Europarecht

Gerichtsstandsbestimmung für Schadensersatzansprüche wegen Lieferfristüberschreitung

Aktenzeichen  1 AR 74/19

Datum:
12.9.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
TranspR – 2020, 418
Gerichtsart:
BayObLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 30, § 35, § 36 Abs. 1 Nr. 6, § 38 Abs. 1, § 261 Abs. 3 Nr. 2
BGB § 269 Abs. 1, § 305c Abs. 1

 

Leitsatz

1 Die Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses entfällt dann, wenn er jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und deshalb als objektiv willkürlich betrachtet werden muss. Hierfür genügt nicht, dass der Beschluss inhaltlich unrichtig oder fehlerhaft ist. Willkür liegt nur vor, wenn der Verweisungsbeschluss bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (ebenso BGH BeckRS 2015, 11660). (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein professionelles Speditionsunternehmen muss als Auftragnehmer von Transportleistungen mit der Verwendung einer Klausel des Auftraggebers in dessen Auftragsbedingungen rechnen, in der ein alleiniger Gerichtsstand am Sitz der Niederlassung des Auftraggebers geregelt ist. Eine entsprechende Bestimmung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist nicht überraschend iSv § 305c Abs. 1 BGB. (Rn. 26 – 27) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Zuständig ist das Landgericht Regensburg.

Gründe

I.
Mit Klageschrift vom 21. August 2018 erhob die Klägerin Klage zum Landgericht Regensburg, Kammer für Handelssachen. Mit dieser macht sie Schadensersatzansprüche wegen Lieferfristüberschreitung aus einem mit der Beklagten geschlossenen Subunternehmervertrag über die Beförderung von Schienen aus einem Lager in Gelsenkirchen zu einer Bahnbaustelle in Lindau geltend. Die Klägerin selbst war von einem Münchener Unternehmen als Spediteurin mit der Durchführung der Beförderung beauftragt worden. Die Beklagte, bei der es sich ebenfalls um ein Speditionsunternehmen handelt, gab den Auftrag ihrerseits an eine Subunternehmerin, die Streithelferin auf Seiten der Beklagten, weiter.
Die Klägerin hat ihren Sitz im Landgerichtsbezirk Regensburg, die Beklagte im Bezirk des Landgerichts Siegen.
Zur Begründung der örtlichen Zuständigkeit des Landgerichts Regensburg berief sich die Klägerin auf eine zwischen den Parteien geschlossene, auf Seite 2 des Transportauftrags (Anlage K 1) in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Gerichtsstandsvereinbarung, welche lautet:
(5) Abweichend von der ADSp gilt als Erfüllungsort und Gerichtsstand Regensburg.
In Ziffer (2) der aus insgesamt zehn Ziffern bestehenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen heißt es:
(2) Für die Transportdurchführung gelten die gesetzlichen Bestimmungen nach Maßgabe des eingesetzten Fahrzeugs in Verbindung mit den für unsere Tätigkeit geltenden „Allgemeinen deutschen Spediteurbedingungen 2017 (ADSp 2017)“ in derzeit gültiger Fassung. Der Auftragnehmer sichert dem Auftraggeber zu, die Pflichten zur Zahlung des Mindestlohns nach dem MiLoG in der jeweils gültigen Höhe an seine Arbeitnehmer einzuhalten. Sie werden bei der Erbringung unserer Leistungen keine Nachunternehmer einsetzen.
In der Klageerwiderung vom 31. Oktober 2018 erhob die Beklagte die Rüge der örtlichen Unzuständigkeit mit der Begründung, in dem Transportauftrag sei eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung nicht enthalten. Die Frachtauftragsregelungen seien überraschend und intransparent. Die ADSp 2017 sähen in Ziffer 30 eine Gerichtsstandsregelung vor, die sich auf Rechtsstreitigkeiten gegen die Klägerin als auftragnehmende Spediteurin bezögen; daher sei ein abweichender Gerichtsstand vorliegend ausgeschlossen. Wenigstens könne sich auch die Gerichtsstandsklausel nur auf Klagen gegen die Klägerin beziehen. Bei Geltung der ADSp seien Abweichungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen überdies nicht zu erwarten. Solche hätten außerdem deutlich gekennzeichnet und abgehoben werden müssen. Ansonsten könne aus Sicht eines Auftragnehmers schlechterdings nicht nachvollzogen werden, welche der unterschiedlichen Gerichtsstandsvereinbarungen denn nun Geltung beanspruchen solle.
