Europarecht

Coronavirus, SARS-CoV-2, Bescheid, Leistungen, Versorgung, Arbeitgeber, Kostenentscheidung, Antragstellung, Pflegeheim, Anerkennung, Aufhebung, Auslegung, Verwaltungspraxis, Frist, Klage, Ermessen, Kosten des Verfahrens, Zeitpunkt des Erlasses, gerichtliche Kontrolle

Aktenzeichen  M 31 K 21.1483

Datum:
5.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 18841
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 3 Abs. 1
BV Art. 118 Abs. 1
Richtlinien für die Unterstützung der von der Corona-Virus-Pandemie (SARS-CoV-2) geschädigten Unternehmen und Angehörigen Freier Berufe („Soforthilfe Corona“)

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen. 
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Mit Einverständnis der Beteiligten (vgl. Schreiben vom 14.4.2021, 19.5.2021 und 1.7.2021) kann der Berichterstatter (§ 87a Abs. 2 und 3 VwGO) über den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die Klage ist zulässig (1.), bleibt in der Sache aber ohne Erfolg (2.).
1. Die Klage vom 17. März 2021 wahrt die Klagefrist. Die Rechtsbehelfsbelehrung:ist sowohl im Bescheid vom 6. Mai 2020 als auch in dem vom 3. Juni 2020 unrichtig erteilt worden, sodass die Klageerhebung innerhalb eines Jahres seit ihrer Bekanntgabe zulässig war (§ 58 Abs. 2 VwGO).
Nach § 58 Abs. 1 VwGO muss die Rechtsbehelfsbelehrung:über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist belehren.
Die Belehrung ist sowohl hinsichtlich des Gerichts, bei dem die Klage anzubringen ist, als auch der einzuhaltenden Frist unrichtig. Für eine Bezeichnung des Gerichts, bei dem die Klage zu erheben ist, bedarf es einer eindeutigen Angabe mit Namen und Sitz (vgl. z.B. Buchheister in: Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 58 Rn. 5). Dem genügt die lediglich pauschale Verweisung auf ein „örtlich zuständiges Bayerisches Verwaltungsgericht“, auch unter ergänzender Angabe der Homepage http://www.vgh.bayern.de, nicht. Für den rechtsunkundigen Empfänger ergibt sich daraus nicht hinreichend klar und unmissverständlich, bei welchem Gericht die Klage zu erheben ist (vgl. BayVGH, B.v. 12.8.2011 – 11 C 11.1785 – juris Rn. 14 ff.; Kluckert in: NK-VwGO, 5. Aufl. 2018, § 58 Rn. 54). Zudem ist auch die Angabe, gegen den Bescheid könne „innerhalb eines Jahrs“ Klage erhoben werden, mit Blick auf die ohne weiteres auch vorliegend einschlägige einmonatige Klagefrist nach § 74 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 VwGO unzutreffend.
2. Die Klage ist unbegründet.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten den von ihr geltend gemachten Anspruch, gerichtet auf Verpflichtung zur Gewährung und Auszahlung der beantragten Corona-Soforthilfe, nicht inne (§ 113 Abs. 5 VwGO). Vielmehr erweisen sich die Ablehnungsbescheide vom 6. Mai 2020 und 3. Juni 2020 als rechtmäßig.
Eine Rechtsnorm, die konkret einen Anspruch der Klägerin auf Bewilligung der beantragten Zuwendung begründet, existiert nicht. Vielmehr erfolgt die Zuwendung auf der Grundlage der einschlägigen Förderrichtlinie im billigen Ermessen der Behörde unter Beachtung des Haushaltsrechts (Art. 23, 44 BayHO). Ein Rechtsanspruch besteht danach nur ausnahmsweise, insbesondere aus dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV) durch eine Selbstbindung der Verwaltung aufgrund einer ständigen Verwaltungspraxis.
