Europarecht

Fahrzeugkaufvertrag: Schadenersatzanspruch aufgrund der Verwendung illegaler Abschalteinrichtungen

Aktenzeichen  8 U 11/21

Datum:
17.12.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt 8. Zivilsenat
Dokumenttyp:
Urteil
Normen:
§ 31 BGB
§ 826 BGB
Spruchkörper:
undefined

Verfahrensgang

vorgehend LG Magdeburg, 6. April 2021, 10 O 334/20, Urteil

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 06.04.2021 verkündete Urteil des Landgerichts Magdeburg wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
und beschlossen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf die Stufe bis 65 000,00 € festgesetzt

Gründe

I.
Der Kläger nimmt die Beklagte im Zusammenhang mit dem sog. Dieselskandal auf Rückabwicklung eines am 09.11.2018 zu einem Kaufpreis von 45.000,00 € getätigten Erwerbs eines am 04.04.2017 erstzugelassenen VW T6 Multivan in Anspruch, in welchem ein Motor des Typs EA288 EU6 SCR verbaut ist.
Dem Senat ist aus verschiedenen Parallelverfahren Folgendes (gerichts-) bekannt:
In einer E-Mail des (Name geschwärzt) Senior Counsel und Dipl.-Ing. Fahrzeugtechnik der Beklagten an das KBA vom 01.10.2015 wird zu Dieselmotoren mit Emissionsstufe EU 6 der Beklagten Folgendes ausgeführt:
“Die Motor-Software enthält eine Fahrkurve zur Präkonditionierung sowie eine Temperatur- und eine Weg-Zeft-Sensierung, die mit Toleranzzugabe die Weg-Zeit-Funktion des NEFZ erkennt, wird eine der Toleranzgrenzen dieser Erkennung einmal überschritten, geht der Funktionsmodus in die Applikation für den Straßenbetrieb über und kann bis zum nächsten Motorstart nicht mehr in den NEFZ-Modus zurückkehren. Die Motorapplikation für beide Funktionsmodi ist identisch. Eine Lenkwinkel- oder Radrehzahlsensierung oder sonstige Sensierung von Fahrzeugdaten findet zu diesem Zweck nicht statt”.
Im Rahmen eines am 02.10.2015 erfolgten Gesprächs hat die Beklagte dem KBA ein Dokument vorgelegt, in dem die “Umschaltstrategie EA288 EU6 SCR” wie folgt beschrieben wird:
“Die Funktion unterscheidet zwei SCR-Betriebsstrategien:
Strategie 1:
bis 200°C SCR-Kat-Temp höhere AGR Rate sowie geringere SCR-Dosierung
aktiv innerhalb Strecken-Zeit-Korridor, ab Motorstart
Strategie 2:
ab 200°C SCR-Kat-Temp.: niedrigere AGR-Rate sowie höhere SCR-Dosierung
aktiv außerhalb des Strecken-Zeit-Korridors”
Daneben ist vermerkt:
“Keine unterschiedlichen Emissionen zw. 1 und 2”
In einer 13-seitige Stellungnahme der von der Beklagten erstinstanzlich mandatierten Kanzlei F. B. D. vom 04.10.2015 wird die Funktionsweise des SCR-Systems unter B. II. 1 I 3 wie folgt beschrieben:
“Aufgrund der Tatsache, dass der Testlauf auf dem Rollenprüfstand nach den EU-rechtlichen Vorgaben des NEFZ strikt auf einen bestimmten Zeitraum festgelegt ist (4 x 195 sec Simulation innerstädtischer Verkehr, insgesamt 4,052 km anschließend 400 sec Simulation außerstädtischer Verkehr, Wegstrecke 6,955 km), innerhalb dessen nicht sicher damit gerechnet werden kann, ob/wann die Umschaltschwelle von 200°C erreicht ist, der Prüfzyklus indes widerspiegeln sollte dass es tatsächlich eine Umschaltung von Betriebsmodus A zu B gibt sowie die Testergebnisse reproduzierbar sein sollten, wird im Rollenprüfstandsmodus das SCR-System nicht temporaler-, sondern zeitgesteuert, nämlich durch Umschaltung des SCR-Betriebsmodus von A auf B zu einem Zeitpunkt im ersten Drittel des außerstädtischen Verkehrs. Die tatsächliche Wirksamkeit des SCR- Systems unterscheidet sich nicht, sie ist im normalen Fahrbetrieb rocht verringert.