Die Beklagte brachte weiter vor, sie sei aus Opportunitätsgründen mit einer Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht München I, Kammer für Handelssachen, als zu vereinbarendem Gericht einverstanden. Wenn die Klägerin dem nicht zustimmen wolle, möge die Verweisung an das Gericht des Abgangsorts gemäß § 30 ZPO, mithin das Landgericht Essen, Kammer für Handelssachen, erfolgen.
Die Klägerin erwiderte mit Schriftsatz vom 17. Dezember 2018, es sei im Geschäftsverkehr zwischen Speditionen üblich und keineswegs überraschend, zum einen die Geltung der ADSp und zum anderen einen gesonderten Gerichtsstand, insbesondere am Sitz des Auftraggebers, zu vereinbaren. Abgesehen davon ergebe sich die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ohnehin aus Ziffer 30.3 ADSp 2017. Danach sei neben dem Ort der Niederlassung des Spediteurs, an den der Auftrag gerichtet sei, auch der Ort der Niederlassung des Auftraggebers, hier also der Klägerin, zuständiger Gerichtsstand, wobei ihr die Wahl des Gerichtsstands obliege (§ 35 ZPO). Für den Fall, dass sich das Landgericht Regensburg dennoch für unzuständig halte, sei sie damit einverstanden, dass der Rechtsstreit an das Landgericht München I, Kammer für Handelssachen, als zu vereinbarendem Gericht verwiesen werde.
Mit Schriftsatz vom 18. Februar 2019 ergänzte die Beklagte, die Verortung des ergänzenden Gerichtsstands innerhalb der Geschäftsbedingungen der Klägerin sei vollkommen untypisch; Gerichtsstands- und Rechtswahlvereinbarungen befänden sich üblicherweise am Ende eines Bedingungswerks. Sie erkläre sich weiterhin mit einer Verweisung an das Landgericht München I, Kammer für Handelssachen, einverstanden.
Mit Verfügung vom 4. März 2019 wies das Landgericht Regensburg darauf hin, dass sich seine Zuständigkeit nicht aus Ziffer 30.3 ADSp 2017 ergebe, und regte an, einen Verweisungsantrag zu stellen. Die Geltung der ADSp sei zwar in Ziffer (2) der Auftragsbedingungen der Klägerin vereinbart, allerdings nur für Tätigkeiten der Klägerin als Auftragnehmerin. Zur Begründung verwies das Landgericht auf die Formulierung in Ziffer (2) „für unsere Tätigkeit geltenden „Allgemeinen deutschen Spediteurbedingungen 2017 (ADSp 2017)“”. Ziffer (5) der Auftragsbedingungen betreffe demnach ebenfalls nur Rechtsstreitigkeiten, bei denen die Klägerin als Auftragnehmerin handele.
Mit Schriftsatz vom 20. März 2019 beantragte die Klägerin, den Rechtsstreit an das Landgericht München I zu verweisen, unter Hinweis darauf, dass sich die Beklagte mit Schriftsatz vom 18. Februar 2019 hiermit bereits einverstanden erklärt habe.
Mit Beschluss vom 25. März 2019 erklärte sich das Landgericht Regensburg für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das Landgericht München I, Kammer für Handelssachen. Dieses sei gemäß § 38 Abs. 1 ZPO zuständig. Das angerufene Gericht sei örtlich unzuständig. Zur Begründung nahm das Landgericht auf seine Verfügung vom 4. März 2019 Bezug.
Mit Beschluss vom 3. April 2019 lehnte das Landgericht München I die Übernahme des Verfahrens ab und verwies den Rechtsstreit an das Landgericht Regensburg zurück. Zur Begründung führte es aus, die Parteien hätten in Ziffer (5) der klägerischen Allgemeinen Geschäftsbedingungen wirksam den Gerichtsstand Regensburg vereinbart. Es handele sich um eine übliche Klausel, die weder überraschend, noch intransparent sei. Ziffer (5) sei ausdrücklich abweichend von den ADSp vereinbart und gelte damit ersichtlich für alle Rechtsstreitigkeiten aus dem streitgegenständlichen Transportauftrag, nicht nur für gegen die Klägerin gerichtete Klagen. Die vom Landgericht Regensburg vorgenommene einschränkende Auslegung sei schlicht nicht vertretbar, der Verweisungsbeschluss sei daher willkürlich. Sei ein Rechtsstreit vor einem einmal zuständigen Gericht – hier dem Landgericht Regensburg – rechtshängig geworden, sei eine Prorogation nicht mehr möglich. Das Landgericht München I sei unter keinem Gesichtspunkt örtlich zuständig.
