Europarecht

Dublin-Verfahren, Bulgarien, alleinstehender erwerbsfähiger Mann, zur Frage der Unterbringung und Versorgung von Dublin-Rückkehrern, hier: voraussichtliche Wiedereröffnung des Asylverfahrens sowie Unterbringung und Versorgung im Rückkehrfall, Verfügbarkeit von Dolmetschern, kein Verstoß gegen Art. 3 EMRK, Art. 4 GRCh, Covid-19-Pandemie

Aktenzeichen  W 1 S 21.50279

Datum:
27.10.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 43233
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
AsylG § 34a
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1
AufenthG § 60 Abs. 5
AufenthG § 60 Abs. 7

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Der Antragsteller wurde eigenen Angaben zufolge am … 2001 in der Provinz K. geboren. Er sei afghanischer Staatsangehöriger paschtunischer Volks- und sunnitischer Glaubenszugehörigkeit. Er habe sein Heimatland ca. Anfang Februar 2021 verlassen und sei dann über die Balkanroute am 11. Juli 2021 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist, wo er ein Asylgesuch geäußert hat, von dem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) am 15. Juli 2021 schriftlich Kenntnis erlangt hat. Der Antragsteller stellte sodann am 5. August 2021 einen förmlichen Asylantrag.
Anhand eines Eurodac-Treffers vom 15. Juli 2021 wurde festgestellt, dass der Antragsteller bereits am 22. Februar 2021 in Bulgarien einen Asylantrag gestellt hat. Am 30. August 2021 stellte das Bundesamt einen Wiederaufnahmegesuch aufgrund der Verordnung (EU) Nummer 604/2013 – Dublin III-Verordnung – gegenüber Bulgarien. Mit Schreiben vom 13. September 2021 hat Bulgarien der Wiederaufnahme auf der Grundlage von Art. 18 Abs. 1d) Dublin III-Verordnung zugestimmt.
Im Rahmen seiner persönlichen Anhörung zur Zulässigkeit seines Asylantrags beim Bundesamt am 6. Oktober 2021 gab der Antragsteller im Wesentlichen an, dass es korrekt sei, dass er am 22. Februar 2021 in Bulgarien einen Asylantrag gestellt habe. Er habe unter Zwang Fingerabdrücke abgeben müssen, sonst werde man abgeschoben. Er sei nur zu seinem Reiseweg befragt worden und habe noch keinen Termin zur Anhörung gehabt. Er habe sich 14 Tage lang in Bulgarien aufgehalten. Er habe hauptsächlich nach Deutschland kommen und nicht in Bulgarien bleiben wollen. Im Hinblick auf gesundheitliche Beschwerden gab der Antragsteller an, dass er nichts Ernstes habe.
Mit Bescheid des Bundesamtes vom 8. Oktober 2021 wurde der Asylantrag des Antragstellers als unzulässig abgelehnt (Ziffer 1). Es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 2). Die Abschiebung nach Bulgarien wurde angeordnet (Ziffer 3). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 11 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 4). Auf die Begründung des Bescheides wird Bezug genommen, § 77 Abs. 2 AsylG.
Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller am 21. Oktober 2021 Klage erheben lassen (W 1 K 21.50278), über die bislang nicht entschieden ist.
Die aufschiebende Wirkung der Klage sei anzuordnen, da ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides und der Abschiebungsandrohung bestünden. Die Feststellung, dass Abschiebungsverbote nicht vorlägen, erweise sich als rechtswidrig. Von einem den internationalen Anforderungen entsprechenden Asylverfahren könne in Bulgarien nicht ausgegangen werden. Dies ergebe sich bereits daraus, dass die überwiegende, auch obergerichtliche Rechtsprechung Abschiebungen nach Bulgarien, sei es von bereits Anerkannten oder im Rahmen des Dublin-Verfahrens, nicht zulasse. So sei die Heranziehung von Dolmetschern äußerst schwierig, was sich auch am konkreten Fall zeige, da dem Antragsteller nicht bekannt gewesen sei, dass er in Bulgarien einen Asylantrag gestellt habe. Informationen bezüglich des Asylverfahrens seien dort mangels Dolmetschern kaum zu erhalten. Aus einem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe gehe hervor, dass eine illegale Einreise bzw. ein illegaler Aufenthalt automatisch zu einer Inhaftierung führe. Der Vortrag, dass ausreichend Unterbringungsmöglichkeiten bestünden und diese auch DublinRückkehrern offenstünden, widerspreche ebenfalls dem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe. Daraus gehe hervor, dass die Aufnahmebedingungen entzogen werden könnten, wenn die betreffende Person untergetaucht sei, was in der Praxis vor allem bei Dublin-Rückkehrern praktiziert werde. Personen, die nicht in einem Aufnahmezentrum lebten, hätten auch keinen Anspruch auf die Gewährleistung von Nahrung und psychologischer Hilfe. Hinsichtlich medizinischer Versorgung werde zwar davon ausgegangen, dass diese für Asylsuchende zugänglich sei, jedoch bestünden auch insoweit erhebliche praktische Probleme, etwa bei der Verständigung. Zudem stehe die medizinische Versorgung nur Personen zu, die auch in einer Aufnahmeeinrichtung lebten oder selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen könnten, was beim Antragsteller nicht der Fall sei.
