Europarecht

Dublin-Verfahren, Abschiebung nach Kroatien, Ablehnend:, Entscheidungen Tribunale di Genova (N. 13280/2018 R.G.) und Schweizerisches Bundesverwaltungsgericht (E-3078/2019);, Keine systemischen Mängel

Aktenzeichen  M 3 S 21.50613

Datum:
4.1.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 11089
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1
AsylG § 34a
Verordnung (EU) 604/2013 (Dublin III-VO)

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die im Bescheid der Antragsgegnerin vom 7. September 2021 angeordnete Abschiebung nach Kroatien.
Der Antragsteller, nach eigenen Angaben afghanischer Staatsangehöriger, reiste am 21. April 2021 in das Bundesgebiet ein und äußerte ein Asylgesuch, von dem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) am 22. April 2021 Kenntnis erlangte. Am 14. Juli 2021 stellte der Antragsteller einen förmlichen Asylantrag.
Die Eurodac-Recherche für den Antragsteller vom 9. April 2021 ergab einen Treffer der Kategorie 1 und 2 (Griechenland) und der Kategorie 1 (und 2) wonach der Antragsteller am 24. Februar 2021 einen Antrag auf internationalen Schutz in Kroatien gestellt hat.
Das Bundesamt richtete am 17. Juni 2021 ein auf Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) Dublin III-VO gestütztes Wiederaufnahmegesuch an Kroatien. Mit Schreiben vom 29. Juni 2021 erklärten die kroatischen Behörden ihr Einverständnis mit der Rücküberstellung des Antragstellers auf Grundlage von Art. 18 Abs. 1 Buchst. c) Dublin III-VO.
Mit Bescheid vom 7. September 2021, zugestellt am 9. September 2021, lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab (Nr. 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (Nr. 2), ordnete die Abschiebung nach Kroatien an (Nr. 3) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz auf 19 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Nr. 4).
Am 15. September 2021 hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht München Klage gegen den Bescheid erhoben (M 3 K 21.50612) und zugleich beantragt,
hinsichtlich der Abschiebungsanordnung nach Kroatien die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen.
Zur Begründung wurde auf die Angaben gegenüber dem Bundesamt Bezug genommen und Atteste der Eltern des Antragstellers vorgelegt. Er müsse sich um diese kümmern.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wird auf die Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte, auch im Verfahren M 3 K 21.50612, sowie die vom Bundesamt übermittelte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Abschiebungsanordnung hat in der Sache keinen Erfolg. Zu dem für das Gericht maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 AsylG) ist der Antrag zwar zulässig (§ 34 a Abs. 2 Satz 1 und § 75 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 5 Satz 1 VwGO), insbesondere fristgerecht gestellt. Der Antrag ist jedoch unbegründet, da sich der streitgegenständliche Bescheid bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung als voraussichtlich rechtmäßig erweist.
An der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung bestehen bei summarischer Prüfung keine Zweifel. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 AsylG).
Nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ordnet das Bundesamt die Abschiebung des Ausländers in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) an, sobald feststeht, dass diese durchgeführt werden kann.
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird vollumfänglich auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Bescheids verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen:
1. Vorliegend ist aufgrund der Erkenntnisse über eine Antragstellung auf internationalen Schutz in Kroatien am 24. Februar 2021 der in der Bundesrepublik Deutschland gestellte Asylantrag – nach summarischer Prüfung im Eilverfahren – unzulässig i.S.v. § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) AsylG und vielmehr Kroatien gemäß Art. 18 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO), der zuständige Mitgliedstaat.
Vorliegend ist aufgrund des Eurodac-Ergebnisses und der Erklärung der kroatischen Behörden vom 14. Juni 2021 davon auszugehen, dass Kroatien nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. c) Dublin III-VO verpflichtet ist, den Antragsteller wiederaufzunehmen.
