Europarecht

Durchführung des Visumverfahrens bei abgelehnten Asylbewerbern

Aktenzeichen  10 CE 19.310, 10 C 19.311

Datum:
20.2.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 3414
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 152a Abs. 1 S. 1
AufenthG § 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 1

 

Leitsatz

Ein Asylbewerber, der ohne das erforderliche Visum eingereist ist, hat nach erfolglosem Abschluss des Asylverfahrens zur Erlangung eines asylunabhängigen Aufenthaltstitels grundsätzlich – nicht anders als jeder andere Ausländer auch – ein Visumverfahren im Herkunftsland durchzuführen.  (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Verfahren 10 CE 19.310 und 10 C 19.311 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
II. Die Anhörungsrügen werden zurückgewiesen.
III. Der Antragsteller trägt die Kosten der Verfahren.

Gründe

Mit der Anhörungsrüge erstrebt der Antragsteller die Fortführung des Verfahrens über seinen mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 24. Januar 2019 abgelehnten Antrag, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm eine Duldung aus humanitären Gründen zu erteilen und bis aus weiteres von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen abzusehen, sowie einen entsprechenden Prozesskostenhilfeantrag.
Die Anhörungsrüge ist unbegründet. Die Voraussetzungen des § 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO liegen nicht vor, weil der Verwaltungsgerichtshof den Anspruch des Antragstellers auf rechtliches Gehör nicht in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
Nach § 152a Abs. 1 Satz 1 VwGO ist auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten das Verfahren fortzuführen, wenn ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist gemäß § 152a Abs. 2 Satz 6 VwGO darzulegen. Die Anhörungsrüge stellt keinen Rechtsbehelf zur Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung dar. Es handelt sich vielmehr um ein formelles Recht, das dann greift, wenn das Gericht entscheidungserhebliches Vorbringen der Beteiligten nicht in ausreichendem Maße zur Kenntnis genommen und sich mit ihm nicht in der gebotenen Weise auseinandergesetzt hat. Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht jedoch nicht, dem Tatsachenvortrag oder der Rechtsansicht eines Verfahrensbeteiligten inhaltlich zu folgen (vgl. BVerwG, B. v. 1.4.2015 – 4 B 10.15 – juris Rn. 2; BVerwG, B.v. 24.11.2011 – 8 C 13.11 – juris Rn. 2 m.w.N.; BayVGH, B.v. 30.6.2015 – 10 ZB 15.1197 – juris Rn. 3 m.w.N.).
Der Antragsteller bringt vor, dass nach derzeitigem Sachstand keine präzise Terminvereinbarung über das Internetportal der Deutschen Botschaft in Nigeria (Generalkonsulat Lagos) möglich sei. Bei jetziger Registrierung erhalte der Antragsteller frühestens in sieben bis neun Monaten einen Termin zur Visumbeantragung und müsse bei einer Verfahrensdauer von durchschnittlich sechs Monaten oder mehr mit einer Trennungszeit von mindestens 13 Monaten rechnen. Er habe wiederholt erfolglos versucht, einen Termin zu buchen. Das rechtliche Gehör sei verletzt, weil dem Antragsteller keine Möglichkeit gegeben worden sei, zur voraussichtlichen Dauer des Visumverfahrens vorzutragen. Das Gericht habe nach Auffassung des Antragstellers nicht zur Kenntnis genommen, dass es ihm seit September 2018 nicht möglich gewesen sei, einen Termin zu buchen.
Damit hat er jedoch eine entscheidungserhebliche Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG durch den angegriffenen Beschluss des Senats vom 24. Januar 2019 nicht hinreichend dargelegt.
Es trifft nicht zu, dass der Senat im Beschluss vom 24. Januar 2019 den Vortrag des Antragstellers zu seinen bislang erfolglosen Bemühungen, einen zeitnahen Termin zur Visumbeantragung über ein entsprechendes Internetportal der Deutschen Auslandsvertretung in Nigeria zu buchen, nicht zur Kenntnis genommen und in seiner Entscheidung gewürdigt hätte. Vielmehr ergibt sich bereits aus der Sachverhaltswiedergabe unter Nr. I. des Beschlusses, dass der Senat das diesbezügliche Vorbringen zur Kenntnis genommen hat (s. Rn. 11 a.E., Rn. 15). Dort wird der Vortrag inhaltlich unter Bezugnahme auf die entsprechenden Schriftsätze mit Datumsangabe wiedergegeben. Ein weiterer (ergänzender) Vortrag war auch im letzten Schriftsatz nicht angekündigt. Die abschließende Feststellung, dass der Antragsteller eine vorübergebende Trennung für die „übliche Dauer“ des Visumverfahrens hinnehmen muss, bezog sich auf den Vortrag des Antragstellers, wonach ihm bislang eine zeitnahe Terminvereinbarung noch nicht gelungen sei, bedeutet aber nicht, dass der Senat den Umstand, dass beim Antragsteller gewisse Verzögerungen bei der Einleitung und Durchführung des Visumverfahrens zu erwarten sind, nicht gewürdigt hat. Denn nach der Rechtsprechung des Senat hat der Antragsteller, der ohne das erforderliche Visum eingereist ist, nach erfolglosem Abschluss seines Asylverfahrens zur Erlangung eines asylunabhängigen Aufenthaltstitels grundsätzlich – nicht anders als jeder andere Ausländer auch – ein Sichtvermerkverfahren im Heimatland durchzuführen (vgl. BayVGH, B.v. 20.6.2017 – 10 C 17.744 – juris Rn. 11 m.w.N.; B.v. 17.12.2018 – 10 CE 18.2177 – juris Rn. 26). Soweit der Antragsteller bei jetziger Registrierung einen Termin zur Visumbeantragung in „voraussichtlich frühestens (…) 7-9 Monaten“ und eine anschließende Dauer des Visumverfahrens von „durchschnittlich“ mindestens sechs Monaten für realistisch hält und geltend macht, die demnach zu erwartende Dauer des Visumverfahrens beinträchtige die in Deutschland praktizierte eheliche Lebensgemeinschaft, wendet er sich im Ergebnis gegen die Tatsachenwürdigung des Senats. Dies kann jedoch einer Anhörungsrüge nach § 152a VwGO nicht zum Erfolg verhelfen (vgl. BayVGH, B.v. 30.11.2018 – 10 AE 18.2469 – juris Rn. 7).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil für das Verfahren über die Anhörungsrüge nach Nr. 5400 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz (Anlage zu § 3 Abs. 2 GKG) eine streitwertunabhängige Festgebühr anfällt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152a Abs. 4 Satz 3 VwGO).


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