Zugleich ließ der Antragsteller im hiesigen Verfahren beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage vom heutigen Tage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 8. Oktober 2021 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin hat bislang keinen Antrag gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte in diesem Verfahren, im Verfahren W 1 K 21.50278 sowie der vorgelegten Behördenakte verwiesen.
II.
Der Antrag, der bei sachgerechter Auslegung gemäß § 88 VwGO darauf gerichtet ist, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung in Ziffer 3 des Bescheides der Antragsgegnerin vom 8. Oktober 2021 anzuordnen, ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
Das Gericht trifft im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO eine eigene, originäre Entscheidung über die Anordnung bzw. die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung auf Grund der sich ihm im Zeitpunkt seiner Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG) darbietenden Sach- und Rechtslage. Das Gericht hat dabei das Aussetzungsinteresse des Antragstellers und das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gegeneinander abzuwägen (Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 80 Rn. 152; Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 89). Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist in der Regel abzulehnen, wenn der Rechtsbehelf in der Hauptsache nach summarischer Prüfung voraussichtlich erfolglos bleiben wird; ergibt eine vorläufige Überprüfung der Klage in der Hauptsache dagegen, dass diese offensichtlich erfolgreich sein wird, so überwiegt regelmäßig das Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Sind die Erfolgsaussichten offen, so ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen (vgl. Hoppe in Eyermann a.a.O., Rn. 90 ff.).
Unter Anwendung dieser Grundsätze war der Antrag vorliegend abzulehnen, weil sich der angefochtene Bescheid nach der hier gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung als rechtmäßig darstellt und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt, so dass die hiergegen erhobene Anfechtungsklage voraussichtlich ohne Erfolg bleiben wird (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Um Wiederholungen zu vermeiden, wird auf die zutreffenden Gründe des streitgegenständlichen Bescheids verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Darüber hinaus ist Folgendes auszuführen:
1. Rechtsgrundlage für die streitgegenständliche Abschiebungsanordnung ist § 34a Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 AsylG.
Danach ordnet das Bundesamt die Abschiebung des Ausländers in einen für die Durchführung des Asylverfahrens nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Nach § 29 Abs. 1 Nr. 1a) AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Mitgliedstaat für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist. Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-Verordnung sieht vor, dass Anträge auf internationalen Schutz von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft werden, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird. Lässt sich anhand dieser Kriterien der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist nach Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 Dublin III-Verordnung der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.
So liegt der Fall hier. Der Antragsteller hat nach den vorliegenden, nicht zu bezweifelnden Erkenntnissen aus der Eurodac-Datenbank bereits am 22. Februar 2021 in Bulgarien erstmals in einem Mitgliedstaat internationalen Schutz beantragt. Dies wird überdies auch durch seine eigenen Angaben beim Bundesamt im Rahmen seiner Anhörung vom 6. Oktober 2021 bestätigt. Hieran ändert auch nichts, dass der Antragsteller in diesem Zusammenhang vorgetragen hat, dass er zur Abgabe von Fingerabdrücken gezwungen worden sei. Der Antragsteller hat sich vielmehr – nach unerlaubter Einreise nach Bulgarien – zugunsten eines weiteren Verbleibs in der EU dazu entschlossen, einen Asylantrag zu stellen, um nicht unmittelbar abgeschoben zu werden. Es steht ihm nach dem geltenden Dublin-III-System auch keineswegs frei zu entscheiden, in welchem Mitgliedstaat er einen Asylantrag stellt und ein Asylverfahren zu durchlaufen hat. Mit Schreiben vom 13. September 2021 haben die bulgarischen Behörden auf das vom Bundesamt am 30. August 2021 nach Art. 23 Abs. 2 Unterabs. 1 Dublin III-Verordnung fristgerecht gestellte Wiederaufnahmegesuch binnen zwei Wochen ihre Zustimmung zur Wiederaufnahme erteilt, Art. 25 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-Verordnung, und ausdrücklich ihre Zuständigkeit nach Art. 18 Abs. 1d) Dublin III-Verordnung erklärt.
