Europarecht

Erstinstanzliche Zuständigkeit bei Streitigkeit über Vergabe einer Dienstleistungskonzession zur Erbringung von Bodenabfertigungsdienstleistungen

Aktenzeichen  8 A 16.40045

Datum:
8.12.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 48 Abs. 1 S. 1 Nr. 6, S. 2, § 83
GVG GVG § 17a Abs. 2 S. 1
BADV BADV § 7 Abs. 1 S. 3
LuftVG LuftVG § 6

 

Leitsatz

1. Für einen Rechtsstreit, der die Auswahlentscheidung der Luftfahrtbehörde über die Vergabe einer Dienstleistungskonzession zur Erbringung von Bodenabfertigungsdienstleistungen (gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 BADV) zum Gegenstand hat, ist das Verwaltungsgericht erstinstanziell zuständig. § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 und Satz 2 VwGO findet keine Anwendung. (amtlicher Leitsatz)
2. Von der Regelung des § 48 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 und S. 2 VwGO, wonach das OVG bzw. der VGH über sämtliche Streitigkeiten, die das Anlegen, die Erweiterung oder die Änderung und den Betrieb von Verkehrsflughäfen betreffen, erstinstanzlich entscheidet, wird nicht jeglicher betrieblicher Zusammenhang mit einem Verkehrsflughafen erfasst. Vielmehr kommt es maßgeblich auf die vom Gesetzgeber herangezogenen sachlichen Gründe für die Ausnahmeregelung im Gesamtzusammenhang an. (redaktioneller Leitsatz)
3. Für die Anwendbarkeit des § 48 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 VwGO ist es erforderlich, dass die Regelung, um die gestritten wird, mit dem Großvorhaben Verkehrsflughafen in engem Zusammenhang steht, den allgemeinen Flug- oder Flughafenbetrieb unmittelbar ausgestaltet oder in ihn eingreift und einen wesentlichen Bestandteil des Betriebs darstellt. (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Auswahl eines Bewerbers für die Erbringung von Bodenabfertigungsdienstleistungen greift weder unmittelbar in den allgemeinen Flughafenbetrieb ein noch gestaltet sie den Betrieb als solchen unmittelbar aus. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof erklärt sich für sachlich unzuständig.
Der Rechtsstreit wird an das Verwaltungsgericht München verwiesen.

