Europarecht

Ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH stellt noch keine Änderung der Sach- oder Rechtslage dar

Aktenzeichen  M 8 S7 17.51328

Datum:
16.5.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80 Abs. 7
AsylG §34a Abs. 2 S. 1, § 74 Abs. 1
AEUV AEUV Art. 267

 

Leitsatz

Eine Änderung der Rechtsprechung stellt nur dann eine relevante Änderung der Sach- oder Rechtslage dar, wenn nach Ergehen der Entscheidung im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO eine bis dahin strittige einschlägige Rechtsfrage höchstrichterlich in einem anderen Sinne entschieden wurde, als dies bei Prüfung der Erfolgsaussichten im vorangegangenen Verfahren der Fall war, und sich deshalb die Verfahrensprognose verändert. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

Hinsichtlich des Sachverhalts wird in entsprechender Anwendung von § 77 Abs. 2 Asylgesetz (AsylG) und § 117 Abs. 3 und 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zunächst auf die Ausführungen in Nummer I des Beschlusses des Gerichts vom 3. Mai 2017, M 8 S. 17.50959, Bezug genommen.
Der verfahrensgegenständliche Antrag vom 11. Mai 2017, gerichtet auf Änderung des den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der unter M 8 K 17.50960 anhängigen Klage ablehnenden Beschlusses des erkennenden Gerichts vom 3. Mai 2017, M 8 S. 17.50959, nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO, ist bereits unzulässig (1.). Zudem wäre er auch unbegründet (2.).
1. Die Änderung eines nach § 80 Abs. 5 VwGO ergangenen Beschlusses auf Antrag eines Beteiligten setzt nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO veränderte oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachte Umstände voraus. Aus dem Antragsschriftsatz vom 11. Mai 2017 ergeben sich solche Umstände nicht. Auch sind solche im Übrigen (§ 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO) nicht ersichtlich.
1.1 Das erkennende Gericht hat seinen antragsablehnenden Beschluss vom 3. Mai 2017 entscheidungstragend zunächst bereits auch auf die Unzulässigkeit des Eilantrag nach § 80 Abs. 5 VwGO wegen Versäumung der Wochenfrist nach § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG gestützt (vgl. II.1 des Beschlusses).
Daraus folgt mit Blick auch auf das Hauptsacheverfahren nach der Regelung über die Klagefrist in § 74 Abs. 1 Hs. 2 i.V.m. § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG ohne weiteres auch die Unzulässigkeit der Klage M 8 K 17.50960 aufgrund Verfristung. Damit stellen sich in sämtlichen Eil- und Hauptsacheverfahren des Antragstellers, die den mithin bestandskräftigen Bescheid der Antragsgegnerin vom 22. März 2017 betreffen, Fragen des materiellen (Asyl-)Rechts und der darauf fußenden Begründetheit von Rechtbehelfen nicht mehr entscheidungserheblich.
1.2 Zudem begründen der Vorlage- und Aussetzungsbeschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 15. März 2017, A 11 S. 2151.16, und der darin maßgeblich in Bezug genommene Recherchebericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom August 2016 zu den Aufnahmebedingungen in Italien (juris Rn. 26), auch losgelöst von der vorstehend dargelegten fehlenden Entscheidungserheblichkeit materiell-rechtlicher Fragen aufgrund der Unzulässigkeit von Klage und Eilantrag, keine Veränderung der Umstände i.S.d. § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO.
Eine Änderung der Rechtsprechung würde nur dann eine relevante Änderung der Sach- oder Rechtslage darstellen können, wenn nach Ergehen der Entscheidung im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO eine bis dahin strittige einschlägige Rechtsfrage höchstrichterlich in einem anderen Sinne entschieden wurde, als dies bei Prüfung der Erfolgsaussichten im vorangegangenen Verfahren der Fall war, und sich deshalb die Verfahrensprognose verändert (vgl. statt vieler Schmidt in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 RdNr. 103), was grundsätzlich auch bei einer Änderung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs der Fall sein kann (vgl. BVerfG, B.v. 26.8.2004 – 1 BvR 1446/04 – juris Rn.19). Eine solche Änderung steht hier indes gerade nicht inmitten. Vielmehr hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg im vorgenannten Beschluss vom 15. März 2017 aus seiner Sicht drei entscheidungserhebliche Rechtsfragen nach Art. 267 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) dem Europäischen Gerichtshof zur Entscheidung vorgelegt und damit (auch) seine Rechtsauffassung zur Frage systemischer Mängel im italienischen Asylsystem für anerkannte international Schutzberechtigte dem Europäischen Gerichtshof im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens zur Überprüfung gestellt (vgl. Vorlagefrage 3). Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg geht dabei ausdrücklich auch selbst von der Ungewissheit der Beantwortung dieser Frage aus (vgl. juris Rn. 28).
Von einer maßgeblichen Änderung der Sach- und Rechtslage im vorstehenden Sinne kann somit im Lichte des Aussetzungs- und Vorlagebeschlusses des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 15. März 2017 nicht die Rede sein.
2. Selbst auch unter inhaltlicher Einbeziehung des nunmehrigen materiell-rechtlichen Vortrags, der maßgeblich auf der vorgenannten aktuellen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg gründet, würde das erkennende Gericht schließlich die unions- und konventionsrechtliche Zulässigkeit der Überstellung von Asylbewerbern nach Italien im Vollzug der Dublin-III-VO auch zum Zeitpunkt des Erlasses des vorliegenden Beschlusses (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 AsylG) unverändert nicht anders beurteilen als dies im Beschluss vom 3. Mai 2017 geschehen ist. Die Zweifel des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg an der Situation von international Schutzberechtigten in Italien, wie sie in dessen Beschluss vom 15. März maßgeblich namentlich im Lichte des Berichts der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom August 2016 zum Ausdruck kommen, teilt das erkennende Gericht nicht. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird vollinhaltlich auf die Ausführungen in Nummer II.2.3 des vorgenannten Beschlusses des Gerichts vom 3. Mai 2017 Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG, § 117 Abs. 5 VwGO entsprechend).
Sonach erweist sich der unzulässige Antrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO auch als unbegründet.
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Das Verfahren ist nach § 83b AsylG gerichtskostenfrei.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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