Europarecht

Erfüllung der Passpflicht

Aktenzeichen  B 8 K 19.31218

Datum:
3.4.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 23970
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 61 Abs. 1, Abs. 2
BayVwVfG Art. 36 Abs. 2 Nr. 2, Art. 49
VwGO § 84 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Nebenbestimmungen Ziffer II.3 und III des Bescheides des Beklagten vom 20.08.2019 werden aufgehoben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens trägt der Kläger 1/3, der Beklagte 2/3.
3. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch den jeweiligen Kostengläubiger durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

1. Über die Klage kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, der als Urteil wirkt, entschieden werden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Halbs. 1 VwGO). Die Beteiligten wurden gem. § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid gehört.
2. Die Klage hat hinsichtlich der Anträge zu I. und II. Erfolg. Im Übrigen ist sie unzulässig.
2.1 Die Nebenbestimmungen in den Ziffern II.3 und III. im Bescheid vom 20.08.2019 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).
2.1.1 Der Nebenbestimmung in Ziffer II.3 im Bescheid vom 20.08.2019 fehlt die Rechtsgrundlage, weil sich jedenfalls dem Wortlaut des § 61 Abs. 2 AsylG a.F. – entgegen der Ausführungen im Schriftsatz des Beklagten vom 22.10.2019 – keine Bestimmung dahingehend entnehmen lässt, dass die Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit von dem Bestehen der Aufenthaltsgestattung abhängt. Dem Wortlaut des § 61 Abs. 2 AsylG a.F. ist kein irgendwie gearteter Verweis auf – oder eine sonstige Verknüpfung mit – § 67 AsylG (Erlöschen der Aufenthaltsgestattung) enthalten. Insofern führt das (automatische) Erlöschen der Aufenthaltsgestattung nach § 67 Abs. 1 Nr. 6 AsylG auch nicht zwangsläufig zum Erlöschen der Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit nach § 61 Abs. 2 AsylG. Allein der tatsächlich bestehende rechtliche Zusammenhang zwischen den Begriffen Asylbewerber und Aufenthaltsgestattung (§ 67 Abs. 1 Nr. 6 AsylG) ersetzt nicht die erforderliche Rechtsgrundlage für ein automatisches Erlöschen einer erteilten Erlaubnis zur Aufnahme einer Beschäftigung nach § 61 Abs. 2 AsylG.
Auch eine Rechtsgrundlage für die Annahme, dass die vorliegende, eigenständige und begünstigende Erlaubnis zur Ausbildungsaufnahme (lediglich) eine – nachträgliche – Nebenbestimmung oder Begleitregelung zu der kraft Gesetzes (§ 55 Abs. 1 AsylG) bereits längst entstandenen Aufenthaltsgestattung darstellt, ist dem Asylgesetz nicht zu entnehmen.
Einer Auslegung der Ziffer II.3 des Bescheides als Nebenbestimmung im Sinne von Art. 36 Abs. 2 BayVwVfG stünde zudem die Formulierung im Bescheid „erlischt von Gesetzes wegen“ entgegen. Sie deutet vielmehr darauf hin, dass lediglich eine Gesetzeswiederholung beabsichtigt war und keine eigenständige Nebenbestimmung. Diese Annahme wird durch die Begründung im Bescheid und die Ausführungen im Schriftsatz vom 22.10.2019 bestärkt.
Auch für eine analoge Anwendung der im Bereich des Aufenthaltsgesetzes bestehenden gesetzlichen Regelungen auf den vorliegenden Sachverhalt fehlen die notwendigen Voraussetzungen.
