Europarecht

Darlegungspflicht gewerblicher Abfallsammler

Aktenzeichen  W 4 K 15.297

Datum:
19.4.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KrWG KrWG § 3 Abs. 23, Abs. 24, § 7 Abs. 3, § 17 Abs. 2 S. 1 Nr. 4, § 18 Abs. 2 Nr. 5, Abs. 5 S. 1, S. 2, § 62
AbfZustV § 4 Abs. 1 Nr. 2
BayLKrO BayLKrO Art. 37 Abs. 1 S. 2
BayVwVfG BayVwVfG Art. 24, Art. 25
GewO GewO § 14
GG GG Art. 12

 

Leitsatz

Das verwaltungsverfahrensrechtliche Neutralitätsgebot wird bei der Anwendung des Abfallrechts auch dann gewahrt, wenn der Aufgabenvollzug des staatlichen Abfallrechts und die Aufgabenwahrnehmung als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger bei einer Behörde angesiedelt sind. (redaktioneller Leitsatz)
Eine § 18 Abs. 2 Nr. 5 KrWG entsprechende Darlegung des Verwertungswegs setzt jedenfalls widerspruchsfreie Angaben voraus, die es der Behörde ermöglichen, zumindest den nächsten Verwertungsschritt eindeutug nachzuvollziehen. Darlegungspflichtig ist der gewerbliche Sammler.  (redaktioneller Leitsatz)
Wenn nicht ersichtlich ist, dass Bedingungen, Auflagen oder eine Befristung eine ordnungsgemäße und schadlose Verwertung von Abfällen sicherstellen können, ist die Behörde nicht gehalten, diese Nebenbestimmungen aus Gründen der Verhältnismäßigkeit als mildere Mittel gegenüber einer uneingeschränkten Untersagungsverfügung vorzuziehen (ebenso VGH München BeckRS 2016, 59070).  (redaktioneller Leitsatz)
In Anknüpfung an die gewerberechtliche Definition ist abfallrechtlich unzuverlässig, wer nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, das Sammeln und Verwerten von Abfällen zukünftig ordnungsgemäß auszuüben. Es handelt sich um eine auf konkrete Tatsachen zu stützende Prognoseentscheidung der Behörde. Der Vorwurf der Unzuverlässigkeit muss sich dabei aus gewerblich geprägten Verstößen ergeben. Verstöße gegen Vorschriften, die das konkrete Schutzgut des Abfallrechts – den Schutz der Umwelt – betreffen, haben ein größeres Gewicht als sonstige Verstöße im Rahmen gewerblicher Tätigkeiten. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Über die Klage konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die Klage, die sich nach sachgerechter Auslegung gegen Ziffer 1 des Bescheids vom 27. Februar 2015 sowie gegen Ziffer 1 des Bescheids vom 23. Juni 2015 richtet, ist zulässig. Sie ist aber unbegründet, da die Bescheide vom 27. Februar 2015 und vom 23. Juni 2015 rechtmäßig sind und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1.
Die Kammer kann eine „formelle Unwirksamkeit“ wegen Verstoßes gegen das Neutralitätsgebot nicht erkennen.
In § 4 Abs. 1 Nr. 2 AbfZustV ist ausdrücklich die Zuständigkeit der Kreisverwaltungsbehörde für die Entgegennahme der Anzeige einer gewerblichen Sammlung nach § 18 des Gesetzes zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Bewirtschaftung von Abfällen vom 24. Februar 2012 (Kreislaufwirtschaftsgesetz – KrWG) i. V. m. § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG und für alle mit gewerblichen Sammlungen zusammenhängenden Anordnungen und Maßnahmen normiert. Kreisverwaltungsbehörde ist hier das Landratsamt Miltenberg (vgl. Art. 37 Abs. 1 Satz 2 LKrO).
