Europarecht

Einstweiliger Rechtsschutz, Vergabe von Jugendhilfeleistungen, Berufsausübungsfreiheit, Anspruch auf ordnungsgemäße Ermessensentscheidung, Öffentlicher Auftrag

Aktenzeichen  M 18 E 21.2712

Datum:
28.10.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 40090
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123
SGB VIII § 3 Abs. 1
SGB VIII § 4 Abs. 1
SGB VIII § 13 (a.F. v. 11.9.2012 n.F. v. 3.6.2021)
SGB VIII § 13a
SGB VIII § 74
SGB VIII § 77 (a.F. v. 11.9.2012 n.F. v. 3.6.2021)
GWB § 103 Abs. 1
GG Art. 12 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Zuschlagserteilung im Vergabeverfahren „SaS – Sozialpädagogische Arbeit an den weiterführenden Schulen des Landkreises Ebersberg“ an die Beigeladene vorläufig bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren zu unterlassen.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Untersagung der Vergabe von Jugendhilfeleistungen in Form der Schulsozialarbeit nach §§ 13, 13a SGB VIII aufgrund eines Vergabeverfahrens an die Beigeladene durch den Antragsgegner.
Unter dem 13. April 2021 schrieb der Antragsgegner die streitgegenständlichen Jugendhilfeleistungen im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union als öffentlichen Auftrag im Bereich „Dienstleistungen des Sozialwesens“ unter dem CPV-Code 8531000 und der Bezeichnung „SaS – Sozialpädagogische Arbeit an den weiterführenden Schulen des Landkreises Ebersberg“ EUweit aus. Der Auftrag wurde in acht Lose entsprechend acht weiterführenden Schulen im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners (Realschule Ebersberg, Realschule Markt Schwaben, Realschule Poing, Realschule Vaterstetten, Gymnasium Grafing, Gymnasium Kirchseeon, Gymnasium Markt Schwaben und Gymnasium Vaterstetten) aufgeteilt. Als Laufzeit der zu schließenden Verträge oder Rahmenvereinbarungen wurde der Zeitraum 1. September 2021 bis 31. August 2024 mit der Option der dreimaligen Verlängerung um je ein Jahr durch den Auftraggeber genannt. Die Frist zur Einreichung der Angebote endete am 11. Mai 2021.
Der Antragsteller gab am 11. Mai 2021 ein Angebot zu den Losen 1 bis 8 ab.
Mit Schreiben vom 18. Mai 2021 informierte der Antragsgegner den Antragsteller darüber, dass der Zuschlag zu den Losen 1 bis 8 auf die Angebote der Beigeladenen – frühestens am 11. Juni 2021 – erteilt werden würde und die Angebote des Antragstellers gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 4 und 6 VgV ausgeschlossen werden müssten.
Mit Schriftsatz vom 18. Mai 2021 beantragte der Antragsteller am 21. Mai 2021 durch seinen Bevollmächtigten beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
die „Vergabe“ von „Sozialpädagogischer Arbeit an den weiterführenden Schulen des Landkreises Ebersberg“ an die Gesellschaft … vorläufig zu untersagen.
Zur Begründung wurde darauf verwiesen, dass eine Entscheidung über die finanzielle Förderung von Schulsozialarbeit nach § 13 Abs. 1 SGB VIII im Vergabeverfahren rechtlich unzulässig sei. Eine weitergehende Begründung wurde angekündigt und um Kontaktaufnahme mit dem Antragsgegner zur Verhinderung einer Vergabe vor der Entscheidung des Gerichts gebeten.
Mit Schriftsatz vom 27. Mai 2021 bestellten sich die Bevollmächtigten des Antragsgegners und beantragten, nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG festzustellen, dass der beschrittene Rechtsweg unzulässig sei. Der Verwaltungsrechtsweg sei nicht gemäß § 40 Abs. 1 VwGO eröffnet. Die Überprüfung der Vergabe des vom Antragsgegner ausgeschriebenen öffentlichen Auftrags obliege der Vergabekammer Südbayern nach §§ 155, 156 Abs. 1, 158 Abs. 2 GWB i.V.m. §§ 1 und 2 BayNpV.
Der Bevollmächtigte des Antragstellers führte mit Schriftsatz vom 7. Juni 2021 aus, dass der Verwaltungsrechtsweg eröffnet sei. Bei der Erbringung der Leistung nach § 13 Abs. 1 SGB VIII werde keine Dienstleistungskonzession und auch kein öffentlicher Auftrag im Sinne von § 155 GWB vergeben. Es sei in der bisherigen Rechtsprechung unstrittig, dass eine solche Leistung nach § 74 SGB VIII zu fördern sei und nicht nach Vergaberecht vergeben werden dürfe. Besonders problematisch sei das streitgegenständliche Vergabeverfahren, da wohl eine Auftragsvergabe mit ausschließlichem Charakter an einen einzigen Leistungserbringer erfolgt sei. Alle wesentlichen Grundsätze, die das Kinder- und Jugendhilferecht prägten, kämen nicht mehr zum Tragen, wenn im Vergabeverfahren der billigste oder einige wenige billige Leistungserbringer ausgewählt werden könnten. Im streitgegenständlichen Fall werde offensichtlich der Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Förderung nach § 74 SGB VIII verletzt. Zudem könne bei Vornahme der Vergabeentscheidung insbesondere die Trägerpluralität nach § 3 Abs. 1 SGB VIII hinsichtlich der Schulsozialarbeit an weiterführenden Schulen im betroffenen Landkreis nicht mehr ansatzweise verwirklicht werden.
Mit Schriftsatz vom 7. Juni 2021 verwiesen die Bevollmächtigten des Antragsgegners erneut auf die Unzulässigkeit des Antrags mangels Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs gemäß § 40 Abs. 1 VwGO.
Mit Schiebebeschluss vom 10. Juni 2021 untersagte das Gericht zur Sicherung des Primärrechtschutzes des Antragstellers dem Antragsgegner vorläufig, bis zur Entscheidung des Gerichts über den Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO Leistungen aufgrund des Vergabeverfahrens „SaS – Sozialpädagogische Arbeit an den weiterführenden Schulen des Landkreises Ebersberg“ zu vergeben.
Mit Beschluss vom 10. Juni 2021 wurde die Gesellschaft … … … … … … … … … zum Verfahren beigeladen.
Mit Schriftsatz vom 13. Juni 2021 konkretisierte der Bevollmächtigte des Antragstellers den Antrag zeitlich dahingehend, die „Vergabe“ vorläufig bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache zu untersagen. Der Antragsteller werde nach Abschluss des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens unmittelbar Klage auf Unterlassung der Vergabeentscheidung erheben.