Gründe

Nach § 83 VwGO i. V. m. § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof den Rechtsstreit von Amts wegen an das gemäß § 52 Nr. 1 VwGO örtlich zuständige Verwaltungsgericht München zu verweisen, weil keine erstinstanzliche Streitigkeit nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, Satz 2 VwGO vorliegt. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof ist deshalb sachlich unzuständig.
Die Beteiligten streiten um die Auswahlentscheidung der Regierung von Oberbayern, Luftamt Südbayern, über die Vergabe einer Dienstleistungskonzession zur Erbringung von Bodenabfertigungsdienstleistungen auf dem Flughafen … im Zeitraum vom 1. März 2017 bis 29. Februar 2024. Mit Bescheid vom 12. Oktober 2016 wurde die Beigeladene zu 2 ausgewählt, bestimmte, näher bezeichnete Bodenabfertigungsdienste auf dem Flughafen … zu erbringen. Die Klägerin begehrt als unterlegene Mitbewerberin die Aufhebung der Auswahlentscheidung und ihre Einsetzung sowie in einem weiteren Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage und ihre vorläufige Einsetzung zur Erbringung der Dienstleistungen.
1. Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 VwGO entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof über sämtliche Streitigkeiten, die das Anlegen, die Erweiterung oder die Änderung und den Betrieb von Verkehrsflughäfen betreffen. Im Unterschied zu § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, 7, 8 und 9 VwGO erfasst diese Alternative auch den Betrieb, wobei das Gesetz keine Beschränkung auf Tatbestände, die Rechte und Pflichten des Flughafenunternehmers als Adressat der Betriebsgenehmigung nach § 6 LuftVG zum Gegenstand haben, vorsieht (vgl. BayVGH, B. v. 19.5.2014 – 8 A 13.40058 – juris Rn. 5, m. w. N.; SächsOVG, B. v. 11.8.2015 – 5 C 37/13 – juris Rn. 6). In der Rechtsprechung ist jedoch anerkannt, dass nicht jeglicher betrieblicher Zusammenhang mit einem Verkehrsflughafen erfasst wird (BVerwG, B. v. 24.7.2014 – 4 B 37/13 – juris Rn. 5 ff.; BayVGH, B. v. 19.5.2014 – 8 A 13.40058 – juris Rn. 5; SächsOVG, B. v. 11.8.2015 – 5 C 37/13 – juris Rn. 6; OVG Berlin-Bbg, B. v. 12.8.2005 – OVG 12 A 54.05 – juris Rn. 3; VGH BW, B. v. 26.6.2002 – 8 S 1242/02 – juris Rn. 3 f.; vgl. auch BVerwG, U. v. 28.6.2000 – 11 C 13/99 – BVerwGE 111, 276/277; Berstermann in Posser/Wolff, VwGO, 2. Aufl. 2014, § 48 Rn. 14; Wysk in Wysk, VwGO, 2. Aufl. 2016, § 48 Rn. 18). Dies erscheint auch vor dem Hintergrund folgerichtig, dass vernünftige sachliche Gründe für eine solche Übertragung der erstinstanzlichen Zuständigkeit auf die Oberverwaltungsgerichte und die Verwaltungsgerichtshöfe vorliegen müssen (vgl. zu den Maßstäben BVerfG, B. v. 9.6.1993 – 1 BvR 938/93 – juris Rn. 2; BVerwG, U. v. 22.1.2004 – 4 A 32/02 – BVerwGE 120, 87/94 f.; s. zu den Gründe des Gesetzgebers für die Übertragung BT-Drs. 10/171, S. 9 ff.), die bei der Auslegung der Bestimmung maßgeblich zu berücksichtigen sind (so auch BayVGH, B. v. 29.7.2008 – 22 A 08.40012 – juris). Dem steht der Wortlaut des § 48 Abs. 1 Satz 1 VwGO, wonach sämtliche Streitigkeiten erfasst werden, schon deshalb nicht entgegen, weil dadurch nur zum Ausdruck gebracht wird, dass keine Beschränkung auf bestimmte Klagearten erfolgt und dass diese Regelung nicht nur für einschlägige Hauptsacheverfahren, sondern auch für Eilverfahren sowie für Anträge auf Prozesskostenhilfe gilt (vgl. dazu Bier/Panzer in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand Sept. 2011, § 48 Rn. 5 ff.; Scheidler in Gärditz, VwGO 2013, § 48 Rn. 6). Gleiches gilt für Hinweise in den Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 10/3368, S. 8), wonach alle eine Anlage oder ein Planfeststellungsverfahren betreffenden Streitigkeiten einbezogen werden sollen (anders wohl VG Berlin, B. v. 6.1.2015 – 13 K 391.14 – juris Rn. 7 ff.). Zudem ist in diesem Kontext weiter die Rede davon, dass alle mit dem Vorhaben zusammenhängenden Fragen von einem Gericht entschieden werden sollen, wodurch der Vorhabenbezug herausgestellt wird. Daraus kann nicht gefolgert werden, dass jeglicher Zusammenhang mit dem Betrieb einer bereits fertiggestellten Anlage ausreicht. Vielmehr kommt es maßgeblich auf die vom Gesetzgeber herangezogenen sachlichen Gründe für die Ausnahmeregelung im Gesamtzusammenhang an.