Mit Verfügung vom 14. Mai 2019 hat das Landgericht Regensburg die Akten dem Bayerischen Obersten Landesgericht zur Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO vorgelegt. Der Verweisungsbeschluss vom 25. März 2019 sei nicht willkürlich ergangen. Eine örtliche Zuständigkeit für die Klage bestehe nicht.
Die Parteien wurden angehört. Sie vertiefen ihr bisheriges Vorbringen. Die Klägerin bringt vor, der eindeutige Wortlaut in Ziffer 30.3 ADSp 2017 spreche dagegen, dass die Bestimmung eine Gerichtsstandsregelung vorsehe, welche sich auf Rechtsstreitigkeiten gegen die Klägerin als auftragnehmende Spediteurin beziehe. Die Beklagte macht geltend, die ADSp 2017 enthielten keine Regelung zum Gerichtsstand zugunsten Regensburg, weil sie für Klagen gegen den Spediteur aus dem Vertragsverhältnis und nicht des Spediteurs gelte. Ziffer (5) der Auftragsbedingungen statuiere eine Abweichung nur von Ziffer 30 ADSp 2017. Diese Gerichtsstandsvereinbarung sei wirksam, obwohl sie nach Rechtshängigkeit geschlossen worden sei. Das Landgericht Regensburg sei weder zuständig gewesen, noch sei es im Rahmen des Prozesses zuständig geworden. Der Beschluss des Landgerichts Regensburg sei nicht willkürlich.
II.
Auf die zulässige Vorlage ist die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Regensburg auszusprechen.
1. Die Voraussetzungen für die Bestimmung der Zuständigkeit gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 ZPO (vgl. Schultzky in Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 36 Rn. 34 ff. m. w. N.) durch das Bayerische Oberste Landesgericht liegen vor. Das Landgericht Regensburg hat sich durch gemäß § 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO unanfechtbaren Verweisungsbeschluss vom 25. März 2019 für unzuständig erklärt, das Landgericht München I durch die zuständigkeitsverneinende und den Parteien bekanntgegebene Entscheidung vom 3. April 2019. Die jeweils ausdrücklich ausgesprochene Leugnung der eigenen Zuständigkeit erfüllt das Tatbestandsmerkmal „rechtskräftig“ im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO (vgl. BGH, Beschluss vom 15. August 2017, X ARZ 204/17, NJW-RR 2017, 1213 Rn. 12; Beschluss vom 19. Februar 2013, X ARZ 507/12, NJW-RR 2013, 764 Rn. 5; Beschluss vom 10. Dezember 1987, I ARZ 809/87, BGHZ 102, 338/340, jeweils m. w. N.).
Zuständig für die Bestimmungsentscheidung ist gemäß § 36 Abs. 2 ZPO i.V. m. § 9 EGZPO das Bayerische Oberste Landesgericht, weil die Bezirke der am negativen Kompetenzkonflikt beteiligten Gerichte zum Zuständigkeitsbereich unterschiedlicher bayerischer Oberlandesgerichte (Nürnberg und München) gehören.
2. Örtlich zuständig zur Entscheidung über den Rechtsstreit ist das Landgericht Regensburg. Ein Gerichtsstand in Regensburg ergibt sich aus Ziffer 30.3 Satz 1 der ADSp 2017, deren Geltung die Parteien gemäß Ziffer (2) der klägerischen Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbart haben. Zudem haben die Parteien diesen Gerichtsstand in Ziffer (5) der Auftragsbedingungen abweichend von Ziffer 30.3 Satz 1 der ADSp 2017 als alleinigen vereinbart. Da die Klägerin wirksam ihr Wahlrecht ausgeübt hat, § 35 ZPO, kann offenbleiben, ob die Parteien eine die örtliche Zuständigkeit der Gerichte in Regensburg begründende Gerichtsstandsbestimmung ausschließlich oder nur fakultativ vereinbart haben. Gemäß Ziffer (5) der klägerischen Auftragsbedingungen liegt im Übrigen auch der Erfüllungsort in Regensburg, § 29 ZPO, § 269 Abs. 1 BGB. Der Verweisungsbeschluss des Landgerichts Regensburg bindet ausnahmsweise nicht.