Des Weiteren wurde ausgeführt, dass der Antragsteller die Leistung der Schulsozialarbeit an den weiterführenden Schulen des Antragsgegners bereits seit dem Jahr 2012 bis zum heutigen Zeitpunkt erbringe. Von der Vergabestelle des Antragsgegners seien die Aufträge erteilt und in der Folge Leistungs-, Qualitätsentwicklungs- und Entgeltvereinbarungen über die Leistungserbringung abgeschlossen worden. Nach der Systematik des SGB VIII erforderliche Finanzierungsbescheide nach § 74 SGB VIII seien hingegen nicht erlassen worden. Da der Antragsteller Leistungen nach § 13 Satz 1 SGB VIII auf dieser Basis kostendeckend habe erbringen können und über die SGB VIIIkonformen Rahmenbedingungen der Finanzierung im Unklaren gewesen sei, habe bisher kein tatsächlicher Grund für ein Vorgehen gegen diese rechtswidrige Verwaltungspraxis bestanden.
Ein Anordnungsanspruch auf Unterlassen der Vergabeentscheidung liege vor. Dem Antragsteller stehe ein Anspruch aus § 74 SGB VIII auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über eine Finanzierung der Schulsozialarbeit gemäß § 13 Abs. 1 SGB VIII an den weiterführenden Schulen das Antragsgegners zu. Dieser Anspruch würde durch das gerügte Vergabeverfahren mit Zuschlag ausschließlich an den wirtschaftlichsten Leistungserbringer vereitelt werden. Der Antragsgegner habe die sich aus § 13 Abs. 1 SGB VIII und § 74 SGB VIII ergebende Systematik des Kinder- und Jugendhilferechts verkannt. Bei den Leistungen nach §§ 11 bis 41 SGB VIII handele es sich nicht um freiwillige Leistungen, sondern vielmehr um verpflichtend vorzunehmende Aufgaben, die zwingend in einem bedarfsdeckenden Umfang mit einem pluralen Angebot verschiedener Leistungserbringer vorzuhalten seien. Bei der im Rahmen von § 74 SGB VIII zu treffenden Ermessensentscheidung müssten insbesondere die wichtigen Strukturprinzipien des SGB VIII beachtet werden. Evident ermessensfehlerhaft sei es, die Entscheidung ausschließlich an fiskalischen Interessen auszurichten. Werde die Förderung nach § 74 SGB VIII durch ein Vergabeverfahren ersetzt, werde – insbesondere bei einer Auftragsvergabe mit ausschließlichem Charakter an einen einzigen Leistungserbringer – der Anspruch des Leistungserbringers nach § 74 SGB VIII und die Berufsfreiheit nach Art. 12 GG verletzt.
Der Anspruch des Antragstellers nach § 74 SGB VIII würde mit Vornahme der Vergabeentscheidung mindestens bis zum 31. August 2024, vermutlich aber bis 31. August 2027, vereitelt werden. Eine Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren sei daher dringlich. Dem Antragsteller drohten zudem nicht unerhebliche finanzielle Nachteile, sollte er die Leistung der Schulsozialarbeit an den weiterführenden Schulen des Antragsgegners nicht weiter erbringen können.
Mit Schriftsatz vom 21. Juni 2021 teilte die Beigeladene mit, im Verfahren keine Stellungnahme abzugeben.
Der Antragsgegner legte am 25. Juni 2021 die elektronische Behördenakte vor.
Mit Schriftsatz vom 28. Juni 2021 nahmen die Bevollmächtigten des Antragsgegners erneut zum Antrag Stellung und beantragten,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Verwaltungsrechtsweg unzulässig sei. Die Ankündigung des Antragstellers, Klage auf Unterlassung der Vergabeentscheidung zu erheben, könne nur dahin verstanden werden, dass sich dieser gegen die beabsichtigten Vertragsabschlüsse mit der Beigeladenen wehren wolle. Im Schwerpunkt sei daher eine privatrechtliche Streitigkeit betroffen. Auch aus dem fachgesetzlichen Rahmen, in dem sich die geplante Auftragserteilung vollziehe, folge nichts anderes; das Sachleistungsverschaffungsverhältnis zwischen dem öffentlichen Jugendhilfeträger und dem Leistungserbringer sei zivilrechtlich ausgestaltet, da der Antragsgegner die verfahrensgegenständlichen Leistungen in Form von zivilrechtlichen Vertragsschlüssen nach dem 4. Teil des GWB ausgeschrieben habe. Jedenfalls greife die abdrängende Sonderzuweisung in §§ 155, 156 Abs. 1, 158 Abs. 2 GWB. Die Zuständigkeitskonzentration der §§ 155 ff. GWB schließe eine Inzidentprüfung von Rechtsfragen aus anderen Rechtsgebieten ein, die monierte Verletzung der §§ 13, 74 SGB VIII hätte vom Antragsteller daher zum Gegenstand eines Nachprüfungsverfahrens gemacht werden müssen. Mit seinem Einwand sei der Antragsteller durch rügelose Einreichung seines Angebots jedoch gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nrn. 1 – 3 GWB präkludiert. Zum anderen fehle dem Antragsteller bereits das Rechtsschutzbedürfnis, da der Antragsteller beim Antragsgegner keinen Antrag auf die begehrte finanzielle Förderung nach § 74 SGB VIII gestellt habe. Zudem habe dem Antragsteller das Rügeverfahren nach § 160 Abs. 3 GWB als einfachere und zumutbare Möglichkeit der Rechtsdurchsetzung zur Verfügung gestanden, in dem er hätte rügen können, dass das Vergabeverfahren mit den Grundprinzipien des SGB VIII nicht vereinbar sei.
Des Weiteren sei kein Anordnungsanspruch gegeben. Der Antragsteller habe einen Anspruch gemäß § 74 SGB VIII, aus dem dieser einen Anspruch auf Unterlassung der Vertragsabschlüsse zu den einzelnen Losen ableite, nicht glaubhaft gemacht. Der sachliche Anwendungsbereich des § 74 SGB VIII sei bereits nicht eröffnet, da es vorliegend nicht um eine Förderung, also um eine (Sozial-)Subvention gehe. Des Weiteren sei die Voraussetzung des § 74 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VIII nicht erfüllt, da der Antragsteller in Bezug auf „SaS“ keine Eigenleistung erbringe; vielmehr sei der im bezuschlagten Angebot genannte Preis Vertragsbestandteil und werde als entgeltliche Gegenleistung für die „SaS“-Dienstleistung in voller Höhe geschuldet. Eine ermessensfehlerfreie Entscheidung im Rahmen des § 74 Abs. 1 SGB VIII setze zudem einen entsprechenden Antrag auf Förderung voraus, der hier fehle. Überdies stehe eine fehlerhafte Ermessensentscheidung des Antragsgegners vorliegend überhaupt nicht in Rede, da der Antragsgegner eine Vergabeentscheidung in einem Vergabeverfahren getroffen und nicht sein Ermessen bei Bewilligung einer Zuwendung ausgeübt habe. Eine Ermessensreduktion auf Null sei darüber hinaus auch nicht glaubhaft gemacht. Insbesondere folge aus der vom Antragsteller angeführten Vorhaltung von Personal im Rahmen des aktuellen Vertragsverhältnisses kein Anspruch auf Förderung über das reguläre Vertragsende hinaus.