Anhaltspunkte dafür, dass § 4 Abs. 1 Nr. 2 AbfZustV gegen höherrangiges Recht verstoßen könnte, sind nicht ersichtlich (so auch: VGH Baden-Württemberg, B. v. 9.9.2013 – 10 S 1116/13 und OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 19.7.2013 – 20 B 530/13 – beide juris). Die Klägerin verkennt hierbei, dass mit der Aufgabenwahrnehmung nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 AbfZustV nicht der Landkreis, also der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger, ermächtigt wurde, sondern die Kreisverwaltungsbehörde, also die untere staatliche Verwaltungsbehörde des Freistaats Bayern. Zudem darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass eine Behörde mit Doppelzuständigkeit als Teil der öffentlichen Verwaltung in beiden ihr übertragenen Funktionen dem Gemeinwohl zu dienen hat. Sie ist an Recht und Gesetz gebunden und untersteht exekutiver Aufsicht (BVerwG, U. v. 18.3.2009 – 9 A 39/07 – NVwZ 2010, 44 f.). Auch wird eine organisatorische und personelle Trennung dadurch gewährleistet, dass der Aufgabenvollzug des staatlichen Abfallrechts dem Sachgebiet 41 des Landratsamtes Miltenberg zugeordnet ist, während die Aufgabenwahrnehmung als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger dem Sachgebiet 11 (Kommunale Abfallwirtschaft) obliegt. Für eine personelle Verquickung beider Aufgabenbereiche sind keine hinreichenden Anhaltspunkte ersichtlich.
Aufgrund dessen ist – entgegen der Rechtsansicht des Klägerbevollmächtigten – eine neutrale Aufgabenwahrnehmung nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 AbfZustV gesichert.
2.
Die streitgegenständliche Untersagungsverfügung findet ihre Rechtsgrundlage in § 18 Abs. 5 Satz 2 Alt. 2 KrWG als lex specialis gegenüber § 62 KrWG.
Die Klägerin konnte nicht darlegen, dass die angezeigten Abfälle einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung i. S. v. § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG zugeführt werden. Nach der Legaldefinition des § 7 Abs. 3 Satz 2 und 3 KrWG erfolgt die Verwertung ordnungsgemäß, wenn sie im Einklang mit den Vorschriften dieses Gesetzes und anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften steht, und schadlos, wenn nach der Beschaffenheit der Abfälle dem Ausmaß der Verunreinigungen und der Art der Verwertung Beeinträchtigungen des Wohls der Allgemeinheit nicht zu erwarten sind, insbesondere keine Schadstoffanreicherung im Wertstoffkreislauf erfolgt. Unter Verwertung versteht das Gesetz jedes Verfahren, als dessen Hauptergebnis die Abfälle innerhalb der Anlage oder in der weiteren Wirtschaft einem sinnvollen Zweck zugeführt werden, indem sie entweder andere Materialien ersetzen, die sonst zur Erfüllung einer bestimmten Funktion verwendet worden wären, oder indem die Abfälle so vorbereitet werden, dass sie diese Funktion erfüllen (§ 3 Abs. 23 Satz 1 KrWG). Der Oberbegriff der Verwertung wird in den Bestimmungen über die spezifischen Verwertungsverfahren der Vorbereitung zur Wiederverwendung (Absatz 24) und dem Recycling (Absatz 25) weiter differenziert (BT-Drucksache 216/11, S.177).
Es muss sichergestellt sein, dass aufgrund der Darlegungen des gewerblichen Abfallsammlers im Anzeigeverfahren von einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung ausgegangen werden kann (so auch Queitsch, AbfallR 2012, 290/291). Darlegungspflichtig dafür, dass die Verwertung ordnungsgemäß und schadlos erfolgt, ist nicht die Abfallrechtsbehörde oder der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger, sondern der gewerbliche Sammler. Dies ergibt sich aus § 18 Abs. 2 Nr. 5 KrWG, wonach der Anzeige einer gewerblichen Sammlung eine Darlegung beizufügen ist, wie die ordnungsgemäße und schadlose Verwertung der gesammelten Abfälle im Rahmen der Verwertungswege nach Nr. 4 gewährleistet wird. Hiernach ist eine Darlegung der innerhalb des angezeigten Zeitraums vorgesehenen Verwertungswege beizufügen. § 18 Abs. 2 Nr. 5 KrWG dient der Offenlegung der Verwertungswege. Diese sind vom Sammler transparent und nachvollziehbar aufzuzeigen (VG Würzburg, B. v. 16.10.2012 – W 4 S 12.833 und B. v. 15.4.2013 – W 4 S 13.145 – beide juris). Die Informationsanforderungen des § 18 Abs. 2 KrWG sind auf die Frage auszurichten, ob die jeweilige Sammlung dem Gesetzeszweck und den Zielvorgaben des Kreislaufwirtschaftsgesetzes widerspricht (Dieckmann/Ingerowski, AbfallR 2013, 12). Die Angaben sollen der Behörde eine umfassende Prüfung der gesetzlichen Voraussetzungen ermöglichen (Gesetzentwurf der BReg., BT-Drucks. 17/6052, S. 88).
