Europarecht

Cross Compliance Vollkontrolle (CC-Kontrolle) wegen beantragter Förderung für Sommerweidehaltung von Rindern

Aktenzeichen  Au 3 K 17.604

Datum:
26.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 32652
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VO (EU) 1306/2013 Art. 2 Abs. 2, Art. 59 Abs. 7
BayVwVfG § 24, § 25

 

Leitsatz

1. Die Kontrolle wird i.S. von Art. 59 Abs. 7 VO (EU) 1306/2013 verhindert, wenn ihre Durchführung durch ein Tun oder Unterlassen unmöglich gemacht wird, das auf Vorsatz oder Fahrlässigkeit beruht. Entscheidend ist, ob der Betriebsinhaber alle Maßnahmen getroffen hat, die in der konkreten Situation vernünftigerweise verlangt werden können, um sicherzustellen, dass die Kontrolle vollständig durchgeführt werden kann. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Fall höherer Gewalt oder außergewöhnliche Umstände nach Art. 59 Abs. 7 Halbs. 2 i.V.m. Art. 2 Abs. 2 (EU) 1306/2013 liegen nur bei ungewöhnlichen, vom Willen des Betroffenen unabhängigen Umständen vor, deren Folgen trotz aller aufgewandten Sorgfalt nur um den Preis unverhältnismäßiger Opfer vermeidbar sind. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
3. Dass Art. 59 Abs. 7 VO (EU) 1306/2013 bei der Verhinderung einer Vor-Ort-Kontrolle zwingend die Ablehnung der Anträge vorschreibt, verstößt nicht gegen den auch im Unionsrecht allgemein anerkannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist unbegründet, weil der Kläger keinen Anspruch auf die Bewilligung einer Förderung aufgrund der Maßnahme KULAP B60 für das Jahr 2015 hat (§ 113 Abs. 5 VwGO).
1. Der Bewilligung dieser Förderung steht der prämienrechtliche Versagungsgrund des Art. 59 Abs. 7 VO (EU) 1306/2013 des Europäischen Parlamentes und Rates vom 17. Dezember 2013 entgegen. Danach werden Beihilfe- und Zahlungsanträge abgelehnt, wenn der Betriebsinhaber oder sein Vertreter die Durchführung einer Vor-Ort-Kontrolle verhindert. Die Kontrolle wird verhindert, wenn ihre Durchführung durch ein Tun oder Unterlassen unmöglich gemacht wird, das auf Vorsatz oder Fahrlässigkeit beruht. Entscheidend ist, ob der Betriebsinhaber alle Maßnahmen getroffen hat, die in der konkreten Situation vernünftigerweise verlangt werden können, um sicherzustellen, dass die Kontrolle vollständig durchgeführt werden kann (vgl. zur Vorgängervorschrift Art. 26 Abs. 2 VO (EU) 1122/2009 BVerwG, B.v. 30.11.2016 – 3 B 26/16 – NVwZ-RR 2017, 327).
a) Das Gericht ist aufgrund der Aussagen der Zeugen … und … davon überzeugt, dass der Kläger die Veterinärkontrolle vorzeitig für beendet erklärt und die Kontrolleure des Hofes verwiesen hat. Außerdem weigerte er sich, den Kontrolleuren fünf Weiden mit Jungrindern zu nennen. Die Zeugen haben im Kernbereich des Geschehens den Verlauf der Kontrolle detailliert, in sich schlüssig und übereinstimmend geschildert. Die Aussagen entsprechen weitgehend den bereits in ihrer Stellungnahme vom 21. Dezember 2015 gemachten Angaben, so dass das Aussageverhalten im Wesentlichen konstant war. Es erscheint dem Gericht durchaus nachvollziehbar und plausibel, dass die Kritik des Zeugen … am Freilassen der Tiere und die Feststellung des Fehlens der Ohrenmarke bei einem Tier den von Anfang an der Kontrolle ablehnend gegenüberstehenden Kläger zu dem Hausverbot und der Weigerung, die Weiden zu benennen, motivierten. Die Zeugen hatten auch keinen Grund, den Kläger zu Unrecht zu belasten. Insoweit trug dieser selbst vor, dass das Verhältnis zum Zeugen … bei der reibungslosen Kontrolle im Jahr 2017 ungetrübt war.
b) Der Kläger hat damit durch den Verweis vom Hof und die Nichtnennung der Weiden die weitere Durchführung der Kontrolle vorsätzlich unmöglich gemacht und damit verhindert.