Der Norm- und der mit ihm insoweit gleichzusetzende Richtliniengeber (vgl. BVerwG, U.v. 14.3.2018 – 10 C 1/17 – juris Rn. 18; U.v. 24.4.1987 – 7 C 24.85 – juris Rn. 12) ist zunächst bei der Entscheidung darüber, welcher Personenkreis durch freiwillige finanzielle Zuwendungen des Staates gefördert werden soll, weitgehend frei. Zwar darf der Staat seine Leistungen nicht nach unsachlichen Gesichtspunkten, also nicht willkürlich verteilen. Subventionen müssen sich vielmehr gemeinwohlbezogen rechtfertigen lassen, sollen sie vor dem Gleichheitssatz Bestand haben. Sachbezogene Gesichtspunkte stehen jedoch dem Norm- und Richtliniengeber in sehr weitem Umfang zu Gebote; solange die Regelung sich auf eine der Lebenserfahrung nicht geradezu widersprechende Würdigung der jeweiligen Lebensverhältnisse stützt, insbesondere der Kreis der von der Maßnahme Begünstigten sachgerecht abgegrenzt ist, kann sie verfassungsrechtlich nicht beanstandet werden (stRspr; vgl. z.B. BVerfG, U.v. 20.4.2004 – 1 BvR 905/00, 1 BvR 1748/99 – juris Rn. 61; ebenso etwa Wollenschläger, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 255).
Sind die Fördervoraussetzungen – wie hier – zulässigerweise in Förderrichtlinien geregelt, so müssen diese von der zuständigen Bewilligungsbehörde gleichmäßig (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV), im Einklang mit Art. 23 und 44 BayHO, ohne Verstoß gegen andere Rechtsvorschriften und gemäß dem Förderzweck angewendet werden, wie dieser in den selbst gegebenen Richtlinien zum Ausdruck kommt. Die Verwaltungsgerichte haben sich auf die Prüfung zu beschränken, ob bei der Anwendung einer solchen Richtlinie im Einzelfall der Gleichheitssatz verletzt worden ist oder ein sonstiger Verstoß gegen einschlägige materielle Rechtsvorschriften vorliegt. Entscheidend ist daher allein, wie die zuständige Behörde die Richtlinie im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger, zu einer Selbstbindung führenden Verwaltungspraxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen an den Gleichheitssatz gebunden ist. Dabei darf eine solche Richtlinie nicht – wie Gesetze oder Rechtsverordnungen – gerichtlich ausgelegt werden, sondern sie dient nur dazu, eine dem Grundsatz der Gleichbehandlung entsprechende Ermessensausübung der Behörde zu gewährleisten (aktuell z.B. BayVGH, B.v. 18.5.2020 – 6 ZB 20.438 – juris Rn. 6; vgl. ferner BVerwG, U.v. 16.6.2015 – 10 C 15.14 – juris Rn. 24; B.v. 11.11.2008 – 7 B 38.08 – juris Rn. 9; BayVGH, U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – juris Rn. 26 m.w.N.; B.v. 9.3.2020 – 6 ZB 18.2102 – juris Rn. 9; VG München, U.v. 27.1.2020 – M 31 K 19.4697 – juris Rn. 22; U.v. 28.8.2019 – M 31 K 19.203 – juris Rn. 15).
Nur entsprechend den vorgenannten Grundsätzen kann ein Anspruch auf Förderung im Einzelfall bestehen. In den hier einschlägigen Richtlinien des Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie für die Unterstützung der von der Corona-Virus-Pandemie (SARS-CoV-2) geschädigten Unternehmen und Angehörigen Freier Berufe („Soforthilfe Corona“ – BayMBl. 2020, Nr. 156 vom 17.3.2020, bis zum Zeitpunkt des Erlasses der streitbefangenen Bescheide geändert durch die Bekanntmachungen in BayMBl. 2020, Nr. 170 vom 1.4.2020, Nr. 204 vom 16.4.2020, Nr. 268 vom 12.5.2020 und Nr. 300 vom 26.5.2020) wird im Übrigen auch ausdrücklich klargestellt, dass die Förderung ohne Rechtsanspruch im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel erfolgt. Gleiches gilt auch nach den Richtlinien des Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie für die Gewährung von Überbrückungshilfen des Bundes für die von der Corona-Virus-Pandemie (SARS-CoV-2) geschädigten Unternehmen und Soloselbstständigen („Corona-Soforthilfen insbesondere für kleine Unternehmen und Soloselbstständige“ – BayMBl. 2020, Nr. 175 vom 3.4.2020). Auch diese Zuwendung wird nur im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel als Billigkeitsleistung ohne Rechtsanspruch nach pflichtgemäßem Ermessen gewährt.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die beantragte Zuwendung, weil es bei ihr an der Voraussetzung der Finanzhilfe fehlt. Nach Nr. 2 bzw. Nr. 2.2 der vorgenannten Richtlinien muss der Antragsteller dazu versichern, dass er durch die Corona-Pandemie in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten ist, die seine Existenz bedrohen, weil die fortlaufenden Einnahmen aus dem Geschäftsbetrieb voraussichtlich nicht ausreichen, um die Verbindlichkeiten in den auf die Antragstellung folgenden drei Monaten aus dem fortlaufenden erwerbsmäßigen Sach- und Finanzaufwand (z.B. gewerbliche Mieten, Pachten, Leasingraten) zu zahlen (Liquiditätsengpass).
