Europarecht

Die einer Ausnahmegenehmigung nach § 27 Abs. 2 Satz 1 der 13. BayIfSMV zur Zulassung einer volksfestähnlichen Veranstaltung beigefügten Nebenbestimmungen, die eine Testpflicht für die Besucher der Veranstaltung anordnen und eine Regelung enthalten, wonach die Ausnahmegenehmigung erlischt, wenn die 7-Tage-Inzidenz an 3 aufeinanderfolgenden Tagen den Wert 10 überschreitet, ist nach summarischer Prüfung nicht zu beanstanden.

Aktenzeichen  RN 5 S 21.1461

Datum:
23.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 20499
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 7 Abs. 3
13. BayIfSMV 27 Abs. 2 S. 1
BayVwVfG Art. 36 Abs. 2 Nrn. 2 und 4
BayVwVfG Art. 36 Abs. 3

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,– EUR festgesetzt

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen Nebenbestimmungen in einem Bescheid des Landratsamts Regen, mit dem dieses der Antragstellerin eine Ausnahme vom Veranstaltungsverbot nach § 7 Abs. 3 der Dreizehnten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (13. BayIfSMV) erteilt hat.
Das Landratsamt Regen erteilte der Antragstellerin auf ihren Antrag hin mit Bescheid vom 20.7.2021 für den vom … bis zum … in … stattfindenden … als …festersatzveranstaltung eine Ausnahme vom Veranstaltungsverbot nach § 7 Abs. 3 der 13. BayIfSMV (Nr. 1 des Bescheides). Für die Durchführung der genannten Veranstaltung wurden unter Nr. 2 insgesamt 17 Nebenbestimmungen festgelegt. Darunter finden sich die folgenden Nebenbestimmungen:
2.7 Der Veranstalter hat sich von Gästen, die das Veranstaltungsgelände betreten wollen, ein aktuelles, schriftliches oder elektronisches negatives Testergebnis eines PCR- oder professionellen POC-Antigentests, bei dem die zugrundeliegende Testung maximal 24 Stunden zurückliegt, vorlegen zu lassen. Ausgenommen hiervon sind Personen, die das 6. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sowie Genesene und vollständig Geimpfte.
2.13 Im Bereich des … sind Laufwege in der Breite von 1,50 m freizuhalten. Dies ist erfüllt, wenn zwischen den Außenkanten der Bierzeltgarnituren je ein Abstand von mindestens 2 m eingehalten wird.
2.17 Wird die 7-Tage-Inzidenz von 10 im Landkreis Regen vom 20.7.2021 bis 7.8.2021 an 3 aufeinanderfolgenden Tagen überschritten, erlischt die Erlaubnis nach Nr. 1 dieses Bescheides ab dem darauffolgenden Tag (auflösende Bedingung).
Unter Nr. 3 des Bescheids wurde die sofortige Vollziehung aller Nebenbestimmungen angeordnet.
Bei der geplanten Veranstaltung handele es sich um eine Ersatzveranstaltung für das aufgrund der aktuellen Corona-Lage dieses Jahr nicht zulässige …fest in … Beim … handele es sich somit um eine grundsätzlich nach § 7 Abs. 3 der 13. BayIfSMV verbotene Veranstaltung. Nach dieser Vorschrift seien Veranstaltungen, Versammlungen, soweit es sich nicht um Versammlungen nach § 9 der 13. BayIfSMV handele, Ansammlungen sowie öffentliche Festivitäten landesweit untersagt. Derartige Veranstaltungen habe der Verordnungsgeber aufgrund der zu erwartenden Besucher aus infektionsschutzrechtlicher Sicht im Regelfall untersagt, da sie seiner Auffassung nach noch nicht vertretbar seien. Die Kreisverwaltungsbehörden könnten jedoch nach § 27 Abs. 2 Satz 1 der 13. BayIfSMV Ausnahmen erteilen, soweit eine infektionsschutzrechtliche Vertretbarkeit bejaht werden könne. Hier seien die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gegeben. Einerseits liege die 7-Tage-Inzidenz im Landkreis Regen aktuell bei lediglich 2,6 (Stand: 19.7.2021). Auch bayernweit liege die 7-Tage-Inzidenz bei dem verhältnismäßig niedrigen Stand von 10,7 (Stand: 19.7.2021). Um die infektionsschutzrechtliche Vertretbarkeit darüber hinaus zu gewährleisten, sei die Ausnahme vom Veranstaltungsverbot mit Nebenbestimmungen versehen worden.