2. Es liegen auch kein Fall höherer Gewalt oder außergewöhnliche Umstände nach Art. 59 Abs. 7 Halbs. 2 i.V.m. Art. 2 Abs. 2 (EU) 1306/2013 vor. Die Gründe müssen in ihrer Schwere mit den in Art. 2 Abs. 2 VO (EU) 1306/2013 genannten Regelbeispielen vergleichbar sein. Die eng auszulegende Ausnahmeregelung liegt daher nur bei ungewöhnlichen, vom Willen des Betroffenen unabhängigen Umständen vor, deren Folgen trotz aller aufgewandten Sorgfalt nur um den Preis unverhältnismäßiger Opfer vermeidbar sind (von Rintelen in Grabitz/Hilf/Nettes-heim/von Rintelen, Stand: Juni 2019, AEUV, Art. 43 Rn. 134). Den Kläger trifft insoweit die Beweislast. Die unsubstantiierte Behauptung, die Ehefrau sei anderweitig beschäftigt, und die nicht nachgewiesenen Erkrankungen der Kinder genügen nicht und können ohnehin die fehlende Mitwirkung des Klägers nicht entschuldigen. Ebenso ist die Klauenpflege kein außergewöhnlicher Umstand. Der Zeuge … hat für das Gericht überzeugend dargelegt, dass das aus drei Personen bestehende professionelle Klauenpfleger-Team die Pflege der Rinder auch ohne den Kläger durchführen konnte. Selbst unter Zugrundelegung der Schilderung des Klägers ist nicht davon auszugehen, dass die genannten Umstände die Mitwirkung bei der Kontrolle unmöglich gemacht haben. So hat dieser selbst erklärt, dass er die Abwesenheit vom Hof mit seiner Ehefrau organisieren wollte, seine Abwesenheit also trotz der Klauenpflege grundsätzlich möglich gewesen wäre. Alternativ bestand für den Kläger die Möglichkeit, für die Kontrolle einen Vertreter zu bestimmen oder die Klauenpflege abzusagen und auf einen anderen Termin zu verschieben. Unabhängig von der Frage der eigenen Mitwirkungsmöglichkeit können die vorgebrachten Gründe den Kläger nicht bezüglich des vorsätzlich verhängten Hausverbotes entschuldigen.
3. Art. 59 Abs. 7 VO (EU) 1306/2013 schreibt bei der Verhinderung einer Vor-Ort-Kontrolle zwingend die Ablehnung der Anträge vor. Diese Rechtsfolge verstößt nicht gegen den auch im Unionsrecht allgemein anerkannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. auch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 4 EUV). Zwar handelt es sich bei der in Art. 59 Abs. 7 VO (EU) 1306/2013 vorgesehenen vollständigen Ablehnung der Beihilfeanträge um eine pauschale und gravierende Rechtsfolge. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass es auf der Grundlage einer unvollständig gebliebenen Vor-Ort-Kontrolle typischerweise nicht möglich ist, alle für eine prinzipiell in Betracht kommende vollständige Kürzung erheblichen Umstände verlässlich festzustellen, ist die – verschuldensabhängige – Ablehnung der betroffenen Beihilfeanträge jedoch nicht unverhältnismäßig. So rechtfertigen Ziel und Bedeutung der Vor-Ort-Kontrollen die Ablehnung der Beihilfeanträge (vgl. BVerwG, U.v. 19.9.2013 – 3 C 25.12 – beck-online Rn. 31 mit Hinweis auf EuGH, U.v. 16.6.2011 – C-536/09 – beck-online Rn. 26 f.). Unerheblich ist, ob die Kontrolle nachträglich hätte wiederholt bzw. ergänzt werden können. Selbst wenn es nämlich zu einer weiteren Kontrolle gekommen wäre und bei dieser nur geringfügige Beanstandungen festgestellt worden wären, würde dies am Vorliegen des Versagungsgrundes nichts ändern, weil die nachgeholte Kontrolle keine Aussage darüber zulässt, zu welchen Feststellungen eine frühere Kontrolle geführt hätte. Aus diesem Grund ist es – in Übereinstimmung mit dem Wortlaut des Art. 59 Abs. 7 VO (EU) 1306/2013 – in der Rechtsprechung anerkannt, dass bereits der schuldhafte Abbruch einer (einzigen) Vor-Ort-Kontrolle durch den Betriebsinhaber den zwingenden Versagungsgrund verwirklicht (so bereits zur früheren Rechtslage OVG Koblenz, U.v. 6.7.2016 – 8 A 10224/16.OVG – beck-online Rn. 28).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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