Europarecht

Erfolglose Klage gegen eine Baugenehmigung für eine Mobilfunkanlage wegen gesundheitlicher Risiken für die Anwohner

Aktenzeichen  M 8 K 16.2507

Datum:
15.5.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 S. 1 Nr. 3
BayBO BayBO Art. 59 S. 1 Nr. 1, Art. 68 Abs. 1 S. 1
FTEG FTEG § 12
BEMFV BEMFV § 3

 

Leitsatz

Die Regelungen in §§ 2 ff. BEMFV über die Grenzwerte und die Erteilung der Standortbescheinigung sind von der Ermächtigungsgrundlage in § 12 FTEG gedeckt. Da § 12 S. 1 FTEG allgemein und uneingeschränkt von der Gewährleistung des Schutzes „von Personen in dem durch den Betrieb von Funkanlagen (…) entstehenden elektromagnetischen Feldern“ spricht und zudem auch § 12 S. 2 FTEG arbeitsschutzrechtliche Regelungen unberührt lässt, zielt die Vorschrift uneingeschränkt auf den Schutz der Allgemeinheit ab. (Rn. 19 – 20) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die angefochtene Baugenehmigung vom 28. April 2016 verletzt die Klägerin nicht in ihren nachbarlichen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Dritte können sich gegen eine Baugenehmigung nur dann mit Aussicht auf Erfolg zur Wehr setzen, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit zumindest auch auf der Verletzung von Normen beruht, die gerade auch dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind (BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 20). Es genügt daher nicht, wenn die Baugenehmigung gegen Rechtsvorschriften des öffentlichen Rechts verstößt, die nicht – auch nicht teilweise – dem Schutz der Eigentümer benachbarter Grundstücke zu dienen bestimmt sind. Dabei ist zu beachten, dass ein Nachbar eine Baugenehmigung zudem nur dann mit Erfolg anfechten kann, wenn die Genehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit sich aus einer Verletzung von Vorschriften ergibt, die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen waren (BayVGH, B.v. 24.3.2009 aaO). Verstößt ein Vorhaben gegen eine drittschützende Vorschrift, die im Baugenehmigungsverfahren nicht zu prüfen war, trifft die Baugenehmigung insoweit keine Regelung und ist der Nachbar darauf zu verweisen, Rechtschutz gegen das Vorhaben über einen Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Ausführung dieses Vorhabens zu suchen (vgl. BVerwG, B.v. 16.1.1997 – 4 B 244/96 – juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 14.10.2008 – 2 CS 08.2132 – juris Rn. 3).
2. Das mit der streitgegenständlichen Baugenehmigung zugelassene Bauvorhaben verstößt nicht gegen drittschützende Rechte der Klägerin, die im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren zu prüfen waren (Art. 59 Satz 1 Bayerische Bauordnung – BayBO, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Gemäß Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 BayBO ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind. Bei dem streitgegenständlichen Vorhaben handelt es sich nicht um einen Sonderbau im Sinne des Art. 2 Abs. 4 BayBO, sodass sich der Prüfungsumfang der Bauaufsichtsbehörde aus Art. 59 BayBO ergibt.
Nach Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO kommt vorliegend als nachbarschützendes Recht allein das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme in Betracht. Nachdem sich das angegriffene Vorhaben im bauplanungsrechtlichen Außenbereich befindet, ist dieses Gebot normativ an § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB festzumachen. Das Vorhaben ruft für die Klägerin allerdings keine schädlichen Umwelteinwirkungen hervor und genügt dem Gebot der Rücksichtnahme. Im Einzelnen:
Auf die Errichtung und den Betrieb von Hochfrequenzanlagen – wie hier – finden die 26. BImSchV und die BEMFV Anwendung. Diese Verordnungen verstoßen entgegen der Auffassung der Klägerin nicht gegen höherrangiges Recht. Es kann daher offen bleiben, ob die Fragen des Schutzes vor elektromagnetischen Feldern infolge des Betriebs der streitbefangenen Anlage mit Blick auf den Regelungsgegenstand der Standortbescheinigung überhaupt Prüfungsgegenstand einer gegen die Baugenehmigung gerichteten Drittklage sind (ablehnend BayVGH, B.v. 8.6.2015 – 1 CS 15.914 – juris Rn. 12 ff.; B.v. 31.7.2013 – 14 CS 12.1603 – juris Rn 19).