In der Rechtsprechung ist es umstritten, welche Anforderungen an den Nachweis der ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung zu stellen sind. Eine höchstrichterliche Entscheidung steht hierzu noch aus. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat gegen sein Urteil vom 29. Januar 2015 (20 B 14.666 – juris) die Revision zugelassen, die beim Bundesverwaltungsgericht unter dem Aktenzeichen 7 C 5.15 anhängig ist. Er hat zuletzt ausgeführt, dass die Frage, ob eine lückenlose Kette des Verwertungswegs aufgezeigt wurde, eine Bewertung des jeweiligen Einzelfalls voraussetzt (vgl. BayVGH, B. v. 9.11.2015 – 20 CS 15.1971 – Rn. 4 f.). Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat dabei auf die Erlasslage des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Gesundheit – Schreiben an die Regierungen in Bayern vom 28.1.2013 – hingewiesen. Dort heißt es, dass „bei unproblematischen, „klassischen“ Verwertungsabfällen, die werthaltig sind und für die etablierte Verwertungswege bestehen, die pauschale und plausible Angabe eines Verwertungswegs ausreicht.“
Selbst wenn man davon ausgeht, dass damit für Altkleider und -schuhe eine Darlegung der Verwertungswege erleichtert möglich ist, kann nach den hier von der Klägerin vorgelegten Unterlagen nicht von einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung ausgegangen werden, da es an einer plausiblen Angabe eines Verwertungswegs fehlt. Die Darlegung des Verwertungswegs setzt jedenfalls widerspruchsfreie Angaben voraus, welche es der Behörde ermöglichen, zumindest den nächsten Verwertungsschritt eindeutig nachzuvollziehen. Eine solche Darlegung hat die Klägerin trotz Aufforderung durch das Landratsamt nicht erbracht.
In der Anzeige nach § 18 KrWG (vgl. Bl. 15 bis 41 d. A.) gibt die Klägerin an, dass die Verwertung durch einen Dritten, die L. GmbH, sowie die Restmüllentsorgung ein Mal wöchentlich durch die Stadt M., im Übrigen durch Herrn M. I. erfolgt. Dem widerspricht allerdings die Vorlage von Vereinbarungen, einerseits zwischen dem Inhaber der Klägerin und Herrn I. über die Abnahme von gesammelten Textilien/Altkleidern bis zu 20 Tonnen pro Monat (Bl. 38 d. A.), andererseits zwischen Herrn I. und der L. GmbH über die Abnahme von gesammelten Altkleidern/Textilien von bis zu 45 Tonnen pro Monat (Bl. 37 d. A.). Entsprechend dieser Unterlagen wäre Herr I. alleiniger Abnehmer der von der Klägerin gesammelten Altkleider und Textilien. Ob dies zutreffend ist, hat die Klägerin im vorliegenden Verfahren nie eindeutig dargelegt. Unklar bleibt zunächst auch die Funktion des Bauunternehmens „A. und S.“ (M.), von welchem sich eine Rechnung für die Leerung einer Mülltonne im Jahr 2014 in den Akten befindet (vgl. Bl. 36). Der Klägerbevollmächtigte legt später zusätzlich einen Gebührenbescheid des Eigenbetriebs Abfallwirtschaft des Main-Kinzig-Kreises vom 29. Juli 2013 (Bl. 197 d. A.) sowie einen Wiege-/Übernahmeschein der Firma F. GmbH (Bl. 200 d. A.) vom 30. April 2015 (vgl. Materialbezeichnung „Baumischabfälle zur Verwertung angeliefert; gemischte Bau- und Abbruchabfälle mit Ausnahme“) vor. Der Klägerbevollmächtigte führt in diesem Zusammenhang aus (vgl. Bl. 201 f. d. A.), dass die Firma … und S. Lagervermieterin der Klägerin gewesen sei und mit ihr eine Absprache bestanden habe, dass der sich in den Kleidercontainern befindende Unrat über die von der Firma vorgehaltenen Mischmüllcontainer entsorgt werden dürfe. Ungefähr seit Beginn des Jahres 2015 gebe es eine Absprache mit der Firma F.. Daneben werde der Unrat auch immer wieder von der Klägerin selbst auf einer Restmülldeponie entsorgt, wie dies der Hausmüllanlieferungsschein dokumentiere.