Die Nebenbestimmungen seien nach Art. 36 Abs. 2 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG) nach pflichtgemäßem Ermessen festgesetzt worden. Die Auflagen unter Nrn. 2.2 bis 2.16 seien geeignet und erforderlich, um die infektionsschutzrechtliche Vertretbarkeit der Ausnahme zu gewährleisten und um im Rahmen der Interessenabwägung den Gesundheitsschutz der Bevölkerung trotz Durchführung der Veranstaltung zu gewährleisten. In diesem Zusammenhang überwiege das Interesse der Bevölkerung auf Gesundheitsschutz das Interesse der Antragstellerin, die Veranstaltung ohne Auflagen durchführen zu dürfen. Besonders zu berücksichtigen sei dabei die bestehende Gefahr der Ausbreitung der Virusvariante B.1.617.2 (Delta). Vorläufige Ergebnisse aus Großbritannien wiesen auf eine höhere Übertragbarkeit der Variante im Vergleich zu anderen Varianten hin. Außerdem könnten Infektionen mit der Variante B.1.617.2 zu schwereren Krankheitsverläufen führen.
Die auflösende Bedingung unter Nr. 2.17 des Bescheides sei geeignet, um die Ausnahmegenehmigung, sobald die Inzidenz steige und damit keine infektionsschutzrechtliche Vertretbarkeit mehr gewährleistet werden könne, erlöschen zu lassen. In diesem Zusammenhang sei zu bedenken, dass nach dem Willen des Verordnungsgebers öffentliche Veranstaltungen grundsätzlich (noch) zu unterbleiben hätten. Im Regelfall seien derartige Veranstaltungen noch nicht vertretbar. Die erteilte Ausnahme könne im Landkreis Regen lediglich deshalb genehmigt werden, weil die 7-Tage-Inzidenz im Landkreis Regen aktuell bei 0 (Stand: 13.7.2021) liege. Die festgesetzte auflösende Bedingung sei somit geeignet, um beim Wegfall dieses Umstandes die Erlaubnis erlöschen zu lassen. Sie sei zudem erforderlich, da bei einem Anstieg der 7-Tage-Inzidenz über 10 kein anderes Mittel mehr möglich sei, um eine infektionsschutzrechtliche Vertretbarkeit bejahen zu können. Werde die Inzidenz von 10 an mehreren Tagen überschritten, könne nicht mehr von einer stabilen 7-Tage-Inzidenz auf niedrigem Niveau gesprochen werden. Auch nach Einschätzung des Gesundheitsministeriums sei hierfür ein einstelliges Niveau erforderlich. Eine höhere Inzidenz habe nicht festgesetzt werden können, da die Durchführung der Veranstaltung bei einer höheren Inzidenz auch bei noch schärferen Nebenbestimmungen nicht mehr denkbar sei. Es gebe somit kein geringeres geeignetes Mittel, um dem Infektionsschutz Rechnung zu tragen.
Die sofortige Vollziehung der festgesetzten Auflagen sei gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) angeordnet worden. Die Bevölkerung müsse vor drohenden Gesundheitsgefahren durch die anhaltende Corona-Pandemie geschützt werden. Besonders zu berücksichtigen sei dabei die bestehende Gefahr der Ausbreitung der Variante B.1.617.2. Die Anordnungen würden ihren vorgesehenen Zweck verfehlen, während der Veranstaltung die Gesundheit der Veranstaltungsteilnehmer und der Allgemeinheit zu schützen, wenn ihr Vollzug durch die Einlegung eines Rechtsbehelfs bis zum Eintritt der Unanfechtbarkeit hinausgeschoben werden könnte.