2.1 Entgegen der Auffassung der Klägerin bestehen zur Überzeugung des Gerichts keine Zweifel daran, dass die Regelungen in §§ 2 ff. BEMFV über die Grenzwerte und die Erteilung der Standortbescheinigung von der Ermächtigungsgrundlage in § 12 FTEG gedeckt sind. § 12 Satz 1 FTEG ermächtigt die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates nähere Regelungen zur Gewährleistung des Schutzes von Personen in den durch den Betrieb von Funkanlagen und Radaranlagen entstehenden elektromagnetischen Feldern zu treffen.
Schon der Wortlaut von § 12 Satz 1 FTEG widerlegt den Schluss der Klägerin, wonach nur der Schutz solcher Personen von der Ermächtigung bezweckt sei, die sich in unmittelbarer Nähe zu den Anlagen in den elektromagnetischen Feldern aufhalten (müssen). Da § 12 Satz 1 FTEG allgemein und uneingeschränkt von der Gewährleistung des Schutzes „von Personen in dem durch den Betrieb von Funkanlagen (…) entstehenden elektromagnetischen Feldern“ spricht und zudem auch § 12 Satz 2 FTEG arbeitsschutzrechtliche Regelungen unberührt lässt, zielt die Vorschrift uneingeschränkt auf den Schutz der Allgemeinheit ab.
Auch ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 14/4063, S. 18) ist es normativer Zweck des Änderungsgesetzes – über die Umsetzung der Richtlinie 1999/5/EG hinaus -, in § 12 FTEG in Ersetzung von § 6 Telekommunikationzulassungsverordnung (TkZulV) einerseits Bedingungen zum allgemeinen Schutz von Personen und zugleich auch Bestimmungen für den notwendigen Schutz besonderer Personengruppen, wie beispielsweise der Träger von Herzschrittmachern, vorzusehen. Damit stand dem Gesetzgeber beim Erlass der Ermächtigungsnorm der allgemeine und uneingeschränkte Schutz von Personen konkret vor Augen. Zudem erweist sich gerade auch aus dem Umstand, dass § 12 FTEG dazu vorgesehen war, den außer Kraft getretenen § 6 TkZulV zu ersetzen, das Ziel des Gesetzgebers, allgemein und uneingeschränkt den Schutz der von elektromagnetischen Feldern betroffenen Personen sicherzustellen. Denn § 6 Abs. 1 Satz 1 TkZulV regelte, dass die Anforderungen zur „Sicherheit von Personen“ eingehalten werden müssen und enthielt damit – unstreitig – keine Beschränkung des zu schützenden Personenkreises. Wortlaut und Entstehungsgeschichte geben somit keinen Anlass für die Annahme der Klägerin, dass nur Personen durch die auf Grundlage von § 12 FTEG zu erlassende Verordnung geschützt werden sollten, die sich als Benutzer oder Beschäftigte wissentlich in den elektromagnetischen Feldern aufhalten (vgl. zum Ganzen überzeugend Uechtritz, NVwZ 2013, 906, unter Auseinandersetzung mit der abweichenden, indes nicht überzeugenden Auffassung, insbesondere vertreten von Hermes, NVwZ 2012, 1509).
Auch überzeugt es schließlich nicht, wenn die Klägerin des Weiteren der Auffassung ist, dass die Festlegung von Grenzwerten in Gestalt der in § 3 Satz 1 und 2 BEMFV enthaltenen Verweisung auf die 26. BImSchV unzulässig ist, weil es hierzu in § 12 FTEG einer ausdrücklichen Ermächtigung bedurft hätte. Auch insoweit ergibt sich unter Berücksichtigung der nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers von § 12 FTEG fortgeführten Inhalts der bisherigen Regelung in § 6 Abs. 2 Satz 1 TkZulV, dass (auch) das geltende Recht dazu ermächtigt, die Erteilung einer Standortbescheinigung von der Einhaltung von Grenzwerten abhängig zu machen. Daraus folgt, dass die nunmehrige Ermächtigungsnorm des § 12 FTEG auch zur Festlegung von Grenzwerten unter verbindlicher Festschreibung bestimmter Parameter, die Sendeanlagen beim Betrieb einzuhalten haben, ermächtigt.
Nach alledem ist festzuhalten, dass gegen die Vereinbarkeit der §§ 2 ff. BEMFV und § 2 der 26. BImSchV gegen höherrangiges Recht, namentlich Art. 80 Abs. 1 Satz 2 und 3 Grundgesetz – GG) nichts zu erinnern ist.
2.2. Die Standortbescheinigung vom 30. November 2015 entspricht den gesetzlichen Anforderungen. Insbesondere hält die Funkanlage auch die Grenzwerte nach dem von § 3 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 BEMFV in Bezug genommenen § 2 Abs. 1 Satz 1 der 26. BImSchV ein. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Berechnungen der Bundesnetzagentur als solche fehlerhaft wären.