Der Nachweis einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung scheitert nach Ansicht der Kammer – auch bei Zugrundelegung reduzierter Anforderungen im Bereich der Alttextilien – unter zwei Aspekten. So ist zum einen die Gewährleistung der Restmüllentsorgung nicht eindeutig aufgezeigt und nachgewiesen. Es bleibt unklar, nach welchem System die Restmüllentsorgung aktuell erfolgt, ob die Klägerin selbst oder unter Inanspruchnahme von weiteren Firmen entsorgt, ob die Abnahme des Restmülls garantiert ist und in welcher Größenordnung eine solche Abnahme (garantiert) erfolgt. Diesbezüglich fehlt es an einer transparenten Darlegung und an Bestätigungen der potentiellen Abnehmer. Zum anderen bleibt das Verhältnis der Klägerin zu Herrn I. und zur L. GmbH zu unbestimmt. Das Landratsamt Miltenberg hat in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hingewiesen, dass die Darstellung der Klägerin in der Anzeige nach § 18 KrWG mit den beigefügten Belegen und Vereinbarungen in Widerspruch steht. Dieser Widerspruch wurde auch im laufenden Verfahren nicht aufgeklärt. Es bleibt unklar, ob und inwieweit die Klägerin ausschließlich sammelt, ob und inwieweit vorsortiert wird und wer genau Abnehmer der gesammelten Altkleider und Textilien ist. Über den Verbleib der gesammelten Schuhe erfolgt wiederum überhaupt keine Angabe.
Es fehlt demgemäß schon an einer nachvollziehbaren und transparenten Schilderung, dass und wie der gesammelte Abfall der Verwertung zugeführt wird bzw. sogar schon an einer plausiblen Beschreibung der Verwertungswege (vgl. etwa OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 7.5.2015 – 20 A 2670/13 – juris Rn. 128 ff.). Es kann daher dahinstehen, ob es weiterhin erforderlich ist, eine lückenlose Kette des Verwertungsweges aufzuzeigen, wie dies der Bayerische Verwaltungsgerichtshof bisher gefordert hat (BayVGH, B. v. 29.1.2015 – 20 B 14.666 – juris Rn. 33). Gleiches gilt für die Frage, inwieweit vertragliche Innenverhältnisse offenzulegen sind (zum Streitstand vgl. VG Stuttgart, B. v. 4.9.2015 – 2 K 2096/14 – juris Rn. 41).
Das Landratsamt Miltenberg ist dabei seinen Pflichten zur Erforschung des Sachverhalts (vgl. Art. 24 BayVwVfG) und zur Beratung der Klägerin (vgl. Art. 25 Abs. 1 und 2 BayVwVfG) in Abgrenzung zu der Darlegungsverpflichtung der Klägerin in ausreichendem Maße nachgekommen. Mehrmals, zuletzt in der mündlichen Verhandlung, wurde die Klägerin aufgefordert, die Verwertungswege näher zu erläutern, insbesondere hinsichtlich der Restmüllentsorgung und des konkreten Ablaufs der Verwertung. Selbst wenn man angesichts der Tatsache, dass es sich bei der Klägerin um ein Einzelunternehmen mit begrenzten personellen Kapazitäten handelt, die Anforderungen an die Darlegung der Verwertung begrenzen würde, wäre der vorliegende Vortrag der Klägerin nicht ausreichend. Es wird nicht deutlich, welches Unternehmen die Sortierung der Abfälle durchführt und wohin und durch welches Unternehmen die Abfälle weiter verbracht werden.
3.