Der Fortbestand der Zuständigkeit Bulgariens ist auch nicht nachträglich nach Art. 19 Abs. 2 Unterabs. 1 oder Abs. 3 Unterabs. 1 Dublin III-Verordnung erloschen, wie sich aus den Angaben des Antragstellers entnehmen lässt. Ebenso wenig ergibt sich eine Zuständigkeit der Antragsgegnerin aus Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-Verordnung, da die dort geregelte 6-monatige Überstellungsfrist seit der Annahme des Wiederaufnahmegesuchs durch Bulgarien ersichtlich noch nicht abgelaufen ist.
2. Die Antragsgegnerin ist auch nicht gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 und 3 Dublin III-Verordnung für die Prüfung des Asylantrages des Antragstellers zuständig. Denn es sind keine hinreichenden Gründe für die Annahme der Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10 und C-493/10 – juris Rn. 106) bzw. dem übereinstimmenden Art. 3 EMRK (vgl. Nds OVG, U.v. 9.4.2018 – 10 LB 92/17 – juris Rn. 26) bei einer Rückkehr des Antragstellers nach Belgien aufgrund systemischer Mängel im Asylverfahren oder in den dortigen Aufnahmebedingungen feststellbar. Bei der Prüfung, ob ein Mitgliedsstaat hinsichtlich der Behandlung von rücküberstellten Schutzsuchenden gegen Art. 3 EMRK verstößt, ist ein strenger Maßstab anzulegen (NdsOVG, U.v. 9.4.2018 – 10 LB 92/17 – juris Rn. 27). Denn nach dem Konzept, welches Art. 16a Abs. 2 GG und §§ 26a, 29 Abs. 1, 34a AsylG zu Grunde liegt, ist davon auszugehen, dass unter anderem in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention) und der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und der Grundfreiheiten (EMRK) sichergestellt ist und daher dort einem Schutzsuchenden keine politische Verfolgung droht sowie keine für Schutzsuchende unzumutbare Bedingungen herrschen („Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“, vgl. auch EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-173/17 – juris Rn. 82, und U.v. 21.12.2011 – C-411/10 und C-493/10 -, NVwZ 2012, 417; BVerwG, U.v. 9.1.2019 – 1 C 36.18 – juris Rn. 19; Nds. OVG, U.v. 9.4.2018 – 10 LB 92/17 – juris Rn. 27). Diese Vermutung ist zwar nicht unwiderleglich. Eine Widerlegung ist aber wegen der gewichtigen Zwecke des gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die Aufnahmerichtlinie 2013/33/EU (ABl. 2013, L 180/96), die Qualifikationsrichtlinie 2011/95/EU (ABl. 2011, L 337/9) oder die Verfahrensrichtlinie 2013/32/EU (ABl. 2013, L 180/60) genügen, um die Überstellung eines Schutzsuchenden an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln (BVerwG, B.v. 6.6.2014 – 10 B 35.14 – juris Rn. 5; NdsOVG, U.v. 9.4.2018 – 10 LB 92/17 – juris Rn. 27). Kann einem Mitgliedstaat hingegen nicht unbekannt sein, dass die systemischen Schwachstellen des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Schutzsuchende in dem zuständigen Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass ein Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK ausgesetzt zu werden, hat eine Überstellung zu unterbleiben (vgl. EuGH, U.v. 19.3.2019, C-163/17, juris Rn. 85; vgl. auch BVerwG, B.v. 6.6.2014 – 10 B 35.14 – juris Rn. 5; NdsOVG, U.v. 9.4.2018 – 10 LB 92/17 – juris Rn. 27). Systemische Schwachstellen erreichen allerdings erst dann die besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre (EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-163/17 -juris Rn. 92). Das Gericht muss auf der Grundlage objektiver, zuverlässiger, genauer und gebührend aktualisierter Angaben und im Hinblick auf den durch das Unionsrecht gewährleisteten Schutzstandard der Grundrechte (in einem Klageverfahren) feststellen, dass dieses Risiko für diesen Antragsteller gegeben ist, weil er sich im Fall der Überstellung unabhängig von seinem Willen und seinen persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände (EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-163/17 – juris Rn. 98). Der Nachweis obliegt dem Schutzsuchenden (vgl. EuGH, U.v. 19.3.2019 – C 163/17 – juris Rn. 95).