In der hier nach § 4 Abs. 1 BEMFV für die streitbefangene Mobilfunkanlage notwendigen Standortbescheinigung der Bundesnetzagentur vom 30. November 2015 wird bestätigt, dass außerhalb eines standortbezogenen Sicherheitsabstandes (§ 5 Abs. 1 und 2 BEMFV), der in der Hauptstrahlrichtung horizontal 12,36 m und vertikal 3,26 m bei einer Montagehöhe der Anlage von 13,50 m über Grund beträgt, die für den Betrieb der Antennen festgelegten Grenzwerte nach § 2 Abs. 1 Satz 1 der 26. BImSchV i.V.m. § 3 BEMFV eingehalten sind. Folglich werden diese Grenzwerte insbesondere auch auf dem ca. 140 m entfernten Hausgrundstück der Klägerin nicht überschritten. Damit sind Verstöße sowohl gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme (vgl. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB) als auch gegen § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) hier ausgeschlossen (vgl. BayVGH, B.v. 14.6.2013 – 15 ZB 13.612 – juris Rn. 9; U.v. 19.5.2011 – 2 B 11.397 – juris, Rn. 31).
2.3 Es ist schließlich auch nichts dafür ersichtlich, dass die Grenzwerte nach § 2 der 26. BImSchV wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht unbeachtlich wären. Insbesondere fehlen Anhaltspunkte dafür, die in der 26. BImSchV normierten Anforderungen an den Betrieb von Hochfrequenzanlagen verletzten die Pflicht des Staates zum Schutz der menschlichen Gesundheit vor schädlichen Umwelteinwirkungen aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist diese staatliche Schutzpflicht nicht bereits dann verletzt, wenn einzelne Stimmen im fachwissenschaftlichen Schrifttum ein schärferes Vorgehen des Staates, etwa in Form strengerer Grenzwerte oder weitergehender Vorsorgepflichten, verlangen. Gerade weil es um die Bewertung komplexer Wirkungszusammenhänge geht und bei der Erfüllung der Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG auch konkurrierende öffentliche und private Interessen zu berücksichtigen sind, hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass hierfür in erster Linie der in § 23 BImSchG ermächtigte Verordnungsgeber in einem Verfahren unter parlamentarischer Beteiligung (§ 48b BImSchG) berufen ist (vgl. zuletzt BVerfG, B.v. 24.1.2007 – 1 BvR 382/05 – juris, Rn. 18). Die verfassungsrechtliche Schutzpflicht nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gebietet es danach nicht, alle nur denkbaren Schutzmaßnahmen zu treffen. Deren Verletzung kann vielmehr nur festgestellt werden, wenn die öffentliche Gewalt Schutzvorkehrungen überhaupt nicht getroffen hat oder die getroffenen Maßnahmen gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind, das gebotene Schutzziel zu erreichen oder erheblich dahinter zurückbleiben. Liegen noch keine verlässlichen wissenschaftlichen Erkenntnisse über komplexe Gefährdungslagen – wie hier die schädlichen Wirkungen hochfrequenter elektromagnetischer Felder – vor, verlangt die staatliche Schutzpflicht auch von den Gerichten nicht, ungesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen mit Hilfe des Prozessrechts durch Beweisaufnahmen zur Durchsetzung zu verhelfen oder die Vorsorgeentscheidung des Verordnungsgebers unter Kontrolle zu halten und die Schutzeignung der Grenzwerte jeweils nach dem aktuellen Stand der Forschung zu beurteilen. Es ist vielmehr Sache des Verordnungsgebers, den Erkenntnisfortschritt der Wissenschaft mit geeigneten Mitteln nach allen Seiten zu beobachten und zu bewerten, um gegebenenfalls weitergehende Schutzmaßnahmen treffen zu können. Eine Verletzung der Nachbesserungspflicht durch den Verordnungsgeber kann gerichtlich erst festgestellt werden, wenn evident ist, dass eine ursprünglich rechtmäßige Regelung zum Schutz der Gesundheit aufgrund neuer Erkenntnisse oder einer veränderten Situation verfassungsrechtlich untragbar geworden ist. Dem hat sich das Bundesverwaltungsgericht und die obergerichtliche Rechtsprechung, namentlich auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, angeschlossen (vgl. BVerwG, GB.v. 21.9.2010 – 7 A 7/10 – juris Rn. 17f.; B.v. 26.9.2013 – 4 VR 1/13 – juris; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 3.7.2014 – OVG 6 S. 26.14 – juris Rn. 7f.; BayVGH, B.v. 14.6.2013 – 15 ZB 13.612 – Rn. 9).