Wurde das SCR-System auch auf dem Rollenstand nicht zeit-, sondern nach einem rechnerischen Algorithmus, der die Temperatur des SCR-System simuliert, gesteuert, so hatte dies keinen Einfluss darauf dass die EUG- Emissionsgrenzwerte unverändert eingehalten werden”.
Unter C. II. I 1 und 2 des vorgenannten Dokuments wird der obige Sachverhalt dann einer rechtlichen Würdigung unterzogen, und zwar dahingehend, dass die Umstellung der Temperatursteuerung des SCR-Systems auf eine Zeitsteuerung bei Durchfahren des NEFZ keine unzulässige Abschalteinrichtung darstelle, weil sie nicht zu einer Verringerung der Wirksamkeit des Emissionsminderungssystems bzw. SCR-Systems unter normalen Fahrbedingungen führe; darüber hinaus sei
“äußerst zweifelhaft, ob schon im Ausgangspunkt eine Abschalteinrichtung” vorliege, da “die Temperatursteuerung des SCR-Systems . der Grund- und Normalmodus für den Betrieb des Fahrzeugs” sei
Aus einem mit “Technisches Statement: Fahrzyklus-Erkennung” überschriebenen Dokument der Beklagten vom 19.10.2015 ergeben sich folgende Parameter, an welche die Fahrzyklus- Erkennung beim EA288 anknüpft.
Einschalten
Motorstart-Temperatur-50 bis 140°C
Öltemperatur -50 bis 140°C
Kraftstofftemperatur -50 bis 140° C
Höhe (Umgebungsdruck) 795 hPa
Ausschalten
Zeit-Weg-Funktion Definierte Funktion
Daneben ist vermerkt:
“Emissionseinfluss Nein”
Auf Seite 5 der “Entscheidungsvorlage: Applikationsrichtlinien und Freigabevorgaben EA 288” der Beklagten vom 18.11.2015 heißt es zum EA288 EU 6 SCR:
“Anwendungsbeschreibung:
SCR: Bedatung, Aktivierung und Nutzung der Erkennung des Precon und NEFZ, um die Umschaltung der Rohemissonsbedatung (AGR-High/Low) streckengesteuert auszulösen (bis Erreichung SCR- Arbeitstemperatur und OBD-Schwellwerte).
Applikationsrichtlinie (Serienfreigaben):
SOP vor KW 22/16 (für SOP, Modellpflege) Fahrkurven dürfen nicht zur Einhaltung der Emissions- und OBD-Grenzwerte genutzt werden. Diese müssen durch Ausbedatung oder Software-Änderung entfernt werden Möglicherweise notwendige Umschaltungen zur Einhaltung der Emissions- und OBD-Grenzwerte müssen auf Basis physikalischer Randbedingungen erfolgen.
SOP ab KW 22/16 (für SOP, Modellpflege): Sei neuen Freigaben sind die Fahrkurven aus der Software entfernt, Umschaltungen oder die Platzierung von Abgasnachbehandlungsevents muss auf Basis physikalischer Randbedingungen unter Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben für Roh- und Endrohremissionen erfolgen”
Der Kläger hat vorgetragen, in dem streitgegenständlichen Motor EA288 EU 6 SCR sei eine sog Akustikfunktion verbaut (Bl. 4, 6 I d.A.). Im Prüfstandsbetrieb werde die AGR substantiell erhöht und die AdBlue-Versorgung auf die maximale Abgabemenge hochgefahren, wohingegen die AGR und die AdBlue-Dosierung im Realbetrieb geringer ausfielen (Bl. 9, 10, 13, 15, 21 I d.A.). Das Motorsteuerungsgerät erkenne physikalische Randbedingungen des Prüfzyklus (Bl. 4 f, 11 II d.A.), u.a. den Lenkwinkel (Bi. 12 II, 13 ff III d.A.), die Temperatur und die Zeit auf dem Prüfstand (Bl. 13 II d A.). Zudem sei in dem Fahrzeug ein unzulässiges Thermofenster installiert (Bl. 10, 14. 16 ff I, 10 ff, 136 f, 164 ff III d.A.); im Übrigen sei das OBD manipuliert (Bl. 57, 85 II d.A.).
Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 45.000.00 € zuzüglich Darlehenskosten i.H.v. 7.053,32 € nebst Zinsen i.H.v. 4 Prozent seit dem 10.11.2018 bis 27.02,2020 und seither 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs mit der Fahrgestellnummer … zu zahlen,
hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeugs und Abtretung des Anspruchs auf Rückübereignung des Fahrzeugs VW T6 mit der Fahrgestellnummer … aus dem Darlehensvertrag aus Dezember 2018 mit der S. C. Bank an die Klagepartei 11.058,00 € nebst Zinsen i H v. 4 Prozent seit dem 10.11.2018 bis 27.02.2020 und seither 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz abzüglich Nutzungsentschädigung i.H.v. 7.482,69 € zu zahlen und den Kläger von seinen Verbindlichkeiten aus dem Darlehensvertrag bei der S. C. Bank freizustellen,
festzustellen, dass sich die Beklagte seit dem 28.02 2020 mit der Rücknahme des vorbezeichneten Gegenstands im Annahmeverzug befindet,
die Beklagte zu verurteilen, die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung i.H.v. 1.965,88 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.02.2020 zu zahlen und den Kläger von außergerichtlichen Anwaltskosten i.H.v. 647,36 € freizustellen,
hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an die Concordia Versicherung die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung i.H.v. 1 965,88 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.02.2020 zu zahlen sowie den Kläger von außergerichtlichen Anwaltskosten i.H.v. 647,36 € freizustellen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat vorgetragen, die von einer Rollenprüfstandserkennung zu unterscheidende (Bl. 152 II d.A.) Fahrkurve sei im streitgegenständlichen Fahrzeug zu keinem Zeitpunkt hinterlegt gewesen (Bl. 151 f II, 27 III d.A). Es sei auch keine Lenkwinkelerkennung vorhanden, die erkennen solle, dass sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand befinde und daraufhin in einen sauberen Modus schalte (Bl. 153 II d.A.). Ab Erreichen der Betriebstemperatur des SCR-Katalysators von 200°C werde im SCR-System das Motorkennfeld grundsätzlich auf eine geringere Rate umgestellt (Bl. 159 I d.A.). Die AdBlue-Dosierung werde nicht unterschiedlich angesteuert, je nachdem, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand oder im realen Straßenbetrieb befinde, um Emissionsgrenzwerte in der Homologation einzuhalten Vielmehr verhalte sich der SCR-Katalysator auf dem Prüfstand und im realen Fahrbetrieb hinsichtlich seiner Wirkungsweise identisch (Bl. 154 f II, 35 III d.A.). Es erfolge keine höhere Einspritzung der Harnstoffmenge auf dem Prüfstand, um die Emissionsgrenzwerte in der Homologation einzuhalten (Bi. 154 II, 32 III d.A.), Das Emissionskontrollsystem arbeite sowohl auf der Straße als auch auf dem Rollenmodus bei voller Funktionsfähigkeit aller Bauteile mit identischer Wirksamkeit (Bl. 153 II d.A.) Im Hinblick auf Art. 5 Abs. 2 S. 2 lit c VO (EG) 715/2007 sei letztlich allein die Grenzwertrelevanz entscheidend (Bl. 36 III d.A.). Es liege daher keine unzulässige Fahrkurven- bzw. Zykluserkennung bzw. keine Umschaltlogik wie im EA189 vor.