Europarecht

Erschöpfung des Markenrechts: Vorliegen eines Inverkehrbringens bei Lieferung der Ware an einen von der Tochtergesellschaft des Markeninhabers beauftragten Frachtführer und Lieferung der Ware an eine außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums ansässige Tochtergesellschaft des Käufers – Hyundai-Grauimport

Aktenzeichen  I ZR 55/20

Datum:
27.5.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2021:270521UIZR55.20.0
Normen:
Art 9 Abs 1 S 2 Buchst a EGV 207/2009
Art 13 EGV 207/2009
Art 101 Abs 2 EGV 207/2009
Art 145 EGV 207/2009
Art 9 Abs 2 Buchst a EUV 2015/2424
Art 13 EUV 2015/2424
Art 101 Abs 2 EUV 2015/2424
Art 151 EUV 2015/2424
Art 8 Abs 2 EGV 864/2007
Art 1 Abs 1 CMR
Art 12 Abs 1 CMR
§ 14 Abs 2 Nr 1 MarkenG
§ 14 Abs 6 MarkenG
§ 19 Abs 1 MarkenG
§ 19 Abs 3 MarkenG
§ 24 Abs 1 MarkenG
§ 125b Nr 2 MarkenG
Spruchkörper:
1. Zivilsenat

Leitsatz

Hyundai-Grauimport
Durch die Übergabe der Ware an einen von der Tochtergesellschaft des Markeninhabers beauftragten Frachtführer im Europäischen Wirtschaftsraum tritt eine Erschöpfung des Markenrechts nicht ein, wenn die Ware nach dem Inhalt des mit einem in der Europäischen Union ansässigen Käufer geschlossenen Kaufvertrags an eine außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums ansässige Tochtergesellschaft des Käufers geliefert werden soll (Fortführung von BGH, Urteil vom 27. April 2006 – I ZR 162/03, GRUR 2006, 863 = WRP 2006, 1233 – ex works).

Verfahrensgang

vorgehend OLG Düsseldorf, 20. Februar 2020, Az: I-20 U 18/19vorgehend LG Düsseldorf, 24. Januar 2019, Az: 37 O 13/17

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 20. Februar 2020 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand

1
Die Klägerin ist eine in der Republik Korea ansässige, weltweit tätige Fahrzeugherstellerin. Sie ist Inhaberin der am 14. April 2014 eingetragenen Unionswortmarke “HYUNDAI” (Registernummer UM 012312518), der am 21. November 2003 eingetragenen deutschen Wortmarke “TUCSON” (Registernummer DE 30345486), der am 28. Februar 2007 eingetragenen internationalen Markenregistrierung “HYUNDAI i30” (Registernummer IR 0919520), die in der Europäischen Union Schutz genießt, und der am 6. Juni 2014 eingetragenen Unionsbildmarke “H-Logo”
(Registernummer UM 012347878), die jeweils unter anderem für Kraftfahrzeuge und Personenkraftwagen (Klasse 12) eingetragen sind.
2
Zu den Tochtergesellschaften der Klägerin gehört die in Nošovice in der Tschechischen Republik ansässige H.   M.  M.      C.     (im Folgenden HMMC), die dort ein Werk unterhält. Die in Nošovice hergestellten Fahrzeuge werden an nationale Distributoren verkauft und sind jeweils mit dem “H-Logo” und “HYUNDAI” sowie einer Modellbezeichnung wie “TUCSON” oder “i30” gekennzeichnet.
3
Zu den Abnehmern der HMMC gehört die in Zypern ansässige A.    M.   L.   , die ihrerseits die Muttergesellschaft der in Belgrad in Serbien ansässigen H.   S.      ist. Eine konzernrechtliche Verbundenheit mit der Klägerin besteht nicht.
4
Die A.    M.   L.   kaufte von HMMC ein Fahrzeug Hyundai i30 und ein Fahrzeug Hyundai Tucson. Die Kaufverträge enthalten unter anderem die folgenden Vereinbarungen:
4. TRADE TERMS: INCOTERMSCIP Belgrade, SERBIA ´CLEARED FOR EXPORT´
6. PLACE AND COUNTRY OF DELIVERY OF GOODS: BELGRADE, SERBIA
1) FINAL DESTINATION OF THE CARS IS RESTRICTED TO THE TERRITORY OF SERBIA
5
HMMC übergab das Fahrzeug Hyundai i30 mit der Fahrzeugidentifikationsnummer TMAD2516AGJ321114 (im Folgenden Hyundai i30) im Dezember 2015 und das Fahrzeug Hyundai Tucson mit der Fahrzeugidentifikationsnummer TMAJ381ADHJ252859 (im Folgenden Hyundai Tucson) im August 2016 an einen von ihr beauftragten Frachtführer, welcher die Fahrzeuge bei der H.   S.      in Belgrad ablieferte.
6
Der Beklagte ist als Fahrzeughändler tätig. Er erwarb das Fahrzeug Hyundai Tucson unmittelbar von der H.   S.      und das Fahrzeug Hyundai i30 über einen in der Europäischen Union ansässigen Zwischenhändler und veräußerte beide in Deutschland weiter.
7
Die Klägerin hat den Beklagten wegen der Verletzung ihrer Markenrechte durch den Import der streitgegenständlichen Fahrzeuge mit anwaltlichem Schreiben vom 28. September 2016 abgemahnt. Der Beklagte verpflichtete sich unter dem 13. Oktober 2016 ohne Anerkennung einer Rechtspflicht strafbewehrt, es zu unterlassen, die Marken der Klägerin zu verwenden, insbesondere mit den Marken der Klägerin versehene Fahrzeuge anzubieten, soweit diese nicht mit Zustimmung der Klägerin im Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht worden sind. Weitere Ansprüche der Klägerin lehnte er ab.
8
Das Landgericht hat in dem Verkauf der beiden Fahrzeuge eine Verletzung der Unionswortmarke “HYUNDAI”, der deutschen Wortmarke “TUCSON”, der internationalen Markenregistrierung “HYUNDAI i30” und der Unionsbildmarke “H-Logo” gesehen und die Voraussetzungen der Erschöpfung verneint. Es hat den Beklagten antragsgemäß zur Auskunft über Ankauf und Verkauf nicht erschöpfter klägerischer Markenware und der hierdurch erzielten Umsätze und des Gewinns, zum Schadensersatz und zur Erstattung der Abmahnkosten verurteilt. Die von dem Beklagten erhobene Widerklage auf Unterlassung der Behauptung von Markenrechtsverletzungen, Schadensersatz und Auskunft hat es abgewiesen.
9
Die Berufung des Beklagten ist – soweit in der Revisionsinstanz noch von Bedeutung – erfolglos geblieben.
10
Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt der Beklagte seine Anträge weiter, die Klage abzuweisen und auf die Widerklage die Klägerin zur Unterlassung der Behauptung von Markenrechtsverletzungen, zur Auskunft und zum Schadensersatz bezüglich erfolgter Abmahnungen von Abnehmern des Beklagten zu verurteilen.


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