Europarecht

Dublin-Verfahren, iranische Staatsangehörigkeit, alleinstehende Frau, Abschiebungsanordnung nach Italien, Bezugnahme auf Bundesamtsbescheid, keine systemischen Mängel im italienischen Asylsystem und bei den Aufnahmebedingungen, keine Grundrechts- oder Menschenrechtsverletzungen auch im Fall einer Anerkennung als Schutzberechtigte, keine andere Beurteilung wegen zusätzlicher Aufnahme von Personen aus Afghanistan in Italien, keine andere Beurteilung durch Ukrainekrieg

Aktenzeichen  W 8 K 22.50113

Datum:
10.6.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 16865
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a
AsylG § 77 Abs. 2
Dublin III-VO Art. 3
Dublin III-VO Art. 13 Abs. 1
Dublin III-VO Art. 22
GrCh Art. 4
EMRK Art. 3

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen. 
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. 

Gründe

Die Klage, über die entschieden werden konnte, obwohl niemand von den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erschienen ist (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig, aber unbegründet.
Der Bescheid vom 30. März 2022 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 und Abs. 5 VwGO), weil Italien nach den Vorgaben der Dublin III-Verordnung zuständig ist, das italienische Asylsystem und die dortigen Aufnahmebedingungen nicht an systemischen Mängeln leiden und auch keine Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG bestehen.
Das Gericht folgt den Feststellungen und der Begründung im streitgegenständlichen Bescheid vom 30. März 2022, macht sich diese zu eigen und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer nochmaligen Darstellung ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Das Vorbringen der Klägerin rechtfertigt keine andere Beurteilung.
Italien ist gemäß Art. 13 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 22 Abs. 7 Dublin III-VO für die Bearbeitung des Asylantrages der Klägerin zuständig (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AsylG). Aufgrund der illegalen Einreise ist Italien gemäß Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO für die Behandlung des Asylantrages zuständig. Die italienischen Behörden haben auf ein Aufnahmegesuch der Beklagten vom 28. Januar 2022 nicht reagiert, so dass davon auszugehen ist, dass dem Aufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung nach sich zieht, die Person aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen (§ 22 Abs. 7 Dublin III-VO).
Die Klägerin hat selbst angegeben, mit dem Schiff illegal nach Italien gereist zu sein, dort in Quarantäne gewesen zu sein und gegenüber den italienischen Behörden ausdrücklich erklärt zu haben, weiterreisen zu wollen. Einen Asylantrag habe sie nicht gestellt.
Außergewöhnliche Umstände, die möglicherweise für ein Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabsatz 2 Dublin III-VO bzw. für eine entsprechende Pflicht der Beklagten nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO sprechen könnten, sind vorliegend nicht gegeben. Insbesondere ist nach derzeitigem Erkenntnisstand auch unter Berücksichtigung der hierzu einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/19 u.a. – NVwZ 2012, 417) nicht davon auszugehen, dass das italienische Asylsystem an systemischen Mängeln leidet, aufgrund derer die dorthin rücküberstellten Asylbewerber einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU-Grundrechtecharta (GRCh) ausgesetzt wären.
Das gemeinsame Europäische Asylsystem beruht auf dem „Prinzip gegenseitigen Vertrauens“ bzw. dem „Konzept der normativen Vergewisserung“, dass alle daran beteiligten Mitgliedstaaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), dem Protokoll von 1967 und in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) finden (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10 – NVwZ 2012, 417 Rn. 79). Dies begründet die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat im Einklang mit den Erfordernissen der GRCh sowie mit der GFK und der EMRK steht (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10 – NVwZ 2012, 417 Rn. 80). Um das Prinzip gegenseitigen Vertrauens entkräften zu können, muss ernsthaft zu befürchten sein, dass dem Asylbewerber aufgrund genereller defizitärer Mängel im Asylsystem des eigentlich zuständigen Mitgliedstaats mit beachtlicher, d.h. mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GrCh droht (vgl. BVerwG, B.v. 19.3.2014 – 10 B 6/14 – juris Rn. 6; EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10 – NVwZ 2012, 417 Rn. 80; VGH BW, U.v. 16.4.2014 – A 11 S 1721/13 – InfAuslR 2014, 293 – juris Rn. 41). Erforderlich ist insoweit die real bestehende Gefahr, dass in dem Mitgliedstaat, in den überstellt werden soll, die grundlegende Ausstattung mit den notwendigen, zur Befriedigung menschlicher Grundbedürfnisse elementaren Mitteln so defizitär ist, dass der materielle Mindeststandard nicht erreicht wird und der betreffende Mitgliedstaat dieser Situation nicht mit geeigneten Maßnahmen, sondern mit Gleichgültigkeit begegnet (vgl. BVerwG, U.v. 20.5.2020 – 1 C 34/19 – Buchholz 402.251, § 29 AsylG Nr. 11 mit Anm. Berlit v. 9.11.2020 in jurisPR-BVerwG 23/2021 Anm. 1; jeweils m.w.N.). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) kann allerdings die bloße schlechtere wirtschaftliche oder soziale Stellung der Person in dem zu überstellenden Mitgliedstaat nicht für die Annahme einer unmenschlichen Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK ausreichen (vgl. EGMR, B.v. 2.4.2013 – 27725/10 – ZAR 2013, 336, 70 f.). Der EGMR führt in seiner Entscheidung aus, dass Art. 3 EMRK keine allgemeine Verpflichtung der Vertragsparteien enthalte, jede Person innerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs mit Obdach zu versorgen oder finanzielle Leistungen zu gewähren, um ihnen dadurch einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen. Einer Überstellung im Rahmen des Dublin-Verfahrens stehen deshalb nur außergewöhnliche zwingende humanitäre Gründe entgegen.
Die Anforderungen an die Feststellung systemischer Mängel und eine daraus resultierende Widerlegung der Sicherheitsvermutung sind hoch. Konkretisierend hat der EuGH in seinem Urteil vom 19. März 2019 (C-163/17 – juris Rn. 91) ausgeführt, dass systemische Schwachstellen nur dann als Verstoß gegen Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK zu werten seien, wenn eine besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit erreicht werde, die von sämtlichen Umständen des Falles abhänge. Diese Schwelle sei aber selbst in durch große Armut oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse der betreffenden Person gekennzeichneten Situationen nicht erreicht, sofern sie nicht mit extremer materieller Not verbunden seien, aufgrund deren sich diese Person in einer solch schwerwiegenden Lage befinde, dass sie einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichgestellt werden könne. Die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats müsse zur Folge haben, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befinde, die es ihr nicht erlaube, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden (kurz: „Bett, Brot, Seife“), und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtige oder sie in einen Zustand der Verelendung versetze, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre (vgl. EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-163/17 – ZAR 2019, 192 – juris Rn. 92 f.; vgl. weiter BVerwG, U.v. 20.5.2020 – 1 C 34/19 – Buchholz 402.251, § 29 AsylG Nr. 11 mit Anm. Berlit v. 9.11.2020 in jurisPR-BVerwG 23/2021 Anm. 1; jeweils m.w.N.).
Ausgehend von vorstehenden Grundsätzen bestehen aufgrund der aktuellen Erkenntnislage des Gerichts keine Anhaltspunkte für das Vorliegen derartiger systemischer Mängel im italienischen Asylsystem. Dies gilt auch im Hinblick auf die hier relevante Gruppe der Dublin-Rückkehrer. Sofern Dublin-Rückkehrer einen Asylantrag stellen, wird ein Asylverfahren durchgeführt bzw. ein bereits anhängiges Verfahren wird fortgesetzt. Grundsätzlich erhalten auch Dublin-Rückkehrer eine Unterkunft, medizinische Behandlung und sonstige Versorgung – im Einzelnen: Unterbringung, Verpflegung; Sozialbetreuung, Information, linguistisch-kulturelle Mediation; notwendige Transporte; medizinische Betreuung: Erstuntersuchung, ärztliche Betreuung in den Zentren zusätzlich zum allgemeinen Zugang zum nationalen Gesundheitsdienst; Hygieneprodukte; Wäschedienst und Waschprodukte; Startpaket (Kleidung, Bettzeug, Telefonkarte); Taschengeld (2,50 EUR/Tag/Person bis zu 7,50 EUR/Tag für eine Kernfamilie); Schulbedarf usw. (siehe BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformation der Staatendokumentation Italien vom 11.11.2020 S. 4 f. und 13 ff.; vgl. neben der schon im streitgegenständlichen Bescheid zitierten Rechtsprechung insbesondere zuletzt etwa noch VG Würzburg, U.v. 7.6.2022 – W 1 K 22.50166; B.v. 12.5.2022 – W 8 S 22.50138; B.v. 1.4.2022 – W 2 S 22.50085; B.v. 29.3.2022 – W 1 S 22.50090; B.v. 25.2.2022 – W 8 S 22.50063 – juris und B.v. 30.11.2021 – W 8 S 21.50318 – juris Rn. 20 sowie VG Düsseldorf, U.v. 27.4.2022 – 29 K 8384/21.A – juris; SächsOVG, U.v. 22.3.2022 – 4 A 389/20.A – juris; U.v. 15.3.2022 – 4 A 154/19.A – juris; U.v. 14.3.2022 – 4 A 1220/19.A – juris; U.v. 14.3.2022 – 4 A 341/20.A – juris; VG Bayreuth, U.v. 15.3.2022 – B 7 K 20.30066 – juris; VG Gießen, B.v. 15.3.2022 – 3 L 91/22.GI.A, 8456852 – juris; VG Regensburg, U.v. 3.3.2022 – RN 8 K 17.52250, 718282 – juris; VG München [nicht BayVGH, wie fälschlich bei juris zitiert], B.v. 24.2.2022 – M 19 S 22.50042, 8488616 – juris; VG Kassel, B.v. 22.2.2022 – 7 L 243/22.KS.A, 8564411 – juris; SaarlOVG, U.v. 15.2.2022 – 2 A 46/21 – juris; OVG MV, Ue.v. 19.1.2022 – 4 LB 68/17, 6055780 und 4 LB 135/17, 5861273 – jeweils juris; B.v. 15.11.2021 – 3 KM 660/21 OVG, 7038324 – juris; BayVGH, B.v. 10.11.2021 – 14 ZB 21.50043 – juris; B.v. 8.6.2021 – 6 ZB 21.50037 – juris; B.v. 4.5.2021 – 6 ZB 21.50026, 7837353 – juris; B.v. 4.5.2021 – 6 ZB 21.50027, 7831353 – juris).