a) Der Gesetzgeber hat zwar in § 281 Abs. 2 Sätzen 2 und 4 ZPO die grundsätzliche Unanfechtbarkeit von Verweisungsbeschlüssen und deren Bindungswirkung angeordnet. Danach ist auch ein sachlich zu Unrecht ergangener Verweisungsbeschluss und die diesem Beschluss zugrunde liegende Entscheidung über die Zuständigkeit grundsätzlich jeder Nachprüfung entzogen (BGH, Beschluss vom 10. September 2002, X ARZ 217/02, NJW 2002, 3634/3635; Beschluss vom 10. Dezember 1987, I ARZ 809/87, BGHZ 102, 338/340). Dies hat der Senat im Verfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu beachten. Im Falle eines negativen Kompetenzkonflikts innerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit ist daher grundsätzlich das Gericht als zuständig zu bestimmen, an das die Sache in dem zuerst ergangenen Verweisungsbeschluss verwiesen worden ist (st. Rspr.; BGH, Beschluss vom 9. Juni 2015, X ARZ 115/15, NJW-RR 2015, 1016 Rn. 9; Greger in Zöller, ZPO, § 281 Rn. 16).
Die Bindungswirkung entfällt allerdings dann, wenn der Verweisungsbeschluss schlechterdings nicht als im Rahmen des § 281 ZPO ergangen anzusehen ist, etwa weil er auf einer Verletzung rechtlichen Gehörs beruht, nicht durch den gesetzlichen Richter erlassen wurde oder jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und deshalb als objektiv willkürlich betrachtet werden muss. Hierfür genügt nicht, dass der Beschluss inhaltlich unrichtig oder fehlerhaft ist. Willkür liegt nur vor, wenn der Verweisungsbeschluss bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (st. Rspr.; BGH, Beschluss vom 9. Juni 2015, X ARZ 115/15 a. a. O.; Beschluss vom 19. Februar 2013, X ARZ 507/12, NJW-RR 2013, 764 Rn. 7; Beschluss vom 10. Dezember 1987, I ARZ 809/87, BGHZ 102, 338/341; Greger in Zöller, ZPO, § 281 Rn. 17).
b) Die ausgesprochene Verweisung an das Landgericht München I ist – objektiv -willkürlich und hat daher nicht dessen Zuständigkeit begründet.
aa) Nach dem maßgeblichen Vorbringen der Klägerin wurden die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin (Anlage K 1) wirksam in den der Beklagten erteilten Subunternehmer-Transportauftrag einbezogen. Beide Parteien sind Kaufleute.
Das Landgericht Regensburg geht fehl, soweit es meint, aus den Worten „für unsere Tätigkeit geltenden „Allgemeinen deutschen Spediteurbedingungen 2017 (ADSp 2017)“” in Ziffer (2) der Auftragsbedingungen ergebe sich, dass die Parteien die Geltung der ADSp 2017 nur insoweit vereinbart hätten, als es sich um die „Tätigkeit der Klägerin als Auftragnehmerin“ handele, mit der Folge, dass auch Ziffer (5) nur Rechtsstreitigkeiten betreffe, bei denen die „Klägerin als Auftragnehmerin“ handele. Die Klägerin ist offenkundig nicht Auftragnehmerin des zwischen den Parteien geschlossenen Verkehrsvertrags. Die Transportleistung hatte die Beklagte zu erbringen. Diesen Umstand übergeht das Landgericht ebenso wie den vollständigen Wortlaut des ersten Satzes der Ziffer (2) der klägerischen Auftragsbedingungen. Ziffer (2) bestimmt, dass „Für die Transportdurchführung“, womit im Kontext der Regelung nur die Tätigkeit der Beklagten als Subunternehmerin gemeint sein kann, die gesetzlichen Bestimmungen in Verbindung mit den für die Klägerin („für unsere Tätigkeit“) – im Rahmen des ihr erteilten Transportauftrags – geltenden ADSp 2017 Anwendung finden sollen. Dementsprechend ist in Ziffer (2) Satz 3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin formuliert, dass die Beklagte die Leistungen der Klägerin erbringe („bei der Erbringung unserer Leistungen“).