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen Zur Begründung hat es ausgeführt, hinsichtlich des Thermofensters fehle es jedenfalls an einem sittenwidrigen Handeln der Beklagten der klägerische Vortrag zum Vorliegen sonstiger unzulässiger Abschalteinrichtungen sei im Hinblick auf die insoweit negativen Ergebnisse der vom KBA durchgeführten Felduntersuchungen nicht hinreichend substanziiert.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er seine erstinstanzlichen Anträge in vollem Umfang weiterverfolgt Der Kläger wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Ergänzend trägt er vor die Fahrkurve sei nach wie vor implementiert (Bl. 151 III , 120 f IV d.A.). Im Rohenprüfstandsmodus werde die AGR daher anders als im Realbetrieb nach Erreichen der Betriebstemperatur des SCR-Katalysators von 200°C nicht temperatur-, sondern zeitgesteuert (und damit erst später) heruntergefahren (Bl. 160 ff III), und zwar deshalb, weil der SCR-Katalysator entgegen Art. 3 Nr. 9 der VO (EG) 692/2008 vom 18.07.2008 nach einem Kaltstart von -7 °C nicht innerhalb von 400 Sekunden die Betriebstemperatur von 200 °C erreiche, wovon das KBA bis zum heutigen Tage nichts wisse (Bl. 128 ff IV d.A.).
Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung. Sie trägt vor, die dem KBA Ende 2015 bekannt gemachte Fahrkurve sei im streitgegenständlichen Fahrzeug nie hinterlegt, sondern im Rahmen einer Modellpflegemaßnahme bereits vor der Produktion entfernt worden (Bl. 3 f, 43. 47 IV d.A.). Die Abgasminderungssysteme und damit auch die AdBlue-Dosierung würden auf dem Prüfstand und im Realbetrieb auf Basis physikalischer Randbedingungen gleich angesteuert (Bl. 4 f, 7, 67 IV d.A.). Die AGR-Rate werde bei Erreichen der 200 °C in identischer Weise zurückgefahren (Bl. 5, 172 IV d.A.) Die Motorsteuerungssoftware stelle nicht streckengesteuert sicher dass die erhöhte AGR-Rate auch nach Erreichen der SCR- Betriebstemperatur von 200 °C beibehalten werde (Bl. 5 IV d.A.). Bei Erreichen der SCR- Betriebstemperatur von 200 °C SCR werde grundsätzlich auf eine geringere AGR-Rate umgestellt (Bl. 63 IV d.A.). Früher sei im Prüfstand die erhöhte AGR-Rate auch nach Erreichen der SCR-Betriebstemperatur von 200 °C beibehalten worden (Bl. 64 IV d.A.). Die jetzigen Umschaltungen seien Ende 2015 dem KBA erläutert worden (Bl. 4. 10 IV d.A.). Jedenfalls bestehe kein Stilllegungsrisiko (Bl. 13, 67, 83, 87 f IV d.A.).
II.
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch aus §§ 826, 31 BGB bzw. § 831 BGB.
Die diesbezüglichen Ausführungen des Landgerichts sind zutreffend. Ergänzend ist lediglich darauf hinzuweisen. dass das Fahrzeug zwar über unzulässige Abschalteinrichtungen verfügt, mangels Täuschung des KBA sowie wegen fehlendem Unrechtsbewusstsein der Beklagten aber keine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung i.S.d. § 826 BGB vorliegt und infolge Nichtbestehen einer Stilllegungsgefahr auch kein Schaden entstanden ist.
Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung liegt eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung eines Fahrzeugkäufers vor. wenn der Motorenhersteller auf der Grundlage einer grundlegenden strategischen Entscheidung durch bewusste und gewollte Täuschung des KBA einen Motor in Verkehr bringt, dessen Steuerungssoftware bewusst und gewollt so programmiert ist, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte mittels einer unzulässigen Abschalteinrichtung nur auf dem Prüfstand eingehalten werden, denn damit geht einerseits die Gefahr einer erhöhten Umweltbelastung, und andererseits die Gefahr einer Betriebsbeschränkung- oder -untersagung einher (vgl. BGH. Urt. v. 25.05.2020, VI ZR 252/19, Rn. 16; OLG Hamm, Urt. v. 22.06.2021, 13 U 194/20, Rn. 49)
Da das streitgegenständliche (Neu-) Fahrzeug unstreitig erst am 02.03.2017 produziert worden ist (Bl. 170 f IV d.A.), ist davon auszugehen, dass in dem Fahrzeug entsprechend dem Vortrag der Beklagten tatsächlich keine Fahrkurve, d.h. eine Prüfstandserkennung anhand eines Zeit-Strecken-Korridors, mehr hinterlegt worden ist, woran auch der Vortrag des Klägers, wonach in Parallelverfahren die Fahrkurve auch in nach der 22. KW 2016 typgenehmigten und/oder erstzugelassenen Fahrzeugen noch vorhanden bzw noch nicht entfernt worden war (Bl. 160 f IV d.A.), nichts zu ändern vermag. Unabhängig davon stellt eine Fahrkurvenerkennung oder eine andere Prüfstandserkennung, wie z.B. eine Lenkwinkelerkennung, für sich betrachtet noch keine Abschalteinrichtung dar (vgl. OLG Naumburg; Urt: v. 31.05.2021, 12 U 35/21, Rn. 16; OLG Stuttgart, Urt. v. 18.05.2021, 16a U 1576/20, Rn. 26; OLG Düsseldorf. Urt. v. 12.05.2021, 18 U 526/19, Rn 43; jeweils zitiert nach juris).
Dass die bei EA288 EU6 SCR Motoren mit Fahrkurvenerkennung an letztere anknüpfende, nur auf dem Prüfstand erfolgende Beibehaltung einer erhöhten AGR-Rate nach Erreichen der SCR-Betriebstemperatur von 200 °C (vgl, Bl. 103 I d.A.) sowie die nach dem eigenen Vortrag der Beklagten nur im Prüfbetrieb bereits ab 130°C und nicht erst (wie im Realbetrieb) ab 150 °C SCR-Betriebstemperatur erfolgende AdBlue-Eindüsung (vgl. Bl. 4. 67 f III d.A. 8 U 13/21) auch bei EA288 EU 6 Motoren ohne Fahrkurvenerkennung wie dem vorliegenden stattfindet, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Allein der Vortrag der Beklagten, wonach die Motorsteuerungssoftware nicht streckengesteuert sicherstelle, dass die erhöhte AGR-Rate auch nach Erreichen der SCR-Betriebstemperatur von 200 °C beibehalten werde (Bl. 5 IV d.A.) und bei Erreichen der SCR-Betriebstemperatur von 200 ° SCR grundsätzlich auf eine geringere AGR-Rate umgestellt werde (Bl. 63 IV d.A.), bietet hierfür noch keine ausreichenden Anhaltspunkte Vielmehr wird nach dem insoweit unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Beklagten die AGR und die AdBlue-Dosierung auf dem Prüfstand und im Realbetrieb gleich angesteuert.