Die Asyl- und Aufnahmebedingungen stellen sich nach den vorliegenden Erkenntnissen in Italien im Wesentlichen wie folgt dar (vgl. auch schon VG Würzburg, B.v. 25.2.2022 – W 8 S 22.50063; B.v. 30.11.2021 – W 8 S 21.50318 – juris – mit Bezug auf VG Würzburg, B.v. 26.10.2021 – W 5 S 21.50269). In Italien existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlichen Beschwerdemöglichkeiten (BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformation der Staatendokumentation Italien vom 11.11.2020 S. 5). Dublin-Rückkehrer haben Zugang zum Asyl- und Aufnahmesystem, wobei die Einzelheiten davon abhängen, ob der Betreffende vor seiner Ausreise in Italien angehört wurde oder eine ablehnende Entscheidung erhalten hat usw. Hat der Betreffende in Italien keinen Asylantrag gestellt, bevor er weitergezogen ist, kann er dies bei seiner Rückkehr tun und hat Zugang zum Erstaufnahmezentrum sowie vorübergehende Zentren für Asylbewerber. Weiter wird bei Asylantragstellung in Italien der Rückkehrer in dem Aufnahmezentrum in der Provinz verlegt, in der sich der internationale Flughafen befindet, in dem er ankommt. Gemäß dem italienischen Gesetz Nr. 132/2018 soll das Aufnahmesystem in allen Verfahrensstufen die Achtung des Privatlebens, einschließlich der Geschlechtsunterschiede, der altersbedingten Bedürfnisse und des Schutzes der körperlichen und geistigen Gesundheit der Bewohner, sicherstellen. Das Aufnahmesystem soll auch die Familieneinheit von Ehegatten und Verwandten ersten Grades respektieren und spezialisierte Dienstleistungen für Personen mit besonderen Bedürfnissen anbieten. Neuankömmlinge haben Anspruch auf materielle Grundleistungen, Unterkunft, Verpflegung, Körperpflegeprodukte, Kleidung, finanzielle Unterstützung in Höhe von 2,50 EUR pro Tag, medizinische Untersuchung, sprachliche und kulturelle Unterstützung, Rechtsinformation, psychologische und soziale Unterstützung, Gesundheitshilfe, Einschreiben von Kindern im schulpflichtigen Alter (vgl. UNHCR, Auskunft an das VG Freiburg vom 14.12.2021; vgl. auch ausführlich ASGI/aida, Country Report: Italy, 2021 Update, Mai 2022 – im Folgenden: aida aida, Country Report Italy 2021).
Bei Überstellung nach Italien droht Dublin-Rückkehrern insbesondere keine Obdachlosigkeit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit.
An italienischen Flughäfen sind Nichtregierungsorganisationen für die Information der Dublin-Rückkehrenden zuständig (aida/ASGI, Country Report: Italy, 2020 Update, Stand: Juni 2020, S. 69 – im Folgenden: aida, Country Report Italy 2020 sowie aida, Country Report Italy 2021, S. 77 ff.). Wenn Italien der Überstellung ausdrücklich zugestimmt hat, wird der Flughafen mitgeteilt, zu dem die Rückkehrenden überstellt werden sollen, um die zuständige Behörde am einfachsten erreichen zu können. In anderen Fällen wird den Rückkehrenden von der Grenzpolizei mitgeteilt, bei welcher Behörde sie sich melden müssen. Den Transport dorthin müssen sie in der Regel selbst organisieren (vgl. aida, Country Report Italy 2021, S. 79 f.; aida, Country Report Italy 2020, S. 69 f.). Dublin-Rückkehrende werden behandelt wie alle Asylsuchenden. Sie haben insbesondere auch Anspruch auf Unterbringung in einer Aufnahmeeinrichtung, falls ihnen dieses Recht nicht entzogen wurde (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, Stand: Januar 2020, S. 47). Personen, deren Antrag auf internationalen Schutz bereits abgelehnt wurde, können einen Folgeantrag stellen. Folgeantragstellende können sich auf dieselben rechtlichen Garantien wie Erstantragstellende berufen und können in Aufnahmeeinrichtungen untergebracht werden, sofern Plätze verfügbar sind (vgl. aida, Country Report Italy 2021, S. 99; aida, Country Report Italy 2020, S. 89). Im Falle eines Folgeantrags wird kurzfristig über dessen Zulässigkeit entschieden. Sollte der Folgeantrag unzulässig sein, kann das Recht auf Unterbringung in einer Aufnahmeeinrichtung widerrufen werden (aida, Country Report Italy 2021, S. 99 ff.; aida, Country Report Italy 2020, S. 89 f.). Das italienische Aufnahmesystem ist in den vergangenen Jahren mehrfach geändert worden (vgl. aida, Country Report Italy 2021, S. 110 ff., 130 ff.; aida/ASGI, Country Report: Italy, 2019 Update, Stand: Juni 2020, S. 91; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien – Aktuelle Entwicklungen, Stand: 10.6.2021, S. 4). Mittlerweile ist die finanzielle Grundlage für Aufnahmezentren aufgrund geänderter Ausschreibungen nicht mehr so prekär wie zuvor (SFH, Aufnahmebedingungen in Italien 2021, S. 5). Zudem wurde das SIPROIMI-System im Jahr 2020 in SAI (Sistema di Accoglienza e Integrazione – Aufnahme- und Integrationssystem) umbenannt und umorganisiert. An Orten, an denen sehr viele Asylsuchende das Land erreichen, bestehen Einrichtungen für erste Hilfe und eine Identifikationsphase (Hotspots). In staatlichen Erstaufnahmerichtungen sollen Asylsuchende beim Beginn des Asylverfahrens unterstützt werden. In der Aufnahmephase erfolgt die Unterbringung in kleinen Einrichtungen des SAI. Sofern wegen hoher Zahlen ankommender Asylsuchender nicht genügend Plätze zur Verfügung stehen, kann die Erstaufnahme in temporären Strukturen, sogenannten CAS, erfolgen (aida, Country Report Italy 2021, S. 117 ff., 130 ff.; aida, Country Report Italy 2020, S. 99, 101, 116 ff.). Während der COVID-19-Pandemie werden zudem Schiffe für Quarantäne und Isolation von Asylsuchenden genutzt; dies wurde von Nichtregierungsorganisationen stark kritisiert (aida, Country Report Italy 2021, S. 114 f.; aida, Country Report Italy 2020, S. 102 f.). In der Praxis wurden und werden mehr als 66% der Asylsuchenden in CAS untergebracht (aida, Country Report Italy 2021, S. 110; aida, Country Report Italy 2020, S. 99 „70%“). Das SAI-System wird weiterhin vorrangig für international Schutzberechtigte und unbegleitete Minderjährige genutzt. Andere Personen, wie Asylsuchende, erhalten nur Zugang, sofern Plätze verfügbar sind (aida, Country Report Italy 2021, S. 111, 213; aida, Country Report Italy 2020, S. 100, 180 f.). Während rechtlich ein Anspruch auf Unterbringung ab dem Zeitpunkt der Äußerung des Asylgesuchs besteht, wird in der Praxis erst ab der formalen Antragstellung Zugang zu den Aufnahmeeinrichtungen gewährt (aida, Country Report Italy 2021, S. 117; aida, Country Report Italy 2020, S. 104). Dublin-Rückkehrende, die bereits in einer Aufnahmeeinrichtung untergebracht waren, können ihr Recht auf Unterkunft verloren haben (aida, Country Report Italy 2021, S. 79; aida, Country Report Italy 2020, S. 69; SFH, Aufnahmebedingungen in Italien, 10.6.2021, S. 8 f.). Insbesondere Familien mit Kindern und vulnerable Personen sind jedoch vom Entzug des Rechts auf Unterkunft in der Regel nicht betroffen, sie werden unabhängig davon, wie lange sie die Einrichtung verlassen haben, bei ihrer Rückkehr wiederaufgenommen (BAMF, Aufnahmesituation von Familien mit minderjährigen Kinder, 2.4.2020, S. 36, 44). Auch wenn keine verlässlichen aktuellen Zahlen zu den Kapazitäten und der Auslastung des gesamten italienischen Aufnahmesystems verfügbar sind (vgl. aida, Country Report Italy 2021, S. 130; aida, Country Report Italy 2020, S. 116), ist ein Mangel an Unterkünften nicht zu erkennen (aida, Country Report Italy 2021, S. 135; aida, Country Report Italy 2020, S. 120). Probleme, eine Unterkunft zu finden, sind vielmehr vor allem auf Schwierigkeiten bei der Registrierung des Asylantrags oder im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie zurückzuführen (aida, Country Report Italy 2021, S. 135; aida, Country Report Italy 2020, S. 120). Gleichwohl waren einige Einrichtungen während der Pandemie erheblich überbelegt (aida, Country Report Italy 2021, S. 135; aida, Country Report Italy 2020, S. 120 f.). Zudem dürften zahlreiche Asylsuchende in informellen Camps leben (vgl. aida, Country Report Italy 2021, S. 138 ff.; aida, Country Report Italy 2020, S. 123 f.)
Die Bedingungen in Italien haben sich kontinuierlich weiterentwickelt. Das italienische Aufnahme- und Unterbringungssystem hat auch im Rahmen der COVID-19-Pandemie flexibel reagiert. Der italienische Gesetzgeber hat mit Gesetz Nr. 173/2020 neben anerkannten Flüchtlingen, Inhabern eines internationalen Schutzstatus und Asylbewerber und Inhaber nationaler Aufenthaltstitel wieder den Zugang zu Projekten der Integration und Inklusion (SAI) ermöglicht und damit den Kreis der Zugangsberechtigten im Rahmen der zur Verfügung stehenden Plätze erneut erweitert. Die Kapazität des italienischen Aufnahmesystems für Asylbewerber und Statusinhaber ist aktuell nicht ausgelastet und erst recht nicht überlastet. Der italienischen Regierung ist es im Zusammenhang mit dem italienischen Kommunalverband und den Betreibern der Aufnahmeeinrichtung und SAI-Projekten gelungen, die Aufnahme von Asylbewerbern und Statusinhabern in einer Weise zu gewährleisten, die den Anforderungen der EU-Regelung entspricht. Es gibt so auch Unterkunftskapazitäten für anerkannt Schutzberechtigte (vgl. im Einzelnen BAMF, Situation des Aufnahmesystems seit der Reform des Salvini-Dekrets, 15.7.2021, mit einzelnen Angaben zu den Aufnahmemöglichkeiten und der Auslastung der jeweiligen Unterkunftsmöglichkeiten). Auch die Schweizer Flüchtlingshilfe räumt ein, dass Restriktionen aus der Ära Salvini wieder rückgängig gemacht worden sind, dass die finanzielle Grundlage nicht mehr so prekär ist und Asylsuchende zumindest theoretisch wieder Zugang zum Aufnahmesystem der zweiten Stufe „SAI“ haben. Erfreulich ist weiter, dass die sogenannte Registrierung beim Melderegister für Asylsuchende wieder möglich ist, da damit eine Voraussetzung für den Zugang zu grundlegenden Leistungen und zur Unterbringung wieder erfüllt werden kann (vgl. SFH, Aufnahmebedingungen in Italien, 10.6.2021, S. 5 und 10, 11 ff. und 14; Auskunft an das OVG NRW v. 17.5.2021; Romer, Asylmagazin 6/2021 S. 207 ff.).
Dublin-Rückkehrende gelten als Asylsuchende und werden wie neu ankommende Asylsuchende behandelt. Etwa am Flughafen in Rom und in Mailand übergibt die Grenzpolizei dem Betreffenden ein Einladungsschreiben, in dem die zustehende Questura angegeben ist. Dublin-Rückkehrer erhalten am jeweiligen Flughafen von verschiedenen Organisationen auch Hilfe und Unterstützung für das weitere Verfahren (aida, Country Report Italy 2021, S. 77 ff.; aida, Country Report Italy 2020, S. 68 f.).