Ein künftiger Anspruch nach § 74 SGB VIII könne des Weiteren nicht Grundlage einer einstweiligen Anordnung sein. Vorbeugende Unterlassungsbegehren seien nur dann statthaft, wenn sie sich gegen die Herbeiführung irreparabler Folgen richten würden und eine hohe Erfolgswahrscheinlichkeit dargelegt sei. Unabhängig davon habe der Antragsteller jedoch nicht glaubhaft gemacht, dass sein aus § 74 SGB VIII abgeleitetes Recht auf ermessensfehlerfreie Entscheidung durch den Abschluss einer Vereinbarung mit der Beigeladenen dauerhaft und endgültig vereitelt werde. § 74 SGB VIII verhalte sich nicht zu der Frage, ob der Jugendhilfeträger den Vertragspartner für Leistungen nach § 13 Abs. 1 SGB VIII in einem Vergabeverfahren suchen könne. Das Vergaberecht sehe jedenfalls keine Bereichsausnahme für die streitgegenständlichen Leistungen vor. In Hinblick auf sein Beschaffungsermessen könne sich der örtliche Jugendhilfeträger auch im jugendhilferechtlichen Dreiecksverhältnis entscheiden, ob er die im Beschaffungsverhältnis zu erbringenden Dienstleistungen des Leistungsträgers in einem Vergabeverfahren nach den §§ 97 ff. GWB vergebe. Ein Verbot der Vergabe derartiger Dienstleistungen sei bundesgesetzlich nicht geregelt. Die Qualifikation von Qualitäts-, Leistungs- und Entgeltvereinbarungen als entgeltliche Verträge im Sinne der §§ 103 Abs. 1,105 Abs. 1 GWB sei zwar in solchen Konstellationen nicht unumstritten, in denen der Zahlungsanspruch des Leistungserbringers auf dem Verhältnis mit dem Leistungsberechtigten beruhe. Um eine solche Konstellation gehe es hier aber nicht. Der Auftragnehmer erhalte für die vertragsgegenständlichen Leistungen nach § 13 Abs. 1 SGB VIII vielmehr eine Pauschalvergütung, welche daher auch nicht von der Inanspruchnahme der „SaS“ seitens der Leistungsberechtigten abhängig sei.
Eine hauptsacheunabhängige Interessenabwägung im Falle offener Erfolgsaussichten würde vorliegend darüber hinaus zugunsten des öffentlichen Interesses an der unterbrechungsfreien Versorgung von acht Schulen mit sozialpädagogischen Leistungen ausgehen. Es wirke sich zudem zu Lasten des Antragstellers aus, dass er sich an dem Vergabeverfahren rügelos beteiligt habe.
Ein Anordnungsgrund sei des Weiteren nicht gegeben, da der Antragsteller als bisheriger Vertragspartner nicht auf die beanspruchte Förderung angewiesen gewesen sei, um die Leistungen der Schulsozialarbeit zu erbringen. Schließlich verstoße die beantragte einstweilige Anordnung auch gegen das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache.
Mit Schriftsatz vom 9. Juli 2021 teilte der Bevollmächtigte des Antragstellers mit, dass der Antragsgegner beabsichtige, für den Zeitraum 1. September 2021 bis 31. Dezember 2021 ein erneutes Vergabeverfahren durchzuführen, um einen Anbieter interimsweise mit den streitgegenständlichen Leistungen nach § 13 Abs. 1 SGB VIII zu beauftragen, und beantragte, das „Interimsvergabeverfahren“ vorläufig bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache zu untersagen (M 18 E 21.3668).
Des Weiteren wurde ausgeführt, dass die Finanzierung von Leistungen, die nur eine objektivrechtliche Verpflichtung zur Bereitstellung der Leistung in einem bedarfsdeckenden Umfang vorgeben würden, über eine Förderentscheidung nach § 74 SGB VIII durch Verwaltungsakt verbeschieden werden müsste. Eine Entscheidung über die Finanzierung nach Vergaberecht sehe das Gesetz hingegen ausdrücklich nicht vor und sei vom Gesetzgeber auch nicht gewollt. Daher könne der Antragsgegner mit der rechtswidrigen Vornahme einer Vergabeentscheidung über die Finanzierung der Leistung nach § 13 Abs. 1 SGB VIII auch nicht den Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung bestimmen, im SGB VIII nichtexistierende Präklusionsregelungen einführen und den Antragsteller auf eine Inzidentprüfung des öffentlichen Rechts durch zivilgerichtliche Vergabekammern verweisen.
Ferner verkenne der Antragsgegner, dass vorliegend kein Anspruch auf Förderung nach § 74 SGB VIII geltend gemacht werde; es sei daher nicht entscheidungserheblich, ob dessen Voraussetzungen gegeben seien. Auch rüge der Antragsteller entgegen der Annahme des Antragsgegners keine Fehler im Vergabeverfahren. Es gehe dem Antragsteller ausschließlich darum, eine ermessensfehlerfreie Entscheidung des Antragsgegners über die Förderung der Schulsozialarbeit ab dem Schuljahr 2021/2022 zu ermöglichen, was durch den ausschließlichen Zuschlag an die Beigeladene bis mindestens zum 31. August 2024 verhindert werden würde.
Mit E-Mail vom 14. Juli 2021 wandten sich die Bevollmächtigten des Antragsgegners an den Antragsteller und teilten mit, dass der Antragsgegner die interimsweise Beschaffung von Leistungen der „Jugendsozialarbeit an Schulen“ (JaS) auch an der … Schule in Grafing ab dem 1. September 2021 beabsichtige und ein entsprechendes Vergabeverfahren durchführen werde. Mit Schriftsatz vom 14. Juli 2021 beantragte der Antragsteller daraufhin durch seinen Bevollmächtigten beim Verwaltungsgericht München, auch dieses „Interimsvergabeverfahren“ vorläufig bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache zu untersagen (M 18 E 21.3726).
Der Antragsgegner teilte mit Schriftsatz vom 17. Juli 2021 im Verfahren M 18 E 21.3668 mit, dass der Antragsteller beim Antragsgegner inzwischen einen Antrag nach § 74 SGB VIII eingereicht habe.
Mit Beschluss vom 22. Juli 2021 erklärte das Gericht den Verwaltungsrechtsweg im Rahmen einer Vorabentscheidung nach § 17a Abs. 3 GVG für zulässig. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Antragsgegners wurde mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom 23. August 2021 (12 CE 21.2141) zurückgewiesen.
Mit Beschlüssen vom 30. Juli 2021 wurden die Anträge auf einstweiligen Rechtschutz in den Verfahren M 18 E 21.3668 sowie M 18 E 21.3726 abgelehnt.
Die Bevollmächtigten des Antragsgegners nahmen mit Schriftsatz vom 14. September 2021 nochmals ergänzend Stellung. Sie führten aus, dass es sich bei der streitgegenständlichen Leistungsbeziehung um einen Austauschvertrag außerhalb des jugendhilferechtlichen Dreiecksverhältnisses und eine Vereinbarung i.S.d. § 77 SGB VIII handeln würde. Einen Förderungsantrag nach § 74 SGB VIII, aus welchem der Antragsteller seinen Anspruch ableite, habe der Antragsteller weder zum Zeitpunkt der Einleitung des Vergabeverfahrens, noch zum Zeitpunkt des Ausschlusses seines eigenen Angebots im Vergabeverfahren, noch zum Zeitpunkt der beabsichtigen Zuschlagserteilung, noch zum Zeitpunkt der Antragstellung im Rechtsschutzverfahren gestellt. Jedenfalls bei dieser Sach- und Verfahrenslage habe der öffentliche Träger ermessensfehlerfrei gehandelt, indem er daraufhin ein Vergabeverfahren eingeleitet habe.