Der Bundesgerichtshof hat zunächst zum Thermofenster (BGH, Beschl. v. 19.01.2021, VI ZR 433/19, Rn. 17 ff; Beschl v. 09.03.2021, VI ZR 889/20, Rn 25 ff) und zwischenzeitlich auch zur Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung (vgl. BGH, Hinweisbeschluss vom 13.10.2021, VII ZR 99/21, Rn 24) indes entschieden, dass bei Einrichtungen, die “im Grundsatz auf dem Prüfstand und im normalen Fahrbetrieb in gleicher Weise” arbeiten, von einem Unrechtsbewusstsein bzw. Vorsatz der Beklagten nur bei Hinzutreten weiterer Umstände ausgegangen werden kann (in diesem Sinne auch OLG Hamm, Urt. v. 29.06.2021, 13 U 175/20, Rn. 67; Urt. v. 01 06 2021, 34 U 81/20, Rn 80; Urt. v. 01.06.2021, 34 U 81/20, Rn. 111). Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung handelt die Beklagte selbst dann nicht ohne weiteres sittenwidrig, wenn sie die Schaltkriterien für die AGR-Raten sowie die Ad-Blue Dosierung an die physikalischen Randbedingungen des NEFZ, also z B. an bestimmte Temperaturen (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 22.06.2021. 13 U 194/20. Rn. 67; OLG Frankfurt. Urt. v. 20.05.2021. 4 U 176/20, Rn. 32 ff). Drücke, Drehzahlen und Lasten (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 01 06.2021, 34 U 81/20, Rn 111; OLG Oldenburg, Urt. v. 14.05.2021, 6 U 310/20, Rn. 95) anlehnt. Weitere die Sitten Widrigkeit begründende Umstände, insbesondere Anhaltspunkte für wissentlich unterbliebene oder unrichtige Angaben der Beklagten im Typengenehmigungsverfahren. die noch dazu auf ein heimliches und manipulatives Vorgehen oder eine Überlistung des KBA und damit auf einen bewussten Gesetzesverstoß hindeuten würden, vermag der Senat nicht zu erkennen (vgl. BGH. Hinweisbeschluss v. 13.10.2021, VII ZR 99/21, Rn 17, 26). Ob sich der vom Kläger zitierten Stellungnahme der Rechtsanwälte F. B. D. vom 04.10.2015 entnehmen lässt, dass in dem streitgegenständlichen Fahrzeug der SCR bei einem Kaltstart von -7 °C entgegen Art. 3 Nr 9 der VO (EG) Nr. 692/200 vom 17.08.2008 die Betriebstemperatur von 200 °C nicht innerhalb von 400 Sekunden erreicht wird. bzw. ob dies tatsächlich so ist, kann dahinstehen. Im vorliegenden Zusammenhang kommt es nämlich nicht darauf an, ob der SCR-Katalysator bereits nach 400 Sekunden funktioniert oder nicht, sondern allein darauf, ob das Zusammenspiel von AGR-Rate und SCR-Katalysator auf dem Prüfstand und im Realbetrieb in gleicher Weise arbeitet. Dass es insoweit verschiedene Betriebsmodi gibt, folgt aus den Ausführungen der Rechtsanwälte F. B. D. jedoch nicht, zumal sich diese auf die zum damaligen Zeitpunkt produzierten EA 288 EU6 SCR Motoren mit Fahrkurve, nicht aber auf die nach der 22. KW 2016 produzierten EA288 EU6 SCR Motoren ohne Fahrkurve bezogen. Hinsichtlich des Thermofensters hat die Beklagte auch nicht die Abhängigkeit der Abgasrückführungsrate von der Außenlufttemperatur verschleiert Selbst aber wenn die Beklagte im Typgenehmigungsverfahren – erforderliche – Angaben zu den Einzelheiten der Motorsteuerung unterlassen haben sollte, wäre das KBA nach dem Amtsermittlungsgrundsatz gehalten gewesen, diese zu erfragen, um sich in die Lage zu versetzen, die Zulässigkeit der Abschalteinrichtung im streitgegenständlichen Fahrzeug zu prüfen (vgl. BGH, Hinweisbeschluss vom 13.10.2021, VII ZR 99/21, Rn. 17; OLG Naumburg, Urt. v. 20.05.2021, 4 U 176/20, Rn. 37, zitiert nach Juris; OLG Frankfurt, Urt. v. 19.05.2021, 4 U 247/19, Rn. 41, zitiert nach juris).
Aber auch dann, wenn EA288 EU 6 Motoren ohne Fahrkurvenerkennung noch über die oben dargestellten verschiedenen AGR/SCR Betriebsmodi im Prüfstand und im Realbetrieb verfügen würden, würde sich am Ergebnis nichts ändern.