Es bestehen nach Überzeugung des Gerichts unter Berücksichtigung aktueller Erkenntnisquellen keine durchgreifenden Anhaltspunkte dafür, dass in Bulgarien die Anforderungen gemäß der europäischen Asylrichtlinien sowie nach der EMRK, der GR-Charta und der GFK betreffend das dortige Asylverfahren und die entsprechenden Aufnahmebedingungen nicht eingehalten werden (vgl.: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Bulgarien, Gesamtaktualisierung am 24.7.2020; Aida, Country Report Bulgaria, 2020 Update; UNHCR, Auskunft an das VG Köln vom 17.12.2018; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Bulgarien Aktuelle Situation für Asylsuchende und Personen mit Schutzstatus vom 30.8.2019; Amnesty International, Amnesty Report Bulgarien 2020, 7.4.2021). Das bulgarische Asylsystem weist nach Überzeugung des Gerichts keine systemischen Mängel auf, sodass mit der neueren Rechtsprechung – jedenfalls im Falle von nicht vulnerablen Personen wie dem Antragsteller – nicht davon auszugehen ist, dass der Antragsteller in Bulgarien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Gefahr läuft, dort einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein (vgl. etwa: OVG Rheinland-Pfalz, B.v. 1.7.2020 – 13 A 10424/19 – juris; Sächsisches Oberverwaltungsgericht, U.v.; 13.11.2019 – 4 A 947/17.A – juris; VGH Baden-Württemberg, 27.5.2019 – A 4 S 1329/19 – juris; VG Aachen, U.v. 15.4.2021 – 8 K 2760/18.A – juris; VG Lüneburg, U.v. 12.12.2019 – 8 B 180/19 – juris; a.A. etwa: VG Lüneburg, U.v. 14.2.2019 – 8 B 23/19 – juris).
In Bulgarien existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit. Dublin-Rückkehrer haben grundsätzlich Zugang zum Asylverfahren in Bulgarien. Nach Überstellung auf der Grundlage der Dublin-Verordnung wird das Asylverfahren regelmäßig eingeleitet bzw. wiederaufgenommen, dabei wird je nach Verfahrensstand unterschieden. Eine Person, die noch keinen Asylantrag in Bulgarien gestellt hat, hat die Möglichkeit einen Erstantrag zu stellen. Bei Dublin-Rückkehrern, die in Bulgarien bereits einen Asylantrag gestellt haben, der ohne inhaltliche Prüfung abgeschlossen wurde, wird das Verfahren automatisch wiedereröffnet. Wurde das Asylgesuch auf der Grundlage einer inhaltlichen Prüfung abgewiesen, besteht die Möglichkeit, erneut einen Asylantrag zu stellen. Dieser Antrag wird als Folgeantrag betrachtet und ist nur zulässig, wenn er neue Elemente enthält. Wird der Folgeantrag für zulässig erklärt, was in der Praxis selten der Fall ist, wird der Antrag im regulären Verfahren geprüft. Eine Prüfung im regulären Verfahren erfolgt auch dann, wenn die Entscheidung über die Zulässigkeit nicht innerhalb von 14 Tagen ergeht.
