Aktenzeichen 32 U 505/17
Leitsatz
1 Die Rechtsprechung des BGH zur Verkürzung der in § 580a BGB für gewerbliche Mietverhältnisse vorgesehenen Kündigungsfristen lässt sich nicht auf § 584 BGB und auf Pachtverhältnisse übertragen, denn anders als im Mietrecht gehört die in § 584 BGB enthaltene Kündigungsfrist für Pachtverhältnisse nicht zu den wesentlichen Grundgedanken des Pachtrechts. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2 In einer Kündigungsfrist von 3 Monaten liegt keine unangemessene Benachteiligung des Pächters. (Rn. 18 – 19) (redaktioneller Leitsatz)
3 Auch in Pachtverträgen ist eine Klausel, dass die Kündigung nur durch einen eingeschriebenen Brief erfolgen könne, regelmäßig dahin auszulegen, dass die Schriftform konstitutive Bedeutung im Sinne von § 125 S. 2 BGB hat, während die Versendung als Einschreibebrief nur den Zugang der Kündigungserklärung sichern soll. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
24 O 11473/16 2017-01-09 Urt LGMUENCHENI LG München I
Tenor
1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 09.01.2017, Aktenzeichen 24 O 11473/16, wird zurückgewiesen.
2. Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 116.840,66 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit von zwei von der Beklagten ausgesprochenen Kündigungen eines Pachtverhältnisses und um die Schadensersatzpflicht der Beklagten.
Die Beklagte ist (Haupt-)Pächterin der Gaststätte „A“ in M.
Mit dem als K 1 vorgelegten Pachtvertrag vom 03.11./05.11.2014 verpachtete die Beklagte die Gaststätte. In dem Pachtvertrag sind unter Ziffer 1. die Vertragsparteien bezeichnet. Die Klägerin zu 1 wird darin als Pächter und der Kläger zu 2 als Gesamtschuldner bezeichnet.
Ziffer 4. des Vertrages lautet u.a.:
„4. Pachtdauer
Beginn: …
Ende: auf unbestimmte Zeit
Kündigungsfrist: drei Monate zum Quartalsende“
Die Beklagte kündigte den Pachtvertrag mit dem als K 2 vorgelegten Schreiben vom 30.03.2016 ordentlich gegenüber der Klägerin zu 1 zum 30.06.2016. Das Schreiben wurde der Klägerin zu 1 per Boten übermittelt.
Die Klägerin betrieb die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Vollstreckungsunterwerfung vom 02.02.2015. Am 28.09.2016 wurde das Objekt geräumt.
Die Kläger haben vor dem Landgericht auf Feststellung geklagt, dass der Pachtvertrag weiter fortbesteht. Zudem klagt die Klägerin auf Ersatz des Schadens, der ihr durch die Vollstreckung für den Monat Oktober 2016 entstanden sei.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Kündigung vom 30.03.2016 sei wirksam gewesen und habe das Mietverhältnis zum 30.06.2016 beendet. Die Vereinbarung einer Kündigungsfrist von drei Monaten sei nicht nach § 307 BGB unwirksam. Die Kündigung sei auch nicht wegen eines Formmangels nach § 125 Satz 1 BGB unwirksam oder verstoße gegen das Gebot von Treu und Glauben. Wegen der erheblichen Pachtrückstände sei jedenfalls die außerordentliche Kündigung vom 26.09./13.10.2016 wirksam. Ein Anspruch auf Schadensersatz bestehe nicht, da die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde vom 02.02.2015, die am 28.09.2016 stattgefunden hat, zulässig gewesen sei.
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihre erstinstanzlichen Anträge, erweitert um Hilfsanträge, weiter. Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung sei eine Verkürzung der gesetzlichen Kündigungsfristen in einem Formularvertrag nach § 307 BGB unwirksam. Für den Fall einer abweichenden Beurteilung durch das Berufungsgericht werde die Zulassung der Revision beantragt. Die Auslegung des Pachtvertrages ergebe auch, dass die im Vertrag für eine Kündigung vorgesehene Zustellung per Einschreiben ein Wirksamkeitserfordernis sein solle. Das OLG weiche von der eigenen Rechtsprechung ab, wenn ein Verstoß gegen Treu und Glauben im Hinblick auf mündliche Zusagen der Verpächterseite abgelehnt werde.