2. Die Zuständigkeit ist auch nicht auf Deutschland übergegangen.
a) Das Wiederaufnahmegesuch wurde innerhalb der Frist des Art. 23 Abs. 2 Unterabs. 1 Dublin III-VO gestellt. Dabei bestand keine Verpflichtung der deutschen Behörden, vor der Vorlage des Gesuchs um Wiederaufnahmen an Kroatien auf der Grundlage der in der Dublin III-VO festgelegten Zuständigkeitskriterien zu bestimmen, ob dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags zuständig ist (EuGH, U.v. 2.4.2019 – C-582/17, C-583/17). Kroatien ist auch aufnahmebereit. Die 6-monatige Überstellungsfrist des Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO war zum Zeitpunkt der Stellung des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO noch nicht abgelaufen.
b) Eine Zuständigkeit der Bundesrepublik ergibt sich auch nicht aus Art. 16 Abs. 1 Dublin IIIVO. Ist ein Elternteil, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, auf die Unterstützung des Antragstellers angewiesen, entscheiden die Mitgliedstaaten in der Regel, den Antragsteller und sein Elternteil nicht zu trennen bzw. sie zusammenzuführen, sofern die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden hat und die betroffenen Personen ihren Wunsch schriftlich kundgetan haben. Das die Zuständigkeit begründende Abhängigkeitsverhältnis bleibt dabei auf Ausnahmesituationen besonderer Hilfsbedürftigkeit beschränkt (vgl. Filzweiser/Sprung, Dublin III-Verordnung, Kommentar, Stand: 1.2.2014, Art. 16 Anm. K3; VG Ansbach, B.v. 5.3.2015 – AN 14 S 15.50026 – juris Rn. 21; VG München, U.v. 6.5.2016 – M 12 K 15.50793 – juris Rn. 42). Ungeachtet dessen, dass weder der Vater noch die Mutter des Antragstellers den Wunsch, von ihm unterstützt zu werden, schriftlich erklärt haben, lässt sich vorliegend kein besonderes Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem Antragsteller und seinen Eltern feststellen. Aus den vorgelegten Attesten ergibt sich nichts anderes. Das Attest vom 2. September 2021 betrifft eine inzwischen abgeschlossene Hämorrhoidenbehandlung; insoweit ist von einer vollständigen Genesung auszugehen. Aus den Attesten vom 13. September und 28. Juni 2021 geht nicht hervor, dass ein Elternteil des Antragstellers auf dessen Unterstützung angewiesen sei.
Weiter ist dem Vortrag des Antragstellers auch nicht zu entnehmen oder anderweitig ersichtlich, dass sich die Eltern des Antragstellers rechtmäßig im Sinne des Art. 16 Dublin III-VO im Bundesgebiet aufhalten. Die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts i.S.v. Art. 16 Abs. 1 Dublin-III-VO setzt voraus, dass der Aufenthalt durch einen exekutiven oder legislativen Akt legalisiert wurde. Das ist der Fall, wenn die Gebietszulassung – wie bei einer Duldung oder Aussetzung der Abschiebung – nicht nur hingenommen, sondern ausdrücklich ermöglicht wird. Ein bloßes gesetzliches vorübergehendes verfahrensbegleitendes Aufenthaltsrecht wie es etwa § 81 Abs. 3 Satz 1 bzw. Abs. 4 Satz 1 AufenthG oder § 55 Abs. 1 AsylG vermitteln, stellt ebenfalls keine Legalisierung in dem vorstehend genannten Sinne dar (VG Bremen, B.v. 14.1.2020 – 4 V 2702/19 – juris Rn. 12; VG Düsseldorf, B.v. 8.4.2015 – 13 L 914/15.A – juris Rn. 17; VG München, B.v. 1.6.2015 – M 12 S 15.50465 – juris Rn. 41). Dass einem Elternteil eine Aufenthaltserlaubnis nach dem Aufenthaltsgesetz erteilt worden ist, ist weder ersichtlich, noch vorgetragen.