Hinsichtlich der Begründung im Übrigen wird auf den Inhalt des Bescheids Bezug genommen.
Am 22.7.2021 stellte die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht Regensburg einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO. Der Bescheid des Landratsamts enthalte übertriebene Maßnahmen. So sei nicht einzusehen, dass eine generelle Testpflicht für alle Gäste bestehe. Bei anderen Veranstaltungen in Bayern müsse erst ab einer Inzidenz von 50 getestet werden. Eine Testpflicht könne erst ab einer Inzidenz von 35 akzeptiert werden. Auch sei die Nr. 2.13 nicht nachvollziehbar. Dort werde ein Abstand von 2 m gefordert, obwohl zwischen den Gästen in der Gastronomie ein Abstand von 1,50 m ausreichend sei. Im weiteren Verlauf ihrer Antragsbegründung führt die Antragstellerin dann jedoch aus, dass die Nr. 2.13 so akzeptiert werden könne, da genügend Fläche zur Verfügung stehe. Schließlich wende sich die Antragstellerin gegen die komplette Schließung des … ab einer Inzidenz von 10 in Nr. 2.17. Ein derartiger Wert gelte in der Gastronomie nicht. Die Antragstellerin könne sich allenfalls vorstellen, den Festzeltbetrieb bei einer Inzidenz von 50 komplett schließen zu müssen. Insgesamt sei zu bedenken, dass in Bayern derzeit bei anderen Veranstaltungen weit mehr Besucher erwartet würden und diese Veranstaltungen bis zu einer Inzidenz von 100 erlaubt seien. Es sei hier nur an Freizeitparks und Biergärten zu denken. Bei der Veranstaltung handele es sich auch nicht um eine Ersatzveranstaltung zum Volksfest, das bereits am 18. Juli vorbei gewesen wäre. Veranstalter sei hier immer die Stadt …
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
die aufschiebende Wirkung einer noch zu erhebenden Klage gegen die Nebenbestimmungen in den Nrn. 2.7 und 2.17 wiederherzustellen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Die Antragstellerin habe keinen Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung. Eine Ausnahmegenehmigung könne nur erteilt werden, wenn ein besonders gelagerter Fall vorliege, der ein Abweichen von der allgemeinen Verbotsregelung des § 7 Abs. 3 der 13. BayIfSMV rechtfertige. Bei dem von der Antragstellerin vorgesehenen Biergartenbetrieb handele es sich um eine volksfestähnliche Veranstaltung. Der …betrieb solle zeitgleich und in unmittelbarem räumlichen Anschluss an eine öffentliche Vergnügung (mobiler Freizeitpark mit Fahrgeschäften und weiteren Attraktionen) stattfinden. Der Betrieb eines mobilen Freizeitparks sei grundsätzlich aufgrund des § 13 Abs. 3 der 13. BayIfSMV unter Zugrundelegung eines angemessenen Hygienekonzepts zulässig. In Kombination mit dem Vergnügungspark könne die Veranstaltung „…“ jedoch nicht als ein von einem herkömmlichen Volksfestbetrieb deutlich abweichender, atypischer Sonderfall angesehen werden. Nach den Maßstäben der Rechtsprechung sei kein Anspruch der Antragstellerin auf Zulassung ihres Vorhabens im Wege der Ausnahmevorschrift des § 27 Abs. 2 der 13. BayIfSMV erkennbar. Letztendlich sei erst durch eine ermessenslenkende E-Mail-Mitteilung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege (StMGP) vom 9.7.2021 an die Bezirksregierung Raum für eine ausnahmsweise Zulassung derartiger Veranstaltungen geschaffen worden. Die von der Antragstellerin reklamierten Bescheidsregelungen würden der Einhaltung der Infektionsschutzrechtlich zu fordernde Voraussetzungen dienen.