Des Weiteren sei im vorliegenden Fall der Auftragsvergabe im Bereich sozialer und besonderer Dienstleistungen im Sinne des § 130 Abs. 1 GWB mit Überschreitung des EU-Schwellenwertes die Durchführung eines Vergabeverfahrens nach europarechtlichen Bestimmungen zwingend vorgesehen. Bei Verträgen nach § 77 SGB VIII, die als öffentliche Aufträge zu qualifizieren seien, sei das Vergaberecht auch nicht implizit ausgeschlossen. Dies sei weder mit Unionsrecht noch mit Art. 19. Abs. 4 GG und Art. 101 Abs. 1 GG vereinbar. Sollte das Gericht eine implizite Ausnahme von der Anwendung des Unionsvergaberechts bejahen wollen, werde um die Einholung einer Vorabentscheidung nach Art. 267 Abs. 3 AEUV gebeten.
Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund seien überdies wegen eines Verstoßes des Antragstellers gegen den Grundsatz von Treu und Glauben zu verneinen, da sich dieser bis zur Einreichung des Eilantrages rügelos am Vergabeverfahren beteiligt habe. Dem Antragsteller sei es zuzumuten, das Hauptsacheverfahren zu betreiben, in dem die unionsrechtlichen und einfachgesetzlichen Rechtsfragen geklärt werden könnten. Im Übrigen räume § 74 SGB VIII dem Träger der freien Jugendhilfe nur einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung ein, einen Anspruch auf Unterlassung der Durchführung eines Vergabeverfahrens sowie einen Anspruch auf finanzielle Förderung vermittele das SGB VIII dagegen nicht.
Mit Schriftsatz vom 24. September 2021 erwiderte der Antragsteller, dass der nationale Bundesgesetzgeber mit der Normierung des § 74 SGB VIII und weiteren Zielbestimmungen des SGB VIII eindeutige Vorgaben für die Finanzierung der Leistungserbringung in der Kinder- und Jugendhilfe gemacht habe. Diese gesetzlichen Vorgaben könne der Antragsgegner nicht derogieren, indem er in rechtswidriger Weise Vergaberecht zur Anwendung bringe. Die Förderentscheidung nach § 74 SGB VIII stehe unter dem Vorbehalt der verfügbaren Haushaltsmittel; würden diese mit der Vergabeentscheidung an die Beigeladene vergeben werden, wäre eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über den Förderantrag mangels bereitstehender Haushaltsmittel bis mindestens zum 31. August 2024 nicht mehr möglich. Die bisher an den streitgegenständlichen Schulen beschäftigten Mitarbeitenden könne der Antragsteller dann dort nicht mehr einsetzen.
Des Weiteren sei der Anspruch des Antragstellers auf ermessensfehlerfreie Entscheidung auch nicht verwirkt. Es sei dem Antragsteller nicht möglich, jeden einzelnen rechtswidrigen Akt der Verwaltung zu rügen bzw. zu erkennen, weswegen er sich auch an dem hier rechtswidrigen Vergabeverfahren beteiligt habe.
Im Übrigen sei anzumerken, dass die Finanzierung der Schulsozialarbeit nach § 13a SGB VIII nach § 74 SGB VIII zu erfolgen habe; § 77 SGB VIII sei hingegen nicht anwendbar. Letzterer sehe eine Finanzierung im jugendhilferechtlichen Dreiecksverhältnis und keinen reinen „Austauschvertrag“ vor.
Mit Schriftsatz vom 5. Oktober 2021 legten die Bevollmächtigten des Antragsgegners zur Frage der Zulässigkeit der Durchführung von Vergabeverfahren im Bereich des SGB VIII ein Rechtsgutachten von Prof. Münder aus dem Jahr 2013 vor, welches auf der Website eines Teilverbandes des Antragstellers veröffentlicht worden sei und eine von der des Antragstellers im vorliegenden Verfahren abweichende Auffassung vertrete.
Wegen des weiteren Sachverhalts und zum Vorbringen der Beteiligten im Einzelnen wird auf die Gerichtsakte im vorliegenden Verfahren sowie den Verfahren M 18 E 21.3668 und M 18 E 21.3726 sowie auf die vorgelegten Behördenakten ergänzend Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag ist begründet.
Für den vorliegenden Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ist der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet. Es liegt eine öffentlichrechtliche Streitigkeit vor, für welche die abdrängende Sonderzuweisung an die Vergabekammern nach §§ 155, 156 Abs. 1, 158 Abs. 2 GWB nicht gegeben ist. Auf die Ausführungen des Gerichts in der Vorabentscheidung vom 22. Juli 2021 sowie auf den hierauf ergangenen Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom 23. August 2021 (12 CE 21.2141) wird verwiesen.
Der Antrag ist des Weiteren zulässig, insbesondere fehlt dem Antrag nicht das Rechtsschutzbedürfnis.
Streitgegenstand ist vorliegend die begehrte Unterlassung der Zuschlagserteilung im Vergabeverfahren „SaS – Sozialpädagogische Arbeit an den weiterführenden Schulen des Landkreises Ebersberg“ an die Beigeladene. Hingegen geht es dem Antragsteller – entgegen der zeitweisen Interpretation des Antragsbegehrens durch den Antragsgegner – nicht um die gerichtliche Geltendmachung eines Anspruchs auf Förderung nach § 74 SGB VIII. Ein fehlendes Rechtsschutzbedürfnis dadurch, dass es der Antragsteller unterlassen hatte, vor Inanspruchnahme des Gerichts beim Antragsgegner einen Antrag auf die begehrte Förderung zu stellen, ist daher – unabhängig davon, dass ein solcher Antrag mittlerweile gestellt wurde – nicht anzunehmen.
Auch stand dem Antragsteller mit dem Nachprüfungsverfahren gemäß §§ 160 ff. GWB, anders als der Antragsgegner meint, keine einfachere und zumutbare Möglichkeit zur Rechtsdurchsetzung zur Verfügung. Wie bereits in der Vorabentscheidung über den Rechtsweg erörtert, ist die Abwendung der Durchführung eines Vergabeverfahrens an sich kein Rechtsschutzziel, welches in einem vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren zulässigerweise verfolgt werden könnte. Der Antragsteller kann mit seinem Vorbringen dementsprechend auch nicht nach § 160 Abs. 3 GWB (analog) präkludiert sein.
