Europarecht

Erfordernis der Belehrung in deutscher Sprache über die Folgen des Nichtbetreibens des Asylverfahrens

Aktenzeichen  6 ZB 17.31593

Datum:
24.4.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 8647
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 24, § 33, § 78 Abs. 3 Nr. 1

 

Leitsatz

1 § 24 Abs. 1 S. 2 AsylG bestimmt entsprechend der unionsrechtlichen Verfahrensgarantie des Art. 12 Abs. 1 lit. a RL 2013/32/EU, dass das Bundesamt den Ausländer in einer Sprache unterrichtet, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann. Dies gilt grundsätzlich auch für die spezielle Belehrung nach § 33 Abs. 4 AsylG. (Rn. 5) (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Ist ein Asylantragsteller anwaltlich vertreten, reicht es aus, wenn die Hinweise auf die nach § 33 Abs. 1, Abs. 3 AsylG eintretenden Rechtsfolgen dem Bevollmächtigten in deutscher Sprache gegen Empfangsbekenntnis erteilt werden. Einer Übersetzung des Hinweises oder einer Zustellung an den Betroffenen persönlich bedarf es in diesem Fall nicht (wie OVG Greifswald BeckRS 2017, 122404). (Rn. 5) (red. LS Clemens Kurzidem)

Verfahrensgang

Au 3 K 17.33896 2017-09-29 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 29. September 2017 – Au 3 K 17.33896 – wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen, bleibt ohne Erfolg. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) liegt nicht vor.
Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinn von § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG, wenn eine höchstrichterlich noch nicht geklärte Rechtsfrage oder eine obergerichtlich noch nicht beantwortete Tatsachenfrage von allgemeiner Bedeutung aufgeworfen wird, die im Rechtsmittelverfahren entscheidungserheblich ist und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Weiterentwicklung des Rechts einer fallübergreifenden Klärung in einem Berufungsverfahren bedarf.
Gemessen daran hat die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob „die Voraussetzungen für eine Nichtbetreibensvermutung des Asylverfahrens gem. § 33 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 4 AsylG dann nicht vorliegen, wenn die erforderliche Belehrung nach § 33 Abs. 4 AsylG nur in deutscher Sprache erfolgt“, keine grundsätzliche Bedeutung. Sie lässt sich, soweit entscheidungserheblich, ohne weiteres aufgrund des Gesetzes und der hierzu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung im Sinn des Verwaltungsgerichts beantworten, wonach in der konkreten Fallgestaltung eine Belehrung in deutscher Sprache den gesetzlichen Anforderungen genügt hat.
Nach § 33 Abs. 5 Satz 1 und Abs. 1 AsylG stellt das Bundesamt das Asylverfahren ein, wenn der Ausländer das Verfahren nicht betreibt und deshalb der Asylantrag als zurückgenommen gilt. Es wird gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 2 AsylG vermutet, dass der Ausländer das Verfahren nicht betreibt, wenn er – wie hier der Kläger – einer Aufforderung zur Anhörung gemäß § 25 AsylG nicht nachkommt. Diese Vermutung gilt gemäß § 33 Abs. 2 Satz 2 AsylG nicht, wenn der Ausländer unverzüglich nachweist, dass ein Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte. Nach § 33 Abs. 4 AsylG ist der Ausländer auf die nach den Absätzen 1 und 4 eintretenden Rechtsfolgen schriftlich und gegen Empfangsbestätigung hinzuweisen.
Zur Frage, in welcher Sprache dieser Hinweis zu erfolgen hat, schweigt § 33 Abs. 4 AsylG. Einerseits ist Verfahrenssprache auch in Asylverfahren die deutsche Sprache. Andererseits bestimmt die allgemeine Verfahrensvorschrift des § 24 Abs. 1 Satz 2 AsylG entsprechend der unionsrechtlichen Verfahrensgarantie des Art. 12 Abs. 1 Buchstabe a Richtlinie 2013/32/EU, dass das Bundesamt den Ausländer in einer Sprache unterrichtet, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann. Vor diesem Hintergrund nimmt die ganz überwiegende Rechtsprechung zu Recht an, dass auch die spezielle Belehrung nach § 33 Abs. 4 Asyl grundsätzlich in einer Sprache zu erfolgen hat, deren Verständnis bei dem jeweiligen Ausländer vorausgesetzt werden kann (Heusch in BeckOK Ausländerrecht § 33 AsylG Rn. 7 m.w.N.). Etwas anderes gilt jedoch, wenn der Ausländer – wie hier der Kläger – rechtsanwaltlich vertreten ist. In einem solchen Fall reicht es aus, wenn die Hinweise auf die nach § 33 Abs. 1 und 3 AsylG eintretenden Rechtsfolgen dem Bevollmächtigten in deutscher Sprache gegen Empfangsbestätigung erteilt werden; es bedarf weder einer Zustellung der Hinweise an den Ausländer persönlich noch einer Übersetzung in eine für diesen verständliche Sprache (so überzeugend etwa OVG MV, B.v. 27.3.2017 – 1 LZ 92/17 – juris Rn. 14; VG Freiburg, B.v. 11.1.2018 – A 4 K 8989/17 – juris Rn. 11 m.w.N.; vgl. auch BVerwG, U.v. 5.9.2013 – 10 C 1.13 – BVerwGE 329 Rn. 31 für eine Betreibensaufforderung; a.A. etwa VG Minden, B.v. 19.12.2017 – 10 L 1777/17.A – juris Rn. 49 ff.).
Letztlich kann allerdings dahinstehen, ob diese vom Kläger mit seiner Grundsatzrüge in Frage gestellte Ausnahme im Fall einer rechtsanwaltlichen Bevollmächtigung durchgreift. Denn das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung auf eine weitere tragende Erwägung gestützt. Es hat angenommen, dass der an den Bevollmächtigten des Klägers in deutscher Sprache übermittelte Hinweis auch bei ausnahmslosem Rückgriff auf die Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 Buchstabe a Richtlinie 2013/32/EU (oder § 24 Abs. 1 Satz 2 AsylG) ausgereicht hat, weil vernünftigerweise erwartet werden konnte, dass der Kläger die Belehrung in deutscher Sprache versteht. Diese Begründung und die ihr zugrunde liegende Feststellung über die zu vermutenden deutschen Sprachkenntnisse des Klägers wurden mit dem Zulassungsantrag innerhalb der Monatsfrist des § 78 Abs. 4 Satz 1 AsylG nicht angegriffen. Im Übrigen überzeugt sie auch in der Sache: Eine ausreichende Kenntnis der deutschen Sprache durfte beim Kläger erwartet werden, weil er sich im Zeitpunkt der maßgeblichen Ladung zum Anhörungstermin vom 18. Mai 2017 schon seit etwa dreieinhalb Jahren in Deutschland aufgehalten hat und zudem einer Arbeit nachgeht, also mit entsprechenden sprachlichen Anforderungen konfrontiert ist. Zudem waren dem Kläger gerade die Bedeutung des Anhörungstermins und die Rechtsfolgen einer Säumnis aus eigener Erfahrung bekannt, weil sein Asylverfahren schon einmal mit Bescheid vom 1. November 2016 wegen Nichterscheinens zum Anhörungstermin eingestellt und dann mit Bescheid vom 22. April 2017 fortgeführt worden war. Wenn kurz darauf eine erneute Ladung an ihn versandt wird, darf vernünftigerweise angenommen werden, dass er die beigefügte Belehrung versteht, auch wenn sie in deutscher Sprache erfolgt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG; Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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