Die Anordnung unter Nr. 2.7 (Testpflicht für Besucher) trage dem Umstand Rechnung, dass der … auch ungeimpften Gästen offen stehe. Die Auflage sei geeignet, um Neuinfektionen und die Ausbreitung von SARS-CoV-2 einzudämmen, da durch die Vorlage eines Testergebnisses das Risiko minimiert werde, dass sich infektiöse Personen auf der Veranstaltung aufhalten. Außerdem sei die Testpflicht geeignet, um auch bei Verstößen gegen die festgesetzten Auflagen bezüglich der Kontaktbeschränkungen und des Tragens von FFP2-Masken eine Infektionsgefahr zu reduzieren. Aufgrund des Charakters der geplanten Veranstaltung müsse mit derartigen Verstößen gerechnet werden. Weniger einschneidendere Mittel, die ebenso zielführend seien, seien nicht ersichtlich. Im Rahmen der Anordnung der Auflage sei das Interesse der Bevölkerung und der Veranstaltungsteilnehmer auf Gesundheitsschutz gegen das wirtschaftliche Interesse des Veranstalters, Personen ohne Test auf das Veranstaltungsgelände zu lassen, gegeneinander abgewogen worden, wobei dem Interesse des Gesundheitsschutzes der Vorrang eingeräumt worden sei.
Die Nebenbestimmung unter Nr. 2.17 (Erlöschen der Ausnahmegenehmigung bei 3-tägigem Überschreiten der 7-Tage-Inzidenz von 10) trage dem Umstand Rechnung, dass Ausnahmegenehmigungen aus infektionsschutzrechtlicher Sicht nur auf der Basis einer niedrigen und stabilen Inzidenz denkbar seien. Die auflösende Bedingung stelle sicher, dass bei einem Anstieg der Inzidenz der …betrieb aus Gründen des Infektionsschutzes ende. Die nach wie vor vorliegende Pandemie erfordere es, Infektionsgefahren rechtzeitig und zur Vorbeugung einer erneuten exponentiellen Entwicklung wirksam abzuwehren. Hieran müsse sich der Veranstalter einer vom Verordnungsgeber derzeit immer noch grundsätzlich verbotenen und nur im Wege der Ausnahme zuzulassenden Veranstaltung ausrichten und gegebenenfalls zur Gefahrenvorbeugung rechtzeitig schließen. Dem Landratsamt seien keine anderen Veranstaltungen bekannt, die unter weniger einschneidenden Nebenbestimmungen zugelassen worden seien. Jedenfalls durch das Landratsamt Regen seien keine vergleichbaren Veranstaltungen genehmigt worden.
Im Übrigen sei die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung schon deshalb nicht möglich, weil der Antragsteller noch keine Anfechtungsklage erhoben habe.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die dem Gericht vorliegenden Akten des Antragsgegners Bezug genommen.
II.
Der Antragsschriftsatz der anwaltlich nicht vertretenen Antragstellerin enthält keinen konkreten Antrag. Deshalb musste das Gericht den Schriftsatz nach dem erkennbaren Rechtschutzziel der Antragstellerin gemäß den §§ 133, 177 BGB analog auslegen. Vorliegend geht es der Antragstellerin darum, die Nebenbestimmungen in den Nrn. 2.7 sowie 2.17 des streitgegenständlichen Bescheids nicht erfüllen zu müssen. Dieses Ziel kann sie dadurch erreichen, dass die aufschiebende Wirkung einer noch zu erhebenden Anfechtungsklage bezüglich dieser Nebenbestimmungen wiederhergestellt wird. Deshalb hat das Gericht den Schriftsatz dergestalt ausgelegt, dass ein Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO bezüglich der Nebenbestimmungen Nrn. 2.7 und 2.17 gestellt ist.