Die Aufnahmebedingungen von Personen, die unter der Dublin-Verordnung zurückkehren, sind abhängig vom Verfahrensstand. Wer sich in einem laufenden Asylverfahren befindet, wird in ein Unterbringungszentrum der SAR (Staatliche Agentur für Flüchtlinge beim Ministerrat) gebracht. Eine Person, die noch keinen Asylantrag in Bulgarien gestellt hat, kann bei der Ankunft in einem der von der Direktion für Einwanderung verwalteten Zentren für die vorübergehende Unterbringung vor der Abschiebung gebracht werden. Nach Stellen eines Asylantrages wird die Person jedoch in ein Aufnahmezentrum der SAR überstellt. Auch Personen, deren Verfahren wiedereröffnet wurde, werden in ein Aufnahmezentrum gebracht. UNHCR hat in letzter Zeit keine Fälle beobachtet, in denen beim einem Dublin-Rückkehrer, dessen Verfahren noch nicht abgeschlossen war, der Zugang zu Aufnahmezentren verweigert wurde. Personen, deren Asylantrag bereits inhaltlich geprüft und abgewiesen wurde, werden in einem geschlossenen Zentrum untergebracht. Während des anschließenden Zulässigkeitsverfahrens kommt es darauf an, ob der asylsuchenden Person die negative Entscheidung vor deren Ausreise aus Bulgarien zugestellt wurde oder nicht. Ist letzteres der Fall, wird sie einem Aufnahmezentrum zugewiesen. Wurde die Entscheidung allerdings vor der Ausreise aus Bulgarien bereits zugestellt und nicht innerhalb der Frist angefochten, wird die Person inhaftiert und in ein geschlossenes Zentrum gebracht. Die Haft kann während des Zulässigkeitsverfahrens andauern. Auch wenn dies nicht der Fall ist, werden diese Personen keinem regulären Aufnahmezentrum zugewiesen und haben auch keinen Anspruch auf Verpflegung, Unterkunft oder Sozialhilfe.
Asylbewerber haben laut Gesetz das Recht auf materielle Versorgung während des Asylverfahrens. Mit Erhalt der Asylbewerberkarte, welche die Verfahrensidentität bestätigt, ist das Recht, sich in Bulgarien aufzuhalten, auf Unterbringung und Versorgung sowie auf Sozialhilfe im selben Ausmaß wie bulgarische Staatsbürger und auf Krankenversicherung, medizinische Versorgung, psychologische Versorgung und Bildung gegeben. 2015 wurde die Auszahlung der Sozialhilfe für Asylbewerber eingestellt. Dies wird von den Behörden damit begründet, dass sie in den Aufnahmezentren mit Lebensmitteln versorgt werden. Folgeantragsteller erhalten keine Asylbewerberkarte und haben auch kein Recht auf materielle Versorgung. Sie haben lediglich ein Recht auf Übersetzerleistungen während die Zulässigkeit ihres Folgeantrags im Eilverfahren geprüft wird. Wurde der Folgeantrag nur eingebracht, um die Abschiebung zu verzögern, besteht auch kein Recht auf Verbleib im Land. Die Zulässigkeit muss binnen 14 Tagen geklärt werden. Falls das Asylverfahren aus objektiven Umständen länger als 3 Monate dauert, haben die Asylwerber noch während des Asylverfahrens Zugang zum Arbeitsmarkt. Die Aufnahme- und Unterbringungsbedingungen einschließlich der Verpflegung für Migranten und Asylbewerber sind nach wie vor inadäquat, obwohl die Zahl der nach Bulgarien einreisenden Personen deutlich zurückgegangen ist. Gegen die Verweigerung der Unterbringung ist binnen 7 Tagen ein gerichtliches Rechtsmittel möglich. Asylbewerber in Bulgarien haben Zugang zu medizinischer Versorgung im selben Ausmaß wie bulgarische Staatsbürger, das umfasst auch den Zugang zu psychologischer/psychiatrischer Versorgung. Asylbewerber, die sich für eine Unterkunft außerhalb der Aufnahmezentren entscheiden oder denen keine Unterkunft gewährt wird, haben keinen Zugang zu psychologischer Unterstützung. Der Zugang zu medizinischer Grundversorgung ist ansonsten gewährleistet, unabhängig vom Wohnort der Asylbewerber. SAR ist verpflichtet, Asylbewerber krankenzuversichern. In der Praxis haben diese mit denselben Problemen zu kämpfen wie Bulgaren, da das nationale Gesundheitssystem große materielle und finanzielle Defizite aufweist. Wenn das Recht auf Versorgung, aus welchen Gründen auch immer, entzogen wird, betrifft das auch das Recht auf medizinische Versorgung. Medizinische Grundversorgung ist in den Unterbringungszentren gegeben und zwar entweder durch eigenes medizinisches Personal oder die Nutzung der Notaufnahmen lokaler Hospitäler (vgl. zum Ganzen: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Bulgarien, Gesamtaktualisierung am 24.7.2020).