Der Antragsteller kann für seinen Antrag auf Gewährung vorbeugenden Rechtsschutzes vielmehr ein qualifiziertes Rechtsschutzinteresse beanspruchen. Ein solches liegt im Allgemeinen vor, wenn beim Zuwarten auf die behördliche Maßnahme die Gefahr besteht, dass irreversible Fakten geschaffen werden und dadurch nicht wiedergutzumachende Nachteile entstehen können, es mithin nicht zuzumuten ist, den Antragsteller auf den nachträglichen vorläufigen Rechtsschutz zu verweisen (vgl. Schoch in Schoch/Schneider, VwGO, 40. EL Februar 2021, § 123 Rn. 45 f.). Vorliegend hat der Antragsgegner dem Antragsteller bereits mit Schreiben vom 18. Mai 2021 mitgeteilt, den Zuschlag zu den Losen 1 bis 8 des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens „SaS“ an die Beigeladene erteilen zu wollen, woran der Antragsgegner auch immer noch festhält. Wird jedoch der Zuschlag in einem Vergabeverfahren erteilt, schließt dies den Primärrechtsschutz aus, da ein etwaiger Unterlassungsanspruch dadurch untergeht (vgl. NdsOVG, B.v. 29.10.2018 – 10 ME 363/18 – juris Rn. 16 m.w.N.). Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz würde nach diesem Zeitpunkt ins Leere laufen, sodass es dem Antragsteller nicht zugemutet werden kann, die bevorstehende Zuschlagserteilung abzuwarten.
Der Antrag ist überdies begründet.
Gemäß § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Ferner sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern. Dabei muss der Antragsteller das von ihm behauptete streitige Recht (den Anordnungsanspruch) und die drohende Gefahr seiner Beeinträchtigung (den Anordnungsgrund) glaubhaft machen, § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO. Für das Vorliegen eines Anordnungsgrunds ist grundsätzlich Voraussetzung, dass es dem Antragsteller unter Berücksichtigung seiner Interessen, aber auch der öffentlichen Interessen und der Interessen anderer Personen nicht zumutbar ist, die Hauptsacheentscheidung abzuwarten. Maßgebend sind hierfür die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. BayVGH, B.v. 10.10.2011 – 12 CE 11.2215 – juris Rn. 6).
Grundsätzlich dient die einstweilige Anordnung der vorläufigen Sicherung eines Anspruchs bzw. der vorläufigen Regelung eines Rechtsverhältnisses. Mit der vom Antragsteller begehrten Entscheidung wird die Hauptsache aber zeitlich begrenzt vorweggenommen. In einem solchen Fall sind an die Prüfung von Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch qualifiziert hohe Anforderungen zu stellen, d.h. der Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt nur in Betracht, wenn ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg in der Hauptsache jedenfalls dem Grunde nach spricht und der Antragsteller ohne die einstweilige Anordnung unzumutbaren Nachteilen ausgesetzt wäre (vgl. BayVGH, B.v. 18.3.2016 – 12 CE 16.66 – juris Rn. 4).
Obigen Anforderungen entsprechend liegen sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund vor.
Ein Anspruch auf Unterlassung der Zuschlagserteilung wurde vorliegend vom Antragsteller glaubhaft gemacht.
Der Anspruch auf Unterlassung ergibt sich vorliegend aus dem Anspruch des Antragstellers auf pflichtgemäße Ermessensentscheidung über den Abschluss einer Finanzierungsvereinbarung nach § 77 SGB VIII. Der Antragsgegner greift mit der Durchführung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens rechtswidrig in die bei der Entscheidung, ob und mit welchem Inhalt eine entsprechende Vereinbarung geschlossen wird, zu berücksichtigende Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG) der freien Jugendhilfeträger ein.
Bei der vom Antragsgegner vorgesehenen Vergabe von Jugendhilfeleistungen in Form der Schulsozialarbeit handelt es sich um eine zweiseitige Finanzierungsvereinbarung auf Basis des § 77 SGB VIII außerhalb des jugendhilferechtlichen Dreiecksverhältnisses.
Nach Ziffer 2.2 der vom Antragsgegner vorgelegten Vergabeunterlagen ist Gegenstand des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens „SaS“ die Erbringung von sozialpädagogischer Arbeit an den acht weiterführenden Schulen des Antragsgegners auf Grundlage des § 13 SGB VIII – Jugendsozialarbeit – (i.d.F. v. 11.9.2012), mit der ein oder mehrere freie Jugendhilfeträger im Wege der Vergabe „beauftragt“ werden sollen. Die ausgeschriebenen Leistungen basieren nach der neuesten SGB VIII-Reform nunmehr auf § 13 i.V.m. § 13a SGB VIII (jeweils i.d.F. v. 10.6.2021), der für die Schulsozialarbeit als Bestandteil der Jugendsozialarbeit eine eigene gesetzliche Grundlage vorsieht. Die neu eingefügte Vorschrift versteht der Gesetzgeber lediglich als klarstellende Regelung, sodass sich diesbezüglich keine inhaltliche Veränderung ergibt (vgl. Gesetzesbegründung: BT-Drs. 19/28870, S. 101 f.; Grube in: Hauck/Noftz, SGB VIII, Stand: September 2021, § 13a Rn. 1). Entsprechend den acht weiterführenden Schulen wurden acht Teillose gebildet, auf welche die Bieter ihre Angebote abgeben konnten (Ziffer 2.8). Ziffer 3.1 der Vergabeunterlagen sieht des Weiteren vor, dass je Los mit dem Bieter mit dem wirtschaftlichsten Angebot „ein Vertrag“ geschlossen wird.
Entgegen der zunächst vertretenen Auffassung des Antragsgegners kann aus der Tatsache, dass dem jeweiligen Vertragsschluss ein Vergabeverfahren vorgeschaltet wurde, nicht geschlossen werden, dass es sich dabei um (beliebige) zivilrechtliche Verträge handelt. Das Kinder- und Jugendhilferecht sieht vielmehr mit den §§ 74, 74a, 77 und 78a ff. SGB VIII einen Katalog an Finanzierungsformen vor, mit denen der öffentliche Jugendhilfeträger die Erbringung von Leistungen nach dem SGB VIII (mit-)finanziert. Zu unterscheiden ist dabei zwischen zweiseitigen Formen der Finanzierung, die sich allein im Verhältnis zwischen den Trägern der öffentlichen und freien Jugendhilfe abspielen, und der dreiseitigen Finanzierung im jugendhilferechtlichen Dreiecksverhältnis mit seinen drei bilateralen, aufeinander bezogenen Leistungsbeziehungen zwischen Leistungsberechtigtem, Leistungsträger und Leistungserbringer (vgl. Meysen/Beckmann/Reiß/Schindler, Recht der Finanzierung von Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe, 2014, Rn. 2). Die Beziehung zwischen Leistungserbringer und dem öffentlichen Jugendhilfeträger ist dabei jeweils öffentlichrechtlicher Natur (vgl. zum jugendhilferechtlichen Dreiecksverhältnis BayVGH, B.v. 19.6.2018 – 12 C 18.313 – juris, Rn. 7; Meysen/Beckmann/Reiß/Schindler, Recht der Finanzierung von Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe, 2014, Rn. 2; Trésoret in: Schlegel/Voelzke, jurisPKSGB VIII, 2. Aufl., § 77 SGB VIII (Stand: 15. 7.2018), Rn. 97); im Übrigen VG München, B.v. 22.7.2021 (Vorabentscheidung) – M 18 E 21.2712 – Rn. 43).
