Europarecht

Berufung, Widerrufsrecht, Widerrufsbelehrung, Auslegung, form, Erteilung, Frist, Unklarheitenregel, Klage, Widerrufsfolgen, Schriftsatz, Angebot, Anlage, Verfahren, vertragliches Widerrufsrecht

Aktenzeichen  27 U 2781/21

Datum:
22.6.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 47468
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

111 O 4376/20 2021-04-12 Urt LGAUGSBURG LG Augsburg

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 12.04.2021, Az. 111 O 4376/20, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.
Innerhalb gleicher Frist können die Parteien zum Streitwert des Berufungsverfahrens Stellung nehmen. Der Senat beabsichtigt, diesen auf 24.925,92 € festzusetzen.

Gründe

I.
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs der auf Abschluss eines Kilometerleasingvertrags gerichteten Willenserklärung der Klagepartei.
1. Die Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
2. Die Berufung ist aber offensichtlich unbegründet. Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen die gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO). Entscheidungserhebliche Rechtsfehler im Sinne des § 520 Abs. 3 ZPO sind nicht ersichtlich und werden von der Berufung auch nicht aufgezeigt.
Das Landgericht hat die Klage zu Recht mangels Bestehens eines Widerrufsrechts abgewiesen. Die mit der Berufung erhobenen Rügen verfangen nicht. Zu den Berufungsangriffen im Schriftsatz vom 11.05.2021 ist Folgendes anzumerken:
Seit der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 24. Februar 2021 – VIII ZR 36/20 ist höchstrichterlich geklärt, dass bei Leasingverträgen mit Kilometerabrechnung ein gesetzliches Widerrufsrecht nicht besteht. Mit dem Bundesgerichtshof, dessen eingehender Argumentation sich der Senat anschließt, geht der Senat davon aus, dass der Klagepartei weder ein gesetzliches Widerrufsrecht gemäß §§ 506 Abs. 1, 495 BGB in der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden und damit maßgeblichen (vgl. Art. 229 § 32 Abs. 1 EGBGB) Fassung vom 20.09.2013 (im Folgenden aF) in Verbindung mit § 506 Abs. 2 BGB in der seit 29.07.2009 unveränderten Fassung zustand (vgl. BGH, Urteil vom 24. Februar 2021 – VIII ZR 36/20 -, Rn. 20 ff. juris), noch dass ein solches – mangels planwidriger Regelungslücke – aus einer analogen Anwendung des § 506 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB [aF.] auf Kilometerleasingverträge hergeleitet werden könnte (vgl. BGH, aaO., Rn. 37 ff., juris). Nicht zuletzt stellt der Abschluss eines Leasingvertrags mit Kilometerabrechnung kein Umgehungsgeschäft nach § 511 Satz 2 BGB aF (heute § 512 BGB) dar, das zu einer Anwendung des § 506 Abs. 1 BGB aF und damit zu einem Widerrufsrecht des Verbrauchers führen würde (vgl. BGH, aaO., Rn. 67, juris).
Zu Recht hat das Erstgericht auch ein vertragliches Widerrufsrecht verneint. In Anlehnung an die eingehende Argumentation des Bundesgerichtshofs in der vorzitierten Entscheidung (vgl. BGH, aaO., Rn. 68 ff., juris) ist der Senat zu dem Ergebnis gelangt, dass die Erteilung der mit „Widerrufsinformation“ überschriebenen vorformulierten Widerrufsbelehrung auch vor dem Hintergrund des in der Widerrufsinformation zu den Widerrufsfolgen angeführten Zinsbetrags von 2,33 € pro Tag und der auf Seite 2 des Leasingvertrags (Anlage K 1) unter „Wichtige Hinweise“ in Ziff. 5 angeführten Folgen eines Widerrufs gleichwohl kein Angebot der Beklagten auf Gewährung eines (vorbehaltlosen) vertraglichen Widerrufsrechts darstellt, das die Klagepartei mit Vertragsabschluss hätte annehmen können.
Der „Widerrufsinformation“ und dem „wichtige(n) Hinweis“ kommt kein rechtsgeschäftlicher Erklärungsinhalt zu (BGH, Urteil vom 24. Februar 2021 – VIII ZR 36/20, Rn. 68 ff., siehe insbesondere Rn. 73, 74, 76). Für einen durchschnittlichen Leasingnehmer, der sich von der Sichtweise verständiger und redlicher Vertragsparteien unter Abwägung der Interessen der beteiligten Verkehrskreise leiten lässt, ergibt sich aus dem Inhalt der Erklärungen und der damit korrespondierenden Überschrift, dass die dort aufgeführten Angaben lediglich gesetzliche Vorgaben erfüllen, damit aber nicht – im Vertrag selbst nicht vorgesehene – rechtsgeschäftliche Erklärungen abgegeben werden sollten (BGH, Urteil vom 24. Februar 2021 – VIII ZR 36/20, Rn. 71, juris).
§ 305c Abs. 2 BGB ist gerade nicht anwendbar, als dies voraussetzt, dass nach objektivem Empfängerhorizont eine Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB gegeben wäre. Gerade dies ist mangels rechtsgeschäftlichen Erklärungsinhalts der „Widerrufsinformationen/ Wichtigen Hinweise“ nicht der Fall.
Selbst wenn man den vorgenannten Unterlagen gleichwohl einen rechtsgeschäftlichen Erklärungsinhalt nicht absprechen und sie als Allgemeine Geschäftsbedingung behandeln wollte, würde ihr jedenfalls nicht der Inhalt zukommen, der Klägerin ein vertragliches Widerrufsrecht einzuräumen, sondern sie würde sich darin erschöpfen, ihr ein (tatsächlich) gesetzlich vorgesehenes Widerrufsrecht (bestätigend) zuzugestehen und die hierfür erforderlichen Voraussetzungen und sich daraus ergebenden Rechtsfolgen anzuführen. Eine vorformulierte Widerrufsbelehrung, die um eine vermeintliche gesetzliche Pflicht zu erfüllen oder rein vorsorglich erteilt wird, obwohl ein gesetzliches Widerrufsrecht nicht besteht, ist bei der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen Kunden bei der gebotenen objektiven Auslegung nicht als Angebot auf Vereinbarung eines voraussetzungslosen vertraglichen Widerrufsrechts zu verstehen (BGH, Urteil vom 24. Februar 2021 – VIII ZR 36/20, aaO Rn. 72 mwN, juris).
Bei der gebotenen objektiven Auslegung ist nach Auffassung des Senats unmissverständlich zu entnehmen, dass ein eigenständiges, von den gesetzlichen Vorgaben losgelöstes vertragliches Widerrufsrecht nicht begründet werden sollte. Hierfür streitet auch die fehlenden Benennung der Modalitäten als „essentialia negotii“. Vor diesem Hintergrund kommt die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB vorliegend nicht zur Anwendung.
Ausgehend von den vorzitierten Grundsätzen kann nicht zuletzt auch den vorvertraglichen Informationsformularen ein Rechtsbindungswille nicht entnommen werden.
II.
Aus den dargelegten Gründen hat die Berufung unter keinem Gesichtspunkt Aussicht auf Erfolg. Der Senat beabsichtigt daher, die Berufung der Klagepartei gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückzuweisen.
Nach Sachlage empfiehlt es sich, zur Vermeidung unnötiger weiterer Kosten die Rücknahme der Berufung binnen o. g. Frist zu prüfen. Im Falle einer Rücknahme ermäßigt sich gemäß Nr. 1222 S. 2 KV zum GKG die Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen von 4,0 auf 2,0.


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