Die Untersagung der gewerblichen Sammlung der Klägerin ist auch verhältnismäßig. Sie ist geeignet und insbesondere erforderlich, weil kein milderes, gleich geeignetes Mittel zur Verfügung stand, um die Anforderungen, die § 18 KrWG an eine gewerbliche Sammlung stellt, zu gewährleisten. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof führt hierzu in einem vergleichbaren Fall aus (BayVGH, B. v. 18.11.2013 – 20 CS 13.1847 – juris, Rn. 16 ff.):
„Es dürfte zwar zutreffen, dass die zuständige Behörde die gesetzlichen Anforderungen der Anzeige einer gewerblichen Sammlung nach § 18 Abs. 2 KrWG durch eine Zwangsmittel bewehrte Anordnung im Einzelfall (§ 62 KrWG) durchsetzen und bei vorwerfbaren Verstößen eine Ahndung gemäß § 69 Abs. 3 KrWG erfolgen kann (so VGH BW B. v. 10.10.2013 – 10 S 1202/13 – juris). Dabei muss allerdings berücksichtigt werden, dass im Fall der Sicherstellung der ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung der einzusammelnden Abfälle (§ 18 Abs. 5 Satz 2, § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG) die grundsätzliche Zulässigkeit der gewerblichen Sammlung in Frage steht. Denn die gesetzliche Pflicht zur Überlassung der Abfälle an den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger besteht nur dann nicht, wenn die Abfälle durch eine gewerbliche Sammlung einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung zugeführt werden. Nur wenn diese Tatbestandvoraussetzung erfüllt ist, greift die grundsätzliche Überlassungspflicht des § 17 Abs. 1 KrWG nicht. Bereits § 13 Absatz 3 Satz 1 Nummer 3 KrW-/AbfG enthielt im Übrigen eine Nachweispflicht für gewerbliche Sammlungen. Bislang musste die ordnungsgemäße und schadlose Verwertung gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger nachgewiesen werden. Die Anzeigepflicht geht bezüglich der zu übermittelnden Informationen nur unwesentlich über die Nachweispflicht des § 13 Absatz 3 Satz 1 Nummer 3 KrW-/AbfG hinaus (vgl. BT-Drucksache 17/6052 S. 64).
Beruft sich nun eine gewerbliche Sammlerin wie die Antragstellerin auf die Erfüllung der gesetzlichen Ausnahmevorschrift des § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG, so ist sie hierfür im vollen Umfang darlegungs- und beweispflichtig. Diese Verpflichtung wurde in § 18 Abs. 2 Nr. 4 und 5 KrWG zum Ausdruck gebracht und gilt hier umso mehr, als die Verwertung außerhalb des Bundesgebietes erfolgen soll und nicht ersichtlich ist, wie und im welchen Verhältnis dort die Vorbereitung zur Wiederverwendung oder ein Recycling erfolgen soll (a.A. wohl NdsOVG B. v. 15.8.2013 – 7 ME 62/13 – juris). Verwiese man nun die zuständige Abfallbehörde auf die sie treffende Amtsermittlungspflicht und die Möglichkeit, die qualifizierte gesetzliche Anzeigepflicht der gewerblichen Sammlerin mit Mitteln des Verwaltungszwangs und mittelbar durch die Verfolgung nach dem Ordnungswidrigkeitenrecht durchzusetzen, so wäre bis zur Durchsetzung dieser die Antragstellerin treffenden Verpflichtung die ordnungsgemäße und schadlose Verwertung der in der Zwischenzeit eingesammelten Abfälle offen und damit nicht gewährleistet. Das ist von der durch das Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Bewirtschaftung von Abfällen vom 24. Februar 2012 (Kreislaufwirtschaftsgesetz – KrWG) eingeführte Anzeigepflicht ersichtlich nicht gewollt. Die Darlegung der Verwertungswege und der ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung der gesammelten Abfälle ist zur Klärung der Frage, ob die Voraussetzungen des § 17 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 und 4 und Absatz 3 bestehen, unbedingt erforderlich (BT-Drucksache 17/1652 S. 106).
Die Anzeige nach § 18 Abs. 2 KrWG ist nicht wie eine Anzeige nach § 14 GewO ausgestaltet, bei der die Befugnis des Gewerbetreibenden zur Eröffnung oder Änderung seines Betriebes nicht von einem bestimmten Handeln oder Unterlassen der Behörde abhängt, der die Anzeige erstattet wird. Der Anzeigepflichtige hat dort nur einer Ordnungsvorschrift nachzukommen, ohne dass seine Anzeige regelmäßig ein Verfahren in Gang setzt, das einem Genehmigungsverfahren ähnelt. Hiervon zu unterscheiden ist ein qualifiziertes Anzeigeverfahren, bei dem es der zuständigen Behörde ermöglicht werden soll, innerhalb einer gesetzlichen Frist, also hier innerhalb der Dreimonatsfrist des § 18 Abs. 1 KrwG, über die Rechtmäßigkeit des angezeigten Sachverhaltes zu befinden. Durch die Festlegung der beizubringenden Angaben und Unterlagen bestehen schon im Vorfeld einer geplanten Sammlung Planungssicherheit und eine ausreichende Rechtssicherheit, ob die Sammlung durchgeführt werden kann (BT-Drucksache 17/1652 S. 106). Hat die zuständige Behörde das angezeigte Vorhaben nicht beanstandet, so darf es ausgeführt werden. Hält sie es dagegen für rechtswidrig, so muss sie seine Ausführung vor Ablauf der Frist untersagen (vgl. zu einem baurechtlichen Anzeigeverfahren nach Landesrecht BVerwG U. v. 12.11.1964 – I C 58.64 – BVerwGE 20, 12).
