Europarecht

Familienpflege

Aktenzeichen  B 8 K 20.1427

Datum:
22.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 41378
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
Corona-Pflegebonusrichtlinie – CoBoR –

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheits¬leistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v.H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des zu voll¬streckenden Betrages leistet.

Gründe

Über die Klage kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, der als Urteil wirkt, entschieden werden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Halbsatz 1 VwGO). Die Beteiligten wurden gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid gehört.
1. Die Klage ist zulässig. Obwohl ein ausdrücklicher Klageantrag fehlt, ist die Klage als Versagungsgegenklage, § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO, zu verstehen, da dieses Begehren dem Klageschriftsatz eindeutig zu entnehmen ist (§ 88 VwGO).
2. Die Klage hat in der Sache allerdings keinen Erfolg.
Der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten vom 01.12.2020 ist rechtmäßig und damit nicht aufzuheben (§ 113 Abs. 1 VwGO). Der Klägerin steht kein Anspruch auf Gewährung eines Pflegebonus nach der Corona-Pflegebonusrichtlinie – CoBoR – zu (§ 113 Abs. 5 VwGO).
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird im Wesentlichen zur Begründung auf die zutreffenden Ausführungen im genannten Bescheid des Beklagten Bezug genommen, § 117 Abs. 5 VwGO. Ergänzend ist auszuführen:
2.1 Ein Anspruch auf die Förderung besteht im Einzelfall über den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung und den Gleichheitssatz dann, wenn die in den Richtlinien dargelegten Fördervoraussetzungen vorliegen und vergleichbare Anträge in ständiger Förderpraxis des Beklagten auch positiv verbeschieden werden (vgl. z.B. BayVGH, U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – juris Rn. 23). Daran setzt der Maßstab der gerichtlichen Überprüfung an.
Nach Nr. 2 der CoBoR sind Begünstigte der Richtlinie Personen, die in bestimmten Einrichtungen eine geförderte pflegerische Tätigkeit ausüben.
(1) Gefördert wird nach Nr. 2 Satz 1 CoBoR die Tätigkeit in folgenden Einrichtungen:
– Krankenhäuser
– Rehabilitationskliniken
– Stationäre Alten-, Pflege- und Behinderteneinrichtungen
– Ambulante Pflegedienste
(2) Begünstigte Tätigkeiten sind nach Ziff. 2 Satz 1 und 2 insbesondere
– Pflegende
– tatsächlich in der Pflege Tätige, deren ausgeübte berufliche Tätigkeit der Pflege entspricht und mit dieser vergleichbar ist
– Rettungssanitäter, Rettungsassistenten, Notfallsanitäter, nichtärztliche Einsatzkräfte im Rettungsdienst
– Auszubildende in den in den Anlagen benannten staatlich anerkannten Berufsgruppen
(3) Das Beschäftigungsverhältnis muss am 7 April 2020 bestanden haben und nach seiner vertraglichen Bestimmung überwiegend im Freistaat Bayern ausgeübt werden.
Dabei müssen alle Voraussetzungen für die Förderfähigkeit erfüllt sein.
Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen weder im Hinblick auf eine von der CoBoR begünstigte Einrichtung (siehe unten Nr. 2.1.1), noch im Hinblick auf eine Pflegetätigkeit im o.g. Sinn (siehe unten Nr. 2.1.2).
2.1.1 Sie ist weder in einem Krankenhaus, einer Rehabilitationsklinik oder in einer stationären Alten-, Pflege- und Behinderteneinrichtung tätig. Ihr Arbeitgeber ist auch keine ambulante Pflegeeinrichtung (Pflegedienst). Derartige Einrichtungen müssen gemäß § 71 SGB XI besondere Anforderungen erfüllen und bedürfen einer Zulassung. Die Pflegekassen dürfen gemäß § 71 Abs. 1 SGB XI ambulante und stationäre Pflege nur durch Pflegeeinrichtungen gewähren, mit denen ein Versorgungsvertrag besteht (zugelassene Pflegeeinrichtungen). Erst mit Abschluss des Versorgungsvertrages wird die Pflegeeinrichtung für die Dauer des Vertrages zur pflegerischen Versorgung der Versicherten zugelassen.
Der Arbeitgeber der Klägerin fällt offensichtlich nicht darunter. Dies ergibt sich aus der Internetseite der Einrichtung (* …*). Danach ist Familienpflege wie folgt erklärt:
„Wenn die Haupterziehungsperson krank ist oder ein Krankenhausaufenthalt ansteht, kann Familienpflege bzw. Haushaltshilfe nach § 38 SGB V ärztlich verordnet werden. Diese Verordnung bescheinigt Dauer und Notwendigkeit des Einsatzes. Mit diesem „Rezept“ stellt die Familie einen Antrag auf Haushaltshilfe bei der Krankenkasse, welche als Kostenträger den Einsatz genehmigen muss.
Bestätigt werden diese Ausführungen durch den in Bezug genommenen § 38 SGB V („Haushaltshilfe“): Danach erhalten Versicherte Haushaltshilfe, wenn ihnen wegen Krankenhausbehandlung oder wegen einer Leistung nach § 23 Abs. 2 oder 4, §§ 24, 37, 40 oder § 41 (Anm.: SGB V) die Weiterführung des Haushalts nicht möglich ist. Die Familienpflege tritt dann ein, wenn die Person, die bisher einen Haushalt mit mindestens einem Kind geführt hat, in der Regel Mutter oder Vater, diesen zum Beispiel wegen Krankheit, Schwangerschaft, Erholungs- oder Kuraufenthalt nicht mehr selbst oder nicht mehr alleine führen kann (vgl. https://www.stmgp.bayern.de/pflege/pflege-zu-hause/ambulante-pflegedienste/ vom 16.02.2021).
Die Voraussetzungen eines ambulanten Pflegedienstes sind im vorliegenden Verfahren deshalb mangels des Angebots einer Pflegetätigkeit für eine erkrankte Person (s.o.) nicht gegeben.
2.1.2
Aus den gleichen Gründen liegt auch keine pflegerische Tätigkeit der Klägerin im Sinne der CoBoR vor. Denn Voraussetzung der hier vorliegenden Familienpflege ist vielmehr, dass eine Person aus diversen Gründen, meist Krankheit, nicht ihren Aufgaben und Pflichten im Haushalt nachkommen kann. Dieser Ausfall im Haushalt wird durch den Familienhelfer aufgefangen. Eine pflegerische Tätigkeit der erkrankten Person ist damit – anders als der Begriff „Familienpflege“ suggeriert – in der Regel gerade nicht verbunden.
Unabhängig davon wird der persönliche Einsatz der Klägerin in den Familien durch das Gericht sehr wohl wahrgenommen und geschätzt.
2.1.3
Soweit in Anlage 1 der CoBoR die Qualifikation „Familienpfleger/in mit staatlichem Abschluss“ ausdrücklich genannt ist, verhilft dies der Klägerin nicht zum Erfolg. Denn zum einen bezieht sich diese Anlage ausdrücklich nur auf stationäre Einrichtungen zur Langzeitpflege bzw. auf ambulante Pflegedienste, die nicht vorliegen (s.o. Nr. 2.1.1), noch vermag diese Nennung die fehlende pflegerische Tätigkeit im o.g. Sinn (s.o. Nr. 2.1.2) zu ersetzen. Mit der Anlage 1 der CoBoR wird lediglich die Einordnung der möglichen Berufsgruppen, die pflegerische Tätigkeiten ausüben können, erleichtert.
2.1.4
Eine „Auslegung“ im Sinne einer Generalklausel zur Erweiterung der Begriffe „ambulante Pflegedienste“ oder „tatsächlich in der Pflege Tätige“ auf die Familienpflege im oben geannten Umfang verbietet sich nach dem Maßstab der gerichtlichen Überprüfung. Die CoBoR darf nicht – wie Gesetze oder Rechtsverordnungen – gerichtlich ausgelegt werden, sondern dient nur dazu, eine dem Gleichheitsgrundsatz entsprechende Ermessensausübung der Behörde zu gewährleisten (vgl. BayVGH, U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – juris Rn. 23.). Anhaltspunkte für eine entgegenstehende Bewilligungspraxis sind nicht ersichtlich.
2.2 Aus Gründen der Gleichbehandlung (Art. 3 GG) ist ebenfalls kein Anspruch auf Bewilligung des Pflegebonus ersichtlich.
Es sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass der Beklagte Beschäftigten in der Familienpflege generell einen Bonus nach der genannten Richtlinie gewährt hat und die Klägerin unter Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz davon ausgenommen hätte. Solches hat die Klägerin auch nicht behauptet.
2.3 Nach dem Wortlaut der Richtlinie kommt es insbesondere nicht darauf an, inwieweit die Klägerin durch ihre Tätigkeiten einem besonderen Infektionsrisiko ausgesetzt gewesen ist. Vielmehr ist nur auf die Art der Tätigkeit, „tatsächlich in der Pflege Tätige“ abgestellt. Auch hier gilt, dass Subventionstatbestände grundsätzlich eng auszulegen und deshalb einer erweiternden Auslegung nicht zugänglich sind.
Die Klage ist deshalb abzuweisen.
3. Als unterliegender Teil trägt die Klägerin gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V. m. §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung – ZPO -.


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