Europarecht

Darlegungs- und Beweislast für die Verbrauchereigenschaft nach Art. 17 Brüssel I-VO

Aktenzeichen  24 O 309/17

Datum:
27.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 29193
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Schweinfurt
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
Brüssel I-VO Art. 17

 

Leitsatz

1. Ein Kläger, der sich zu seinen Gunsten auf den Verbrauchergerichtsstand nach Art. 17 Brüssel I-VO beruft, trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er als Verbraucher im Sinne dieser Vorschrift gehandelt hat. (Rn. 18 – 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Vermietung unbeweglichen Vermögens ist im Allgemeinen private Vermögensverwaltung. Liegen besondere Umstände vor, welche der Betätigung des Vermieters als Ganzes gesehen das Gepräge einer selbstständigen, nachhaltigen, vom Gewinnstreben getragenen Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr verleihen, tritt die bloße Nutzung des Vermögens zurück, so dass von einer gewerblichen Tätigkeit auszugehen ist. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 266.798,80 € festgesetzt.

Gründe

A.
Die Klage ist unzulässig. Es fehlt an der internationalen Zuständigkeit des Landgerichts Schweinfurt.
I.
Der Kläger ist eine in Deutschland ansässige natürliche Person. Die Beklagte ist eine in Luxemburg ansässige juristische Person. Für die Bestimmung der gerichtlichen Zuständigkeit in Zivilsachen findet deshalb gemäß Art. 1, 68 EuGWO ausschließlich diese Verordnung Anwendung. Gem. Art. 4 Abs. 1, 63 Abs. 1 EuGWO kann die Beklagte daher nur in Luxemburg verklagt werden, sofern sich nicht ausnahmsweise ein besonderer Gerichtsstand aus der EuGWO ergibt. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
II.
Der besondere Verbrauchergerichtsstand der Art. 17, 18 EuGWO ist nicht eröffnet. Der Kläger hat nicht nachgewiesen, dass er Verbraucher im Sinne der Art. 17 ff. EuGWO ist.
1. Bei der Regelung der Art. 17 ff. EuGWO zum Verbrauchergerichtsstand handelt es sich um eine Ausnahmeregelung zum Grundsatz des Art. 4 EuGWO, wonach eine natürliche oder juristische Person an ihrem (Wohn) Sitz zu verklagen ist. Als Ausnahmeregelung sind die Art. 17 ff. EuGWO restriktiv auszulegen. Der Begriff des Verbrauchers aus Art. 17 Abs. 1 EuGWO ist autonom, d. h. nach europäischem Gemeinschaftsrecht und nicht nach dem jeweiligen nationalen Recht auszulegen. Der Verbraucherbegriff der Art. 17 ff. EuGWO ist enger als der Verbraucherbegriff des deutschen Zivilrechts. Art. 17 EuGWO erfasst danach solche Verträge, die eine Einzelperson ausschließlich zur Deckung ihres Eigenbedarfs beim privaten Verbrauch schließt und die nicht in Bezug zu einer gegenwärtigen oder zukünftigen beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit stehen (BGH, NJW 2012, 1817, 1819 Rn. 28). Ist der Vertrag für einen Zweck bestimmt, der sich teilweise auf ihre berufliche oder gewerbliche Tätigkeit bezieht und nur zu einem Teil dieser Tätigkeit zugerechnet werden kann, kann sich der Verbraucher auf den Schutz der Art. 17 ff. EuGWO nicht berufen (BGH, a.a.O., Rn. 29). Dies gilt nur dann nicht, wenn die Verbindung zwischen diesem Vertrag und der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit des Betroffenen so schwach ist, dass sie nebensächlich wird und insgesamt nur eine ganz untergeordnete Rolle spielt (BGH, a.a.O., m.w.N.).
Die Frage, ob der Vertrag der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit des Betroffenen zuzurechnen ist oder ob im Gegenteil der berufliche oder gewerbliche Zweck nur ganz untergeordnete Bedeutung hat, ist im Einzelfall aufgrund einer Gesamtbewertung von Inhalt, Art und Zweck des Vertrages sowie der objektiven Umstände bei Vertragsschluss anhand der vorgelegten Beweismittel zu entscheiden.
2. Der Kläger hat vorgetragen, dass er das Darlehen dazu verwendet hat, ein Haus zu kaufen und umzubauen, um es anschließend zu vermieten und/oder zu verpachten. Der Kläger möchte also – die Richtigkeit des bestrittenen Vortrags einmal unterstellt – als VermieterA/erpächter auftreten und hieraus Einkünfte erzielen. Die Vermietung unbeweglichen Vermögens ist im Allgemeinen private Vermögensverwaltung. Liegen besondere Umstände vor, welche der Betätigung des Vermieters als Ganzes gesehen das Gepräge einer selbstständigen, nachhaltigen, vom Gewinnstreben getragenen Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr verleihen, tritt die bloße Nutzung des Vermögens zurück. Dafür, dass der Kläger auch insoweit gewerblich tätig ist, spricht vieles, insbesondere die von der Beklagten vorgelegten Unterlagen über die kaufmännische Betätigung des Klägers (Anlagen B1-B3).
Dies kann im Ergebnis aber offen bleiben. Denn jedenfalls hat der Kläger nicht ausreichend dargelegt und unter Beweis gestellt, dass er als Verbraucher handelte. Die Beklagte hat dies wiederholt bestritten. Dennoch beschränkte sich der Kläger auf den (zudem auch verspäteten) Vortrag der beabsichtigten VermietungA/erpachtung, ohne dies im einzelnen zu konkretisieren oder durch geeignete Beweismittel unter Beweis zu stellen. Dem Vortrag konnte nicht mit hinreichender Deutlichkeit entnommen werden, dass der Kläger (ausschließlich) als Verbraucher handelte. Damit ist der Kläger, der die Darlegungs- und Beweislast trägt (BGH, a.a.O., Rn. 32), beweisfällig geblieben.
Eines richterlichen Hinweises bedurfte es angesichts dessen, dass die Beklagte auf die Mängel des klägerischen Vorbringens wiederholt und verständlich aufmerksam gemacht hat, nicht (Fritsche in Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Auflage 2016, § 139 Rn. 14).
III.
Die internationale Zuständigkeit ergibt sich auch nicht aus Art. 7 Ziffer 5 EuGWO. Ausweislich des von der Beklagten vorgelegten Handelsregisterauszuges (Anlage B4) wurde die Zweigniederlassung in Nürnberg erst 2012 im Handelsregister eingetragen. Die Streitigkeit entstammt somit nicht „aus dem Betrieb einer Zweigniederlassung“ im Sinne des Art. 7 Ziffer 5 EuGWO.
IV.
Das Fehlen der internationalen Zuständigkeit führt zur Abweisung der Klage wegen Unzulässigkeit (Patzina in MüKO, a.a.O., § 12 Rn. 72).
B.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 1 und S. 2 ZPO.
C.
Die Streitwertfestsetzung erfolgte auf der Grundlage von §§ 63 Abs. 2, 48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO.


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