3. Die Abschiebung nach Kroatien kann gemäß § 34a Abs. 1 AsylG durchgeführt werden. Gründe i.S.d. Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin-III-VO, die der Überstellung des Antragstellers nach Kroatien entgegenstehen, sind nicht ersichtlich. Insbesondere kann der Antragsteller seiner Überstellung nach Kroatien nicht mit dem Einwand entgegentreten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Kroatien systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung i. S. d. Art. 4 der Grundrechtecharta (GRC) mit sich bringen, sodass eine Überstellung nach Kroatien unmöglich wäre (Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 und 3 der Dublin-III-VO).
Nach dem Prinzip der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG v. 14.5.1996 – 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 – juris) bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH v. 21.12.2011 – C-411/10 und C-493/10 – juris) gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat der EU den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) und der Charta der Grundrechte i.S.v. Art. 6 Abs. 1 EUV entspricht. Allerdings ist diese Vermutung nicht unwiderleglich. Vielmehr obliegt den nationalen Gerichten die Prüfung, ob es im jeweiligen Mitgliedstaat Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber gibt, welche zu einer Gefahr für die Antragsteller führen, bei Rückführung in den zuständigen Mitgliedstaat einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 GRC ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH v. 21.12.2011 a.a.O.). Diese Mängel müssen zudem eine besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit erreichen, die nur vorliegt, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden des Mitgliedstaats zur Folge hätte, dass einem Asylbewerber gerade aufgrund seiner besonderen Schutzbedürftigkeit und unabhängig von seinem Willen und seinen persönlichen Entscheidungen eine Situation extremer materieller Not drohen würde, die es ihm nicht erlauben würde, seine elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigen oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzen würde (EuGH, U. v. 19.3.2019 – C-163/17 – juris Rn. 92, 95).
Ausgehend von diesen Maßstäben ist im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht davon auszugehen, dass der Antragsteller aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Kroatien tatsächlich Gefahr läuft, dort einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Das Gericht schließt sich insoweit der Bewertung des aktuellen Erkenntnismaterials in der ganz überwiegenden verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung an (vgl. etwa VG München, B.v. 20.8.2021 – M 19 S 21.50538 – n.v.; VG München, B.v. 25.2.2021 – M 30 S 21.50068 – n.v.; VG Trier, U.v. 19.11.2020 – 7 K 3079/20.TR – n.v.; VG Giessen, B.v. 16.11.2020 – 2 L 3827/20.Gi.A – n.v.; VG Augsburg, U.v. 11.03.2020 – Au 6 K 20.50007 – juris; VG Trier, U.v. 26.2.2020 – 7 K 2325/19.TR – juris Rn. 39 ff.; VG Bayreuth, GB v. 29.11.2019 – B 8 K 17.33375 – juris Rn. 31; VG Magdeburg, B.v. 14.11.2019 – 8 B 400/19 – juris Rn. 35 ff.; VG des Saarlandes, B.v. 29.10.2020 – 5 L 762/20 – juris Rn. 36 ff., jedoch mit Erfordernis konkret-individueller Zusicherung; EuGH, U.v. 16.2.2017 – C-578/16 – juris Rn. 71 insbes. in Bezug auf den Zugang zu medizinischer Versorgung) und verweist auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Bescheids (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Asylbewerber haben in Kroatien ein Recht auf materielle Versorgung, die Unterbringung, Verpflegung, Kleidung und – wenngleich geringe – finanzielle Unterstützung umfasst (VG Augsburg, a.a.O. Rn. 25 ff.). Für Folgeantragsteller gelten jedoch Einschränkungen (VG Augsburg, a.a.O. Rn. 27), ohne dass sich hieraus Anhaltspunkte ergeben, dass Asylbewerber dadurch der Gefahr extremer materieller Not ausgesetzt würden. Während des Asylverfahrens besteht das Recht auf Unterbringung in Unterbringungszentren. Zu den Unterbringungszentren, insbesondere in Zagreb im ehemaligen Hotel Piron bzw. in Kutina, haben das VG des Saarlandes und das VG Augsburg umfangreich ausgeführt, worauf Bezug genommen wird (VG des Saarlandes, a.a.O. Rn. 43 ff.; VG Augsburg, a.a.O. Rn. 28 ff.). Insoweit lassen sich keine Anhaltspunkte entnehmen, dass das nach Art. 3 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) bzw. Art. 4 GRC zu fordernde Mindestmaß bei Dublin-Rückkehrern bei einer zu erwartenden Unterbringung in Zagreb oder Kutina unterschritten würde.
