Europarecht

Berechnung der Rechtsmittelbeschwer bei verfahrensfehlerhafter Prozesstrennung; Folgen einer bereits in der ersten Instanz erfolgten Verfahrenstrennung im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Aktenzeichen  XII ZR 54/19

Datum:
23.9.2020
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2020:230920BXIIZR54.19.0
Normen:
§ 145 ZPO
§ 544 Abs 2 Nr 1 ZPO
§ 26 Nr 8 ZPOEG
Spruchkörper:
12. Zivilsenat

Leitsatz

1. Bei einer verfahrensfehlerhaften Prozesstrennung erfolgt eine Berechnung der Rechtsmittelbeschwer aus dem einheitlichen Wert des Verfahrens vor der Trennung nur, wenn die durch die unzulässige Prozesstrennung geschaffenen Einzelverfahren gemeinsam in die Rechtsmittelinstanz gelangt sind und der Rechtsmittelführer aus ihnen eine zusammenhängende Beschwer geltend macht (im Anschluss an BGH Beschluss vom 4. April 2019 – V ZB 108/18, MDR 2019, 757).
2. Dies gilt für den Wert der Beschwer im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren auch dann, wenn die unzulässige Verfahrenstrennung in der ersten Instanz erfolgte und das Berufungsgericht über ein Rechtsmittel gegen die erstinstanzliche Entscheidung in einem der durch Abtrennung entstandenen Einzelverfahren in der Sache entschieden hat.

Verfahrensgang

vorgehend Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, 27. März 2019, Az: 5 U 122/18vorgehend LG Halle (Saale), 22. Oktober 2018, Az: 4 O 220/13

Tenor

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 27. März 2019 wird auf Kosten der Klägerin verworfen.
Wert: 19.804 €

Gründe

I.
1
Die Klägerin ist ein Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU). Sie hat die Beklagte, ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen (EIU), auf Schadensersatz in Höhe von insgesamt 58.539,66 € in Anspruch genommen, weil ihr im Zeitraum zwischen November 2011 und Januar 2012 eine Bahnstrecke nicht zur Verfügung gestellt worden sei. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und die Sache zur Durchführung des Betragsverfahrens an das Landgericht zurückverwiesen. Nach der Zurückverweisung hat das Landgericht die auf achtundzwanzig Schadenspositionen gestützte Klage durch Prozesstrennung in neun Einzelverfahren aufgeteilt und die Klage wegen der im vorliegenden Rechtsstreit noch verbliebenen Forderung in Höhe von 19.803,61 € abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Gegen die Nichtzulassung der Revision richtet sich ihre Beschwerde.
II.
2
Die Beschwerde ist unzulässig, weil der erforderliche Mindestwert der mit der beabsichtigten Revision geltend zu machenden Beschwer von mehr als 20.000 € (§ 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO, jetzt § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) nicht erreicht wird.
3
1. Da das Landgericht in dem vorliegenden Einzelverfahren die Klage nur in Höhe von 19.803,61 € abgewiesen hat, ist die Klägerin durch das die erstinstanzliche Entscheidung bestätigende Berufungsurteil lediglich in Höhe dieses Betrages beschwert. Entgegen der Ansicht der Beschwerde ergibt sich aus dem Umstand, dass die Summe der von der Klägerin verfolgten Ansprüche vor der Verfahrenstrennung die erforderliche Beschwer überschritten hätte, keine abweichende Beurteilung. Dabei kann es dahinstehen, ob das Landgericht – wie die Klägerin meint – von seinem bei der Anordnung der Prozesstrennung nach § 145 Abs. 1 Satz 1 ZPO bestehenden Ermessen einen fehlerhaften Gebrauch gemacht oder gar willkürlich gehandelt hat. Auch eine unzulässige Prozesstrennung führt als solche nicht dazu, dass sich die Rechtsmittelsumme aus dem Gesamtwert der getrennten Verfahren errechnet. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist geklärt, dass eine Berechnung der Rechtsmittelbeschwer aus dem einheitlichen Wert des Verfahrens vor der Trennung nur dann in Betracht kommt, wenn die durch die verfahrensfehlerhafte Prozesstrennung geschaffenen Einzelverfahren gemeinsam in die Rechtsmittelinstanz gelangt sind und der Rechtsmittelführer aus ihnen eine zusammenhängende Beschwer geltend macht (vgl. BGH Beschluss vom 4. April 2019 – V ZB 108/18 – MDR 2019, 757 Rn. 6).
4
2. Dies gilt entgegen der Auffassung der Beschwerde auch dann, wenn die unzulässige Verfahrenstrennung in der ersten Instanz erfolgte und das Berufungsgericht über das Rechtsmittel gegen die Entscheidung in einem der durch Abtrennung entstandenen Einzelverfahren in der Sache entschieden hat. Die Frage der Beschwer als Voraussetzung für die Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde ist auch in diesem Fall allein anhand der in dem Einzelverfahren ergangenen rechtskraftfähigen Entscheidung zu stellen und zu beantworten. Denn auch in dieser Fallkonstellation bleibt es ungewiss, ob hinsichtlich der noch in den unteren Instanzen anhängigen Einzelverfahren Urteile ergehen und welchen Inhalt diese gegebenenfalls haben werden (vgl. BGH Beschluss vom 4. April 2019 – V ZB 108/18 – MDR 2019, 757 Rn. 7).
5
3. Der Beschwerde ist durchaus zuzugeben, dass durch die Prozesstrennung die Gefahr besteht, dass einer Partei durch die Verfahrensführung des Gerichts ein Rechtsmittel genommen wird, welches bei einheitlicher Entscheidung gegeben wäre und dieses Ergebnis bei einer unzulässigen Prozesstrennung unbillig erscheinen mag. Diese Verwerfungen sind indessen schon im Zusammenhang mit der Aufspaltung des Prozesses durch unzulässige Teilurteile erkannt, aber als hinnehmbar angesehen worden, weil eben auch verfahrensfehlerhaft erlassene oder materiell-rechtlich unrichtige Urteile in Rechtskraft erwachsen können (vgl. BGH Beschluss vom 3. Juli 1996 – VIII ZR 302/95 – NJW 1996, 3216, 3217).
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