ZR 234/94 – juris Rn. 16). Dies dürfte sich auch mit dem allgemeinen Sprachgebrauch in Bayern und der Anschauung der beteiligten Verkehrskreise decken, so finden sich z.B. auf den Homepages mehrerer Alpinschulen als „Bergführer“ sowohl staatlich geprüfte Berg- und Skiführer als auch solche, die als Qualifikation „Staatlich geprüfter Polizeibergführer“ oder „Heeresbergführer“ angeben. Entwertet wird die Bezeichnung „staatlich geprüfter Berg- und Skiführer“ damit nicht, denn sie stellt ein besonderes Qualitätsmerkmal und damit einen Wettbewerbsvorteil dar.
(3) Ferner finden sich Regelungen zum Bergführer in der Bayerischen Berg- und Skischulverordnung. Ob diese den Beruf des Bergführers umfassend an bestimmte Berufsqualifikationen bindet, kann dabei dahinstehen. Denn nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 BayBergSkiV darf der Kläger als vollwertige Lehrkraft in einer Bergsteigerschule eingesetzt werden und kann danach, selbst wenn von einer umfassenden Reglementierung auszugehen wäre, in Einklang mit der Rechtsordnung sämtliche Tätigkeiten ausüben, die für das Berufsbild des Bergführers konstitutiv sind.
(a) Dem Begriff des „Bergführers“ i.S.d. Durchführungsverordnung (EU) 2015/983 liegt nach Auffassung der Kammer ein Berufsbild zu Grunde, nach dem der Bergführer einerseits Personen im Gebirge oder auf Skitouren erwerbsmäßig führt und andererseits in den Fertigkeiten des Berg- oder Skibergsteigens unterweist. Das verdeutlicht das im Wesentlichen übereinstimmende Begriffsverständnis in Österreich, Südtirol bzw. Italien und Frankreich (vgl. auch § 1 Abs. 1 Tiroler Bergsportführergesetz, Art. 2 Berg- und Skiführerordnung der Autonomen Provinz Bozen Südtirol; Art. 2 Legge 2 gennaio 1989 n. 6, Ordinamento della professione di guida alpina, abrufbar unter www.normattivva.it; Art. 1 Arrêté du 16 juin 2014 relatif à la formation spécifique du diplôme d`Etat d`alpinisme-guide de haute montagne, abrufbar unter www.legifrance.gouv.fr). Bekräftigt wird dies aber auch durch das Selbstverständnis der Internationalen Vereinigung der Bergführerverbände, danach führt der Bergführer nicht nur sicher durchs Gebirge, sondern ist auch Trainer und Ratgeber (vgl. den Beitrag „What is a mountain guide“ unter www.ifmga.info v. 6.7.2018: „The mountain guide`s obligation to his client is not only to guide them safely through the mountains. Before the tour starts, he/she gives personal advice to the client and supports him/her in selecting the tour. The guide does not only lead the way, but is also a coach providing advice and motivation. He/she helps ambitious clients to improve technically and physically.“).