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird im übrigen auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts München I vom 09.01.2017 Bezug genommen.
Im Berufungsverfahren beantragen die Kläger:
1. Es wird festgestellt, dass durch ordentliche Kündigung der Beklagten vom 30. März 2016 zugegangen per Boten am 30. März 2016 und Kündigung vom 26. September/13. Oktober 2016 der Beklagten der Pachtvertrag zwischen den Parteien bezüglich des Pachtobjekts Gaststätte mit der Betriebsbezeichnung „A“ in M, vom 03. November/05. November 2015 nicht beendet wurde, sondern weiter fortbesteht.
2. Hilfsweise, für den Fall, dass dem Antrag unter Ziffer l, nicht stattgegeben wird, wird beantragt, der Klägerin und dem Kläger den Besitz an den Räumen des Pachtobjekts Gaststätte mit der Bezeichnung „A“, M, wieder einzuräumen.
3. Hilfsweise, für den Fall, dass dem 1. Hilfsantrag nicht stattgegeben wird, wird die Beklagte verpflichtet, an die Klägerin Teilschadenersatz m Höhe von 38.609,46 € an die Klägerin zu zahlen.
4. Die Beklagte wird verpflichtet, an die Klägerin, den Ersatz des Schadens, den die Klägerin durch die unzulässige Vollstreckung erlitten hat, für den Monat Oktober in Höhe von 24.430,78 € zu zahlen.
Der Senat hat mit dem Beschluss vom 01.08.2017 einen Hinweis nach § 522 Abs. 2 ZPO erteilt.
II.
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 09.01.2017, Aktenzeichen 24 O 11473/16, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats vom 01.08.2017 Bezug genommen.
1. Auch die Ausführungen in der Gegenerklärung vom 20.09.2017 geben zu einer Änderung keinen Anlass. Darin setzt sich die Klageseite nochmals ausführlich und vertieft mit der bisherigen Rechtsprechung zu der Wirksamkeit der formularvertraglichen Verkürzung von Kündigungsfristen in Mietverträgen und deren Übertragbarkeit auf Pachtverträge auseinander. Nach Ansicht der Berufung können die Erwägungen des Senates zur Abdingbarkeit der aus § 584 BGB folgenden Kündigungsfrist nur für Individualabreden gelten. Die längere Kündigungsfrist gehöre zu den wesentlichen Grundgedanken des Gesetzes. Zudem sei der Beurteilungsmaßstab ein genereller und damit unabhängig von den übrigen Regelungen des Vertrages. Der Pächter habe wegen der Investitionen generell ein großes Interesse an langen Kündigungsfristen.
Letztlich vermögen die ausführlichen und grundsätzlichen Erwägungen der Berufung nicht zu überzeugen, wenn auch vieles für die Ansicht der Berufung sprechen mag.
Die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 30.03.2017 hat das Pachtverhältnis der Parteien zum 30.06.2017 beendet. Die in Ziffer 4. des Pachtvertrages enthaltene Vereinbarung einer Kündigungsfrist von drei Monaten zum Quartalsende ist nicht nach § 307 BGB unwirksam. Die Rechtsprechung des BGH zur Verkürzung der in § 580a BGB für gewerbliche Mietverhältnisse vorgesehenen Kündigungsfristen lässt sich schon nicht auf § 584 BGB und auf Pachtverhältnisse übertragen. Der Senat hat bereits darauf hingewiesen, dass die Vorschrift schon nach dem Willen des Gesetzgebers nicht zwingend sein sollte und den besonderen Bedürfnissen des einzelnen Falles angepasst werden können sollte. Der BGH hat seine Erwägungen zu der Wirksamkeit von Verkürzungen der gesetzlichen Kündigungsfrist von Mietverträgen darauf gestützt, dass die Festlegung der Kündigungsfristen zu den wesentlichen Grundgedanken des gesetzlichen Mietrechts gehöre, von denen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht zu Lasten des Vertragsgegners abgewichen werden dürfe (vgl. BGH, Urteil vom 30. Mai 2001 – XII ZR 273/98 -, Rn. 29). Die in § 584 BGB enthaltene Kündigungsfrist für Pachtverhältnisse gehört aber nach dem Willen des Gesetzgebers nicht zu den wesentlichen Grundgedanken des Pachtrechts. Da sie von den Parteien den Besonderheiten des jeweiligen Pachtverhältnisses angepasst werden soll, gibt es kein gesetzliches Leitbild einer Kündigungsfrist von einem Jahr.