Der Beklagte hat in rechtlich nicht zu beanstandender Weise die von der Klägerin begehrte Berücksichtigung der Personalkosten bei der Bestimmung des Umfangs der Verbindlichkeiten aus dem fortlaufenden erwerbsmäßigen Sach- und Finanzaufwand abgelehnt. Die Einnahmen der Klägerin aus ihrem Geschäftsbetrieb überschreiten die Verbindlichkeiten, die ihr in den auf die Antragstellung folgenden drei Monaten aus dem fortlaufenden erwerbsmäßigen Sach- und Finanzaufwand entstanden sind, deutlich. Auf der Grundlage der Einnahmen des Monats April 2020 errechnen sich nach den Angaben der Klägerin für drei Monate Einnahmen in Höhe von 1.911.570,93.- EUR, dem Sach- und Finanzaufwand in Höhe von 763.415.- EUR gegenübersteht.
Nach der ständigen Verwaltungspraxis des Beklagten werden Personalkosten nicht von der Förderung abgedeckt, da sie weder Sach- noch Finanzaufwand sind. Der gesamte Personalaufwand (Gehälter, Kranken- und Sozialversicherungsbeiträge etc.) wird von der hier streitigen Förderung nicht erfasst. Der Arbeitgeber muss, sofern möglich, Kurzarbeit anmelden, sofern das Personal nicht beschäftigt werden kann. Im Übrigen trägt er, vorbehaltlich spezieller sonstiger Förderungen, insoweit das wirtschaftliche Risiko seines Geschäftsbetriebs. Dies ergibt sich sowohl aus den während der Antragsfrist für die Soforthilfe Corona (bis 31.5.2020; vgl. Nr. 8 Satz 1 und Nr. 6 Satz 1 der Richtlinien) im Internet frei abrufbaren „Häufig gestellten Fragen“ des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie zur Soforthilfe Corona (aktuell z.B. noch abrufbar mit Stand vom 18.4.2020 unter https://www.gew-bayern.de/fileadmin/media/sonstige_downloads/by/Coronoavirus-2020/20200418-StMWi-Haufig-gestellte-Fragen.pdf) als auch aus den Ausführungen in der Klageerwiderung der Regierung von Oberbayern vom 19. Mai 2021. Zudem entspricht dies auch der dem Gericht aus einer Vielzahl bei ihm anhängiger Verfahren bekannten ständigen Verwaltungspraxis des Beklagten.
Der von der Klägerin maßgeblich zur Begründung ihrer Klage angeführte Ermessensausfall liegt nicht vor. Eine dem Gleichheitssatz widersprechende Betätigung des Zuwendungsermessens durch den Beklagten ist nicht gegeben. Der Beklagte erkennt im Rahmen der Prüfung des Umfangs des fortlaufenden erwerbsmäßigen Sach- und Finanzaufwandes zur Bestimmung eines Liquiditätsengpasses ausnahmslos Personalkosten nicht an und verweist Arbeitgeber, sofern möglich, auf die Anmeldung zur Kurzarbeit. Besteht eine solche Möglichkeit nicht oder wird sie nicht genutzt, trägt er das wirtschaftliche Risiko seines Geschäftsbetriebs hingegen selbst, sofern und soweit nicht spezielle Förderprogramme zusätzlich eingreifen. Der Klägerin ist ohne weiteres zuzugeben, dass sich bei der von ihr betriebenen Alten- und Pflegeeinrichtung Kurzarbeit als Instrument zur Reduzierung von Personalkosten grundsätzlich kaum oder nur in eingeschränktem Umfang anbietet, da sonst die Versorgung der Bewohner gegebenenfalls nicht ausreichend gewährleistet werden könnte. Darauf kommt es vorliegend aber von Rechts wegen nicht an, da allein die Zuwendungsrichtlinien und die darauf fußende Verwaltungspraxis des Beklagten Maßstab für die Verteilung der staatlichen Hilfen und damit für den Ermessensgebrauch der Zuwendungsbehörde sind. Die tatsächliche ständige Verwaltungspraxis im Vollzug der Förderrichtlinien ist somit Maßstab der gerichtlichen Überprüfung, die sich darauf zu beschränken hat, ob dabei der Gleichheitssatz oder sonstiges materielles Recht verletzt wurden. Solches ist mit Blick auf eine ausnahmslose Versagung der Anerkennungsfähigkeit von Personalkosten, egal in welcher Brache, allerdings gerade nicht ersichtlich. Dass sich diese nicht aus dem Richtlinientext selbst ergibt, ist dabei unerheblich, da, wie bereits ausgeführt, die rechtliche Maßstäblichkeit für die Frage der Bindung des Zuwendungsgebers allein an seine tatsächliche ständige Verwaltungspraxis anknüpft, während eine Richtlinienauslegung