Eine analoge Anwendung von gesetzlichen Regelungen im Aufenthaltsgesetz über den insoweit eindeutigen Wortlaut des § 61 Abs. 2 AsylG a.F. hinaus setzt das Bestehen einer (unbeabsichtigten) echten, planwidrigen Regelungslücke und eine vergleichbare Interessenlage voraus. Denn das Wesensmerkmal der Analogie ist es, dass durch sie die durch eine Norm angeordnete Rechtsfolge auf einen Sachverhalt übertragen wird, der nicht dem Tatbestand der Norm unterfällt. Eine Analogie darf nur vorgenommen werden, um eine echte Regelungslücke auszufüllen. Darunter ist eine Unvollständigkeit des Tatbestandes einer Norm wegen eines versehentlichen, dem Normzweck zuwiderlaufenden Regelungsversäumnisses des Normgebers zu verstehen. Eine solche Lücke darf von den Gerichten im Wege der Analogie nur geschlossen werden, wenn sich aufgrund der gesamten Umstände feststellen lässt, dass der Normgeber die von ihm angeordnete Rechtsfolge auch auf den nicht erfassten Sachverhalt erstreckt hätte, wenn er ihn bedacht hätte (stRspr BVerwG, vgl. etwa U.v. 20.09.2018 – 2 A 9/17 – BVerwGE 163, 112-129 Rn. 30 m.w.N.).
Eine planwidrige Regelungslücke im Anwendungsbereich des § 61 Abs. 2 AsylG sieht das Gericht jedoch nicht.
Hätte der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang ein automatisches Erlöschen einer erlaubten Erwerbstätigkeit zum Ziel gehabt, so wäre zu erwarten gewesen, dass solches – wie im Aufenthaltsgesetz ausdrücklich geschehen – im Asylrecht ebenso ausdrücklich formuliert ist. Dies ist jedoch nicht der Fall.
So ist dem Aufenthaltsgesetz im Rahmen von Entscheidung der Ausländerbehörde zu § 60a Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 2 und Abs. 3 und zu § 27 Abs. 5 AufenthG eine typischerweise enge Verknüpfung der Erwerbstätigkeitserlaubnis mit dem Aufenthaltstitel zu entnehmen. Insbesondere § 4 Abs. 2 Satz 2 AufenthG („Jeder Aufenthaltstitel muss erkennen lassen, ob die Ausübung einer Erwerbstätigkeit erlaubt ist.“) und § 4 Abs. 3 AufenthG („Ausländer dürfen eine Erwerbstätigkeit nur ausüben, wenn der Aufenthaltstitel sie dazu berechtigt.“) stellen die gesetzliche Abhängigkeit der Erlaubnis zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit von einem Aufenthaltstitel klar. Auch in § 27 AufenthG („Der Aufenthaltstitel nach diesem Abschnitt berechtigt zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit.“) ist der Zusammenhang zwischen Aufenthaltstitel und Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit eindeutig gesetzlich normiert. Auf diesem gesetzlich ausdrücklich vorgesehenen Zusammenhang beruhen dann auch die gerichtlichen Entscheidungen zum Aufenthaltsrecht (z.B. BayVGH, B.v. 18.07.2018 – 19 BV 15.467 und BVerwG, U.v. 23.08.2016 – 1 B 96.16, beide in juris). Deshalb können diesen – nur zum Aufenthaltsrecht ergangenen – Entscheidungen nach Überzeugung des Gerichts keine unmittelbaren Auswirkungen auf die vorliegende, rein asylrechtliche Rechtsfrage zu § 61 Abs. 2 AsylG entnommen werden.
Dem Fehlen entsprechender Regelungen im AsylG im Zusammenhang mit dem Erlöschen der Aufenthaltsgestattung (die gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 AsylG den Aufenthalt zur Durchführung des Asylverfahrens gestattet) ist deswegen vielmehr zu entnehmen, dass ein automatisches Erlöschen einer Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit im Rahmen des Asylgesetzes nicht beabsichtigt ist. Für diese Auffassung spricht auch, dass auch durch das Zweite Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht vom 15.08.2019 § 61 AsylG, keine entsprechende Anpassung erfolgt ist. Auch den Gesetzesmaterialien (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Inneres und Heimat (4. Ausschuss) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung – Drucksachen 19/10047, 19/10506 oder der Begründung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung vom 10.05.2019 – Drucksache 19/10047-) kann dazu nichts entnommen werden.