Dies zugrunde gelegt ist nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Antragsteller bei seiner Rückkehr nach Bulgarien eine gegen Art. 3 EMRK verstoßende unmenschliche oder erniedrigende Behandlung erleiden wird. Der Antragsteller hat beim Bundesamt erklärt, dass er sich nur ca. 14 Tage lang in Bulgarien aufgehalten hat und dort keinen Termin zur Anhörung gehabt habe. Damit ist bei dem Antragsteller davon auszugehen, dass in seinem Fall eine inhaltliche Prüfung des Asylantrages in Bulgarien bislang nicht stattgefunden hat, sodass sein Asylverfahren entsprechend der Erkenntnismittellage bei Rückkehr automatisch wiedereröffnet wird. Davon ist jedenfalls auszugehen, wenn der Betroffene noch nicht angehört wurde (so auch: VGH Baden-Württemberg, B.v. 27.5.2019 – A 4 S 1329/19 – juris). Personen, deren Verfahren wiedereröffnet wird, werden sodann auch in ein Aufnahmezentrum gebracht, wo der Antragsteller – wenn auch auf einfachem Standard – untergebracht wird und eine Versorgung über Sachleistungen erhält, die seinen notwendigen Lebensunterhalt („Bett, Brot, Seife“) sicherstellen; ebenso ist dort seine notwendige medizinische Behandlung sichergestellt. Selbst wenn die bulgarischen Behörden den Asylverfahrens- und Aufnahmeanspruch des Antragstellers entgegen vorstehender Ausführungen zunächst rechtswidrig verneinen sollten, ist es dem Antragsteller möglich und zumutbar, gerichtlichen Rechtsschutz hiergegen in Anspruch zu nehmen (so auch: VGH Baden-Württemberg, B.v. 27.5.2019 – A 4 S 1329/19 – juris).
Selbst wenn man jedoch überdies davon ausgehen wollte, dass gegenüber dem Antragsteller in Bulgarien bereits eine inhaltliche Entscheidung nach Anhörung ergangen wäre, so ist nach summarischer Prüfung nichts dagegen zu erinnern, dass sodann ein im Falle der Rückkehr erneut gestellter Asylantrag als Folgeantrag behandelt würde. Einschränkungen oder der Entzug der im Rahmen der Aufnahme gewährten Leistungen ist nach Art. 20 Abs. 1c) der EU-Aufnahmerichtlinie (2013/33/EU) bei einem Folgeantrag möglich.
Dieser Einschätzung steht auch nicht der Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 30.08.2019 entgegen. Soweit dort erklärt wird, dass SAR das Recht, die Aufnahmebedingungen zu widerrufen, in der Praxis auf Personen anwende, die unter der Dublin-Verordnung überstellt würden, sodass diesen in den meisten Fällen die Unterbringung verweigert werde, so lässt sich dies den anderweitigen überzeugenden Erkenntnismitteln nicht entnehmen (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Bulgarien vom 24.7.2020, S. 8; UNHCR, Auskunft an das VG Köln vom 17.12.2018, Aida Country Report Bulgaria, 2020 Update, S. 54). Überdies wäre der Antragsteller auch insoweit gehalten, um gerichtlichen Rechtsschutz gegen eine etwaige anderweitige Handhabung im Einzelfall zu suchen. Unabhängig davon ist zu berücksichtigen, dass Einschränkungen oder der Entzug der im Rahmen der Aufnahme gewährten materiellen Leistungen nach Art. 20 Abs. 1 Unterabs. 1a) der EU-Aufnahmerichtlinie explizit möglich sind. Soweit zudem darauf verwiesen wurde, dass eine illegale Einreise bzw. ein illegaler Aufenthalt automatisch zu einer Inhaftierung führten, so ist dem aktuellen Bericht von Amnesty International 2020 zu Bulgarien hierzu nichts Entsprechendes mehr zu entnehmen. Aus dem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 30.08.2019 ergibt sich diesbezüglich lediglich, dass dies ein Problem im Rahmen der illegalen Einreise und des illegalen Aufenthalts darstelle. Dies steht jedoch vorliegend nicht inmitten, da sich der Antragsteller vorliegend nicht in der Situation nach erstmaliger illegaler Einreise befindet. Überdies lässt sich den antragstellerischen Angaben auch nichts dazu entnehmen, dass er seinerzeit nach seiner illegalen Einreise aus der Türkei in Bulgarien in Haft genommen wurde. Vielmehr hat er ausdrücklich erklärt, dass er in einem Camp untergebracht gewesen sei und dort zu essen und zu trinken bekommen habe. Soweit schließlich die Verfügbarkeit von Dolmetschern in Bulgarien bemängelt wird, so ist diesbezüglich festzustellen, dass insoweit zwar Schwierigkeiten bestehen, allerdings derartige Probleme im Jahr 2020 zuletzt lediglich in 0,2% der Fälle vorgekommen seien, sodass davon auszugehen ist, dass sich Bulgarien zum einen der Lösung dieses Problems annimmt und es andererseits offensichtlich auch nicht regelhaft vorkommt. Daher kann nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von einem systematischen Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1a) bzw. Art. 15 Abs. 3c) der EU-Verfahrensrichtlinie ausgegangen werden (vgl. Aida, Country Report Bulgaria, 2020 Update, S. 23; VG Aachen, U.v. 15.4.2021 – 8K 2760/18.A – juris).