Ferner ist dem Antragsschriftsatz zu entnehmen, dass sich die Antragstellerin nicht gegen die Nebenbestimmung in Nr. 2.13 des Bescheids wendet. Dort ist geregelt, dass im Bereich des … Laufwege in der Breite von 1,5 m freizuhalten sind. Diese Anforderung sei laut Bescheid erfüllt, wenn zwischen den Außenkanten der Bierzeltgarnituren je ein Abstand von mindestens 2 m eingehalten werde. Zwar hat die Antragstellerin diese Regelung zunächst in ihrem Antragsschriftsatz kritisiert und darauf hingewiesen, dass in der Gastronomie zwischen den Gästen ein Abstand von 1,50 m ausreichend sei. Die Anordnung in Nr. 2.13 will aber gerade sicherstellen, dass dieser Mindestabstand von 1,50 m eingehalten wird. Um dies zu gewährleisten müssen die Bierzeltgarnituren laut Bescheid einen Abstand von 2 m einhalten. Da die Antragstellerin im weiteren Verlauf ihrer Antragsbegründung ausführt, die Regelung in Nr. 2.13 könne sie so akzeptieren, da genügend Fläche zur Verfügung stehe, geht das Gericht davon aus, dass diese Regelung nicht angegriffen wird. Im Ergebnis wendet sich die Antragstellerin damit ausschließlich gegen die Nrn. 2.7 sowie 2.17.
Der so verstandene Antrag ist zulässig, aber nicht begründet.
1. Der Antrag ist zulässig.
Der Antrag ist insbesondere statthaft. Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung unter anderem dann ganz oder teilweise anordnen, wenn die aufschiebende Wirkung der Klage aufgrund bundes- oder landesgesetzlicher Regelungen entfällt. Wurde die sofortige Vollziehung dagegen nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde angeordnet, so kann das Gericht die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise wiederherstellen. Hier hat das Landratsamt Regen den Sofortvollzug bei den Nebenbestimmungen gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet (vgl. Nr. 3 des Bescheids). Bei der Anordnung der Testpflicht (Nr. 2.7) handelt es sich um eine Auflage im Sinne des Art. 36 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG und bei dem Erlöschenstatbestand in Nr. 2.17 handelt es sich um eine auflösende Bedingung im Sinne des Art. 36 Abs. 2 Nr. 2 BayVwVfG. Derartige Nebenbestimmungen in einem begünstigenden Verwaltungsakt sind grundsätzlich im Hauptsacheverfahren isoliert mit der Anfechtungsklage anfechtbar (vgl. dazu: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 21. Aufl. 2020, § 36 Rn. 88 ff.). Dies gilt jedenfalls dann, wenn der verbleibende Verwaltungsakt ohne Nebenbestimmung für sich genommen rechtmäßig ist (BVerwG, U.v. 6.11.2019 – 8 C 14.18 – juris, Rn. 19). Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist somit ein Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO statthaft, wenn die angegriffenen Nebenbestimmungen – wie hier – sofort vollziehbar sind.
Der Antrag konnte ferner auch bereits vor Klageerhebung gestellt werden, was schon aus § 80 Abs. 5 Satz 2 VwGO folgt. Einer Klageerhebung bedarf es im vorliegenden Fall auch nicht, weil der Bescheid vom 20.7.2021 erst nach Abschluss der Veranstaltung, für die die Ausnahmegenehmigung erteilt worden ist, bestandskräftig wird.
2. Der Antrag ist jedoch nicht begründet.
Soweit das Landratsamt den Sofortvollzug angeordnet hat, hält diese Anordnung die formellen Voraussetzungen ein (vgl. dazu a)). Im Übrigen hat das Gericht im Rahmen der Begründetheitsprüfung eine selbstständige und originäre Interessenabwägung durchzuführen, im Rahmen derer die Erfolgsaussichten der Hauptsacheklage eine wesentliche Rolle spielen. Diese Interessenabwägung fällt zulasten der Antragstellerin aus (vgl. dazu b)).