Dem nachträglichen Entfallen der Voraussetzung („Asylbewerber“) der der Erlaubnis zugrundeliegenden Rechtsgrundlage in § 61 Abs. 2 AsylG (der Antragsteller ist wegen der rechtskräftigen Ablehnung seines Asylantrags gerade kein Asylbewerber im Sinne des § 61 Abs. 2 AsylG mehr) kann nach Auffassung des Gerichts vielmehr mit der Prüfung eines Widerrufs nach Art. 49 BayVwVfG begegnet werden. Während einer solchen Prüfung kann dann darüber entschieden werden, ob dem betroffenen Ausländer im Rahmen des dann anzuwendenden Aufenthaltsgesetzes im Hinblick auf eine bereits aufgenommene Ausbildung eine Duldung erteilt werden kann, bzw. muss, oder nicht. Damit kann vermieden werden, dass für den betroffenen Ausländer Unterbrechungen der bereits aufgenommenen Ausbildung entstünden, falls sich herausstellt, dass eine Duldung zum Zwecke der Ausbildung erteilt wird.
Der Arbeitgeber des Ausländers könnte, solange kein Widerruf erfolgt ist, auf eine nach § 61 Abs. 2 erteilte Beschäftigungserlaubnis vertrauen, ohne sich der Gefahr einer Sanktionierung auszusetzen (vgl. § 404 Abs. 2 Nr. 3 SGB III).
2.1.2 Die Fristbestimmung in Ziffer III des Bescheides ist zum einen wegen fehlender Bestimmtheit rechtswidrig. So ist der Wortlaut schon nicht eindeutig; es ist unklar, ob es sich dabei um eine aufschiebende Bedingung handelt, wofür die Formulierung „unter der Voraussetzung erteilt“ spricht, oder ob es sich hierbei um eine auflösende Bedingung handelt, wofür die Formulierung „erlischt bei nicht ordnungsgemäßer Erfüllung“ spricht. Der Begründung im Bescheid lässt sich nichts dazu entnehmen. Erst dem Schriftsatz vom 22.10.2019 kann entnommen werden, dass Ziel dieser Nebenbestimmung eine auflösende Bedingung gewesen sein könnte; die fehlende Bestimmtheit der Nebenbestimmung im Tenor des Bescheides bleibt davon allerdings unberührt.
Zum anderen ist auch die Fristbestimmung selbst rechtswidrig, weil damit ein vom Beklagten gewünschtes Ziel gar nicht erreicht werden kann (Art. 36 Abs. 3 BayVwVfG). Eine eventuelle Nichteinhaltung der durch das Konsulat mitgeteilten voraussichtlichen Dauer für die Ausstellung des bereits beantragten Reisepasses ist nicht allein vom Verhalten des Klägers abhängig, so dass mit diesem Teil der Nebenbestimmung dem Zweck des Verwaltungsaktes, den Kläger zu einem bestimmten Verhalten anzuhalten, nicht erreicht werden kann.
2.2 Der Antrag auf Feststellung, dass der Kläger alle zumutbaren Bemühungen zur Erfüllung der Passpflicht vorgenommen hat, ist dagegen bereits unzulässig. Insbesondere steht der Zulässigkeit des Feststellungsantrags entgegen, dass der Kläger seine Rechte durch die vorrangig zu erhebende und auch erhobene Gestaltungsklage (Anfechtungsklage) auf Aufhebung der streitgegenständlichen Nebenbestimmungen verfolgen kann (§ 43 Abs. 2 VwGO). Der Kläger hat zudem kein Feststellungsinteresse dargelegt (§ 43 Abs. 1 VwGO). Es ist schon nicht dargelegt, welche für den Kläger günstigen Konsequenzen mit der begehrten Feststellung verbunden sein sollen.
Auch der Hilfsantrag auf Feststellung, dass der Kläger genau bezeichnete Bemühungen, die im Ermessen des Gerichts stehen, zur Erfüllung der Passpflicht durchführt, ist unzulässig. Diesbezüglich wird auf die obigen Ausführungen zum Hauptantrag vollinhaltlich Bezug genommen.
3. Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Gerichtskosten werden gem. § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 30 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG).


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