Für bereits vor dem Inkrafttreten des Kreislaufwirtschaftsgesetzes am 1. Juni 2012 durchgeführte gewerbliche Sammlungen gilt nach § 72 Abs. 2 KrWG Vergleichbares. Sie sind danach in der dem § 18 Abs. 2 KrWG entsprechenden Form bis spätestens 1. September 2012 anzuzeigen. Ist aufgrund der abgegebenen Anzeige und der eingereichten Unterlagen die ordnungsgemäße und schadlose Verwertung der einzusammelnden Abfälle nicht sichergestellt, hat die Behörde die Sammlung zu untersagen, wenn weniger belastende Maßnahmen, wie Bedingungen und Auflagen (§ 18 Abs. 5 Satz 1 KrWG) insoweit nicht den gleichen Erfolg versprechen (a.A. OVG Rheinland-Pfalz B. v. 09.10.2013 – 8 B 10791.13 – juris). So liegt der Fall hier, weil nicht ersichtlich ist, wie Bedingungen und Auflagen oder auch eine Befristung nach § 18 Abs. 5 Satz 1 KrWG eine ordnungsgemäße und schadlose Verwertung sicherstellen könnten.
Die streitgegenständliche Untersagung ist auch angemessen. Zwar wird durch die Untersagung in die Berufsfreiheit der Antragstellerin nach Art. 12 GG eingegriffen. Entscheidend ins Gewicht fällt jedoch, dass zum einen nur die von der Antragstellerin angezeigte Sammlung und nicht ihre gesamte Sammlungstätigkeit (vgl. § 53 KrWG) untersagt wurde. Zum anderen liegt es in der Hand der Antragstellerin, die erforderlichen Angaben zu machen, die eine ordnungsgemäße Prüfung der angezeigten Sammlung ermöglichen. Erfolgt dies, so muss überprüft werden, ob die Untersagungsverfügung aufrechterhalten bleibt oder ggf. durch weniger eingreifende Maßnahmen ersetzt oder sogar aufgehoben werden kann. Nachdem es sich bei der Untersagungsverfügung um einen Dauerverwaltungsakt handelt (BayVGH B. v. 24.7.2012 – 20 CS 12.841 – juris; VGH BW B. v. 10.10.2013 – 10 S 1202/13 – juris), ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgebend.“
Die Kammer schließt sich diesen Ausführungen vollumfänglich an, insbesondere zu der Frage der Sicherstellung einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung durch Bedingungen und Auflagen oder eine Befristung nach § 18 Abs. 5 Satz 1 KrWG sowie zur fehlenden Beeinträchtigung der Rechte aus Art. 12 GG vor allem durch die Möglichkeit, nachträglich Angaben zu den Verwertungswegen zu machen. Seitens des Landratsamts Miltenberg wurden konkrete Hinweise zur Präzisierung der Angaben über die Verwertungswege gegeben. Letztlich wurden diese nicht aufgegriffen.
4.
Da es an dem Nachweis einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung fehlt, kann es dahinstehen, ob im vorliegenden Fall Tatsachen bekannt sind, aus denen sich Bedenken gegen die Zuverlässigkeit der Klägerin oder der für die Leitung und Beaufsichtigung der Sammlung verantwortlichen Personen (§ 18 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 KrWG) ergeben.