a) Hat die Behörde die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten angeordnet, so ist gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Die Begründungspflicht ist auch Ausdruck des aus Art. 19 Abs. 4 GG folgenden Gebots effektiven Rechtsschutzes gegen Akte der öffentlichen Gewalt. Die nach § 80 Abs. 1 VwGO für den Regelfall vorgesehene aufschiebende Wirkung ist eine adäquate Ausprägung der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG. Die Pflicht zur Begründung nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO soll der Behörde den auch von Verfassung wegen bestehenden Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung vor Augen führen und sie veranlassen, mit Sorgfalt zu prüfen, ob tatsächlich ein überwiegendes öffentliches Interesse den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erfordert. Diese vom Gesetzgeber beabsichtigte „Warnfunktion“ beruht letztlich auf dem besonderen Stellenwert, den die Verfassung der aufschiebenden Wirkung beimisst (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 80 Rn. 84 m.w.N.). Art. 19 Abs. 4 GG ist deshalb verletzt, wenn die Anordnung überhaupt keine Begründung enthält. Der verfassungsrechtlichen Bedeutung der Begründungspflicht ist aber auch hinsichtlich der inhaltlichen Anforderungen an die Begründung Rechnung zu tragen. Dem Erfordernis einer schriftlichen Begründung ist nicht bereits genügt, wenn überhaupt eine Begründung gegeben wird. Es bedarf vielmehr einer schlüssigen, konkreten und substantiierten Darlegung der wesentlichen Erwägungen, warum aus Sicht der Behörde gerade im vorliegenden Einzelfall ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung gegeben ist und das Interesse des Betroffenen am Bestehen der aufschiebenden Wirkung ausnahmsweise zurückzutreten hat (so ausdrücklich: BVerwG, B.v. 18.9.2001 – 1 DB 26.01 – juris m.w.N. aus Rspr. und Lit).
Hier hat das Landratsamt die Anordnung des Sofortvollzugs im angegriffenen Bescheid zwar knapp aber gleichwohl in ausreichender Weise begründet. Es hat dargelegt, dass die Nebenbestimmungen im Interesse des Gesundheitsschutzes der Besucher sowie der Allgemeinheit angeordnet worden seien und dass der Gesundheitsschutz verfehlt werden würde, wenn eine Klage aufschiebende Wirkung entfalten würde. Im Übrigen hat es in seiner Begründung darauf hingewiesen, dass der besonderen Gefahr der Ausbreitung der Delta-Variante B.1.617.2 begegnet werden müsse. Diese Erwägungen sind völlig ausreichend.
b) Die beiden von der Antragstellerin angegriffenen Nebenbestimmungen sind nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage rechtmäßig.
Bei dem geplanten … handelt es sich um eine öffentliche Festivität, die grundsätzlich nach § 7 Abs. 3 der 13. BayIfSMV verboten ist. Aus den dem Gericht vorliegenden Behördenakten ergibt sich, dass es sich bei dem geplanten Biergarten nicht um einen Gastronomiebetrieb handelt, der unter den Voraussetzungen des § 15 der 13. BayIfSMV erlaubt wäre. Ein temporär errichteter Biergarten ohne gültige Konzession kann nicht unter den Begriff der Gastronomie gefasst werden. Hinzu kommt, dass in unmittelbarer Nähe des … ein mobiler Freizeitpark mit Fahrgeschäften betrieben wird, sodass der Veranstaltung der Antragstellerin insgesamt ein volksfestähnlicher Charakter beizumessen ist. Entsprechend der Einschätzung des Verordnungsgebers sind derartige Veranstaltungen derzeit generell untersagt, was aus § 7 Abs. 3 der 13. BayIfSMV folgt.
Für die Durchführung der Veranstaltung bedurfte es somit einer Ausnahmegenehmigung gemäß § 27 Abs. 2 Satz 1 der 13. BayIfSMV. Danach können Ausnahmegenehmigungen im Einzelfall auf Antrag von der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde erteilt werden, soweit dies aus infektionsschutzrechtlicher Sicht vertretbar ist. Nach der ständigen Rechtsprechung der entscheidenden Kammer setzt die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung grundsätzlich voraus, dass ein besonderer Ausnahmefall von der allgemeinen Regelung vorliegt, es sich mithin um einen atypischen Einzelfall handelt, der aufgrund besonders gelagerter Umstände bzw. wenn es damit einhergehend infektionsschutzrechtlich vertretbar ist. Zudem ist eine entspreche Ermessensentscheidung erforderlich (vgl. etwa VG Regensburg, B.v. 3.3.2021 – RN 5 E 21.323 – juris, Rn. 29 ff.).