Eine Leistungsgewährung im jugendhilferechtlichen Dreieck liegt bei den hier zu erbringenden Leistungen der Schulsozialarbeit nach § 13 SGB VIII i.V.m. § 13a SGB VIII – zumindest in der vom Antragsgegner vorgesehenen Art und Weise der Durchführung – nicht vor. Die Schülerinnen und Schüler sollen vielmehr ein niederschwelliges Angebot erhalten, welches sie ohne vorherige Leistungsgewährung durch den Antragsgegner in Anspruch nehmen können.
Für die Finanzierung solcher Leistungen kommen sowohl eine Förderung nach § 74 SGB VIII als auch eine Vereinbarung nach § 77 SGB VIII (i.d.F. v. 3.6.2021) in Betracht. § 77 SGB VIII (der insoweit mit der Vorgängerfassung identisch ist) ist nach der herrschenden Meinung in der Literatur grundsätzlich auch (ggf. in analoger Anwendung) im Bereich der zweiseitigen Finanzierungsformen anwendbar (vgl. Trésoret in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 2. Aufl., Stand: 15.7.2018, § 77 Rn. 66, 96; Grube in: Hauck/Noftz, SGB VIII, Stand: September 2021, § 77 Rn. 26; von Boetticher/Münder in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 8. Aufl. 2019, § 77 Rn. 3; DIJuF-Rechtsgutachten v. 13.2.2018, JAmt 2018, 502; Schweigler, JAmt 2019, 290; Meysen/Beckmann/Reiß/Schindler, Recht der Finanzierung von Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe, 2014, Rn. 13 ff.; ablehnend Wiesner in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, § 77 Rn. 5a). § 74 und § 77 SGB VIII stehen alternativ zueinander; welche Finanzierungsform gewählt wird, steht im Ermessen des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe (vgl. Meysen/Beckmann/Reiß/Schindler, Recht der Finanzierung von Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe, 2014, Rn. 18). Der Antragsgegner hat vorliegend zwar dem von ihm beabsichtigten Vertragsverhältnis (zunächst) nicht explizit eine Vereinbarung nach § 77 SGB VIII zugrunde gelegt, tatsächlich ist es jedoch als solches zu behandeln. Für eine Einordnung als Zuwendungsfinanzierung nach § 74 SGB VIII – worauf sich der Antragsteller ausschließlich beruft – fehlt es bereits an der erforderlichen angemessenen Eigenleistung des Leistungserbringers im Sinne des § 74 Abs. 1 Nr. 4 SGB VIII (vgl. BVerwG, U.v. 17.7.2009 – 5 C 25/08 – juris, Rn. 2, 24). Der die Leistungen der „SaS“ anbietende Träger soll nach der vorgesehenen Vertragsgestaltung vielmehr eine Pauschalvergütung erhalten, mit der alle Leistungen abgegolten werden, die zur Erfüllung der Vereinbarung erforderlich sind. Dass daneben noch weitere, eigene Leistungen erbracht werden oder größere Kosten anfallen würden, ist nicht ersichtlich; der Antragsgegner beabsichtigt vielmehr die Finanzierung eines „Komplettpakets“.
Über den Abschluss einer Vereinbarung nach § 77 SGB VIII – wie im Übrigen auch nach § 74 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII bei der Zuwendungsfinanzierung – trifft der Träger der öffentlichen Jugendhilfe eine Ermessensentscheidung; ein Anspruch des freien Jugendhilfeträgers hierauf besteht nicht (vgl. Grube in: Hauck/Noftz, SGB VIII, Stand: Mai 2015, § 77 SGB VIII, Rn. 17; Wiesner in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, § 77 Rn. 6). Zu beachten sind dabei zum einen die Grundsätze der Leistungsfähigkeit, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, zum anderen die wesentlichen Leitprinzipien des Jugendhilferechts wie insbesondere das Wunsch- und Wahlrecht der Hilfeempfänger (§ 5 Abs. 1 SGB VIII), die Trägervielfalt (§ 3 Abs. 1 SGB VIII) und das Gebot der partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen dem öffentlichen Jugendhilfeträger und den freien Trägern (§ 4 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII). Ebenso müssen verfassungsrechtliche Aspekte wie das Gleichheitsgebot und insbesondere auch die Berufsfreiheit berücksichtigt werden (vgl. Trésoret in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 2. Aufl., § 77 SGB VIII, Stand: 15.7.2018, Rn. 85; Schindler/Elmauer in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 7. Aufl. 2018, § 77 Rn. 7).
Dies zugrunde gelegt, erachtet das Gericht die Durchführung eines Vergabeverfahrens zur Auswahl eines oder mehrerer Leistungserbringer im konkret vorliegenden Fall als ermessensfehlerhaft.
Die Anwendung des Vergaberechts im Bereich der Jugendhilfeleistungen ist und war Gegenstand breiter Diskussion (vgl. zum Streitstand Schweigler, JAmt 2019, 290; Sen, SRa 2017, 90; vor der Vergaberechtsreform: Meysen/Reiß/Beckmann/Schindler, SRa 2015, 56). Uneinigkeit herrscht zum einen hinsichtlich der Frage, ob der Träger der öffentlichen Jugendhilfe überhaupt zu einer exklusiven Auswahlentscheidung zwischen mehreren freien Trägern befugt ist, zum anderen – eine (zulässige) Auswahlentscheidung vorausgesetzt -, ob die Trägerauswahl mittels eines Vergabeverfahren erfolgen kann bzw. muss.
Eine Privilegierung durch exkludierende Auswahl einzelner Träger der freien Jugendhilfe und die daraus folgende Nichtberücksichtigung anderer freien Träger wird im Bereich des jugendhilferechtlichen Dreiecksverhältnisses in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung überwiegend für unzulässig erachtet. Hintergrund ist, dass die Grundprinzipien der Jugendhilfe (insbesondere die Trägervielfalt, § 3 Abs. 1 SGB VIII, und das Wunsch- und Wahlrecht, § 5 Abs. 1 SGB VIII) die Einschränkung des Leistungsangebots verbieten. Für einen durch eine Auswahlentscheidung erfolgenden Eingriff in die Berufsfreiheit der Leistungserbringer bestehe daher keine gesetzliche Grundlage (vgl. OVG Hamburg, B.v. 10.11.2004 – 4 Bs 388/04 – juris; OVG Berlin, B.v. 4.4.2005 – 6 S 415.04 – juris; OVG NW, B.v. 18.3.2005 – 12 B 1931/04 – juris; vgl. auch Schweigler, JAmt, 2019, 290; DIJuF-Rechtsgutachten v. 13.2.2018, JAmt, 2018, 502; Glahs/Rafii, SRa 2016, 169; Meysen/Reiß/Beckmann/Schindler, SRa 2015, 56).
Die privilegierte Auswahl von Trägern der freien Jugendhilfe als Erbringer von Leistungen, die ohne vorherige Leistungsbewilligung in Anspruch genommen werden können („zweiseitige Finanzierung“), ist hingegen umstritten.