Gemessen hieran hat die Klägerin nicht dargetan, dass die Einschätzung des Verordnungsgebers bei der erst am 14. August 2013 erfolgten Novellierung der 26. BImSchV (BGBl. I S. 3266), es könne hinsichtlich der von Hochfrequenzanlagen ausgehenden elektromagnetischen Felder bei den bislang festgelegten Grenzwerten verbleiben, aufgrund neuer Erkenntnisse evident untragbar geworden ist und sich der Betrieb des hier angegriffenen Antennenmastes aufgrund dieser Erkenntnisse für die Nutzung ihres Hausgrundstücks als unzumutbar erweist. Der vorgenannten Novelle zur 26. BImSchV ist eine umfassende Sichtung und Bewertung des aktuellen Forschungsstandes zu den Auswirkungen von Mobilfunk vorausgegangen (vgl. die Begründung der Bundesregierung zur Verordnung zur Änderung der Vorschriften über elektromagnetische Felder und das telekommunikationsrechtliche Nachweisverfahrens vom 8.5.2013 [BT-Drs. 17/13421], den Fünften Bericht der Bundesregierung über die Forschungsergebnisse in Bezug auf die Emissionsminderungsmöglichkeiten der gesamten Mobilfunktechnologie und in Bezug auf gesundheitliche Auswirkungen vom 3.1.2013 [BT-Drs. 17/12027] und die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage zu „Mobilfunktechnik und Gesundheitsschutz“ vom 26.8.2013 [BT-Drs. 17/14646]). Unterstützt wurde die Bundesregierung bei der Bewertung des aktuellen Forschungsstandes von staatlichen Beratergremien, namentlich der Strahlenschutzkommission. Diese lässt in ihrer Stellungnahme vom 29./30. September 2011 über „Biologische Auswirkungen des Mobilfunks – Gesamtschau“ auch kritische wissenschaftliche Meinungen nicht unerwähnt, wie zum Beispiel die Bewertung der internationalen Krebsforschungsagentur (IARC) vom Mai 2011 über „möglicherweise krebserregende“ Wirkungen hochfrequenter elektromagnetischer Felder, auf die auch die Klägerin über die von ihr in Bezug genommenen Ausführungen von Budzinski (NVwZ 2013, 404) hinweist. Die Strahlenschutzkommission hält diese Bewertung angesichts anderer Untersuchungen indes nicht für so belastbar, dass daraus strengere Vorgaben für das Mobilfunknetz resultierten (vgl. Stellungnahme vom 29./30. September 2011, aaO S. 36 ff.). Gleichwohl erachten sowohl die Strahlenschutzkommission als auch daran anschließend die Bundesregierung weitere Forschungen zur Bewertung der Wirkungen hochfrequenter elektromagnetischer Felder des Mobilfunks für notwendig, etwa zur Risikobewertung der Exposition von Kindern oder zur Langzeitwirkung hochfrequenter Felder (vgl. BT-Drs. 17/12027, S. 3 ff.). Vor diesem Hintergrund kann eine Verletzung der staatlichen Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG durch den Verordnungsgeber nicht angenommen werden.
Daher war auch die von der Klägerin zur Klärung der Frage, ob der genehmigte Mobilfunkmast schädliche Umwelteinwirkungen durch Strahlung zu Lasten von Anliegern verursacht, schriftsätzlich angeregten Beweiserhebung durch Vernehmung verschiedener sachverständiger Zeugen (vgl. Schriftsatz vom 24. April 2017, S. 6 f.) nicht nachzukommen. Aus den vorgenannten aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen, die der Novellierung der 26. BImschV zugrunde lagen, ergibt sich, dass (erneut) festgestellt werden kann, dass durch die geltenden Grenzwerte der 26. BImSchV die Bevölkerung ausreichend vor gesundheitlichen Auswirkungen hochfrequenter elektromagnetischer Felder geschützt ist (vgl. BT-Drs. 17/12027, S. 9; siehe auch BT-Drs. 17/12586, S. 10 zur Frage 14). Sogar ein ausdrücklich in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag (vgl. § 86 Abs. 2 VwGO), gerichtet auf Erholung eines Sachverständigengutachtens und/oder auf Einvernahme sachverständiger Zeugen (§ 98 VwGO i.V.m. § 412 Zivilprozessordnung – ZPO), kann nach tatrichterlichem Ermessen vom Verwaltungsgericht abgelehnt werden, wenn bereits ein verwertbares, für genügend erachtetes Gutachten zu einer Tatsache vorliegt. Die Einholung eines weiteren Gutachtens ist in der Regel nur dann erforderlich, wenn sich dem Gericht eine weitere Beweiserhebung insbesondere deshalb aufdrängen musste, weil das bereits