Nach ihrem Wortlaut sieht Ziffer (5) der klägerischen Auftragsbedingungen als Gerichtsstand für sämtliche Streitigkeiten der Parteien untereinander Regensburg vor. Soweit die Bestimmung die Einschränkung enthält, dass dies „abweichend von der ADSp“ gelte, ergibt sich kein Widerspruch zu Ziffer 30.3 Satz 1 der ADSp 2017. Die dortige Regelung gilt nach ihrem eindeutigen Wortlaut für alle Rechtsstreitigkeiten aus dem Verkehrsvertrag („für alle Rechtsstreitigkeiten“; „für alle Beteiligten“) und erfasst somit auch Klagen gegen den auftragnehmenden Spediteur (Ziffer 2.1 ADSp 2017), wie hier. Dabei sieht Ziffer 30.3 Satz 1 der ADSp 2017 vor, dass wahlweise entweder am Ort der Niederlassung des Auftraggebers (Ziffer 1.2 ADSp 2017), hier der Klägerin in Regensburg, oder aber am Ort der Niederlassung des Spediteurs, an die der Auftrag gerichtet ist, geklagt werden kann. Ziffer (5) der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin weicht hiervon ab, indem nur Regensburg als Gerichtsstand vereinbart wird. Da bereits kein Widerspruch vorliegt und sich das Verhältnis zwischen Ziffer (5) der Auftragsbedingungen und den ADSp 2017 vorliegend ohne Weiteres durch Auslegung der vertraglichen Bestimmungen erkennen lässt, steht der Wirksamkeit der Gerichtsstandsbestimmung für den vorliegenden Rechtsstreit nicht entgegen, dass die Klägerin als Verwenderin der allgemeinen Geschäftsbedingungen auf mehrere Allgemeine Geschäftsbedingungen, nämlich die ADSp 2017 und, abweichend hiervon, auf ihre „hauseigene Klausel“, nämlich, Ziffer (5) der Auftragsbedingungen, verwiesen hatte (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 22. Juli 2010, I ZR 194/08, GWR 2011, juris Rn. 32; Koller in Koller, Transportrecht, 9. Aufl. 2016, Vor Ziff. 1 ADSp 2016, Rn. 19).
Bei der Regelung in Ziffer (5) der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin handelt es sich entgegen der Ansicht der Beklagten nicht um eine überraschende Klausel, die nach § 305c Abs. 1 BGB nicht Vertragsbestandteil geworden ist.
Eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist überraschend im Sinne von § 305c Abs. 1 BGB, wenn sie nach ihrem Inhalt oder nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich ist, dass der Vertragspartner des Verwenders nicht mit ihr zu rechnen brauchte. Ein Überraschungseffekt im Sinne von § 305c BGB kann sich auch aus der Stellung der Klausel im Gesamtwerk der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ergeben. Dabei kommt es allerdings nicht darauf an, an welcher Stelle des Klauselwerks die entsprechende Klausel steht, weil alle Bestimmungen grundsätzlich gleich bedeutsam sind und nicht durch die Platzierung einer Vorschrift im Klauselwerk auf deren Bedeutung geschlossen werden kann. In der Stellung der Klausel kann ein Überraschungseffekt vielmehr dann liegen, wenn diese in einem systematischen Zusammenhang steht, in dem der Vertragspartner sie nicht zu erwarten braucht (BGH, Urt. v. 28. Januar 2016, I ZR 60/14, NJW-RR 2016, 316 Rn. 31 m. w. N.).
Die Beklagte musste als professionelles Speditionsunternehmen als Auftragnehmerin von Transportleistungen mit der Verwendung einer entsprechenden Klausel rechnen. Die Klägerin als Verwenderin der Auftragsbedingungen hat ein nachvollziehbares Interesse an der Regelung eines alleinigen Gerichtsstands am Sitz ihrer Niederlassung. Die Bestimmung in Ziffer (5) der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin ist auch nicht infolge ihrer Stellung im Gesamtwerk überraschend. Sie befindet sich mittig in einem eigenen Abschnitt der übersichtlich gestalteten Auftragsbedingungen nach Regelungen zur Transportdurchführung und Zahlungsbedingungen, an die sich Bestimmungen zur Höchsthaftung, Kundenschutz, zur Abtretung von Forderungen sowie zur Weitergabe „unserer“ Aufträge an Dritte anschließen.