In Fällen, in denen Italien ausdrücklich seine Zuständigkeit unter der Dublin III-VO anerkannt hat, wird der günstigste Flughafen der Dublin-Rückkehrende angegeben, damit diese die zuständige Questura erreichen können. Auch sonst ist davon auszugehen, dass die italienischen Behörden über eine Rücküberstellung Bescheid wissen und die Betreffenden in Empfang nehmen und ihnen auch weiterhelfen. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass auch Nichtregierungsorganisationen behilflich sind (BAMF, Auskunft an das VG Arnsberg vom 7.7.2021). Dies gilt auch bei der Registrierung. Deshalb ist im Regelfall nicht zu erwarten, dass Rückkehrende – wie die Klägerin – in der Zeitspanne zwischen der Registrierung des Asylgesuchs und ihrer formellen Vorsprache in Obdachlosigkeit geraten könnte, zumal davon auszugehen ist, dass für Personen, die bislang noch kein Asylgesuch in Italien gestellt und sich damit noch nicht im italienischen Asylverfahren befunden haben, aufgrund des Überstellungsprozederes und der wechselseitigen Informationen ortsnah einen Platz in einem Aufnahmezentrum zur Verfügung gestellt bekommen (vgl. zum Ganzen VG Düsseldorf, U.v. 27.4.2022 – 29 K 8384/21.A – juris Rn. 70 ff., 84 m.w.N.). Selbst, wenn bei Familien mit minderjährigen Kindern im Einzelfall keine zeitnahe Unterbringung in einer SAI-Einrichtung möglich sein sollte, besteht trotz gleichwohl kein Ansatz das Risiko einer erniedrigenden Behandlung, weil vulnerable Personen jedenfalls zeitweilig auch in den sogenannten CAS-Unterkünften angemessen untergebracht werden können. Es ist auch sonst nicht zu erwarten, dass die Präfektur das Recht auf die Unterbringung entzieht. Denn es ist geklärt, dass ein Mitgliedsstaat keine Sanktion vorsehen darf, mit der die im Rahmen der Aufnahmen gewährten materiellen Leistungen, die sich auf Unterkunft, Verpflegung und Kleidung beziehen, auch zeitweilig entzogen werden. Anhaltspunkte, dass Italien diese unionsrechtlichen Vorgaben nicht beachtet, bestehen nicht (SächsOVG, U.v. 14.3.2022 – 4 A 341/20.A – juris Rn. 29 ff.,38 ff.).
Das Gericht hält es für unrealistisch, dass Zurückkehrende – Alleinstehende oder eine Familie mit Kindern – nach Italien im Dublin-Verfahren unfreiwillig regelmäßig obdachlos würden. Diese Gefahr ist durch klare Regelungen und Verpflichtungen ausgeräumt (vgl. Gießen, B.v. 15.3.2022 – 3 L 91/22.GI.A, 8456852 – juris S. 16 mit Bezug auf BAMF, Bericht zur Aufnahmesituation von Familien mit minderjährigen Kindern, 2.4.2020, S. 36, 40 und 44).
Soweit das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in mehreren Entscheidungen (vgl. OVG NRW, B.v. 14.4.2022 – 11 A 1338/20.A, 803790 – juris; B.v. 15.11.2021 – 11 A 571/20.A – juris; Ue.v. 20.7.2021 – 11 A 1674/20.A und 11 A 1689/20.A – jeweils juris; siehe dazu auch BVerwG, B.v. 17.1.2022 – 1 B 66.21 – juris) insbesondere bemängelt, dass Betroffene keine menschenwürdige Unterkunft in Italien finden oder finanzieren könnten, sie sich auch nicht mit den zum Überleben notwendigen Gütern versorgen könnten sowie keinen Zugang zu staatlichen Sozialleistungen hätten, und sich dabei unter anderem auf die Stellungnahme der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 17. Mai 2021 bezieht, ist dem entgegenzuhalten, dass den dortigen Verfahren eine gänzlich andere Fallkonstellation als hier zugrunde lag. Einmal ging es um einen anerkannten Schutzberechtigten, so dass es dort schon gar nicht um ein Dublin-Verfahren ging. Weitere Fälle betrafen männliche Einzelpersonen, die ihr Recht auf Unterbringung und Versorgung in Italien verloren hatten. Die Lage ist jedoch anders, wenn wie hier in Italien noch gar kein Asylantrag gestellt wurde und dem Betreffenden deshalb auch noch keine Unterkunft zugewiesen werden konnte (VG Düsseldorf, U.v. 27.4.2022 – 29 K 8384/21.A – juris Rn. 92 ff.; SächsOVG, U.v. 4.3.2022 – 4 A 341/20.A – juris Rn. 64; BayVGH, B.v. 10.11.2021 – 14 ZB 21.50043 – juris Rn. 8 und 10).
Zudem besteht der Eindruck, dass sich das OVG Nordrhein-Westfalen nicht von den „harten“ Maßstäben des EuGHs hat leiten lassen. So kann etwa – genauso wie für Obdachlose in Deutschland – etwa auch genügen, eine Schlafmöglichkeit in einer Notunterkunft die zu finden. Denn auch für die Angemessenheit von Unterkünften gelten grundsätzlich nur geringe Mindestanforderungen (vgl. im Einzelnen VGH BW, B.v. 8.11.2021 – A 4 S 2850/21 – juris Rn. 9 ff. m.w.N. sowie SaarlOVG, U.v. 15.2.2022 – 2 A 46/21 – juris Rn. 26 f. auch mit dem Hinweis, dass das BVerwG, B.v. 17.1.2022 – 1 B 66.21 – juris, selbst keine Prüfung in der Sache vorgenommen habe; OVG MV, Ue.v. 19.1.2022 – 4 LB 68/17, 6055780 und 4 LB 135/17, 5861273 – jeweils juris S. 11 f.).
Letztlich hat sich das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen offenbar nicht vom Prinzip des gegenseitigen Vertrauens leiten lassen, sondern von einem Misstrauen gegenüber den italienischen Behörden (vgl. VG Chemnitz, U.v. 22.10.2021 – 5 L 449/21.A, 9968850 – juris S. 7 ff.). Die italienischen Behörden haben gerade Maßnahmen zur Bewältigung der auftretenden Probleme ergriffen. Durch die Registrierung besteht auch die Möglichkeit zu Leistungen im Rahmen der Gesundheitsversorgung, also Zugang zum Gesundheitssystem, abgesehen von der sowieso bestehenden kostenfreien Notversorgung. Die Versorgung erfolgt über die Unterbringungseinrichtungen. Allein durch die Abnahme eines Fingerabdrucks kann noch nicht darauf geschlossen werden, dass Schutzsuchende bei einer Rückkehr nicht mehr untergebracht würden (vgl. VG Leipzig, B.v. 22.10.2021 – 5 L 618/21.A, 8461440 – juris S. 10 ff.). Soweit die Behauptung aufgestellt wird, es drohe oftmals über Wochen bis zur offiziellen Antragsabgabe Obdachlosigkeit, so fehlt es an konkreten Belegen dafür. Dies gilt auch für die Vermutung, dass eine Person, die erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz in Italien gestellt hat, zunächst bis zur offiziellen Antragstellung obdachlos bleiben würde (VG Aachen, B.v. 1.10.2021 – 9 L 487/21.A, 8412306 – juris S. 3 mit Bezug auf VG Augsburg, G.v. 16.8.2021 – Au 3 K 21.50069 – juris). Im Vergleich zur Situation vor einigen Jahren hat sich gerade die Unterbringungssituation in Italien verbessert. Soweit die Schweizer Flüchtlingshilfe auf Einzelfälle der Obdachlosigkeit verweist, stellt sich zudem die Frage, ob die Aussagen der dort zitierten Personen verallgemeinerungsfähig sind, zumal wenn keine Angaben zu den Hintergründen der erwähnten Einzelfälle gemacht werden (vgl. VG Hamburg, B.v. 1.9.2021 – 9 AE 1424/21, 8283742 – juris S. 9 ff.). Auch wenn sich die Qualität der Unterbringungsbedingungen zwischen einzelnen Unterkünften unterscheidet, fehlen gewichtige Anhaltspunkte für die Annahme, dass die elementarsten Bedürfnisse in den Aufnahmeeinrichtungen nicht erfüllt würden. Zur Überbrückung ist zudem auch eine vorübergehende Unterbringung in einer Notunterkunft zuzumuten und nicht menschrechtswidrig (VG Bremen, B.v. 21.8.2021 – 6 V 721/21 – juris Rn. 39 und 42; vgl. auch VGH BW, B.v. 8.11.2021 – A 4 S 2850/21 – juris Rn. 10 m.w.N.).
Neben den staatlichen Einrichtungen existieren zudem verschiedene karitative und kommunale Einrichtungen, die zusätzliche Unterkunftsmöglichkeiten bieten, um Asylbewerber vor Obdachlosigkeit zu schützen (vgl. aida, Country Report Italy 2021, S. 134). In einzelnen Fallgestaltungen ist es möglich, dass Dublin-Rückkehrer keine Unterbringung erhalten und vorübergehend obdachlos sind. Insbesondere kann es zu Problemen kommen, wenn Dublin-Rückkehrer in Italien bereits offiziell untergebracht waren, da der Anspruch auf Unterbringung in staatlichen Einrichtungen untergeht, wenn der Ausländer seine Unterkunft ohne vorherige Bewilligung verlässt oder eine ihm zugewiesene Unterkunft gar nicht erst in Anspruch genommen hat (vgl. BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformation der Staatendokumentation Italien vom 11.11.2020, S. 16 ff. und vom 19.10.2019 S. 17). Der Anspruch kann zwar wiederaufleben. Insoweit ist allerdings ein vorheriger Antrag bei der Questura erforderlich, die ursprünglich für die Bearbeitung des Asylantrags zuständig war. Eine Unterbringung in einer staatlichen Einrichtung kann erst dann wieder erfolgen, wenn die Wiederaufnahme genehmigt wurde (vgl. auch Schweizerische Flüchtlingshilfe/pro Asyl, Auskunft an den HessVGH vom 19.10.2020; Accord, Anfragebeantwortung zu Italien: Rücknahme und Unterstützung von Personen mit in Italien zuerkannten internationalen Schutzstatus, insbesondere von Familien und Kindern; Auswirkungen der Corona-Pandemie vom 18.9.2020). In dieser Übergangsphase kann es sein, dass Dublin-Rückkehrer auf die Hilfe von Freunden oder karitativen Einrichtungen, über deren Aufnahmekapazität es keine gesicherten und aussagekräftigen Unterlagen gibt, angewiesen sind, um der Obdachlosigkeit entgehen zu können (vgl. nur VG Chemnitz, U.v. 22.10.2021 – 5 L 449/21.A, 9968850 – juris S. 8 f.). Die Berücksichtigung der möglichen Inanspruchnahme zumutbar erreichbarer Leistungen nicht staatlicher Hilfs- oder Unterstützungsorganisationen ist zulässig (BVerwG, U.v. 7.9.2021 – 1 C 3.21 – InfAuslR 2022, 152 – juris Rn. 22 f.).