Unzuverlässig ist in Anknüpfung an die gewerberechtliche Definition, wer nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, die in Rede stehende Tätigkeit zukünftig ordnungsgemäß auszuüben (OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 7.5.2015 – 20 A 2670/13 – juris Rn. 58). Ist der Sammler eine juristische Person, so ist einerseits auf das Verhalten ihrer gesetzlichen Vertreter und andererseits aber auch auf das Verhalten der von ihr beauftragten Personen oder Unternehmen abzustellen (OVG Nordrhein-Westfalen a. a. O.). Dabei muss der Vorwurf der Unzuverlässigkeit durch konkrete Tatsachen belegt sein, reine Mutmaßungen oder Wahrscheinlichkeitsüberlegungen reichen hierfür nicht. Auch muss sich der Vorwurf der Unzuverlässigkeit aus gewerblich geprägten Verstößen ergeben, wobei diese Verstöße ein umso höheres Gewicht haben, je mehr sie das konkrete Schutzgut des Abfallrechts – den Schutz der Umwelt – betreffen (OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 7.5.2015 – 20 A 2670/13 – juris Rn. 68). Allerdings können auch sonstige Verstöße im Rahmen gewerblicher Tätigkeiten die Annahme der Unzuverlässigkeit begründen, wenn sich in diesen etwa eine beachtliche Tendenz zur Missachtung des Rechts zeigt (Karpenstein/Dingemann in: Jarass, KrWG, § 18 Rn. 77). Insofern sind etwa im Rahmen gewerblicher Abfallsammlungen massive und systematische Verstöße gegen Straßen- und Wegerecht oder gegen zivilrechtliche Bestimmungen als möglicher Ausdruck abfallrechtlicher Unzuverlässigkeit anerkannt (OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 7.5.2015 – 20 A 2670/13 – juris Rn. 72 ff.; VGH Baden-Württemberg, B. v. 5.5.2014 – 10 S 30/14 – juris Rn. 18). In zeitlicher Hinsicht ist zu beachten, dass es sich bei der Frage der Unzuverlässigkeit um eine Prognoseentscheidung handelt, die durch bewiesenes Verhalten in der Vergangenheit Rückschlüsse auf das Verhalten in der Zukunft zu ziehen versucht (OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 7.5.2015 – 20 A 2670/13 – juris Rn. 85 ff.; VGH Baden-Württemberg, B. v. 5.5.2014 – 10 S 30/14 – juris Rn. 12; Karpenstein/Dingemann in: Jarass, KrWG, § 18 Rn. 77). Dabei wiegen Verstöße in der näheren Vergangenheit schwerer als weiter zurückliegende Verfehlungen. Dadurch, dass der Begriff „Unzuverlässigkeit“ an die Person des Abfallsammlers anknüpft, können sämtliche Verstöße – und nicht nur solche, welche sich im Rahmen der konkreten Sammlung ereignet haben – herangezogen werden (OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 7.5.2015 – 20 A 2670/13 – juris Rn. 67).
Es erscheint fraglich, ob die nach den soeben dargestellten Grundsätzen zu bewertende Unzuverlässigkeit der Klägerin anhand der vorliegenden Erkenntnisse nachgewiesen ist. Zwar hat die Klägerin unter einem Verstoß gegen die Anzeigepflicht die Sammlung im Landkreisgebiet aufgenommen. Auch ist unbestritten, dass die Klägerin den Eindruck erweckt, die Sammlung diene zumindest auch gemeinnützigen Zwecken. Damit hat das Landratsamt Miltenberg im konkreten Verwaltungsstreitverfahren nach Ansicht der Kammer jedoch noch nicht aufgezeigt, inwiefern hierin massive und systematische Verstöße gegen geltendes Recht vorliegen, die im vorliegenden Verfahren die Prognose rechtfertigen, dass die Klägerin sich als „abfallrechtlich“ unzuverlässig erweist. Jedoch kann auch dies letztlich dahinstehen, da es bereits an einer ordnungsgemäßen Darlegung der Verwertungswege (vgl. oben unter 2.) fehlt.
5.
Nach allem kommt es auch auf die Frage, ob die Untersagungsverfügung außerdem auf die der Sammlung entgegenstehenden überwiegenden öffentlichen Interessen (§ 18 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1, § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 KrWG) gestützt werden kann, nicht mehr an.
6.
Da gegen die Androhung des Zwangsgelds in Ziffer 1 des Bescheids vom 23. Juni 2015 (Art. 29 Abs. 2 Nr. 1, 31, 36 VwZVG) keine rechtlichen Bedenken bestehen, war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.


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