Dies gilt auch in Bezug auf eine medizinische (Not-) Versorgung sowie im Hinblick auf eine besondere Betreuung für Personen mit psychischen Problemen. Dem besonderen Schutz vulnerabler Personen wird grundsätzlich Rechnung getragen (VG Augsburg, a.a.O. Rn. 22 ff; VG Trier, a.a.O. Rn. 48). Zum Recht auf medizinische Notversorgung und notwendige medizinische und psychologische Behandlung wird ebenfalls auf die Ausführungen des VG Augsburg Bezug genommen. Diese Behandlung ist sowohl in Zagreb als auch in Kutina tatsächlich verfügbar (VG Augsburg, a.a.O. Rn. 31 ff.). Eine ambulante und stationäre Behandlung ist grundsätzlich hinsichtlich aller Erkrankungen einschließlich der Versorgung mit den notwendigen Medikamenten gewährleistet (VG Trier, a.a.O. Rn. 41 m.w.N.). Mit Urteil vom 16. Februar 2017 hat zudem bereits der EuGH keine systemischen Schwachstellen in Bezug auf die medizinische Versorgung im Kroatien festgestellt (EuGH, U.v. 16.2.2017 – C-578/16 – juris Rn. 71).
Während des Lockdowns aufgrund der Covid-19-Pandemie wurde der Zugang zu Asylunterkünften eingeschränkt, was dazu führte, dass einige Asylsuchenden obdachlos waren. Sie erhielten keinerlei staatliche Unterstützung. Die staatlichen Beschränkungen verboten es auch NGOs in diesem Zeitraum rechtliche und psychosoziale Unterstützung anzubieten. (Amnesty Internationl Report 2020/21, The State of the World’s Human Rights, Croatia 2020 vom 07. April 2021) Ab 1. Oktober 2020 waren jedoch laut der European Union Agency for Fundamental Rights (FRA) ausreichend Aufnahmekapazitäten in den Auffanglagern vorhanden (FRA, Migration: Key fundamental rights concerns – Quarterly bulletin – 01.10.2020 bis 31.12.2020, S. 16; FRA, Migration: Key fundamental rights concerns – Quarterly bulletin – 01.01.2021 bis 30.06.2021, S. 17), anders als zu Beginn der Covid-19-Pandemie hat die FRA im Bericht von Ende des Jahres 2020 kein Besorgnis mehr darüber zum Ausdruck gebracht, dass Asylsuchende keine Unterkunft bekommen würden (vgl. FRA, Migration: Key fundamental rights concerns – Quarterly bulletin – 01.01.2020 bis 31.03.2020, S. 7; FRA, Migration: Key fundamental rights concerns – Quarterly bulletin – 01.01.2021 bis 30.06.2021). Es ist deshalb aufgrund der aktuellen Erkenntnislage davon auszugehen, dass inzwischen wieder ausreichende Unterkunftsplätze vorhanden sind.