(b) Die Bayerische Berg- und Skischulverordnung knüpft die Leitung einer Bergsteigerschule sowie den Einsatz als Lehrkraft einer Bergsteigerschule an den Besitz von Berufsqualifikationen. Bergsteigerschule ist dabei jeder erwerbsmäßige Unterricht von Einzelpersonen oder einer Personenmehrheit, unabhängig von der Dauer der Unterweisung, wobei Bergsteigerschulen auf die Erteilung von Unterricht in Techniken des Bergsteigens und Skibergsteigens einschließlich der zugehörigen Führungen im Sommer und Winter ausgerichtet sind (§ 1 Abs. 2 Satz 1, 2 BayBergSkiV). Leiterin oder Leiter einer Bergsteigerschule – d.h. selbständig tätig, sei es allein oder mit weiteren Lehrkräften, vgl. § 1 Abs. 3 BayBergSkiV – darf nur sein, wer die staatliche Prüfung als Fachsportlehrerin oder Fachsportlehrer im freien Beruf in Bayern in der Ausbildungsrichtung Berg- und Skiführer abgelegt hat, also staatlich geprüfter Berg- und Skiführer ist, oder dessen Qualifikation als gleichwertig anerkannt wurde (vgl. § 2 BayBergSkiV). Als Lehrkraft an einer Bergsteigerschule eingesetzt werden, also Unterricht erteilen (§ 1 Abs. 4 BayBergSkiV), dürfen neben staatlich geprüften Berg- und Skiführern bzw. Personen mit anerkannter gleichwertiger Qualifikation auch staatlich geprüfte Polizeibergführer (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 BayBergSkiV), Heeresbergführer (§ 3 Abs. 2 Nr. 2 BayBergSkiV), Aspirantinnen und Aspiranten der Berg- und Skiführerprüfung in einem gemäß der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Fachsportlehrer im freien Beruf in Bayern genehmigten Praktikum (§ 3 Abs. 2 Nr. 3 BayBergSkiV) sowie unter bestimmten Voraussetzungen Hilfslehrkräfte (§ 4 BayBergSkiV), wobei der Einsatz von Aspirantinnen, Aspiranten und Hilfslehrkräften zahlenmäßig begrenzt wird und der Überwachung bedarf (§ 4 Abs. 2, 3 BayBergSkiV).
Dass, wie der Beklagte meint, der auf die Ermächtigungsgrundlage des Art. 122 Abs. 2 Satz 1 BayEUG n.F. (vgl. dazu Lindner/Stahl, Das Schulrecht in Bayern, Stand März 2020, Art. 122 BayEUG Rn. 6) gestützte § 1 Abs. 2 BayBergSkiV mit dem Erteilen des Unterrichts in Techniken des Bergsteigens und Skibergsteigens einschließlich der „dazugehörigen Führungen“ jegliches erwerbsmäßiges Führen erfasst – weil Führungen im alpinen Bereich stets unterrichtliche Elemente wie Unterweisungen in bergsteigerischen Techniken als integralen Bestandteil enthalten – und damit die Ausübung des Bergführerberufs in Bayern umfassend an Berufsqualifikationen gebunden ist, lässt sich jedenfalls nicht ohne Weiteres bejahen. Nach dem Wortlaut der Norm erscheint, auch vor dem Hintergrund der eindeutig zwischen Führen und Unterrichten differenzierenden Regelungen anderer Alpenanrainerstaaten – nicht von vornherein ausgeschlossen, dass neben Führungen, die im Rahmen der Erteilung von Unterricht erbracht werden, Raum für das „reine“ Führen und Begleiten von Personen bei Berg- und Skitouren besteht und dieser Bereich folglich nicht reglementiert ist.
Diese Frage kann jedoch dahinstehen. Auch nach der Lesart des Beklagten kann der Kläger als Polizeibergführer gemäß § 3 Abs. 2 BayBergSki – als Lehrkraft einer Bergsteigerschule – in Bayern sowohl erwerbsmäßig Unterricht in Techniken des Bergsteigens und Skibergsteigens erteilen als auch Personen bei Berg- und Skitouren führen. Damit kann er ohne Einschränkung sämtliche Leistungen erbringen, die zum Berufsbild des Bergführers gehören. Unschädlich ist hingegen, dass der Kläger in Bayern keine Bergsteigerschule leiten, also die genannten Aktivitäten nicht „selbständig“ ausführen darf, wobei es nach Auffassung der Kammer nicht auf die Einordnung als Selbständiger – was auch ein freier Mitarbeiter sein kann – oder Arbeitnehmer ankommt, sondern auf die Tätigkeit in eigener Verantwortung und im eigenen unternehmerischen Risiko. Die Leitung einer Bergsteigerschule gehört nach dem Vorstehenden nicht zu den Merkmalen des Bergführers. Das Leiten einer Bergsteigerschule ist vielmehr für den Kläger ein anderer Beruf als der, den er in Bayern ausübt und in der Republik Österreich ausüben will, und folglich nicht Bezugspunkt der Prüfung (vgl. § 4 Abs. 2 RL 2005/36/EG). Abgesehen davon läuft die Anknüpfung an das Merkmal der „selbständigen“, d.h. eigenen unternehmerischen Tätigkeit bzw. der Berechtigung dazu der Wertung der Richtlinie entgegen, die gleichermaßen für Selbständige wie für abhängig Beschäftigte gilt.