Auch wenn in der Vergangenheit die Unterbringungssituation für Zurückkehrende in Italien nicht immer unproblematisch war, ist aktuell davon auszugehen, dass Betroffene nach ihrer Rückkehr eine Unterkunft unterhalten. In der Praxis ist selbst bei einer Rücküberstellung einer Familie mit Kindern keine Verletzung der Rechte aus Art. 3 EMRK zu befürchten, weil diese Angehörigen gemäß Art. 17 des Dekrets Nr. 142/2015 vulnerablen Personengruppe vorrangig in einem SAI-Netzwerk unterzubringen sind. Doch selbst wenn die Rückkehrenden vorübergehend zunächst in einer Aufnahmeeinrichtung der ersten Ebene untergebracht würden, ist keine Rechtsverletzung zu erwarten (VG Gießen, B.v. 15.3.2022 – 3 L 91/22.GI.A, 8456852 – juris S. 6 und S. 8 mit Bezug auf EGMR, U.v. 23.3.2021 – 46595/19 – juris Rn. 54 ff.). Auch unter Berücksichtigung einer gewissen Zeitspanne zwischen Aufnahme der Personalien usw. zum einen und der formellen Registrierung des Asylgesuchs zum anderen bestehen keine durchgreifenden Bedenken. Abgesehen davon ist auch eine zwischenzeitliche Verweisung auf Notunterkünfte sowie auf private Unterbringungsmöglichkeiten grundsätzlich zumutbar und zulässig.
Zudem ist nicht dokumentiert, dass eine eventuelle Obdachlosigkeit ein häufiges Problem in Italien darstellt. Denn ein entsprechender Aspekt findet auch in der Auskunft des UNHCR vom 14. Dezember 2021 an das VG Freiburg keine Beachtung. Auf entsprechende Frage hat der UNHCR vielmehr mitgeteilt, dass insoweit keine zusätzlichen Erkenntnisse vorlägen. Der UNHCR verweist gerade nicht auf etwaige zeitliche Verzögerungen und die daran anknüpfenden Unterbringungsschwierigkeiten.
Schließlich ändert sich auch durch den Umstand, dass zusätzlich Personen aus Afghanistan und der Ukraine in Italien ankommen, die den sonstigen Schutzsuchenden bzw. Schutzberechtigten womöglich Plätze wegnehmen könnten, nichts an der Beurteilung. Abgesehen davon, dass sich die gesamten Auswirkungen des Ukrainekrieges noch nicht valide abschätzen lassen (vgl. schon VG Würzburg, B.v. 12.5.2022 – W 8 S 22.50138 – BA S. 23 und 24 f., mit weiteren Hinweisen), ist mit Blick auf die Afghanistan-Flüchtlinge anzumerken, dass im Januar 2022 nach Aussage der Servizio Centrale des SAI das System zwar ausgelastet gewesen sei, aufgrund des Anstiegs der asylsuchenden Personen aus Afghanistan aber erweitert werden müsse (vgl. SFH, Auskunft an das VG Karlsruhe vom 29.4.2022, S. 8 und 9). Schon mit dieser Aussage wird verdeutlicht, dass die italienischen Behörden dem Problem gerade nicht gleichgültig gegenüberstehen, sondern den erhöhten Unterkunftsbedarf offenkundig erkannt haben und darauf reagieren. Tatsächlich ist die italienische Regierung nicht tatenlos geblieben und hat im Oktober und Dezember 2021 5.000 weitere Plätze in der SAI aktiviert, um den Bedarf zur Unterbringung afghanischer Asylbewerber zu decken (aida, Country Report Italy 2021, S. 18, 113).
Gleichermaßen ist die italienische Regierung auch im Blick auf den Ukrainekrieg und seinen Folgen nicht untätig geblieben.
Als konkrete Reaktion auf den Zustrom von Menschen, die vor dem kriegerischen Konflikt in der Ukraine fliehen, hat der italienische Staat vielmehr im Wesentlichen zwei Unterbringungsmaßnahmen beschlossen: Einerseits ist eine Aufstockung der Plätze für die Unterbringung im bestehenden Aufnahmesystem (staatliche CAS- und SAI-Einrichtungen) geplant; andererseits sind alternative Formen von breit gestreuter Unterbringung sowie wirtschaftliche Unterstützung vorgesehen. So wurde ad hoc eine Ausweitung um 3.000 SAI-Plätze geschaffen sowie der Zugang von Ukrainern zu den für Afghanen aktivierten 5.000 Plätze eröffnet. Für einen weiteren Aufnahmebedarf wurde in den Regionen und Präfekturen Maßnahmen angestoßen, um weitere Wohnungslösungen vorzubereiten. Weiter wurden die Voraussetzungen geschaffen, die alternativen Formen von breit gestreuter Unterbringung zu definieren, die im Einvernehmen mit den Kommunen und durch Einrichtungen des dritten Sektors, freiwilligen Servicezentren, Organisationen und Verbänden umzusetzen sind, welche eine weitgehende Homogenität von Dienstleistungen und Kosten mit den Einrichtungen des Aufnahmesystems (CAS und staatliche Einrichtungen) gewährleisten, für maximal 15.000 Einheiten. Daneben tritt die finanzielle Unterstützung für Ukraineflüchtlinge zur Ermöglichung der privaten Wohnungsnahme außerhalb des öffentlichen Aufnahmesystems (aida, Country Report Italy 2021, S. 20, 113 f.). Im Übrigen gilt auch hier, dass sich noch nicht prognostizieren lässt, in welchem Ausmaß Italien Flüchtlinge aus der Ukraine aufnimmt und inwieweit es die Aufnahmekapazitäten an die veränderte Lage anpassen muss. Gleiches gilt in Bezug auf die wirtschaftliche Situation und die sonstigen Auswirkungen auf das italienische Asylsystem (vgl. SächsOVG, U.v. 15.3.2022 – 4 A 154/19.A – juris Rn. 28).
Im Übrigen ist aufgrund verfahrensmäßiger Vorkehrungen gewährleistet, dass eine menschenwürdige Überstellung und Unterbringung erfolgt. So werden Dublin-Rückkehrende direkt am Flugzeug von der Grenzpolizei abgeholt und dem Schalter zugeführt, wo sie gegebenenfalls entweder von der zuständigen Unterkunft abgeholt werden oder jedenfalls die erforderlichen Informationen erhalten. Nicht zuletzt muss bei Vulnerableren ohnehin eine Rücküberstellung in behördlicher Kooperation sichergestellt sein, so dass deren Versorgung auch in Italien gewährleistet ist (VG Gießen, B.v. 15.3.2022 – 3 L 91/22.GI.A, 8456852 – juris S. 10 ff. m.w.N.). Denn laut Beklagte (BAMF, Auskunft an das VG Arnsberg vom 7.7.2021) werden Überstellungen nach Italien nach der Dublin III-VO engmaschig auch mit der zuständigen Ausländerbehörde koordiniert und betreut. Mit der italienischen Behörde findet ein entsprechender Austausch statt zeitnah vor einer tatsächlichen Durchführung der Überstellung, die die Bedürfnisse und Besonderheiten abklären (VG Regensburg, U.v. 3.3.2022 – RN 8 K 17.52250, 721828 – juris S. 10). Bei einer ausdrücklichen Zustimmung Italiens zur Überstellung wird der Flughafen angegeben, welcher der für das konkrete Asylverfahren zuständige Questura am nächsten liegt. Falls die Person ihren Antrag in Italien noch nicht eingereicht hatte, wird das Aufnahme- und Asylverfahren in der Region des Ankunftsflughafens durchgeführt. Am Flughafen gibt die Grenzpolizei den überstellten Asylsuchenden einen Brief, in dem die zuständige Questura, bei der Person melden muss, angegeben ist. Zudem gibt es regelmäßig vor Ort bzw. auf Aufruf auf den Flughäfen NGOs die Information und die Unterstützung anbieten (VG Kassel, B.v. 22.2.2022 – 7 L 243/22.KS.A, 8564411 – juris S. 11 ff.). Durch die Organisation des Überstellungsverfahrens ist gewährleistet, dass Familien mit ihren Kindern unmittelbar im Anschluss an die Rückführung nach Italien alle Familienmitglieder Unterkunft erhalten und auch Alleinstehende zeitnah eine Unterkunft erreichen können. Eine Überstellung von vulnerablen Personen werden italienischen Behörden mehr als eine Woche angekündigt. Dabei wird auch ein erforderlicher Unterstützungsbedarf mitgeteilt. Die Zustimmung zur tatsächlichen Überstellung seitens der italienischen Behörden erfolgt nur, wenn eine angemessene Unterkunft und Versorgung sichergestellt ist. Andernfalls würde der Rückführungstermin verschoben. Familien mit Kindern werden üblicherweise von einem Mitarbeiter der Unterkunft am Flughafen abgeholt bzw. vorübergehend in eine Einrichtung in der Nähe des Flughafens untergebracht (SächsOVG, U.v. 22.3.2022 – 4 A 389/20.A – juris Rn. 39 ff., 44; U.v. 14.3.2022 – 4 A 341/20.A – juris Rn. 35, 38, 40 m.w.N., VG Arnsberg, B.v. 15.10.2021 – 9 L 816/21.A, 8478932 – juris S. 12 u S. 16 ff.).
Im Ergebnis ist die Unterkunftssituation in ihrer Gesamtschau zum aktuellen Stand weiterhin nicht völlig unproblematisch, gerade in den Einzelfällen, in denen die Betreffenden – anders als hier – ihren Anspruch auf Unterbringung in Italien verloren haben. Es mag nach der aktuellen Erkenntnislage zwar immer wieder vorkommen, dass Schutzsuchende im Einzelfall während der Bearbeitung ihres Asylantrages in Italien auf sich alleine gestellt und zum Teil auch obdachlos sind. Die im Bereich der Unterbringung und Versorgung der Schutzsuchenden weiterhin feststellbaren Mängel und Defizite sind aber weder für sich genommen noch insgesamt als so gravierend zu bewerten, dass ein grundlegendes systemisches Versagen der Mitgliedsstaaten vorläge, welches für einen Dublin-Rückkehrer nach dem Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit eine Rechtsverletzung im Schutzbereich von Art. 3 EMRK oder Art. 4 GR-Charta mit den dafür notwendigen Schweregrad nahelegt.
Gesamtbetrachtet sind die defizitären Umstände noch nicht als generelle systemische Mängel in Italien zu qualifizieren, zumal die Annahme von Schwachstellen im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO entsprechend den oben genannten Maßgaben an hohe Anforderungen geknüpft ist. Der maßgebliche Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit muss sich auf Basis einer Gesamtwürdigung sämtlicher Umstände ergeben und sich nicht nur auf einzelne Mängel des Systems beziehen. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass sich der italienische Staat im Hinblick auf die Aufnahme- und Unterbringungssituation nicht untätig und gleichgültig zeigt, sondern Maßnahmen zur Verbesserung ergriffen hat bzw. ergreift (BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformation der Staatendokumentation Italien vom 11.11.2020 S. 14 ff.).
Das Existenzminimum für Dublin-Rückkehrende ist gesichert.
Die Aufnahmebedingungen variieren von Einrichtung zu Einrichtung (aida, Country Report Italy 2021, S. 137; aida, Country Report Italy 2020, S. 122; sowie im Einzelnen auch zum Nachfolgenden aida, Country Report Italy 2021, S. 110 ff., 130 ff.). Die Einrichtungen des Erstaufnahmesystems bieten aber jedenfalls eine grundlegende Versorgung insbesondere mit Essen, Kleidung, Hygieneprodukten und medizinischer Betreuung. Zudem werden ein Taschengeld und Telefonkarten gewährt. Außerdem müssen Sprachkurse, rechtliche Informationen sowie psychologische Unterstützung angeboten werden, wenngleich in geringem Umfang (aida, Country Report Italy 2021, S. 120 f.; aida, Country Report Italy 2020, S. 107 f.; BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformation der Staatendokumentation Italien vom 11.11.2020 S. 13; SFH, Aufnahmebedingungen in Italien, 10.6.2021, S. 6). Auch wenn es sich nur um eine Basisversorgung handelt und über Mängel in verschiedenen Unterkünften berichtet wird (vgl. SFH, Aufnahmebedingungen in Italien 2020, S. 40), ist nicht zu erkennen, dass Asylsuchenden in den Einrichtungen eine Situation drohen würde, die es ihnen nicht erlaube, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere, sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden.