Das Landgericht Regensburg ist nicht durch eine im Verlauf des Rechtsstreits erfolgte Vereinbarung des Landgerichts München I in den Schriftsätzen der Beklagten vom 31. Oktober 2018 und der Klägerin vom 17. Dezember 2018 örtlich unzuständig geworden. Zwar war die Vereinbarung eines von Regensburg abweichenden Gerichtsstands durch eine die ursprüngliche Regelung abändernde, ausdrückliche oder stillschweigende Gerichtsstandsvereinbarung gemäß § 38 Abs. 1 ZPO grundsätzlich möglich. Dies gilt selbst dann, wenn die Parteien in Ziffer (5) der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin eine ausschließliche Zuständigkeit begründet haben sollten (Schultzky in Zöller, ZPO, § 40 Rn. 6). Sie berührt aber gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO nach erfolgter Zustellung der Klage, wie hier, die einmal bestehende Zuständigkeit des Landgerichts Regensburg für die Entscheidung nicht (BGH, Beschluss vom 18. Februar 2010, Xa ARZ 14/10, NJW-RR 2010, 891 Rn. 9 m. w. N.; Beschluss vom 16. November 1962, III ARZ 123/62, NJW 1963, 585; Seiler in Thomas/Putzo, ZPO, 40. Aufl. 2019, § 261 Rn. 16 und § 38 Rn. 17a; Greger in Zöller, ZPO, § 261 Rn. 12).
bb) Über die erforderliche Prüfung der eigenen Zuständigkeit hat sich das Landgericht Regensburg mit nicht mehr verständlicher und offensichtlich unhaltbarer Begründung hinweggesetzt.
Denn bei der auch nach seiner Ansicht notwendigen Auslegung der Ziffern (2) und (5) der klägerischen Auftragsbedingungen hat es den zentralen Gesichtspunkt außer Acht gelassen, dass in Ziffer (2) ausdrücklich die Geltung der ADsp 2017 „Für die Transportdurchführung“ ausgesprochen wird. Das steht der Auslegung, jenes Klauselwerk solle für den streitgegenständlichen Transportvertrag nicht gelten, unüberwindbar entgegen. Aus dessen Bezeichnung als „für unsere Tätigkeit geltend“ ergibt sich nichts anderes; vielmehr ist diese Formulierung dahin zu verstehen, dass die Klägerin die ADSp 2017 ihrerseits als Spediteurin verwendet und Transportverträge mit Subunternehmern denselben Bedingungen unterwerfen will.
Das Landgericht Regensburg hat sich lediglich mit dem Teil der Ziffer (2) der klägerischen Allgemeinen Geschäftsbedingungen auseinandergesetzt, den es zur Verneinung seiner Zuständigkeit fruchtbar machen konnte, und sich geweigert, den Wortlaut der Klausel in dessen Gesamtheit zur Kenntnis zu nehmen; das stellt nicht nur einen einfachen Auslegungsfehler dar, sondern macht die Beurteilung, auf den Transportvertrag seien die ADSp 2017 nicht anwendbar, objektiv willkürlich. Dieser Fehler setzt sich in der Folgerung des Landgerichts Regensburg fort, die Ziffer (5) mit der Vereinbarung des Gerichtsstands Regensburg erfasse mangels Anwendbarkeit der ADSp 2017 den vorliegenden Rechtsstreit nicht.
Hinzu kommt, dass der Verweisungsbeschluss zu einem besonderen Gerichtsstand des Erfüllungsorts in Regensburg abweichend von Ziffer 30.2 ADSp 2017 gänzlich schweigt, obwohl sich eine Regelung auch hierzu unmittelbar aus der vom Landgericht geprüften Ziffer (5) der allgemeinen Geschäftsbedingungen ergibt. Die Argumentation des Landgerichts Regensburg, die ADSp 2017 gälten nur für Rechsstreitigkeiten gegen die Klägerin als Auftragnehmerin betrifft die materiellrechtliche Regelung des Erfolgsorts nicht.
Deshalb beruht der Verweisungsbeschluss des Landgerichts Regensburg auf Willkür, so dass ihm keine Bindungswirkung zukommt.
c) Zuständig ist das Landgericht Regensburg, weil die Klägerin ihr Wahlrecht (§ 35 ZPO) mit der Benennung dieses Gerichts mit bindender Wirkung ausgeübt hat. Ihrem zum Streitgericht gestellten Verweisungsantrag kommt daher keine Bedeutung mehr zu.


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