vorliegende Gutachten für seine Überzeugungsbildung ungeeignet oder unzureichend ist, weil es erkennbare Mängel enthält, beispielsweise von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, oder wenn es sich um besonders schwierige Fachfragen handelt, zu denen einander widersprechende Gutachten vorliegen (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 5.12.2011 – 1 ZB 10.2435 – juris Rn. 12). Nichts anderes gilt, wenn – wie hier – bereits sonstige fachliche Stellungnahmen und Gutachten vorliegen, die einem Rechtssetzungsverfahren zu Grunde lagen. Die Klägerin hat nichts dafür dargetan, warum die vorgenannten fachlichen Stellungnahmen und Äußerungen und die darauf fußende Novellierung der 26. BImSchV im Jahr 2013 im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung – allein das ist für die Frage der beantragten Beweiserhebung entscheidungsmaßstäblich – evident untragbar geworden sein sollen. Es ist – wie ebenfalls bereits ausgeführt – gerade nicht Aufgabe der Gerichte, ungesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen mit Hilfe des Prozessrechts durch Beweisaufnahmen zur Durchsetzung zu verhelfen oder die Vorsorgeentscheidung des Verordnungsgebers unter Kontrolle zu halten und die Schutzeignung der Grenzwerte jeweils nach dem aktuellen Stand der Forschung zu beurteilen. Vielmehr obliegt es mit Blick auf den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) regelmäßig allein dem Verordnungsgebers, den Erkenntnisfortschritt der Wissenschaft mit geeigneten Mitteln nach allen Seiten zu beobachten und zu bewerten, um gegebenenfalls weitergehende Schutzmaßnahmen treffen zu können.
2.4 Nach alledem war auch die mit Schriftsatz vom 3. Mai 2017 von der Klägerin beantragte Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung der Bundesnetzagentur über den Widerspruch der Klägerin vom 2. Mai 2017 gegen die Standortbescheinigung vom 30. November 2015 bzw. im Falle einer gerichtlichen Anfechtung durch die Klägerin bis zur Rechtskraft einer entsprechenden gerichtlichen Entscheidung gemäß § 94 VwGO sowie eine Verlegung des für Montag, den 15. Mai 2017 bestimmten Termins zur mündlichen Verhandlung nicht veranlasst. Gleiches gilt für den in der mündlichen Verhandlung vom 15. Mai 2017 vor dem Hintergrund der Schriftsätze der Beigeladenen vom 9. und 11. Mai 2017 sowie dem Schreiben des Berichterstatters vom 9. Mai 2017 beantragten Nachlass einer Schriftsatzfrist. Nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 283 Satz 1 ZPO wäre es Sache der Klägerin und ihres Bevollmächtigten gewesen, konkret darzulegen, zu welchem Vorbringen der Beigeladenen in den Schriftsätzen vom 9. und 11. Mai 2017, die zudem maßgeblich nur Rechtsausführungen enthielten, sie sich in der mündlichen Verhandlung im Einzelnen nicht hat erklären können, weil vorhergehende Erkundigungen notwendig wären (vgl. § 282 Abs. 2 ZPO) oder weil eine Erklärung in der mündlichen Verhandlung auch für eine auf diesen Termin vorbereitete Partei aus einem anderen Grund nicht zumutbar wäre. Ebenso verhält es sich hinsichtlich des Hinweisschreibens des Berichterstatters vom 9. Mai 2017 zum Antrag der Klägerin vom 3. Mai 2017. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird sowohl auf die Ausführungen im Schreiben des Berichterstatters vom 9. Mai 2017 als auch – bezüglich Ablehnung der in der mündlichen Verhandlung gestellten Anträge – auf die Sitzungsniederschrift der mündlichen Verhandlung vom 15. Mai 2017 Bezug genommen (vgl. § 117 Abs. 5 VwGO analog).
Da das Vorhaben mithin dem Stand der Technik entspricht und das Hausgrundstück der Klägerin zudem auch in erheblicher Distanz zur Grenze der Sicherheitsabstände für hochfrequente Felder belegen ist, sind nach alledem vorhabenbedingte schädliche Umwelteinwirkungen nicht zu besorgen. Das Vorhaben genügt folglich dem bauplanungsrechtlichen Gebot der Rücksichtnahme, sodass die Klage abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 3, § 162 Abs. 3 VwGO, der Ausspruch über ihre vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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