zu unterbleiben hat. Weder Antragsteller noch Gericht haben die Befugnis zu einer eigenständigen oder gar erweiternden Auslegung der Richtlinien. Damit ist es im Übrigen vorliegend auch nicht entscheidungserheblich, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang sich für die Klägerin aus dem von ihr selbst vorgetragenen Umstand, dass eine Nachbelegung von Pflegeplätzen von verstorbenen Bewohnern seit Ende März 2020 nicht mehr möglich war, auch ein damit korrespondierendes Freiwerden von Personalkapazitäten ergeben hat. Zudem kann die Klägerin, soweit ersichtlich, nach § 150 SGB XI Zuwendungen aus einem speziellen pflegeeinrichtungsbezogenen Förderprogramm für die infolge der Corona-Virus-Pandemie anfallenden außerordentlichen Aufwendungen sowie Mindereinnahmen im Rahmen ihrer Leistungserbringung erhalten.
Nach der ständigen Verwaltungspraxis des Beklagten im Vollzug der Förderrichtlinien besteht kein Spielraum für die Berücksichtigung besonderer, atypischer Fälle. Allein dies ist maßgeblich für die gerichtliche Überprüfung. Eine Berücksichtigung atypischer Fälle – mit der Folge der ausnahmsweise Berücksichtigung auch von Personalkosten im Rahmen der streitbefangenen Förderung – mag zwar aus Sicht der Klägerin mit Blick auf ihr Unternehmen sinnvoll und wünschenswert erscheinen, um auch den Besonderheiten des Betriebs eines Alten- und Pflegeheims, insbesondere zur Gewährleistung einer ausreichenden Pflegequalität, im Vollzug der Corona-Soforthilfe Rechnung zu tragen, indes leitet sich daraus kein Anspruch auf Gewährung einer Ausnahme im Ermessenswege ab.
Eine Berücksichtigung atypischer Fälle wäre zwar von Rechts wegen möglich, eine gerichtlich durchsetzbare Verpflichtung des Beklagten hierzu besteht allerdings nicht. Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 118 Abs. 1 BV gebieten, wie bereits ausgeführt, eine gleichmäßige Verwaltungspraxis. Dazu gehört das Verbot einer nicht durch sachliche Unterschiede gerechtfertigten Differenzierung zwischen verschiedenen Sachverhalten bei der Förderung (BayVGH, U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – juris Rn. 32). Dabei steht dem Richtliniengeber frei, sich für eine bestimmte Verwaltungspraxis zu entscheiden und diese zu handhaben. Die Willkürgrenze wird selbst dann nicht überschritten, wenn es auch für eine alternative Förderpraxis gute oder gegebenenfalls sogar bessere Gründe gäbe. Eine Verletzung des Willkürverbots liegt mithin nur dann vor, wenn die maßgeblichen Kriterien unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar wären und sich daher der Schluss aufdrängen würde, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruhten.
Dies ist vorliegend nicht der Fall. Zweck und Voraussetzung der Förderung ist es nach Nrn. 1 und 2 der Richtlinien u.a., Liquiditätsengpässe zu kompensieren, die sich mit Blick auf Verbindlichkeiten aus dem fortlaufenden erwerbsmäßigen Sach- und Finanzaufwand ergeben. Damit stellt der Richtliniengeber und mit ihm die darauf fußende Vollzugspraxis des Beklagten gerade nicht auf sich aus Personalaufwand ergebende Verbindlichkeiten ab. Diese Abgrenzung zwischen Sach- und Finanzaufwand einerseits und Personalaufwand andererseits ist weder willkürlich noch verstößt sie gegen sonstiges materielles Recht. Eine Differenzierung, die an die Art des betrieblichen Aufwands anknüpft, ist im Rahmen des weiteren Gestaltungspielraums des Beklagten (vgl. BVerwG, U.v. 11.5.2006 – 5 C 10/05 – juris LS 1 und 2) bei der Bestimmung der Voraussetzungen der Finanzhilfe von ausreichend sachbezogenen Gesichtspunkten getragen. Die Corona-Soforthilfe ist – entsprechend den vorgenannten Richtlinien -auf die Deckung der laufenden betrieblichen Sach- und Finanzaufwendungen des Unternehmens beschränkt und gerade nicht darauf ausgerichtet wurden, daneben auch ausfallenden unternehmerischen Gewinn zu ersetzen (vgl. VG Würzburg, GB.v. 29.5.2020 – W 8 K 20.670 – juris Rn. 29) oder Personalaufwand abzudecken.