Zwar stellt der Wortlaut des § 27 Abs. 2 Satz 1 der 13. BayIfSMV nicht unmittelbar auf das Vorliegen eines atypischen Einzelfalls ab. Aus Sicht des Gerichts entspricht es aber dem Wesen eines Ausnahmefalls, dass eine Konstellation vorliegt, die sich vom abstrakt-generellen Regelungszweck der Norm, von der eine Ausnahme begehrt wird, abgrenzt, da sonst nicht zu erkennen wäre, worin eine Ausnahme liegen sollte. Die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung ist letztlich daher für besondere Fallgestaltungen vorgesehen, die von einer Regelung erfasst sind, obwohl diese vom Normgeber bei Betrachtung der maßgeblichen Umstände wohl davon ausgenommen worden wären. Die auftretenden Belastungen können daher auch nur dann eine Ausnahmeentscheidung rechtfertigen, wenn sie über diejenigen Belastungen und Einschränkungen hinausgehen, die der Verordnungsgeber bei Verordnungserlass bereits als zumutbar und verhältnismäßig angesehen hat und von denen nicht alle Regelungsadressaten in gleicher Weise betroffen sind.
Der Antragsgegner hat in seiner Antragserwiderung zurecht darauf hingewiesen, dass die Veranstaltung „…“ in Kombination mit dem Vergnügungspark nicht als ein von einem herkömmlichen Volksfestbetrieb deutlich abweichender, atypischer Sonderfall angesehen werden könne. Die Rechtfertigung für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung lässt sich somit letztendlich ausschließlich damit rechtfertigen, dass ein gewisses Bedürfnis der Bevölkerung an der Durchführung von Veranstaltungen mit volksfestähnlichem Charakter besteht und dass zum Zeitpunkt der Prüfung des Antrags auf Erteilung einer Ausnahme die 7-Tage-Inzidenz im Landkreis Regen bei 0 lag. Im Hinblick auf diese Rahmenbedingungen für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung ist es nicht zu beanstanden, wenn das Landratsamt die Veranstaltung nur unter sehr strengen Nebenbestimmungen zulässt.
Die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung liegt im Ermessen der Behörde, weshalb der Antragsgegner gemäß Art. 36 Abs. 2 und 3 BayVwVfG der zu erteilenden Ausnahmegenehmigung Nebenbestimmungen beifügen durfte, wobei auch insoweit ein weiter Ermessensspielraum besteht, der nur dadurch begrenzt ist, dass die Nebenbestimmung dem Zweck des Verwaltungsaktes nicht zuwiderlaufen darf. Letzteres folgt aus Art. 36 Abs. 3 BayVwVfG.
aa) Die Nebenbestimmung unter Nr. 2.7 (Testpflicht der Besucher) des streitgegenständlichen Bescheids ist nicht zu beanstanden. Diesbezüglich hat der Antragsgegner sowohl im Bescheid als auch in seiner Antragserwiderung dargestellt, dass der … grundsätzlich allen Bevölkerungsschichten offensteht und damit auch für ungeimpfte Gäste zugänglich ist. Da im … eine Vielzahl von Menschen zusammentrifft und es aufgrund des Charakters der Veranstaltung nicht immer gewährleistet sein dürfte, dass die geltenden Abstandsvorschriften durchgängig eingehalten werden, ist die angeordnete Testpflicht eine geeignete und angemessene Maßnahme um eine Ausbreitung von SARS-CoV-2 auf dem Festgelände zu verhindern. Dabei hat der Antragsgegner zu Recht darauf hingewiesen, dass derzeit die sogenannte Delta-Variante des Coronavirus auf dem Vormarsch ist, die infektiöser ist, als die bisher bekannten Varianten. Bedenkt man darüber hinaus, dass PCR-Tests oder professionelle POC-Antigentests nach wie vor kostenlos angeboten werden, so wird ersichtlich, dass es sich beim Testerfordernis um eine wenig einschneidende und vor allem zielführende Maßnahme handelt, die dem Infektionsschutz Rechnung trägt. Mildere Mittel, die das Infektionsrisiko gleichermaßen eindämmen, sind nicht erkennbar. Insgesamt ist die Regelung daher verhältnismäßig.