Selbst in diesem Fall fehlt es nämlich an einer Täuschung des KBA durch die Beklagte (vgl. BGH, Beschl. v. 09.03.2021, VI ZR 889/20, Rn. 24. OLG Frankfurt, Urt. v. 28.09.2021, 24 U 208/20, Rn. 38, 44; OLG Hamm, Urt. v. 29.06.2021, 13 U 434/20, Rn. 94, 95; OLG Naumburg. Urt. v. 31.05.2021, 12 U 35/21, Rn. 21; OLG Oldenburg, Urt. v. 14.05.2021, 6 U 310/20, Rn. 57; jeweils zitiert nach juris). Vielmehr ergibt sich aus der anlässlich des Gesprächs vom 02.10.2015 beim KBA Vorgelegten “UmschaltstrategieEA288 EUG SCR”, dem Schreiben der Beklagten an das KBA vom 29.12.2015 (Anlage BE 2) sowie der von der Beklagten vorgelegten amtlichen Auskünfte des KBA an das OLG Oldenburg vom 11.02.2021, das OLG München vom 25.01.2021. das OLG Stuttgart vom 13.11.2020. das LG Kempten vom 16 03 2021, das LG Berlin vom 01.02.2021 und das LG Bayreuth vom 15.12.2020 (Anlagenkonvolut BE 4) hervor, dass die Fahrkurvenerkennung sowie die “Umschaltstrategie EA288 EUG SCR” dem KBA seit Ende 2015 bekannt waren und dort nicht als unzulässig eingestuft worden sind Das KBA hat hierzu ausgeführt, die Fahrkurvenerkennung habe als ein zusätzliches Kriterium zur Umschaltung von Emissionsminderungsstrategien gedient, funktioniere auf dem Prüfstand und im Straßenbetrieb gleichermaßen und habe keinen wesentlichen Einfluss auf die Schadstoffemissionen; auch bei Deaktivierung der Fahrkurvenerkennung würden die Grenzwerte für Stickoxide eingehalten (vgl. OLG Köln. Urt. v. 20.06.2021, 5 U 254/19, Rn. 38. OLG Hamm, Urt. v. 29.06.2021, 13 U 434/20, Rn. 88. 89; OLG München, Urt. v. 15.06.2021, 9 U 5466/20, Rn. 30 ff; OLG Hamm, Urt. V 14.06.2021, 8 U 156/20, Rn. 40; OLG Stuttgart, Urt. v. 18.05.2021, 16a U 1576/20, Rn. 39; OLG Oldenburg, Urt. v. 14.05.2021, 6 U 310/20, Rn. 90; jeweils zitiert nach juris).
Vor diesem Hintergrund kann jedenfalls kein Unrechtsbewusstsein bzw. Vorsatz der Beklagten festgestellt werden. Wenn das KBA als zuständige Fachbehörde die Rechtsauffassung vertritt, dass eine Fahrkurvenerkennung für sich betrachtet unproblematisch und eine hieran anknüpfende Umschaltung erst dann eine unzulässige Abschalteinrichtung sei, wenn sie sich auf die Einhaltung der Grenzwerte auswirke, kann man der Beklagten diesbezüglich kein unvertretbares Rechtsverständnis vorhalten (vgl. OLG Hamm. Urt. v. 29.06.2021, 13 U 175/20, Rn. 49, 60; OLG Hamm, Urt. v. 01.06.2021, 34 U 81/20, Rn. 112; OLG Naumburg, Urt. v. 31.05.2021, 12 U 35/21, Rn. 21; Urt. v. 20.05.2021, 4 U 176/20,. Rn 39; jeweils zitiert nach juris).