Das Gericht hält im vorliegenden Fall der zweiseitigen Finanzierungsvereinbarung eine exkludierende Auswahlentscheidung zwischen mehreren potentiellen Leistungserbringern im Grundsatz für zulässig. Da die Leistungserbringung bei der Schulsozialarbeit eng an die jeweilige Schule gekoppelt ist, an der diese stattfinden soll, und Kooperation und Abstimmung zwischen Jugendhilfeträger, Leistungserbringer und Schulträger voraussetzt, erscheint eine vorab durch den öffentlichen Jugendhilfeträger erfolgte Auswahl eines Trägers sinnvoll; dass hingegen an einer Schule mehrere Träger aktiv sind, dürfte bei realitätsnaher Betrachtung bereits aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausscheiden und dürfte zur Deckung des jugendhilferechtlichen Bedarfs auch nicht nötig sein. Die mit der Trägerauswahl einhergehende Einschränkung des Wunsch- und Wahlrechts (§ 5 SGB VIII) der Leistungsempfänger in Bezug auf die einzelnen Schulen sowie der Trägervielfalt (§ 3 Abs. 1 SGB VIII) ist in diesem begrenzten Rahmen – in eher seltenen Fällen dürfte die Wahl der Schule von dem Anbieter der Schulsozialarbeit abhängen – anders als im Bereich des jugendhilferechtlichen Dreiecksverhältnisses hinzunehmen. Wichtiger erscheint in diesem Zusammenhang, Planungssicherheit für die jeweilige Schule sowie ein stabiles Vertrauensverhältnis zwischen den Leistungsempfängern – den Schülerinnen und Schülern – und den eingesetzten Fachkräften zu gewährleisten.
Die Durchführung eines Vergabeverfahrens für die zu treffende Auswahlentscheidung ist vorliegend jedoch rechtswidrig. Bei der streitgegenständlichen Vereinbarung handelt es sich nicht um einen öffentlichen Auftrag i.S.d. § 103 Abs. 1 GWB; die (zusätzliche) Berücksichtigung vergaberechtlicher Vorgaben im Rahmen der Auswahlentscheidung ist daher ermessensfehlerhaft.
Der sachliche Anwendungsbereich des Vergaberechts setzt nach § 97 ff. GWB das Vorliegen eines öffentlichen Auftrags oder einer Konzession voraus. Der Begriff des öffentlichen Auftrags wird in § 103 GWB näher bestimmt. Öffentliche Aufträge sind nach § 103 Abs. 1 GWB entgeltliche Verträge zwischen öffentlichen Auftraggebern und Unternehmen über die Beschaffung von Leistungen, die die Lieferung von Waren, die Ausführung von Bauleistungen oder die Erbringung von Dienstleistungen zum Gegenstand haben. In Abgrenzung zum öffentlichen Auftrag geht bei der Vergabe einer Konzession, bei der Unternehmen mit der Erbringung und Verwaltung von Dienstleistungen betraut werden, das Betriebsrisiko für die Verwertung der Dienstleistungen auf den Konzessionsnehmer über, § 105 Abs. 2 Satz 1 GWB.
Ein relevantes Betriebsrisiko, das für das Vorliegen einer Konzession sprechen würde, ist der vorliegenden Vertragsgestaltung nicht zu entnehmen. Der Leistungserbringer soll dem vom Antragsgegner vorgelegten Vertragsmuster zufolge vielmehr eine Pauschalvergütung für die Aufgabenerbringung erhalten, die nicht davon abhängig ist, ob die anzubietenden Leistungen von den Leistungsadressaten abgerufen werden oder nicht.
Ein öffentlicher Auftrag i.S.d. § 103 Abs. 1 GWB liegt in Bezug auf die zu schließende Vereinbarung ebenfalls nicht vor.
Notwendiges Erfordernis für das Vorliegen eines öffentlichen Auftrages ist eine einklagbare Erfüllungsverpflichtung des Auftragnehmers (vgl. OLG Jena, B.v. 9.4.2021 – Verg 2/20 – juris Rn. 23; OLG Düsseldorf, B.v. 11.7.2018 – VII-Verg 1/18 – juris Rn. 36; EuGH, Urt. v. 25.3.2010 – Müller, C-451/08 – juris Rn. 62; Ziekow in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Aufl. 2020, § 103 GWB, Rn. 23). So stellt auch Erwägungsgrund 4 der RL 2014/24/EU klar, dass die unionsrechtlichen Vorschriften für die öffentliche Auftragsvergabe nicht alle Formen öffentlicher Ausgaben abdecken würden. Insbesondere würden diese demnach in der Regel nicht für die bloße Finanzierung von Tätigkeiten gelten, die häufig mit der Verpflichtung verbunden sei, erhaltene Beträge bei nicht bestimmungsgemäßer Verwendung zurückzuzahlen. Für solche Handlungsformen ist demnach kennzeichnend, dass der Finanzierungsempfänger keine selbstständig durchsetzbare Verpflichtung eingeht, einen bestimmten Erfolg zu erzielen, sondern erhaltene Gelder bei nicht bestimmungsgemäßem Gebrauch allenfalls zurückzahlen muss (vgl. OLG Düsseldorf, B.v. 11.7.2018 – VII-Verg 1/18 – juris Rn. 39). Von solch einer Finanzierung ist jedoch im vorliegenden Fall auszugehen. An einer für den öffentlichen Auftrag erforderlichen Verpflichtung der Beigeladenen zu einer Primärleistung fehlt es. § 3 Abs. 1 des vorgelegten Mustervertrags stellt zwar zum Auftragsumfang fest, dass der Auftragsnehmer die Ausführung der Schulsozialarbeit übernimmt und die Aufgabe hat, die in § 1 der Vereinbarung genannten Vorgaben zum Aufgabenbereich der „SaS“ zu realisieren. Das Verständnis des SGB VIII in Hinblick auf die Natur der freien Jugendhilfe zugrundegelegt, kann dies jedoch keine einklagbare Erfüllungsverpflichtung i.S.e. öffentlichen Auftrags begründen. Konstituierendes Merkmal der freien Jugendhilfe ist ihre Eigenschaft, Träger eigener sozialer Aufgaben zu sein und diese auch als eigene wahrzunehmen. Diese Selbständigkeit, deren Schutz in § 4 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII ausdrücklich verankert ist, ist kein Verhandlungsgegenstand im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen freier und öffentlicher Jugendhilfe (Wiesner in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, § 4 Rn. 12; Meysen/Reiß/Beckmann/Schindler, SRa 2015, 56, 61). Die unter diesem Licht auszulegende Vereinbarung kann daher lediglich die Erwartung vertragskonformen Verhaltens des Auftragnehmers begründen, weitergehende Pflichten des freien Trägers können damit allerdings nicht verbunden sein.