Die Übertragung der erstinstanzlichen Zuständigkeit in § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 VwGO geht auf das Gesetz zur Beschleunigung verwaltungs- und finanzgerichtlicher Verfahren vom 4. Juli 1985 (BGBl. I S. 1274) zurück. Die dort neu eingeführten Bestimmungen wurden durch das Gesetz zur Neuregelung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (4. VwGOÄndG) vom 17. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2809) im Wesentlichen unverändert in die Verwaltungsgerichtsordnung übernommen (s. dazu die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BT-Drs. 11/7030, S. 22). Ziel des § 48 Abs. 1 VwGO ist es danach, bei Vorhaben von großer Tragweite (Großprojekten) die als überlang empfundene Dauer verwaltungsgerichtlicher Verfahren durch eine Konzentration des Verfahrens auf nur eine Tatsacheninstanz zu verkürzen, um insbesondere die Planungsarbeit der Behörden und die Investitionstätigkeit der Wirtschaft nicht zu erschweren (vgl. zu diesen legislatorischen Anliegen auch die zweite Beschlussempfehlung und den Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages, BT-Drs. 10/3368, S. 7 sowie den Gesetzentwurf BT-Drs. 11/7030, S. 22). Die Erweiterung der oberverwaltungsgerichtlichen Zuständigkeit in erster Instanz sollte auf bedeutsame Großvorhaben beschränkt werden, um vor allem bei diesen eine Verfahrensbeschleunigung zu erreichen. Dementsprechend wurde in der Begründung des Gesetzentwurfs darauf abgestellt, dass Flughäfen für die Infrastruktur von besonderer Wichtigkeit sind (BT-Drs. 10/171, S. 12). Angesichts der herausragenden verkehrspolitischen Bedeutung erscheine es sachgerecht, auch für damit zusammenhängende Rechtsstreitigkeiten – entsprechend der Regelung für Verfahren auf dem Gebiet der Energieversorgung – die erstinstanzliche Zuständigkeit des Oberverwaltungsgerichts zu begründen. Bei den in Bezug genommenen Energieversorgungsanlagen ist in der Begründung im Wesentlichen von bestimmten Erlaubnissen und Genehmigungen die Rede, woraus geschlossen werden kann, dass der Gesetzentwurf die für den Betrieb erforderlichen Gestattungen sowie Anordnungen in Bezug auf Betriebsabläufe im Auge gehabt haben dürfte (vgl. dazu auch OVG SH, U. v. 16.1.2008 – 4 KS 6/07 – juris, Verlängerung des Betriebs eines Kernkraftwerks). Die Gesetzesmaterialien sprechen in ihrer Gesamtschau dafür, dass Fälle erfasst sein sollten, in denen ein direkter und unmittelbarer Betriebszusammenhang besteht (VGH BW, B. v. 26.6.2002 – 8 S 1242/02 – juris Rn. 4).
Dem Sinn und Zweck des § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 VwGO entsprechend ist daher zu fordern, dass die Regelung, um die gestritten wird, mit dem Großvorhaben Verkehrsflughafen in engem Zusammenhang steht, den allgemeinen Flug- oder Flughafenbetrieb unmittelbar ausgestaltet oder in ihn eingreift und einen wesentlichen Bestandteil des Betriebs darstellt (BayVGH B. v. 13.5.2014 – 8 A 13.40057 – juris Rn. 5; B. v. 19.5.2014 – 8 A 13.40058 – juris Rn. 5; SächsOVG, B. v. 11.8.2015 – 5 C 37/13 – juris Rn. 6; OVG Berlin-Bbg, B. v. 12.8. 2005 – 12 A 54.05 – juris Rn. 3; Berstermann in Posser/Wolff, VwGO, § 48 Rn. 14). Nur eine an dem Ziel orientierte Auslegung, eine bei Großprojekten als überlang empfundene Verfahrensdauer durch eine Konzentration des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zu verkürzen (um Hemmnisse für Verwaltung und Investitionstätigkeit der Wirtschaft abzubauen), wird der vom Gesetzgeber vorausgesetzten sachlichen Begründung für die Ausnahmebestimmung des § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 VwGO gerecht, die als solche bereits aus allgemeinen Grundsätzen heraus (vgl. etwa BVerwG, B. v. 12.12.2002 – 3 A 1.02 – BVerwGE 117, 244/247) in der Regel eng auszulegen ist.