Der Antragsteller hat auch bei seiner Anhörung beim Bundesamt auch keinerlei Angaben gemacht, die darauf schließen lassen könnten, dass das Asylverfahren in Bulgarien oder die dortigen Aufnahmebedingungen gegen Art. 3 EMRK, Art. 4 GrCh verstoßen würden. Er hat vielmehr lediglich erklärt, dass er von Anfang an vorgehabt habe, nach Deutschland zu kommen und nicht in Bulgarien habe bleiben wollen. Ein solcher Wunsch ist allerdings rechtlich nicht von Relevanz, da sich der Antragsteller insoweit auf die objektiven Zuständigkeitsregeln des Dublin-III-Systems verweisen lassen muss.
Eine andere Beurteilung ist schließlich auch nicht vor dem Hintergrund der zwischenzeitlichen Entwicklung im Zuge der Covid-19-Pandemie angezeigt.
Dies wäre nur dann der Fall, wenn der Antragsteller in Bulgarien aufgrund der voraussichtlichen Lebensverhältnisse in eine Lage extremer Not geraten würde. Das Gericht hat – auf der Basis des Grundsatzes des gegenseitigen Vertrauens und auch angesichts der in Belgien getroffenen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie sowie auf der Grundlage aktueller Erkenntnisse (vgl. https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/ laender/bulgarien-node/bulgariensicherheit/211834#content_0) – keine substantiierten Anhaltspunkte dafür, die die Annahme eines solchen Extremfalles in der Person des Antragstellers oder allgemein das Vorliegen systemischer Mängel in Bulgarien begründen könnten. Im System des gegenseitigen Vertrauens ist für Bulgarien vielmehr weiter von einem die Grundrechte sowie die Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und in der EMRK finden, wahrenden Asylsystem auszugehen. Bulgarien ist aktuell als Hochrisikogebiet eingestuft. Die Einreise nach Bulgarien ist unter Einhaltung der 3G-Regelung möglich. Es gilt noch bis zum 30. November 2021 der epidemiologische Ausnahmezustand. Die Öffnungszeiten und Zutrittsbedingungen öffentlicher Gebäude werden in Abhängigkeit des aktuellen Infektionsgeschehens unter Einhaltung der üblichen Hygiene- und Abstandsregeln kurzfristig angepasst. Gleiches gilt für Geschäfte, Apotheken, Restaurants, Bars, Diskotheken und Clubs (https://www.auswaertiges-amt.de/de/ aussenpolitik/laender/bulgariennode/bulgariensicherheit/211834#content_0). Seit Beginn des Jahres 2021 erholt sich die bulgarische Wirtschaft langsam von der Coronakrise. Analysten der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung erwarten für 2021 ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts um 4,5%, nachdem die Wirtschaft 2020 nach Angaben des nationalen Statistikamtes um 4,2% eingebrochen war. Damit fiel die Rezession um 1,2% milder aus als zuvor angenommen. Bulgarien ist das einzige Land in der EU, dessen Haushaltsdefizit mit voraussichtlich 2,8% des BIP im Rahmen des Konvergenzkriteriums bleibt. Die Arbeitslosenquote wird 2021 voraussichtlich 5,1% betragen (EU-Durchschnitt im August 2021: 6,8%, https://de.statista.com/ statistik/daten/studie/160142/umfrage/arbeitslosenquote-in-den-eu-laendern/). Bulgarien hat unter den Mitgliedstaaten der EU die niedrigsten Arbeitskosten, was das Land zu einem attraktiven Standort etwa für Lohnfertigung macht (https://www.gtai.de/gtai-de/trade/specials/special/bulgarien/ konjunktur-und-wichtigste-branchen-239254; https://www.gtai.de/gtai-de/trade/wirtschaftsumfeld/bericht-wirtschaftsumfeld/bulgarien/arbeitsmarkt-243982#:~:text=Die%20Coronapandemie%20hat%20die%20strukturellen,begrenztes%20Angebot%20an%20zielgerichteten%20Ausbildungsm%C3%B6glichkeiten.& text=Bulgarische%20Fachkr%C3%A4fte%20sprechen%20meist%20Englisch%20oder%20Deutsch.).