Zudem fehlt es an einem Schaden des Klägers, da keine Stilllegung des Fahrzeugs droht (vgl OLG Frankfurt, Urt. v. 28.09.2021, 24 U 208/20, Rn. 46, 49; OLG München, Urt. v. 15.06.2021. 9 U 5466/20. Rn. 34; OLG Hamm, Urt. v. 14.06.2021, 8 U 156/20, Rn. 36; OLG Frankfurt, Urt. v.19.05.2021, 4 U 247/19, Rn. 28: jeweils zitiert nach juris). Insoweit kann sich der Kläger auch nicht auf den Beschluss des BGH vom 28.01.2020, VIII ZR 57/19. stützen, wonach greifbare Anhaltspunkte für eine Abschalteinrichtung nicht erst nach Anordnung eines Rückrufs vorlägen, denn damit war lediglich der Fall gemeint, dass das KBA den betreffenden Motor noch nicht auf unzulässige Abschalteinrichtungen hin untersucht hatte, nicht aber der vorliegende umgekehrte Fall, dass bei diesbezüglichen Untersuchungen keine unzulässigen Abschalteinrichtungen festgestellt worden sind (vgl. OLG Oldenburg, Urt. v.14.05.2021, 6 U 310/20, Rn 74, zitiert nach juris). In diesem Zusammenhang kann sich der Kläger auch nicht auf den einen EA 153 betreffenden Rückruf 23BD, den hinsichtlich des vorliegenden T6 lediglich wegen einer Konformitätsabweichung erfolgten Rückruf 23Z7 (OLG Hamm, Urt. v. 01.06.2021, 34 U 81/20, Rn. 62 ff; OLG Naumburg, Urt. v. 20.05.2021, 4 U 176/20, Rn. 43 ff; jeweils zitiert nach juris) oder auf die freiwillige Servicemaßnahmen 23X4. 23AV und 23YC berufen (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 01.06.2021.34 U 81/20, Rn. 101, zitiert nach juris).
An seiner hinsichtlich der vorgenannten drei Punkte (fehlende Täuschung des KBA. fehlendes Unrechtsbewusstsein bzw. fehlender Vorsatz der Beklagten, fehlender Schaden) abweichenden Rechtsauffassung in seinem Urteil vom 09.04.2021 (8 U 68/20) hält der Senat nicht weiter fest.
Ob das OBD fehlerhaft arbeitet, kann dahinstehen, da es sich hierbei um ein Fahrzeugdiagnosesystem und keine Abschalteinrichtung handelt (vgl OLG Oldenburg, Urt. v. 14.05.2021, 6 U 310/20, Rn. 91 ff. OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.05.2021, 18 U 526/19, Rn. 37 ff; jeweils zitiert nach juris).
Der klägerische Vortrag, wonach das Fahrzeug nur während der NEFZ-Prüfdauer von 1180 Sekunden die Abgasgrenzwerte einhalte (Bl. 13 II d.A.), ist im Hinblick darauf, dass die von der Beklagten vorgelegten amtlichen Auskünfte des KBA, der durch das BMVI veröffentlichte Bericht der der Untersuchungskommission V. sowie die im Rahmen der freizugebenden Software-Updates für das Nationale Forum Diesel und im Rahmen spezifischer Feldüberwachungen durchgeführten Untersuchungen die Anforderungen an die dem Kläger zum Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung obliegende Darlegungslast erhöhen (vgl OLG Köln, Urt. v. 20.06.2021, 5 U 254/19, Rn. 39: OLG Hamm, Urt. v. 29.06.2021, 13 U 434/20, Rn. 98, 99; Urt. v. 29.06.2021, 13 U 175/20, Rn. 54 ff; jeweils zitiert nach juris), nicht hinreichend (nach-) substanziiert (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 14.06.2021, 8 U 156/20, Rn. 43. Urt. v. 01.06.2021, 34 U 81/20, Rn. 111).
Der Kläger hat auch keinen Anspruch aus § 823 Abs 2 BGB i. V. m. Schutzgesetzen vgl. OLG Hamm, Urt. v. 01.06.2021, 34 U 81/20, Rn. 115 ff., m.w.N.).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gem. §§ 708 Nr. 10. 709 S 2, 711 ZPO.
Die Revision ist nicht gern § 543 Abs 2 S. 1 ZPO zuzulassen, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat. noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (vgl. BGH. Beschl. v. 13.10.2021, VII ZR 99/21, Rn 9).
Der Streitwert wurde gem. §§ 43 Abs. 1, 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO festgesetzt.


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