2. Nach diesen Maßstäben sind die Voraussetzungen für eine erstinstanzliche Zuständigkeit des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bei der Klage eines Konkurrenten gegen die Auswahlentscheidung in Bezug auf die Erbringung von Bodenabfertigungsdiensten nicht erfüllt (wie hier VGH BW, B. v. 26.6.2002 – 8 S 1242/02 – juris; B. v. 19.7.2005 – 8 S 775/05 – NVwZ-RR 2006, 840 f.; Berstermann in Posser/Wolff, VwGO, § 48 Rn. 14; Bier/Panzer in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand Sept. 2011, § 48 Rn. 28; Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 48 Rn. 10). Die gegenteilige Auffassung (vgl. etwa HessVGH, U. v. 15.10.2014 – 9 C 1276/13.T – juris; B. v. 7.4.2006 – 12 Q 114/06 – juris; B. v. 27.5.1999 – 2 Q 4634/98 – juris; OVG NRW, U. v. 25.1.2011 – 20 D 38/10.AK – juris; OVG Hamburg, B. v. 16.8.2013 – 1 Es 2/13 – juris; NdsOVG, B. v. 24.6.1999 – 12 M 2094/99 – NVwZ 1999, 1130 f.) überzeugt nicht. Es kann – entgegen der Auffassung des Beklagten – auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Frage der erstinstanzlichen Zuständigkeit bereits höchstrichterlich geklärt sei. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Dezember 2012 (3 C 32/11 – NVwZ 2013, 507 Rn. 13), auf das verwiesen wurde, enthält lediglich ein obiter dictum, das allein auf obergerichtliche Rechtsprechung Bezug nimmt, jedoch inhaltlich nicht näher begründet wurde. Soweit der Verwaltungsgerichtshof in früheren Entscheidungen für einzelne Eilverfahren wegen deren konkreter Eilbedürftigkeit von seiner erstinstanzlichen Zuständigkeit ausgegangen ist (BayVGH, B. v. 25.2.2010 – 8 AS 10.40000 und 8 AS 10.40003 – juris; B. v. 21.7.1999 – 20 AS 99.40032 – NVwZ 1999, 1131), wird diese ohne tiefere Erörterung der Zuständigkeitsfragen ergangene Rechtsprechung nicht mehr aufrechterhalten (vgl. bereits BayVGH, B. v. 13.5.2014 – 8 A 13.40057 – juris; B. v. 19.5.2014 – 8 A 13.40058 – juris; B. v. 19.5.2014 – 8 A 13.40059 – NVwZ-RR 2014 623 f.).
Die Auswahl eines Bewerbers greift weder unmittelbar in den allgemeinen Flughafenbetrieb ein noch gestaltet sie den Betrieb als solchen unmittelbar aus. Ein solches Eingreifen oder eine solche Ausgestaltung würde voraussetzen, dass um Vorgaben für die Erbringung von Bodenabfertigungsdiensten gestritten wird und nicht lediglich darum, welches Unternehmen bestimmte Dienstleistungen in diesem Bereich erbringen darf. Letztlich handelt es sich nur um eine Entscheidung über den Zugang zum Markt derartiger Dienste, die den Betrieb eines Flughafens allenfalls mittelbar betrifft (VGH BW, B. v. 26.6.2002 – 8 S 1242/02 – juris Rn. 3 f.; i. Erg. ebenso Berstermann in Posser/Wolff, VwGO, § 48 Rn. 14; Bier/Panzer in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand Sept. 2011, § 48 Rn. 28; Schmidt in Eyermann, VwGO, § 48 Rn. 10). Streitgegenstand ist in einem solchen Fall weder die Frage der Zulässigkeit solcher Dienste noch der zulässige oder notwendige Umfang an sich noch geht es um Anordnungen, die die Art und Weise der Erbringung zum Inhalt haben (vgl. VGH BW, B. v. 26.6.2002 – 8 S 1242/02 – juris a. a. O.; B. v. 19.7.2005 – 8 S 775/05 – NVwZ-RR 2006, 840 f.). Vielmehr steht maßgeblich die Frage im Raum, welcher Wettbewerber mit der Erbringung betraut wird, wobei im vorliegenden Verfahren ein nicht zum Zuge gekommener Bewerber geltend macht, er hätte anstelle der Beigeladenen zu 2 ausgewählt werden müssen. Soweit in der obergerichtlichen Rechtsprechung allein darauf abgestellt wird, dass die Leistung der Bodenabfertigungsdienste einen wesentlichen Bestandteil des Flughafenbetriebes darstelle (vgl. HessVGH, U. v. 15.10.2014 – 9 C 1276/13.T – juris Rn. 18; B. v. 27.5.1999 – 2 Q 4634/98 – juris Rn. 6; dem folgend NdsOVG, B. v. 24.6.1999 – 12 M 2094/99 – juris Rn. 6) oder zusätzlich mit der wirtschaftlichen Bedeutung argumentiert wird (vgl. HessVGH, B. v. 7.4.2006 – 12 Q 114/06 – juris Rn. 31), wird nicht hinreichend zwischen diesen Fragen differenziert. Kern des Rechtsstreits ist lediglich eine Auswahlentscheidung, die letztlich bestimmte Dienstleistungen zum Gegenstand hat, nicht dagegen die Erbringung der Bodenabfertigungsdienste an sich. Die wirtschaftliche Bedeutung mag – etwa im Zivilrecht – ein sachgerechtes Differenzierungskriterium für gerichtliche Zuständigkeiten darstellen; sie war jedoch – wie oben dargelegt – nicht der (eigentliche) Gesichtspunkt, der den Gesetzgeber zur ausnahmsweisen Übertragung der