(c) Soweit der Beklagte mit Schriftsatz vom 3. Dezember 2019 ausgeführt hat, eine Weiterleitung des Antrags an die zuständige Behörde in Österreich sei möglich, wenn der Kläger die rechtmäßige Niederlassung der entsendenden bayerischen Bergsteigerschule durch Vorlage der Befähigung deren Leiterin bzw. Leiters nach § 2 Abs. 1 BayBergSkiV vorweise, stellt er auf ein Kriterium ab, das nach den vorgenannten Vorgaben des Unionsrechts nicht zum Prüfungsmaßstab des Herkunftsmitgliedstaats gehört. Gegenstand der Prüfung ist danach die rechtmäßige Niederlassung des Antragstellers, nicht die der entsendenden Bergsteigerschule; damit korrespondierend bescheinigt der Europäische Berufsausweis – personenbezogen -, dass der Berufsangehörige die Voraussetzungen für die vorübergehende und gelegentliche Erbringung von Dienstleistungen erfüllt (Art. 3 Abs. 1 Buchst. k) RL 2005/36/EG). Alles weitere als die Bestätigung der rechtmäßigen Niederlassung bzw. der Echtheit und Gültigkeit der in der IMI-Datei hinterlegten Dokumente fällt in die Zuständigkeit und Verantwortung des Aufnahmemitgliedstaats, der auch über die Gleichwertigkeit der Qualifikationen und die Ausstellung des Europäischen Berufsausweises entscheidet (Art. 4d Abs. 3 RL 2005/36/EG, Art. 20 Durchführungsverordnung (EU) 2015/983). Ebenso allein in die Zuständigkeit des Aufnahmemitgliedstaats fällt die davon zu trennende, vom verfahrensgegenständlichen Begehren des Klägers nicht umfasste Frage, ob die entsendende Bergsteigerschule selbst bestimmte Voraussetzungen erfüllen muss, um dort Dienstleistungen anbieten zu dürfen.
(d) Das Gericht sieht auch keine Gefahr dafür, dass der Aufnahmemitgliedstaat Österreich über den Umfang der Qualifikation des Klägers in die Irre geführt werden könnte. Diesem obliegt, wie ausgeführt, ohnehin die Prüfung der Gleichwertigkeit der Qualifikationen. Zudem lässt das Binnenmarktinformationssystem zu, dass der Herkunftsmitgliedstaat dem Aufnahmemitgliedstaat ergänzende Hinweise erteilt (Art. 6 Durchführungsverordnung (EU) 2015/983, vgl. auch Behördenakte Bl. 7) oder der Aufnahmemitgliedstat ergänzende Informationen erbittet (Art. 4d Abs. 3 RL 2005/36/EG).
(e) Nur ergänzend ist auszuführen, dass der Verweis der Beklagten auf das Standardverfahren – hier nach Titel II der Richtlinie – überspielt, dass auch die Anerkennung nach den Titeln II und III die rechtmäßige Niederlassung im Herkunftsmitgliedstaat voraussetzt (vgl. Art. 5 Abs. 1 Buchst. a), Art. 13 Abs. 1 RL 2005/36/EG). Damit ist die rechtmäßige Niederlassung als Bergführer in Bayern notwendige Voraussetzung für die angestrebte grenzüberschreitende Tätigkeit.
ee) Der Beklagte kann dem Kläger schließlich auch nicht entgegenhalten, Art. 13a BayBQFG erlaube der Technischen Universität München nicht, die inmitten stehenden „vorbereitenden Schritte“ vorzunehmen. Nach dem Vorstehenden ergibt sich eine Grundlage dafür aus einer analogen Anwendung des § 13a BayBQFG (s.o.); andernfalls käme die subsidiäre Zuständigkeit des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus nach Art. 1 Abs. 1 ZustG zum Tragen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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