Das Tribunale di Genova hat am 19. März 2019 (N. 13280/2018 R.G.) (https://www.meltingpot.org/2019/05/regolamento-dublino-annullato-il-provvedimento-di-trasferimento-della-richiedente-asilo-in-croazia/) und das Schweizerische Bundesverwaltungsgericht am 12. Juli 2019 (E-3078/2019) (https://caselaw.easo.europa.eu/pages/viewcaselaw.aspx?CaseLawID=103) haben eine Rückführung nach Kroatien nach Dublin III-VO aufgrund einer nicht auszuschließenden Verletzung des Art. 3 EMRK aufgrund von Pushbacks unterbunden. Das italienische Tribunal stütze sich dabei auf einen Bericht von Human Rights Watch, dem sich entnehmen ließ, dass auch Asylsuchende, die das Auffanglanger in Zagreb bereits erreicht hatten und dort ihren Wunsch, Asyl zu beantragen, geäußert haben, von den Pushbacks betroffen waren (Human Rights Watch, 20.1.2017, Croatia: Asylum Seekers Forced Back to Serbia Asylum Seekers Denied Access to Protection, https://www.hrw.org/news/2017/01/20/croatia-asylum-seekers-forced-back-serbia). Das Schweizerische Bundesverwaltungsgericht sah sich nicht in der Lage abschließend zu beurteilen, ob die Pushbacks eine mit Art. 3 EMRK nicht zu vereinbarende Gefahr darstellten, hielt dies aber zumindest für möglich und damit die vorinstanzliche Begründung diesbezüglich, die pauschal auf das Prinzip der normativen Vergewisserung verwies, für unzureichend.
Unter Hinzuziehung der Berichte von AIDA, von Amnesty International und von Human Rights Watch findet das Gericht, auch unter Berücksichtigung der ausländischen Urteile, keine Anhaltspunkte dafür, dass Dublin-Rückkehrer von den Pushbacks betroffen sind (vgl. auch VG Augsburg, a.a.O. Rn. 21). Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen hat, anders als z. B. im Fall von Ungarn (URL: https://www.unhcr.org/news/press/2017/4/58eb7e454/unhcr-urges-suspension-transfers-asylum-seekers-hungary-under-dublin.html), nicht dazu aufgerufen, Rückführungen nach Dublin aufgrund der Pushbacks auszusetzen. Auch nach dem Bericht, auf den sich das italienische Tribunal gestützt hat, waren keine Dublinrückkehrer betroffen. Damit ist bei Rückführung des Antragsstellers nicht mit einem Verstoß gegen Art. 3 EMRK aufgrund einer illegalen, mit Gewalt begleiteten Rückführung zu rechnen.
4. Schließlich trägt der Antragsteller auch keine Gründe vor, die zielstaatsbezogene oder inlandsbezogene Abschiebungshindernisse begründen könnten oder die Antragsgegnerin zur Ausübung ihres Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO verpflichten würden. Es bestehen keine Zweifel an der Ablehnung des Vorliegens eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK oder nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, auch nicht aufgrund der Covid-19-Pandemie. Zumal auch für den Antragsteller ein Anspruch auf kostenfreie Impfung besteht, so dass er sich auch zumutbar selbst vor schweren gesundheitlichen Folgen schützen kann (vgl. § 1 Abs. 1 der Coronavirus-Impfverordnung vom 30. August 2021 (BAnz AT 31.08.2021 V1), die zuletzt durch Artikel 2 der Verordnung vom 15. November 2021 (BAnz AT 15.11.2021 V1) geändert worden ist).
Der Antragsteller kann keine Verpflichtung der Antragsgegnerin zum Selbsteintritt nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO beanspruchen. Bei Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO handelt es sich um eine restriktiv zu handhabende Ausnahmebestimmung, die eine Zuständigkeitsübernahme in Fällen ermöglicht, in denen außergewöhnliche humanitäre, familiäre oder krankheitsbedingte Gründe vorliegen, die nach Maßgabe der Werteordnung der Grundrechte einen Selbsteintritt erfordern. Allein das Vorhandensein einer – auch schweren – Erkrankung begründet noch keinen Anspruch auf die Ausübung des Selbsteintrittsrechts im Wege der Ermessensreduzierung auf Null, wenn diese regelmäßig auch im zuständigen Mitgliedstaat behandelbar ist (vgl. VG Köln, U.v. 6. 11. 2015 – 18 K 4016/15.A – juris Rn. 49). Für das Gericht besteht vorliegend kein Anlass zu Zweifeln daran, dass die vorgetragenen Erkrankungen auch in Kroatien behandelt werden könnten und entsprechende Behandlungsmöglichkeiten Asylsuchenden auch offenstehen (s.o.).
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; Gerichtskosten werden nach § 83b AsylG nicht erhoben.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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