Der Beklagte orientiert sich mit dieser Vorgehensweise ohne weiteres an den Zielen und Grenzen der Förderrichtlinie, wie sie insbesondere in der Präambel, Nr. 1 (Zweck der Förderung bzw. Zweck der Soforthilfen) und Nr. 2 bzw. Nr. 2.2 (Voraussetzung der Finanzhilfe) zum Ausdruck kommen. Der Richtliniengeber und die darauf fußende Verwaltungspraxis des Beklagten knüpfen allein an Verbindlichkeiten aus fortlaufenden erwerbsmäßigen Sach- und Finanzaufwand an und stellen dabei auf eine allgemeine Betrachtung und Bewertung der wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf eine Vielzahl von Wirtschaftsbereichen und dort tätige Unternehmen und Angehörige Freier Berufe ab; eine branchenspezifische Betrachtung wird dabei, auch ausnahmsweise, nicht angestellt. Mit einer solchen allgemeinen und branchenübergreifenden Betrachtungsweise geht kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 118 Abs. 1 BV einher. Für Einrichtungen wie die der Klägerin greift vielmehr ein weiteres, spezielles Förderprogramm in Gestalt von § 150 SGB XI ein, mit dem die Grundlage für eine Kompensation außerordentlicher Aufwendungen und Mindereinnahmen von Pflegeeinrichtungen im Zuge der Corona-Virus-Pandemie geschaffen wurde.
Nicht zu überzeugen vermag es im Übrigen, wenn in der obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. OVG NRW, B.v. 29.5.2017 – 4 A 516/15 – juris Rn. 29 ff.; NdsOVG, U.v. 15.11.2016 – 8 LB 58/16 – juris Rn. 61 ff.) teilweise die Auffassung vertreten wird, im Zuwendungsrecht sei eine Berücksichtigung atypischer Fälle nicht nur möglich, sondern im Einzelfall auch geboten. Die dafür maßgeblich gegebene Begründung, ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften dürften nur für den Regelfall gelten, müssten daher Spielraum für die Berücksichtigung der Besonderheiten atypischer Fälle lassen und dürften daher nicht so weit gehen, dass wesentlichen Besonderheiten des Einzelfalls nicht mehr Rechnung getragen werden könne, verfängt nicht. Dies deshalb, weil es sich bei der streitgegenständlichen Zuwendung um eine freiwillige Maßnahme des Beklagten handelt, für die eine Rechtsnorm, die konkret einen Anspruch der Klägerin auf Bewilligung begründen würde, nicht existiert. Damit sind Förderrichtlinien in ihrer Rechtsnatur jedenfalls insoweit nicht mit allgemeinen ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften, die für die behördliche Anwendung von Ermessen eröffnenden materiellen Rechtsnormen gelten, vergleichbar. Während es für letztere ohne weiteres zutrifft, dass sie vorrangiges Gesetzesrecht nicht zu verdrängen vermögen und die Behörde deshalb nicht von der Verpflichtung entbunden ist, beim Gesetzesvollzug im Ermessenswege gegebenenfalls auch abweichend von ermessenslenkenden Richtlinien zu entscheiden (vgl. z.B. BVerwG, B.v. 25.9.1998 – 5 B 24.98 – juris Rn. 4; Ramsauer in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 21. Aufl. 2020, § 40 Rn. 57 – 59), kann dies auf Zuwendungsrichtlinien nicht übertragen werden, wenn und soweit es sich – wie hier – um freiwillige Leistungen handelt, für die ein materiell-rechtlicher Rahmen gerade nicht existiert. Vorrangiges (einfaches) Gesetzesrecht, an das die Vergabe der Zuwendung gebunden wäre und dessen Verdrängung für den Fall der Nichtgewährung einer Ausnahme im Ermessenswege in Betracht zu ziehen wäre, steht vorliegend nicht inmitten, da, wie ausgeführt, die streitbefangene Finanzhilfe ohne Rechtsanspruch im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel als Billigkeitsleistung gewährt wird.