Des Weiteren fehlt es auch an sonstigen außergewöhnlichen Umständen, welche ausnahmsweise eine Pflicht der Antragsgegnerin zum Selbsteintritt nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-Verordnung begründen könnten. Insbesondere ist eine besondere Vulnerabilität des Antragstellers nicht gegeben.
3. a) Die Feststellung der Antragsgegnerin, dass im Falle des Antragstellers keine zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Bulgarien bestehen, ist zum jetzigen maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 AsylG) ebenfalls nicht zu beanstanden. Insbesondere hat der Antragsteller individuell nichts vorgetragen, was das Bestehen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Bulgarien nahelegen könnte. Auch insoweit nimmt das Gericht auf die Ausführungen in der Begründung des Bescheids Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylG) und macht sich diese zu Eigen. Ebenso wird auf die vorstehenden Ausführungen unter 2. vollumfänglich verwiesen.
b) Schließlich liegt auch kein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur dann vor, wenn der Antragsteller unter einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung leidet, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG. Die Erkrankung muss nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG i.V.m. § 60a Abs. 2c Satz 2 AufenthG durch Vorlage einer qualifizierten ärztlichen Bescheinigung glaubhaft gemacht werden.
Der Antragsteller hat insoweit beim Bundesamt erklärt, nichts Ernstes zu haben.
Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ergibt sich auch nicht aus den gesundheitlichen Gefahren im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie, denn die Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG wird durch § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG gesperrt. Die Gefahr einer Infektion betrifft die gesamte Bevölkerung allgemein. Es liegt auch keine Extremgefahr vor, die es verfassungsrechtlich gebieten würde, die Sperrwirkung von § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG ausnahmsweise entfallen zu lassen (vgl. BVerwG, U.v. 13.6.2013 – 10 C 13/12 – juris).
Es ist nicht ersichtlich, dass der Antragsteller bei seiner Rückkehr nach Belgien mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre, wobei sich diese ausschließlich auf den Tod aufgrund einer Infektion mit Covid-19 oder einen besonders schweren Verlauf beziehen kann. Dies ist beim Antragsteller nicht anzunehmen, denn der 20-jährige Antragsteller ohne erkennbare relevante Vorerkrankungen gehört nach dem oben genannten Maßstab bereits nicht zu der Personengruppe mit einem höheren Risiko für einen schweren, möglicherweise lebensbedrohlichen Verlauf der Covid-19-Erkrankung (vgl. https://www.rki.de/DE/Content/ InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html; jsessinid= DC346DA1D7E1A04E3FB153F23B3AF998. internet092#doc13776792bodyText15). Der Antragsteller hätte überdies im Falle einer etwaigen Erkrankung an Covid-19 Anspruch auf die notwendige medizinische Versorgung in Bulgarien (vgl. oben). Schließlich ist zu berücksichtigen, dass jeder das eigene Infektionsrisiko durch eine Impfung bzw. durch Einhaltung der geltenden Hygiene- und Abstandsregeln maßgeblich verringern kann.
4. Weiterhin ist kein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis vorgetragen oder ersichtlich, welches im Rahmen einer Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ebenfalls zum Prüfungsumfang des Bundesamts und demzufolge auch des Verwaltungsgerichts gehört (BayVGH, B.v. 28.10.2013 – 10 CE 13.2257 – juris m.w.N.). Insbesondere stehen der Abschiebungsanordnung aufgrund der aktuellen Covid-19-Pandemie keine tatsächlichen Vollzugshindernisse entgegen (vgl. https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bulgariennode/bulgariensicherheit/211834#content_0).
Da somit die erhobene Klage in der Hauptsache mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht erfolgreich sein wird und unabhängig hiervon keine Interessen des Antragstellers ersichtlich sind, die das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegen, war der Antrag abzulehnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b Abs. 1 AsylG nicht erhoben.


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