erstinstanzlichen Zuständigkeit im Fall des § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 VwGO bewogen hat. Andernfalls hätte es nahe gelegen, auch vergleichbare Auswahlentscheidungen zu erfassen. Schließlich hat der Beklagte darauf hingewiesen, dass mit der A. ein weiterer Dienstleister zur Verfügung steht, der die Dienstleistungen zwar nicht umfassend und erschöpfend ableisten kann, aber mit deren Erbringung ebenfalls betraut ist. In diesem Zusammenhang ist auch nicht erkennbar, dass bei dem Streit mehrerer Unternehmen darüber, wer bestimmte Dienstleistungen erbringen darf, deren Leistung ernsthaft gefährdet erschiene.
Der Charakter einer bloßen Auswahlentscheidung wird nicht zuletzt daraus deutlich, dass gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung über Bodenabfertigungsdienste auf Flugplätzen (BADV) grundsätzlich der Flugplatzunternehmer die Dienstleister auswählt. Nur wenn dieser selbst gleichartige Bodenabfertigungsdienste erbringt, ein Unternehmen, das derartige Dienste erbringt, direkt oder indirekt beherrscht, oder in anderer Weise an einem solchen Unternehmen beteiligt ist, trifft die Luftfahrtbehörde diese Entscheidung (§ 7 Abs. 1 Satz 3 BADV). Aufgrund des zivilrechtlich ausgestalteten Verhältnisses zwischen Flugplatzunternehmer und Unternehmern (Reidt in Grabherr/Reidt/Wysk, LuftVG, Stand Januar 2009, § 19c Rn. 72; vgl. auch BGH, U. v. 18.10.2007 – III ZR 277/06 – NVwZ 2008, 110 Rn. 11, m. w. N.; OLG Frankfurt, U. v. 12.6.2012 – 11 U 55/09 – juris Rn. 34) kann dessen Auswahlentscheidung nur vor den Zivilgerichten angefochten werden (Reidt in Grabherr/Reidt/Wysk, a. a. O., § 19c Rn. 84 ff.; Störmer in Hobe/von Ruckteschell, Kölner Kompendium des Luftrechts, 2009, Bd. 2, Teil I B Rn. 1889). Daraus wird ebenfalls ersichtlich, dass den Kern eines Rechtsstreits um die Auswahlentscheidung (vgl. zu den Anforderungen an diese auch Störmer in Hobe/von Ruckteschell, a. a. O., Teil I B Rn. 1850 ff.) im Sinn der oben dargelegten Maßstäbe eine vergaberechtliche Streitigkeit bildet und keine hoheitliche Entscheidung, die den Betrieb eines Verkehrsflughafens unmittelbar ausgestaltet. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund kommt die maßgebliche Intention des § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 VwGO, die bei bestimmten Großvorhaben als überlang empfundene Verfahrensdauer durch eine Konzentration des gerichtlichen Verfahrens zu verkürzen, nicht zum Tragen.
3. Auch aus § 48 Abs. 1 Satz 2 VwGO ergibt sich keine erstinstanzielle Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofs. Die Ausdehnung der erstinstanzlichen Zuständigkeit auf Streitigkeiten über Genehmigungen, die anstelle einer Planfeststellung erteilt werden, sowie auf Streitigkeiten über sämtliche für das Vorhaben erforderlichen Genehmigungen und Erlaubnisse, auch soweit sie Nebeneinrichtungen betreffen, die mit ihm in einem räumlichen und betrieblichen Zusammenhang stehen, ist ebenfalls eng auszulegen. Sie soll den Zuständigkeitskatalog des § 48 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht zusätzlich im Sinn einer Auffangklausel erweitern (BayVGH, B. v. 13.5.2014 – 8 A 13.40057 – juris Rn. 8 und B. v. 19.5.2014 – 8 A 13.40058 – juris Rn. 8; vgl. auch OVG Berlin-Bbg, B. v. 12.8.2005 – OVG 12 A 54.05 – juris Rn. 2). Es fehlt der streitgegenständlichen Auswahlentscheidung bereits am Charakter einer Genehmigung oder einer Erlaubnis im Sinn des § 48 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Zudem ist insoweit ebenfalls zu fordern, dass die Ausnahmeregelung, die den vorhabenbezogenen Charakter der gesamten Vorschrift im Übrigen nochmals unterstreicht, eine erstinstanzielle Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofs nur für solche Genehmigungsentscheidungen begründet, die den Flug- oder Flughafenbetrieb unmittelbar betreffen. Eine Bestimmung, wonach sich die erstinstanzliche Zuständigkeit auf alle mit einem Verkehrsflughafen räumlich und betrieblich zusammenhängenden Streitigkeiten erstreckt, hat der Gesetzgeber dagegen nicht getroffen (VGH BW, B. v. 26.6.2002 – 8 S 1242/02 – juris Rn. 5).


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