Jedenfalls werden die Grundbedürfnisse, insbesondere Nahrungsmittel, Hygieneartikel und Kleidung, in Italien hinreichend befriedigt (vgl. BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformation der Staatendokumentation Italien vom 11.11.2020 S. 13 und vom 19.10.2019 S. 12 ff.). Auch wenn Italien diesbezüglich möglicherweise hinter den Verhältnissen in der Bundesrepublik Deutschland zurückbleibt und insbesondere kein umfassendes Sozialsystem bereitstellt, so begründet dies entsprechend den obigen Ausführungen keine generellen systemischen Mängel.
Asylsuchende dürfen des Weiteren 60 Tage nach Stellung ihres Antrages auf internationalen Schutz eine Arbeit aufnehmen. Aufgrund der relativ hohen Arbeitslosigkeit in Italien insbesondere unter jungen Menschen, Schließungen aufgrund der COVID-19-Pandemie, Diskriminierungen durch Arbeitgeber, abgelegener Unterkünfte, fehlender Unterstützung sowie häufig nur eingeschränkter italienischer Sprachkenntnisse und wenig qualifizierter Berufsbildung gestaltet sich die Arbeitssuche jedoch schwierig (vgl. aida, Country Report: Italy 2021, S. 140 f.; aida, Country Report Italy 2020, S. 125 f.; SFH, Aufnahmebedingungen in Italien 2020, S. 69). Deshalb suchen viele Personen, die dazu in der Lage sind, Arbeit auf dem Schwarzmarkt, insbesondere in der Landwirtschaft, vor allem im Süden des Landes, der Pflege und der Hausarbeit (vgl. auch SFH, Aufnahmebedingungen in Italien 2020, S. 70). Die wenigen zur Verfügung stehenden Arbeitsplätze sind oft schlecht bezahlt und zeitlich begrenzt, der Lohn reicht in der Regel nicht aus, um eine Wohnung zu mieten oder einer Familie ein sicheres Einkommen zu bieten (SFH, Aufnahmebedingungen in Italien 10.6.2021, S. 13). Internationale Organisationen berichten über Ausbeutung von Asylsuchen den, insbesondere in der Landwirtschaft und dem Dienstleistungssektor (vgl. USDOS, 2020 Country Report Italy). Die wirtschaftliche Situation hat sich in Italien zwar infolge der COVID-19-Pandemie verschlechtert (SFH, Aufnahmebedingungen in Italien, 10.6.2021, S. 13 f.), nach dem ersten Einbruch aber bereits teilweise wieder verbessert (vgl. ausführlich zur wirtschaftlichen Situation VG Karlsruhe, U.v. 14.9.2020 – A 9 K 3639/18 – juris Rn. 42 ff. mit zahlreichen Nachweisen). Zuletzt wuchs das Bruttoinlandsprodukt überwiegend, im dritten Quartal 2020 um 16%, im vierten Quartal 2020 ging es gegenüber dem Vorquartal zwar um 1,8% zurück, im ersten und zweiten Quartal 2021 stieg es aber wiederum um 0,2% bzw. 2,7%. Der Lockdown führte zwar zu höheren Arbeitslosenzahlen unter Asylsuchenden und Schutzberechtigten (vgl. USDOS, 2020 Country Report Italy). Dass die Situation derart schlecht wäre, dass die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit für Asylsuchende oder international Schutzberechtigte nunmehr unmöglich erschiene, ist jedoch nicht ersichtlich. Die Arbeitslosenquote bewegte sich zuletzt auf ähnlichem Niveau wie in den Vorjahren, sie lag im Jahr 2020 bei 9,2% (ca. 2,3 Millionen Menschen zwischen 15 und 74 Jahren), im Januar bis Juni 2021 zwischen 9,7% und 10,4%. Demgegenüber war die Arbeitslosenquote in den Vorjahren teilweise sogar höher, sie betrug im Jahr 2019 10,0%, im Jahr 2018 10,6% und im Jahr 2017 11,2% (Daten abrufbar unter https://ec.europa.eu/eurostat/de/web/lfs/data/database). Vor allem die Jugendarbeitslosigkeit ist in Italien hoch, zwischen März und Juni 2021 betrug die Quote bezogen auf Personen unter 25 Jahre zwischen 29,4% und 32,6%. Gleichzeitig besteht ein Bedarf an Arbeitskräften, da im italienischen Wirtschaftssystem zwischen 2020 und 2024 über 2,5 Millionen der heute Beschäftigen aus Alters- oder anderen Gründen aus dem Berufsleben ausscheiden und zu ersetzen sind. Daraus wird sich, unter Berücksichtigung einer Zunahme oder Abnahme des Bruttoinlandsprodukts, prognostisch ein Gesamtbedarf von 1,9 bis 2,7 Millionen Arbeitskräften ergeben (vgl. zum Ganzen VG Hamburg, B.v. 1.9.2021 – 9 AE 1424/21 – juris m.w.N.). Auch die wirtschaftlichen Prognosen für das Jahr 2022 liegen im positiven Bereich (vgl. GTAI, Mit positiven Vorzeichen ins Jahr 2022, https://www.gtai.de/de/trade/italien/wirtschaftsumfeld/mit-positiven-vorzeichen-ins-jahr-2022-244482#:~:text=Prognosen%20sehen%202022%20ein%20reales,sich%20danach%20auf%20gutem%20Niveau.; VG Gelsenkirchen, U.v. 22.2.2022 – 1a K 2967/19.A – juris Rn. 139 ff.).
Eine nähere Prognose über die Entwicklung der italienischen Wirtschaft und Arbeitsmöglichkeiten durch die Corona-Pandemie und die Folgen des Ukrainekrieges zu treffen, die Schutzsuchende erst mit einer Schutzanerkennung unmittelbar treffen würde, ist derzeit aus Sicht des Gerichts nicht valide möglich. Ist aber eine entsprechende Prognose über die wirtschaftliche und humanitäre Entwicklung nicht möglich – was nicht nur in Bezug auf Italien angesichts der weltweiten Auswirkungen von Pandemie und Krieg gilt -, ist nach dem Dafürhalten des Gerichts vor dem Hintergrund des dargestellten strengen Maßstabs im Rahmen der Dublin lll-VO im Spannungsfeld mit Art. 3 EMRK und Art. 4 GRCh noch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit feststellbar, dass dieser erfüllt wäre. Dass Italien einer etwaig weiteren Verschlechterung der Existenzsicherungsmöglichkeiten anerkannt Schutzbedürftiger gleichgültig gegenüberstehen wird, Unterstützungsprogramme der EU nicht greifen und anerkannt Schutzbedürftige auch mit zumutbar hohem Maß an Eigeninitiative, Ausschöpfung rechtlicher Möglichkeiten und tatsächlicher Unterstützung durch NGOs etc. dem „real risk“ extremer materieller Not ausgesetzt sein werden, vermag das Gericht nicht festzustellen (vgl. VG Würzburg, B.v. 26.10.2021 – W 5 S 21.50269; VG München, B.v. 17.6.2021 – M 3 S 21.50230 – juris).
Zwar stellt sich die Situation für Arbeitssuchende in Italien aufgrund der hohen Arbeitslosenzahl generell als schwierig dar, allerdings ist der Arbeitsmarkt auf regionaler Ebene sehr heterogen. Die Erwerbsmöglichkeiten schwanken sowohl regional als auch branchenabhängig, gewisse Zugangshindernisse stellen häufig auch fehlende Sprachkenntnisse sowie fehlende Berufsqualifikationen dar. Möglichkeiten finden sich auch auf dem informellen Arbeitsmarkt. In Italien ging die Arbeitslosenquote indes teilweise sogar zurück (vgl. auch VG Würzburg, U.v. 5.10.2021 – W 4 K 20.30192 – juris m.w.N.). Die italienische Wirtschaft ist stärker gewachsen als zunächst prognostiziert. Zurzeit stellt sich die wirtschaftliche Lage Italiens als robust dar. Dies führt dazu, dass sowohl im Handwerk als auch in Hotel und Gaststättengewerbe Arbeitskräfte fehlen. Weiter besteht ein erheblicher Arbeitskräftebedarf im Handwerk. Für Ungelernte bleiben zudem die Bereiche Hausarbeit, Reinigungsgewerbe, Landwirtschaft. Auch der Tourismussektor erholt sich. Letztlich können so auch in den ganzen Bereichen ungelernte Schutzberechtigte eine Beschäftigung finden (vgl. mit zahlreichen Nachweisen VG Bayreuth, B.v. 15.3.2022 – B 7 K 20.30066 – juris Rn.50; VG Würzburg, U.v. 5.10.2021 – W 4 K 20.30192 – juris; vgl. auch VG Gießen, B.v. 15.3.2022 – 3 L 91/22.GI.A, 8456852 – juris S. 12 ff.).
Infolge dessen können nicht nur Alleinstehende, sondern auch Familien mit minderjährigen Kindern die erforderlichen Mittel zur Existenzsicherung erhalten. Sie habe eine realistische Chance, innerhalb des ersten Jahres nach einer eventuellen Zuerkennung internationalen Schutzes eine ausreichende Arbeit zu finden. Sie können sich schon frühzeitig um Integration und um den Arbeitsmarkt bemühen. Neben der Tätigkeit im regulären Arbeitsmarkt steht international Schutzberechtigten eine Arbeit in der Schattenwirtschaft offen, etwa in der Landwirtschaft. Die Aufnahme von Tätigkeiten in der Schattenwirtschaft ist grundsätzlich zumutbar (vgl. BVerwG, B.v. 17.1.2022 – 1 B 66.21 – juris Rn. 29 m.w.N.).
Eine Verschlechterung der Arbeitsmarktsituation infolge des Krieges zwischen der Russischen Föderation und der Ukraine kann zum derzeitigen Zeitpunkt nicht verlässlich prognostiziert werden, da die wirtschaftlichen Folgen in Italien von einer Vielzahl von Faktoren abhängig sind, insbesondere dem Kriegsverlauf, dem Umfang der Sanktionen sowie von staatlichen Kompensationsmaßnahmen und dem Verhalten der Konsumenten. Jedenfalls ist eine signifikante Verschlechterung nicht absehbar (SächsOVG, U.v. 15.3.2022 – 4 A 154/19.A – juris Rn. 28; U.v. 14.3.2022 – 4 A 341/20.A – juris Rn. 51 ff., 56 ff.).
Die medizinische Versorgung für Dublin-Rückkehrende ist gewährleistet.