Der Pächter wird durch eine Kündigungsfrist von drei Monaten zum Quartalsende auch nicht unangemessen benachteiligt. Die Berufung ist der Auffassung, typischer Weise würden bei Pachtverhältnissen vom Pächter hohe Investitionen vorgenommen, so dass der Pächter eines Schutzes durch die längere Kündigungsfrist bedürfe. Der Schutz von Investitionen des Pächters erfolgt jedoch durch die Vereinbarung von festen Pachtzeiten oder anderen Vereinbarungen wie bspw. der Vereinbarung von Zahlungen des Verpächters bei Beendigung des Vertragsverhältnisses vor einer Amortisation der Investition des Pächters. Nach der Auffassung der Berufung wäre auch eine formularvertragliche Verkürzung der Kündigungsfrist auf 6 Monate zum Quartalsende unwirksam. Eine Bevorzugung des Pächters gegenüber dem gewerblichen Mieter erscheint aber nicht erforderlich, wenn auf den Schutz von Investitionen abgestellt werden soll. Auch die unterschiedliche Ertragslage rechtfertigt keine Bevorzugung des Pächters gegenüber dem gewerblichen Mieter einer Gaststätte.
Der Senat sieht auch keine unangemessene Benachteiligung des Pächters einer Gaststätte darin, dass die Kündigungsfrist von der im Gesetz in § 580a Abs. 2 BGB für gewerbliche Mietverhältnisse vorgesehenen Kündigungsfrist abweicht. Denn bei einem Pachtvertrag sind die Räume auch so eingerichtet und ausgestattet, dass sie alsbald für den Betrieb mit Gewinn benutzt werden können (Palandt/Weidenkaff, 76. Aufl., Einf v § 535 BGB Rn. 16). Unabhängig von der Frage, ob an der Rechtsprechung zu § 580a BGB festzuhalten ist, rechtfertigt jedenfalls dieser wesentliche Unterschied zum Mietvertrag eine abweichende Beurteilung entsprechender Klauseln.
Die Kündigung vom 30.03.2017 ist auch nicht nach § 125 Satz 2 BGB wegen eines Formmangels unwirksam. Durch die notarielle Vereinbarung vom 02.02.2015 haben die Parteien den Mietvertrag nicht dahin geändert, dass die Zustellung einer Kündigung durch eingeschriebenen Brief Voraussetzung der Wirksamkeit der Kündigung sein soll.
Zu Vertragsklauseln in Mietverträgen über Gewerberaum, die eine schriftliche Kündigung durch Einschreiben vorsehen, hat der BGH entschieden, dass die Schriftform konstitutive Bedeutung im Sinne von § 125 Satz 2 BGB hat, während die Versendung als Einschreibebrief nur den Zugang der Kündigungserklärung sichern soll. Deswegen ist bei einer solchen Klausel regelmäßig nur die Schriftform als Wirksamkeitserfordernis für die Kündigungserklärung vereinbart, wohingegen ihr Zugang auch in anderer Weise als durch einen Einschreibebrief wirksam erfolgen kann (BGH, Urteil vom 14. Oktober 2015 – XII ZR 84/14 -, Rn. 28, juris). Auch der Zusammenhang mit der Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung durch die Klägerin führt zu keiner abweichenden Auslegung. Anders als die Berufung sieht der Senat keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Zustellart eine formale Sicherung darstellen und deshalb Voraussetzung der Wirksamkeit der Kündigung sein sollte. Denn die formale Sicherung betrifft gerade die Beweisbarkeit und nicht die Wirksamkeit der Parteierklärungen. Der Senat kann auch nicht erkennen, dass die Parteien der Zustellart eine Warnfunktion zugemessen haben, dass also der Pächter wegen der Unterwerfungserklärung besonders auf den Zugang einer Kündigung durch diese Zustellart hingewiesen werden sollte. Vielmehr konnten die Parteien davon ausgehen, dass schriftlichen Erklärungen des Vertragspartners in jedem Fall ausreichend Aufmerksamkeit zuteil wird.
Im übrigen bezieht sich der Senat auf den Beschluss vom 01.08.2017. Auch die weiteren Ausführungen lassen die ordentliche Kündigung eines unbefristeten Vertrages nicht treuwidrig erscheinen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.