Eine solche Betrachtung ist auch unter dem Gesichtspunkt geboten, dass die Anwendung des Vergaberegimes darüber hinaus dem Grundsatz der partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Trägern der öffentlichen und der freien Jugendhilfe, § 4 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII, widerspricht (vgl. auch Meysen/Reiß/Beckmann/Schindler, SRa 2015, 56, 61). Diese arbeiten bei der wirksamen Erfüllung sozialstaatlicher Aufgaben gleichgeordnet nebeneinander. Das Vergaberecht, das interessierte Bieter insbesondere auch aufgrund von formellen Verstößen – wie vorliegend in Bezug auf das als sog. kaufmännisches Nebenangebot gewertete Angebot des Antragstellers geschehen – von einem Auftrag ausschließen kann und die Auswahl einem streng reglementierten Prozess unterwirft, wird diesem auf gegenseitiger Rücksichtnahme, Kooperation und Flexibilität beruhendem Prinzip nicht gerecht.
Mit der Durchführung eines Vergabeverfahrens zur Auswahl eines freien Jugendhilfeträgers zur Erbringung der „SaS“-Leistungen und der Unterwerfung unter das starre Vergaberechtsregime der §§ 97 ff. GWB hat der Antragsgegner demnach in die nach § 77 SGB VIII zu treffende Ermessensentscheidung sachfremde Gesichtspunkte eingestellt. Die Zuschlagserteilung an die Beigeladene würde den Wettbewerb zwischen den freien Jugendhilfeträger infolgedessen unzulässig beeinflussen und die Berufsausübungsfreiheit des Antragstellers für einen nicht unwesentlichen Zeitraum behindern. Ein Unterlassungsanspruch des Antragstellers ist daher im tenorierten Umfang anzunehmen.
Darüber hinaus dürfte, ohne dass es hierauf noch entscheidungserheblich ankäme, auch die konkrete Ausgestaltung des Verfahrens im streitgegenständlichen Fall – das Vorliegen eines öffentlichen Auftrags und die grundsätzliche Anwendbarkeit des Vergaberechts unterstellt (so zu verstehen z.B. das vom Antragsgegner vorgelegte Gutachten von Prof. Dr. M., Gemeinsame Maßnahmen nach dem SGB II und SGB VIII für junge Menschen bis zum 25. Lebensjahr – Rechtliche Rahmen einer gemeinsamen Finanzierung, März 2013, S. 19 f.) – gegen Bestimmungen des SGB VIII verstoßen. Nach § 3 Abs. 1 SGB VIII ist die Jugendhilfe gekennzeichnet durch die Vielfalt von Trägern unterschiedlicher Wertorientierungen und die Vielfalt von Inhalten, Methoden und Arbeitsformen. Daraus wird die Verpflichtung der öffentlichen Jugendhilfe abgeleitet, die notwendigen Rahmenbedingungen für diese Vielfalt zu schaffen und zu erhalten (vgl. Wiesner in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015 § 3 Rn. 9). Diesem Grundsatz widerspricht es, wenn der Antragsgegner – wie vorliegend – durch die konkrete Ausgestaltung der Losbildung nicht dafür Sorge trägt, dass nicht nur ein Bieter den Zuschlag für alle Lose erhalten kann, insbesondere unter dem Gesichtspunkt, dass die in Rede stehende Leistungserbringung alle weiterführenden Schulen des Landkreises betrifft. Eine Vielfalt an Wertorientierungen, Inhalten und Methoden ist damit entgegen der Kernverpflichtung des öffentlichen Jugendhilfeträgers nicht mehr gewährleistet. Eine Loslimitierung in Form der Angebotslimitierung, bei der Bieter nicht auf alle Lose ein Angebot abgeben können oder in Form der Zuschlagslimitierung, bei der Bieter nur für eine bestimmte Anzahl von Losen beauftragt werden, wäre jedoch vergaberechtlich hingegen ohne Weiteres möglich gewesen, vgl. § 30 VgV oder § 5 Abs. 2 Nr. 3 VOB/A-EU.
Die Geltendmachung des Unterlassungsanspruches ist – entgegen der Auffassung des Antragsgegners – auch nicht unter Bezugnahme auf den Grundsatz von Treu und Glauben verwirkt. Allein aus der Tatsache, dass sich der Antragsgegner am streitgegenständlichen Vergabeverfahren beteiligt hat, kann nicht geschlossen werden, dass dieser – im Falle seiner Nichtberücksichtigung – keine Einwände gegen das Auswahlverfahren erheben würde. Angesichts der hoch umstrittenen Frage der grundsätzlichen Anwendbarkeit des Vergaberechts auf zweiseitige Finanzierungsvereinbarungen im Jugendhilfebereich kann es dem Antragsteller an dieser Stelle nicht vorgehalten werden, sich zunächst zur Sicherung seiner Rechte auf das Vergabeverfahren eingelassen zu haben und erst im Nachhinein, als für diesen infolge des Ausschlusses vom Verfahren die Veranlassung bestand, dessen Zulässigkeit zu hinterfragen und gegenüber dem Antragsgegner zu rügen.
Eine Vorlage zum Europäischen Gerichtshof nach Art. 267 AEUV war im Übrigen nicht veranlasst. Eine solche Vorlage, die der Antragsgegner für den Fall einer „impliziten Ausnahme von der Anwendung des Unionsvergaberechts“ in Hinblick auf Vereinbarungen nach § 77 SGB VIII angeregt hat, steht nach Art. 267 Abs. 2 AEUV bei erstinstanzlichen Gerichten im Ermessen des Gerichts. Unabhängig davon, welche konkrete Frage Gegenstand einer solchen Vorabentscheidung sein könnte und ob diese ggf. in einem Hauptsacheverfahren erforderlich werden würde, scheidet eine Vorlage aufgrund der Eilbedürftigkeit des vorliegenden Verfahrens aus. Zwar werden die Leistungen der Schulsozialarbeit an den streitgegenständlichen Schulen (wohl) derzeit interimsweise erbracht, jedoch längstens bis Ende des 1. Schulhalbjahres 2021/2022. Eine (vorläufige) Klärung der Streitsache ist daher dringlich.
Der Antragsteller hat auch das Vorliegen eines Anordnungsgrundes glaubhaft gemacht.
Das Abwarten auf eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren kann dem Antragsteller nicht zugemutet werden. Ohne den Erlass der einstweiligen Anordnung dürfte der Antragsgegner zeitnah die Zuschlagserteilung im streitgegenständlichen Verfahren vornehmen. Eine pflichtgemäße Ermessensentscheidung gegenüber dem Antragsteller auf Abschluss einer Finanzierungsvereinbarung bezüglich der Leistungen nach § 13 i.V.m. § 13a SGB VIII wäre demnach entsprechend den obigen Ausführungen für einen Zeitraum von drei bis max. sechs Jahren nicht mehr möglich und der Rechtsanspruch des Antragstellers für einen relativ langen Zeitraum irreversibel vereitelt. Daraus ergibt sich ein für den Antragsteller nicht hinnehmbarer Wettbewerbsnachteil. Die erforderliche Dringlichkeit gerichtlichen Handelns ist daher gegeben. Wirksamer vorläufiger Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) wäre in der vorliegenden Konstellation anders nicht gewährleistet.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.


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