bb) Auch die auflösende Bedingung in Nr. 2.17 ist voraussichtlich rechtmäßig. In diesem Zusammenhang ist erneut festzustellen, dass volksfestähnliche Veranstaltungen nach dem Willen des Verordnungsgebers derzeit nach § 7 Abs. 3 der 13 BayIfSMV grundsätzlich untersagt sind. Nach den ermessenslenkenden Vorgaben des StMGP (vgl. die sich in den Behördenakten befindliche E-Mail vom 9.7.2021, 18:49 Uhr), können volksfestähnliche Veranstaltungen unter anderem dann ausnahmsweise zugelassen werden, wenn eine stabile 7-Tage-Inzidenz auf niedrigem, möglichst einstelligen Niveau vorliegt. Mit diesen Vorgaben hat der für den Erlass der 13. BayIfSMV zuständige Verordnungsgeber selbst Vorgaben gemacht, unter welchen Voraussetzungen er die Durchführung von an sich unzulässigen Veranstaltungen für infektionsschutzrechtlich vertretbar hält. Wenn sich das Landratsamt beim Vollzug des Art. 27 Abs. 2 Satz 1 der 13. BayIfSMV an diese Vorgaben hält, so ist dies nicht zu beanstanden bzw. aus Gleichbehandlungsgründen sogar geboten. Insofern ist erneut darauf hinzuweisen, dass der Verordnungsgeber grundsätzlich davon ausgeht, dass volksfestähnliche Veranstaltungen verboten sind, und zwar unabhängig von der im Einzelfall bestehenden 7-Tage-Inzidenz. Nur weil die Inzidenzen im gesamten Freistaat Bayern längere Zeit auf niedrigem Niveau verharrten, hat der Verordnungsgeber die zuständigen Behörden verwaltungsintern ermächtigt, Ausnahmen zu erteilen, wenn die Inzidenz langfristig auf niedrigem Niveau verbleibt.
Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Überprüfung ist dieses Vorgehen nicht zu beanstanden. Gerade im Hinblick auf die sich zunehmend verbreitenden infektiöseren Varianten des Coronavirus ist die Einschätzung des Antragsgegners nicht zu beanstanden, dass einem Anstieg der 7-Tage-Inzidenz aus Gründen des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung bereits dann entgegengewirkt werden muss, wenn diese auf niedrigem Niveau ansteigt. Die seitens des Antragsgegners angestellten Ermessenserwägungen, die vom Gericht ohnehin nur daraufhin überprüft werden können, ob die Behörde die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten hat oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (vgl. § 114 Satz 1 VwGO) sind nicht zu beanstanden. Dabei kann es im Übrigen auch keine Rolle spielen, dass ein Abbruch der Veranstaltung für die Antragstellerin ohne Zweifel gravierende wirtschaftliche Einbußen mit sich bringt. Auch insoweit ist wiederum zu berücksichtigen, dass eine an sich verbotene Veranstaltung auf Antrag der Antragstellerin ausnahmsweise zugelassen wurde. Deshalb hat allein die Antragstellerin das wirtschaftliche Risiko im Falle eines vorzeitigen Abbruchs der Veranstaltung zu tragen.
Das Gericht vermag darüber hinaus nicht zu erkennen, dass der Antragsgegner die Antragstellerin im Vergleich zu anderen Veranstaltern benachteiligt und damit gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen hat. Die Antragstellerin nennt hier etwa Freizeitparks und Biergärten. Bei diesen Einrichtungen handelt es sich aber schon von ihrer Natur nach um andersartige Einrichtungen, was bereits daran ersichtlich wird, dass diese in den § 13 Abs. 3 und § 15 der 13. BayIfSMV gesondert geregelt sind und unter bestimmten Voraussetzungen auch zugelassen sind.
Nach alledem war der Antrag mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus den §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 und 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) i.V.m. den Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt auf der Homepage des BVerwG). Das Gericht geht davon aus, dass in der Hauptsache der Regelstreitwert in Höhe von 5.000,- EUR anzusetzen wäre, der nach Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren ist.


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