Ab dem Zeitpunkt der formalen Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz haben Asylsuchende des Weiteren Anspruch auf medizinische Versorgung. In manchen Regionen kann eine Antragstellung allerdings erst verzögert erfolgen. Bis zu diesem Zeitpunkt haben die betroffenen Asylsuchenden – ebenso wie illegale Migrantinnen und Migranten – nur Zugang zu medizinischer Grund- und Notfallversorgung. Asylsuchende müssen sich beim nationalen Gesundheitsdienst registrieren. Sofern sie ihre Mittellosigkeit erklären, ist die Gesundheitsversorgung grundsätzlich kostenlos (vgl. aida, Country Report: Italy 2021, S. 143 ff.; aida, Country Report Italy 2020, S. 127 ff.; SFH, Aktuelle Situation für Asylsuchende in Italien, Stand: 8.5.2019, S. 15 f.). Erkenntnisse darüber, dass kranken Dublin-Rückkehrenden die erforderliche Behandlung vorenthalten worden wäre und sie deshalb ernsthafte Schäden an Leib oder Leben erlitten hätten, sind nicht ersichtlich (vgl. auch NdsOVG, B.v. 4.4.2018 – 10 LB 96/17 – juris Rn. 72). Auch unter Berücksichtigung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf das italienische Gesundheitssystem ist derzeit nicht anzunehmen, dass Asylsuchenden bei Bedarf keine ausreichende medizinische Versorgung zur Verfügung stünde.
Die medizinische Versorgung in Italien ist vielmehr sichergestellt und auch der tatsächliche Zugang von Schutzsuchenden zu dieser medizinischen Versorgung ist gewährleistet (SächsOVG, U.v. 22.3.2022 – 4 A 389/20.A – juris Rn. 45; U.v. 14.3.2022 – 4 A 341/20.A – juris Rn. 41). Italien verfügt über ein umfassendes Gesundheitssystem, das medizinische Behandlungsmöglichkeiten auf hohem Niveau bereitstellt. Asylbewerber haben in gleicher Weise wie italienische Bürger einen Anspruch auf medizinische Versorgung, der mit der Registrierung eines Asylantrags entsteht. Bis zum Zeitpunkt der Registrierung werden gleichwohl medizinische Basisleistungen, wie beispielsweise kostenfreie Notfallversorgung, gewährleistet (vgl. BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformation der Staatendokumentation Italien vom 11.11.2020 S. 19 ff. und vom 19.10.2019 S. 19 ff.). Insbesondere ist nach wie vor die Einschreibung beim Nationalen Gesundheitsdienst garantiert, welcher üblicherweise im Aufnahmezentrum liegt. Zusätzlich sind in den Erstaufnahmeeinrichtungen Ärzte beschäftigt, die medizinische Erstuntersuchungen und Notfallmaßnahmen vornehmen und die nationalen Gesundheitsdienste entlasten sollen. Der Zugang zu medizinischer Notversorgung in öffentlichen Spitälern bleibt weiterhin bestehen, auch für illegale Migranten (vgl. BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformation der Staatendokumentation Italien vom 11.11.2020 S. 19 ff. und vom 9.10.2019 S. 19). Im Übrigen ist davon auszugehen, dass in Italien als EU-Mitgliedstaat medizinische Behandlungsmöglichkeiten wie generell in der EU im ausreichenden Maße verfügbar sind (BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformation der Staatendokumentation Italien vom 11.11.2020, S. 21 und vom 19.10.2019 S. 21 mit Verweis auf MedCOI).
Ergänzend kann auf die Beurteilung des EGMR als dem für die Einhaltung europäischen Grundrechte maßgebenden Gericht Bezug genommen. Der EGMR hat im Urteil vom 23. März 2021 bezüglich einer Abschiebung einer alleinstehenden Mutter mit zwei minderjährigen Töchtern den Schluss gezogen, dass die gegenwärtigen Asylbedingungen in Italien bezüglich Ankunft und Einrichtungen dem geforderten „besonderen Schutz“ Asylsuchender mit spezifischen Bedürfnissen und extremer Verletzlichkeit gerecht werden (EGMR, U.v. 23.3.2021 – 46595/19 – juris Rn. 49 ff.). Insbesondere lässt sich aus materieller, physischer und psychologischer Sicht keine hinreichende reale und unmittelbare Gefahr einer Härte erkennen, die schwer genug ist, um in den Anwendungsbereich von Art. 3 EMRK zu fallen (EGMR, U.v. 23.3.2021 – 46595/19 – juris Rn. 55). Zudem wurde das Spektrum der in beiden Unterbringungsarten zu erbringenden Dienstleistungen, also auch den Erstaufnahmeeinrichtungen, erweitert. Neben materiellen Aufnahmeleistungen werden unter anderem Gesundheitsversorgung, soziale und psychologische Betreuung, Italienischkurse und Rechtsberatungsdienste vorgesehen. Weiter wird das Recht gewährleistet, sich als international Schutzsuchende bei den örtlichen Behörden zu registrieren (EGMR, U.v. 23.3.2021 – 46595/19 – juris Rn. 35). Der EGMR bestätigt ausdrücklich seine Rechtsprechung, wonach das Asylsystem und die Aufnahmebedingungen in Italien für sich genommen nicht dazu führen, dass jegliche Überstellung von Asylsuchenden nach Italien unmöglich ist (EGMR, Entscheidung v. 20.4.2021 – Nr. 41100/19 – HUDOC Rn. 33). Auch ohne individuelle Zusicherung bestehen nach der Rechtsprechung des EGMR selbst bei gewissen Mängeln auch mit Blick auf den vulnerablen Personenkreis unter Menschenrechtsgesichtspunkten keine Bedenken gegen eine Überstellung nach Italien (VG Gießen, B.v. 15.3.2022 – 3 L 91/22.GI.A, 8456852 – juris S. 7 ff.).
Vorstehende Ausführungen zu Schutzsuchenden gelten auch im Falle einer zu berücksichtigenden eventuellen Anerkennung eines internationalen Schutzstatus in Italien (vgl. BVerfG, B.v. 7.10.2019 – 2 BvR 721/19 – NVwZ 2020, 475; EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-163/17 – juris). Zu beachten ist dabei, dass zur Abschätzung der Gefahrenprognose eine Zuerkennung internationalen Schutzes ohne weiteres zu unterstellen ist, insbesondere also keine inzidente Prüfung des Anspruchs der Schutzsuchenden auf Asyl vorzunehmen ist (vgl. VGH BW, U.v. 29.7.2019 – A 4 S 749/19 – ESVGH 70, 62 – juris Rn. 40).
Für die Fallgruppe anerkannter Flüchtlinge stellen sich die Lebensverhältnisse in Italien jedenfalls nicht allgemein als unmenschlich oder erniedrigend dar (SächsOVG, U.v. 22.3.2022 – 4 A 389/20.A – juris Rn. 47 ff.). Vielmehr ist davon auszugehen, dass anerkannte Flüchtlinge in Italien grundsätzlich italienischen Staatsbürgern gleichgestellt sind und erforderlichenfalls staatliche Hilfe in Anspruch nehmen können, um jedenfalls ihre Grundbedürfnisse zu decken. Gelingt dies nicht sogleich bzw. vollständig, können sie – wie auch Italiener, die arbeitslos sind – die Hilfe caritativer Organisationen erhalten. Denn nach den vorliegenden Erkenntnissen zu Italien werden anerkannt Schutzberechtigte nicht ausschließlich sich selbst überlassen und geraten auch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in eine existentielle Notlage (aida, Country Report Italy 2021, S. 212 ff.; BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformation der Staatendokumentation Italien vom 11.11.2020 S. 22 ff. und vom 19.10.2019 S. 21 f.; Schweizerische Flüchtlingshilfe/pro Asyl, Auskunft vom 29.10.2020 an den HessVGH; Accord, Anfragebeantwortung zu Italien: Rücknahme und Unterstützung von Personen mit in Italien zuerkannten internationalen Schutzstatus, insbesondere von Familien mit Kindern; Auswirkungen der Corona-Pandemie vom 18.9.2020). Vielmehr können sie in Italien trotz bestehender Schwierigkeiten auf staatliche Unterstützung zurückgreifen. Das italienische System geht für anerkannte international Schutzberechtigte davon aus, dass man ab Gewährung des Schutzstatus arbeiten und für sich selbst sorgen kann. Für eine Übergangszeit können Schutzberechtigte auf staatliche Leistungen zurückgreifen. Sie haben Zugang zum Arbeitsmarkt. Weiter besteht die Möglichkeit von Integrationsprojekten und Sprachkursen. Anerkannte Schutzberechtigte können weiter auf Hilfsorganisationen zurückgreifen und können sich im Übrigen in Eigenverantwortung um Wohnung und Arbeit kümmern. Insbesondere steht so für anerkannte international Schutzberechtigte, nicht nur rechtlich, sondern auch tatsächlich, für eine Übergangszeit ein Zugang zu Unterkunftseinrichtungen offen, die Versorgungs-, Unterstützungs- und Integrationsleistungen gewähren. Schutzberechtigte haben theoretisch Zugang zur Unterbringung, normalerweise für sechs Monate. Auch über die Verfahren des offiziellen Unterbringungssystems hinaus reagieren die staatlichen Stellen auf Probleme, um auftretende Obdachlosigkeit anerkannter internationaler Schutzberechtigter zu verhindern. Insgesamt reagiert der italienische Staat darauf, dass anerkannte Schutzberechtigte in dieser Übergangszeit nicht in eine existentielle Notsituation geraten, und sorgen so auch dafür, dass sie nach einer Übergangszeit sich selbst eine Existenzgrundlage aufbauen können (siehe neben den vorstehenden Ausführungen VG Würzburg, B.v. 21.12.2020 – W 8 S 20.50319 – juris Rn. 30 m.w.N.; vgl. auch vgl. Romer, Asylmagazin 6/2021 S. 212).
Anerkannt Schutzberechtigte haben Anspruch auf Unterbringung in den Zentren des SAI, die von den lokalen Behörden zusammen mit Privaten betrieben werden. Die Unterkunftszentren sollen Dolmetsch- und sprachlich-kulturelle Vermittlungsdienste, Rechtsberatung, Unterricht in der italienischen Sprache Zugang zu Schulen für Minderjährige, medizinische Versorgung, sozialpädagogische Unterstützung, insbesondere für Vulnerable, Aus- und Weiterbildung, Unterstützung bei der Suche nach Arbeitsplätzen, Beratung bei der Dienstleistungen auf lokale Ebene und die Integration vor Ort ermöglichen, Informationen zu freiwilligen Rückkehrprogrammen sowie Information zu Freizeit-, Sport- und Kulturaktivitäten bieten (vgl. aida, Country Report Italy 2021, S. 212 ff.; aida, Country Report Italy 2020, S. 180 ff.; VG Kassel, B.v. 22.2.2022 – 7 L 243/22.KS.A, 8564411 – juris S. 12 f.).
Wie schon ausgeführt hat sich – auch im Hinblick auf anerkannt Schutzberechtigte – die Arbeitsmarktsituation in Italien verbessert mit positiven Prognosen für die Zukunft. Im Hotel- und Gaststättengewerbe sowie beim Tourismus und auch im Handwerk besteht Bedarf an Arbeitskräften. Gleiches gilt auch für die Hausarbeit, Reinigungsgewerbe, Landwirtschaft (vgl. VG Bayreuth, B.v. 15.3.2022 – B 7 K 20.30066 – juris Rn. 50 ff. mit Bezug auf VG Würzburg, U.v. 5.10.2021 – W 4 K 20.30192 – juris m.w.N.). Unter gewissen Voraussetzungen besteht ein Anspruch auf Bürgergeld – allerdings erst nach zehn Jahren Aufenthalt. Weiter gibt es im Zuständigkeitsbereich der Regionen oder Kommunen gewisse Fürsorgeleistungen, die jedoch variieren.