Dies korrespondiert rechtssystematisch mit der alleinigen Maßstäblichkeit der zu einer Selbstbindung führenden Verwaltungspraxis im Vollzug der Zuwendungsrichtlinien durch die zu deren Anwendung berufene Zuwendungsbehörde und dem damit spiegelbildlich verbundenen Verbot der gerichtlichen Auslegung solcher Richtlinien. Art. 40 BayVwVfG, der eine pflichtgemäße Ermessensbetätigung vorschreibt, ist auf Ermessensentscheidungen ohne spezielle gesetzliche Ermächtigung, hier also für die Gewährung der Zuwendung als freiwillige staatliche Leistung, nur mit der Maßgabe anwendbar, dass die zuständige Behörde die leitenden Ermessenszwecke selbst setzen darf, soweit sie sich dabei im Rahmen der Rechtsordnung hält, d.h. also dem Gleichheitssatz genügt und nicht gegen sonstiges einschlägiges materielles Recht verstößt. Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich in diesen Fällen auf die Einhaltung des von der Zuwendungsbehörde selbst gesetzten Ermessensrahmens (vgl. Ramsauer in: Kopp/Ramsauer, aaO Rn. 37).
Anderes ergibt sich auch nicht aus dem vom Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in seiner vorgenannten Entscheidung (vgl. dort Rn. 31) in Bezug genommenen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Juni 2015 (10 C 15.14). In dem dort entschiedenen Fall hatte es das Bundesverwaltungsgericht nicht beanstandet, dass die zuständige Behörde mit Blick auf Erwägungen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit auch über den Wortlaut der Zuwendungsrichtlinie hinaus eine ausnahmsweise Förderfähigkeit einer Maßnahme anerkannt hat. Damit ist aber nichts darüber gesagt, dass im Vollzug von Richtlinien zur Gewährung von staatlichen Zuwendungen, auf die kein Rechtsanspruch besteht, für die zuständige Behörde die Pflicht bestünde, atypische Sachverhaltskonstellationen stets im Ermessenswege zu behandeln und zu bescheiden. Die Behörde kann solche Ausnahmen zulassen und muss mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 118 Abs. 1 BV sodann auch in allen entsprechenden Fällen gleichmäßig so verfahren, um nicht gegen das Willkürverbot zu verstoßen. Ein (gerichtlich durchsetzbarer) Anspruch auf Ausnahmegewährung folgt daraus aber gerade nicht. Ein stets inmitten stehendes, ungeschriebenes „Auffangermessen“ für Ausnahmefälle würde im Gegenteil im Widerspruch zur sehr weitgehenden Autonomie des Richtliniengebers bei der Ausgestaltung von Inhalt und Verfahren der von ihm gewährten freiwilligen Leistungen stehen und den zuständigen Behörden zudem eine in der – im Übrigen inhaltlich allein maßgeblichen – Vollzugspraxis bei der Bearbeitung von Zuwendungsanträgen auch kaum mehr rechtssicher darstellbare Begründungspflicht hinsichtlich des Nichtvorliegens eines Ausnahmefalls auferlegen. Diese Problematik zeigt sich letztlich beispielhaft auch im o.g. Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (vgl. dort Rn. 62 f.), das die Frage einer insoweit fehlenden behördlichen Begründung für die Versagung einer Ausnahme im Ermessenswege sodann unter Heranziehung der Grundsätze des intendierten Ermessens zu lösen sucht.
Richtigerweise gilt sonach: Verbietet sich – wie ausgeführt – eine eigenständige Auslegung von Zuwendungsrichtlinien infolge ihrer Rechtsnatur und ist vielmehr ihre Handhabung in der ständigen zuwendungsbehördlichen Vollzugspraxis für die gerichtliche Beurteilung allein maßstäblich, verbleibt für die Notwendigkeit einer Betätigung eines „Auffangermessens“ für atypische Ausnahmefälle kein Raum, sofern und soweit sich nicht aus Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 118 Abs. 1 BV sowie aus sonstigem einschlägigen materiellen Recht im Einzelfall anderes ergibt. Solches ist hier allerdings nicht der Fall.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge nach § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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