Die medizinische Versorgung für Anerkannte ist abhängig von der Registrierung beim nationalen Gesundheitsdienst. Im Fall der Zuweisung in eine Zweitaufnahmeeinrichtung besteht ein Wohnsitz, so dass die Beantragung der Gesundheitskarte möglich wäre. Außerdem gibt es Hilfsorganisationen, die bei der Beantragung behilflich sind. Unabhängig davon bleibt die Notfallversorgung gewährleistet (VG Bayreuth, U.v. 15.3.2022 – B 7 K 20.30066 – juris Rn. 57).
Speziell für Familien mit minderjährigen Kindern besteht im Anschluss an einer eventuellen Zuerkennung des internationalen Schutzes kein ernsthaftes Risiko einer erniedrigenden Behandlung. Es ist davon auszugehen, dass sie zunächst in der Regel für ein Jahr in der Aufnahmeeinrichtung verbleiben, der Zeitraum kann verlängert werden, auch für die Zeit danach ist eine hinreichende Unterbringung gesichert, wobei sogar angenommen werden kann, dass Familien im Vergleich zu schutzberechtigten Einzelpersonen leichter eine Wohnung erhalten können. Auch die finanzielle Existenzsicherung ist gewährleistet. Gerade für arbeitsfähige Schutzberechtigte – wie die Klägerin – besteht die realistische Chance, innerhalb des ersten Jahres nach der Zuerkennung des internationalen Schutzes eine ausreichend bezahlte Arbeit zu finden. Die Einschätzung beruht auf staatlichen Maßnahmen zur beruflichen Integration im Arbeitsmarkt, die aktuelle Situation von international Schutzberechtigten im Arbeitsmarkt und der Arbeitskräftenachfrage aus dem Bereich der Wirtschaft, einschließlich der Schattenwirtschaft (vgl. näher SächsOVG, U.v. 14.3.2022 – 4 A 341/20.A – juris Rn. 43 ff.).
Selbst wenn gerade für anerkannte Schutzberechtigte im Einzelfall die Gefahr der Obdachlosigkeit drohen sollte, sind diese auf die schon erwähnten Notunterkünfte sowie gegebenenfalls auch private Unterbringungsmöglichkeiten caritativer Organisationen zu verweisen (vgl. etwa SächsOVG, U.v. 15.3.2022 – 4 A 154/19.A – juris Rn. 38 ff., 42 ff.; VG Bayreuth, U.v. 15.3.2022 – B 7 K 20.30066 – juris Rn. 47 mit Bezug auf BVerwG, B.v. 17.1.2022 – 1 B 66.21 – juris Rn. 20). Dabei ist zu berücksichtigen, dass nach den vorliegenden Erkenntnissen nicht ersichtlich ist, dass wirklich ein größerer Teil der anerkannt Schutzberechtigten obdachlos ist und – bezogen auf die Gesamtzahl der anerkannten Schutzberechtigten – nicht eher ein kleiner Teil (VG Bayreuth, U.v. 15.4.2022 – B 7 K 20.30066 – juris Rn. 49). Denn angesichts der im Jahr 2018 auf 10.000 geschätzten Personen, sowohl Asylsuchende als auch international Schutzberechtigte, die vom Aufnahmesystem ausgeschlossen sind, kann mit Blick der Gesamtzahl der in Italien ankommenden und lebenden Flüchtlinge nicht geschlossen werden, dass der größte Teil der anerkannten international Schutzberechtigten obdachlos würde. Bei der Bewertung der Lebensverhältnisse ist den staatlichen Unterstützungsleistungen und etwaigen Möglichkeiten, den eigentlichen Lebensunterhalt durch die Erwerbstätigkeit auf einem Mindestniveau zu sichern, auch eine Sicherung menschwürdiger Existenz durch – alleinige oder ergänzende dauerhafte Unterstützung oder Hilfeleistungen von vor Ort tätigen nicht staatlichen Institutionen oder Organisationen zu berücksichtigen (OVG MV, U.v. 19.1.2022 – 4 LB 68/17, 6055780 – juris S. 7 mit Verweis auf BVerwG, U.v. 7.9.2021 – 1 C 3.21 – juris Rn. 22).
Zwar leben Obdachlose in Italien über das ganze Staatsgebiet verteilt mit eingeschränkten oder ohne Zugang zur Basisversorgung in formellen Siedlungen, besetzten Häusern oder unter freiem Himmel. Zudem wirkt sich die fehlende Meldeanschrift auf das Recht zur Gesundheitsversorgung aus. Der Alltag der Betroffenen ist von der Deckung der Elementarbedürfnisse bestimmt, indem sie für Mahlzeiten bei Suppenküchen anstehen sowie eine Dusch- und Waschmöglichkeit und einen Schlafplatz suchen. Das italienische Sozialhilfesystem ist schwach und stützt sich auf die traditionellen Familienstrukturen (vgl. Romer, Asylmagazin 6/2021 S. 212). Für obdachlose Personen ist die Registrierung zwar häufig schwierig. Jedoch besteht auch für Personen mit Schutzstatus die Möglichkeit der Registrierung und damit auch die Möglichkeit, einen Wohnsitz zu nehmen und etwa gemeindliche Hilfeleistungen zu erlangen (vgl. SFH, Aufnahmebedingungen in Italien, 10.6.2021, S. 11 ff.). Aber auch ohne Registrierung besteht ein Recht auf Grund- und Notfallversorgung. Weiter besteht das Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt, selbst wenn es schwierig ist, eine Beschäftigung auf dem regulären Arbeitsmarkt zu finden (VG Hamburg, B.v. 1.9.2021 – 9 AE 1424/21, 8283742 – juris S. 17 ff. m.w.N.). Oft geschieht dies nur auf dem informellen Arbeitsmarkt, wobei der Verweis auf dem informellen Sektor zumutbar und zulässig ist (vgl. VG Bayreuth, B.v. 15.4.2022 – B 7 K 20.30066- juris Rn. 50).
Die Erkenntnisse aus der Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH) vom 29. April 2022 an das VG Karlsruhe zur Situation von international Schutzberechtigten in Italien rechtfertigt sich keine andere Beurteilung.
Soweit die Auskunft der SFH vom 29. April 2022 bezogen auf Rom lediglich zwei Fälle benennt, in denen bei einer Rücküberstellung von international Schutzberechtigten keine Unterstützung nach Ankunft am Flughafen bereitgestellt worden sei, ist diese Feststellung nicht aussagekräftig und verallgemeinerungsfähig. Für Mailand und Bologna, Bari und Venedig wurden überhaupt keine Fälle berichtet. Die SFH verweist selbst auf die fehlende Verlässlichkeit der getroffenen Aussagen infolge der kurzen Zeitdauer ihres Monitorings. Zudem geht es im streitgegenständlichen Verfahren gerade um eine Person ohne Schutzstatus, die – nach eigener Aussage – bislang noch keinen Asylantrag gestellt und ihre Unterkunft nicht unberechtigt verlassen hatte.
Weiterhin ist eine Obdachlosigkeit selbst bei einer späteren Anerkennung als Schutzberechtigte nicht beachtlich wahrscheinlich. Soweit in der vorgelegten Auskunft mit Bezug auf das Jahr 2018 von 10.000 geschätzten Personen gesprochen wird, die außerhalb des Aufnahmesystems in Italien leben, kann – wie schon ausgeführt – nicht davon ausgegangen werden, dass der Rückschluss gerechtfertigt ist, dass der größte Teil der anerkannten Schutzberechtigten bzw. der Asylsuchenden obdachlos ist (vgl. schon VG Würzburg, B.v. 12.5.2022 – W 8 S 22.50138 – BA S. 18 f. und 30 f.). Die SFH gesteht zudem selbst zu, dass sie nicht in der Lage sei, Daten aus eigener Dokumentation zur Dauer einer eventuellen Obdachlosigkeit zu liefern. Außerdem ist weiter eingeräumt, dass es sowohl hinsichtlich der Unterbringungsmöglichkeiten und der Qualität der Unterbringungen in einzelnen Gemeinden und Regionen starke Unterschiede gibt, so dass mögliche Missstände in einer Gemeinde bzw. in einem Landesteil nicht unbedingt verallgemeinerungsfähig und aussagekräftig für Gesamtitalien sind.
Nach alledem trifft schon nicht zu, dass die italienischen Behörden den elementaren Bedürfnissen Schutzsuchender oder anerkannter international Schutzberechtigter gleichgültig gegenüberstehen. Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass weder Art. 4 GrCh noch Art. 3 EMRK die Konventionsstaaten verpflichten, jeder ihrer Hoheitsgewalt unterstehenden Person ein Recht auf Unterkunft zu garantieren. Es gibt auch keine allgemeine Verpflichtung, anerkannte Schutzberechtigte finanziell zu unterstützen, damit sie ein bestimmtes Lebensniveau behalten können. Gerade gesunde erwerbs- und arbeitsfähige Schutzsuchende und anerkannt Schutzberechtigte können durch eigene Erwerbstätigkeit selbst für ihren Unterhalt sorgen (siehe jeweils mit ausführlicher Darlegung der Situation für anerkannte Schutzberechtigte: SaarlOVG, U.v. 15.2.2022 – 2 A 46/21 – juris Rn. 22 ff.; OVG MV, Ue.v. 19.1.2022 – 4 LB 68/17, 6055780 und 4 LB 135/17, 5861273 – jeweils juris S. 6 ff. sowie BVerwG, U.v. 7.9.2021 – 1 C 3.21 – juris Rn. 22 ff.).
Schließlich ist anzumerken, dass – soweit ersichtlich – weder der UNHCR, dessen Einschätzung bei der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Asylsystems eines Mitgliedstaates unter Auslegung unionsrechtlicher Asylvorschriften große Bedeutung zukommt, noch das europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen EASO (vgl. Dublin III-VO, Erwägungsgrund Nr. 22: „Schlüsselrolle“) bzw. jetzt die europäische Agentur für Asyl EUAA eine Empfehlung ausgesprochen haben, von der Überstellung nach Italien abzusehen (vgl. auch VG Leipzig, B.v. 22.10.2021 – 5 L 618/21.A, 8461440 – juris S. 6; VG Würzburg, B.v. 18.11.2021 – W 2 S 21.50306 – BA S. 6). Vielmehr hat der UNHCR die italienische Asylgesetzgebung (Dekret Nr. 130/2020 und Gesetz Nr. 173/2020) positiv gewürdigt (VG München [nicht BayVGH, wie fälschlich bei juris zitiert], B.v. 24.2.2022 – M 19 S 22.50042, 8488616 – juris Rn. 34; B.v. 21.9.2021 – M 19 S 21.50527, 84626350 – juris S. 10) und insbesondere nicht dargelegt, dass die positiven gesetzlichen Vorgaben nach dem Gesetz Nr. 132/2018, die den Asylbewerbern und den anerkannten Schutzberechtigten verschiedene Ansprüche gewährleisten, in der Praxis nicht umgesetzt würden (vgl. UNHCR, Auskunft vom 14.12.2021 an das VG Freiburg).
Die vorstehenden Ausführungen zum Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen gerade mit Blick für Dublin-Rückkehrende nach Italien sowie die Situation der dort anerkannt Schutzberechtigten zugrunde gelegt, hat die Klägerin nichts Substanziiertes dafür vorgetragen oder gar glaubhaft gemacht, dass ihr selbst in Italien individuell eine Situation aktuell drohte bzw. droht, in der sie ihren existenziellen Lebensunterhalt nicht sichern, kein Obdach finden oder keinen Zugang zu einer medizinischen Basisbehandlung erhalten könnte. Die Klägerin hat selbst keine relevantenTatsachen bzw. keine eigenen Erfahrungen berichtet, die möglicherweise den Schluss auf systemische Schwachstellen des italienischen Asylverfahrens zulassen würden. Sie hat lediglich kurz die aus ihrer Sicht schreckliche humanitäre Situation während der Quarantäne – noch vor der von der Klägerin nicht gewünschten offiziellen Aufnahme im System – erwähnt (alle in einer Halle, unhöfliches Personal, verbale sexuelle Belästigungen durch Personen aus Pakistan, nur einmal Essen am Tag, Reis oder Pasta ohne Soße). Vielmehr ist nach ihrem Vorbringen davon auszugehen, dass sie in Italien erstmals einen Asylantrag stellen und das Asylverfahren regulär durchlaufen kann (vgl. VG Gießen, B.v. 15.3.2022 – 3 L 91/22.GI.A, 8456852 – juris OS und S. 11; VG Chemnitz, U.v. 22.10.2021 – 5 L 449/21.A, 9968850 – juris, OS und S. 6; VG Leipzig, B.v. 22.10.2021 – 5 L 618/21.A, 8461440 – juris S. 11 f.).
Der Wunsch eines/einer Asylsuchenden bezüglich eines „bevorzugten Zielstaats“ hat bei der Bestimmung des zuständigen Aufnahmestaats nach der Dublin III-VO außer Betracht zu bleiben. Denn ein Asylbewerber hat nach der Systematik sowie dem Sinn und Zweck der Dublin-Regelung insbesondere kein Wahlrecht, sich den Mitgliedsstaat auszusuchen, in dem er sich bessere Chancen oder angenehmere Aufenthaltsbedingungen erhofft, oder nach Ablehnung eines Asylantrags in einen anderen Mitgliedsstaat weiter zu reisen, um eine weitere Prüfung seines Asylantrags mit einem für ihn günstigen Ergebnis zu erreichen. Eines der Hauptziele der Dublin III-VO ist es zu verhindern, dass die Asylbewerber durch Weiterwanderung den für die Prüfung ihres Asylbegehrens zuständigen Mitgliedsstaat aussuchen – Verhinderung der sekundären Migration (so genanntes „hopping“ bzw. „forum shopping“ oder „asylum shopping“). Relevant sind und bleiben allein die Regelungen zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates nach der Dublin III-VO (VG Würzburg, B.v. 17.11.2021 – W 8 S 21.50304 – juris Rn. 21 m.w.N.).
Der Klägerin es zuzumuten, sich – bei einer Überstellung nach Italien – dem italienischen Asylsystem zu unterwerfen und sich registrieren zu lassen. Wenn die Klägerin sich aber dem staatlichen Aufnahmesystem verweigert oder entzieht, so führt das nicht dazu, dass sie dadurch gleichsam privilegiert würde, indem man dann zu ihren Gunsten systemische Mängel annähme (vgl. Aachen, U.v. 10.11.2020 – 9 K 6001/17.A – juris Rn. 64, m.w.N). Denn der italienische Staat kann den Unterkunftsanspruch zulässigerweise an bestimmte – vom Schutzsuchenden zu erfüllende – Voraussetzungen knüpfen, bei deren Nichteinhaltung kein Anspruch auf Unterbringung in einer staatlichen Unterkunft besteht. Diese Einschränkung oder Entziehung des Unterkunftsanspruchs steht im Einklang mit dem europäischen Recht (VG Gera, B.v. 13.10.2020 – 6 E 1148/20 Ge – juris, Rn. 36). Dies gilt gerade auch, wenn der Klägerin Rechtsverluste drohen, weil sie in Italien noch keinen Asylantrag gestellt hat oder keinen stellen will (vgl. VG Gießen, B.v. 7.10.2020 – 5 L 3097/20.GI.A – juris Rn. 39). Der Klägerin ist es zumutbar, die nötige Eigeninitiative zu entwickeln, sich registrieren zu lassen und sich dem italienischen Asylsystem zu unterwerfen und in den Genuss der dortigen materiellen Aufnahmeleistungen (Gesundheitsversorgung, soziale und psychologische Betreuung, Italienischkurse, Rechtsberatungsdienste usw.) zu kommen.
Sollte der Antrag der Klägerin in Italien mangels Schutzbedarfs in der Sache abgelehnt werden und dort vollziehbare Ausreisepflicht eintreten, hat sie das Land zu verlassen bzw. wird in den Herkunftsstaat abgeschoben, so dass in Italien dann unabhängig von ihrem eigenen Willen und persönlicher Entscheidung keine Situation extremer materieller Not eintreten kann, die rechtlich im Rahmen der Rückführung dorthin in den Blick genommen werden müsste (VG Hamburg, B.v. 1.9.2021 – 9 AE 1424/21, 8283742 – juris S. 19 mit Verweis auf VGH BW, U.v. 29.7.2019 – A 4 S 749/19 – juris Rn. 37).
Eine andere Beurteilung der Aufnahmebedingungen in Italien ist auch nicht vor dem Hintergrund der zwischenzeitlichen Entwicklung im Zuge der COVID-19-Pandemie („Corona-Krise“) gerechtfertigt.
Das Gericht geht nicht davon aus, dass einer Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AsylG die Verhältnisse in Italien mit Blick auf das „Coronavirus“ entgegenstehen. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Klägerin in Italien aufgrund der voraussichtlichen Lebensverhältnisse in eine Lage extremer Not geraten würde. Dies gilt aber wegen des oben näher erläuterten Grundsatzes des gegenseitigen Vertrauens nur in Extremfällen (vgl. Günther in Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, 33. Ed. Stand: 1.4.2022, § 29 AsylG Rn. 19 ff., 22 f.). Das Gericht hat – auf der Basis des Grundsatzes des gegenseitigen Vertrauens und auch angesichts der in Italien getroffenen Maßnahmen – keine substantiierten Erkenntnisse, die die Annahme eines solchen Extremfalles in der Person der Klägerin oder allgemein das Vorliegen systemischer Mängel in Italien begründen könnten. Im System des gegenseitigen Vertrauens ist für Italien vielmehr weiter von einem die Grundrechte sowie die Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und in der EMRK finden, wahrenden Asylsystem auszugehen. Die italienischen Behörden haben – ebenso wie andere Staaten – verschiedene Maßnahmen getroffen und der jeweiligen Infektionslage fortwährend angepasst (vgl. etwa Auswärtiges Amt, Italien: Reise- und Sicherheitshinweise).
Nach alledem ist auch nicht erkennbar, dass die Beklagte rechtsfehlerhaft nicht von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO Gebrauch gemacht hat.
Des Weiteren hat die Klägerin weder einen Anspruch auf die Feststellung zielstaatsbezogener Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG – bezogen auf Italien -, noch liegen inlandsbezogene Vollzugshindernisse vor.
Insbesondere führt die derzeitige COVID-19-Pandemie, ausgelöst durch das SARS-CoV-2-Virus, in Italien nicht zur Feststellung eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 AufenthG. Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG sind Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein und in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird.
Nur wenn eine politische Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 2 AufenthG fehlt, kann die Klägerin in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausnahmsweise Abschiebungsschutz beanspruchen, wenn sie bei Überstellung aufgrund der herrschenden Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihr trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren (BVerwG, U.v. 13.6.2013 – 10 C 13.12 – BVerwGE 147, 8). Diese Voraussetzungen liegen bei der Klägerin nicht vor, denn es fehlt an einer derart extremen Gefahrenlage.
Denn nur, wenn im Einzelfall die drohenden Gefahren nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sind, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden, etwa wenn das Fehlen eines Abschiebungsstopps dazu führen würde, dass ein Ausländer im Zielstaat der Abschiebung sehenden Auges dem Tod oder schwersten Verletzungen überantwortet würde, wird die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG durchbrochen und es ist ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen (vgl. Koch in Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, 33. Ed. Stand: 1.7.2020, § 60 AufenthG Rn. 45 m.w.N.).
Für das Vorliegen einer derartigen Gefahrenlage bestehen für das Gericht nicht zuletzt aufgrund der in Italien getroffenen Maßnahmen auch konkret mit Blick auf Schutzsuchende und anerkannt international Schutzberechtigte (vgl. etwa Auswärtiges Amt, Italien: Reise- und Sicherheitshinweise sowie BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformation der Staatendokumentation vom 11.11.2020 S. 4; Schweizerische Flüchtlingshilfe/pro Asyl, Auskunft an den HessVGH vom 29.10.2020) angesichts der aktuellen Situation – ebenfalls wie in der Bundesrepublik Deutschland – keine greifbaren Anhaltspunkte.
Die Klägerin gehört offensichtlich nicht zu einer Personengruppe für einen schweren, möglicherweise lebensbedrohlichen Verlauf der Covid-19-Erkrankung.
Im Übrigen genügt nicht eine allgemeine Behauptung mit Hinweis auf die COVID-19-Pandemie, dass eine Gefahr bestünde. Denn für die Beurteilung ist auf die tatsächlichen Umstände des konkreten Einzelfalles abzustellen, um zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür aufzuzeigen, dass der/die Betreffende im konkreten Einzelfall mit einer Ansteckung, einschließlich eines schweren Verlaufs, rechnen muss. Zu berücksichtigen sind unter anderem die örtlichen Gegebenheiten im Zielland und auch die Frage, welche Schutzmaßnahme der Staat zur Eindämmung der Pandemie getroffen hat (vgl. OVG NRW, B.v. 23.6.2020 – 6 A 844/20.A – juris). Dahingehend hat die Klägerin nichts vorgebracht.
Darüber hinaus bestehen – wie auch in anderen Staaten, wie etwa in Deutschland – individuelle persönliche Schutzmöglichkeiten, wie das Tragen einer Gesichtsmaske, die Einhaltung der Hygieneregeln (z.B. Hände waschen) oder die Wahrung von Abstand zu anderen Personen, um das Risiko einer Ansteckung durch eigenes Verhalten zu minimieren.
Des Weiteren ist die Versorgungslage für die Bevölkerung in Italien – einschließlich international Schutzsuchender bzw. Schutzberechtigter – auch unter Berücksichtigung gewisser Einschränkungen nicht derart desolat, dass auch nur annähernd von einer allgemeinen Gefahrenlage im Sinne des § 60a Abs. 1 AufenthG gesprochen werden könnte (vgl. neben den schon oben dargelegten Erkenntnissen insbesondere VG Würzburg, B.v. 26.10.2021 – W 5 S 21.50269; siehe ferner auch VG Würzburg, B.v. 31.12.2020 – W 8 S 20.50319 – juris Rn 46; jeweils m.w.N.).
Das Gericht geht schließlich nicht davon aus, dass eine Dublin-Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat sonst aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich wäre (§ 34a Abs. 1 AsylG).
Auch der Erlass und die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots sind nach Maßgabe von § 11, § 75 Nr. 12 AufenthG erfolgt und nicht zu beanstanden.
Nach alledem war die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.


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