Europarecht

Heranziehung zur Zahlung von Fleischhygienegebühren

Aktenzeichen  Au 6 K 16.613

Datum:
7.12.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayGDVG BayGDVG Art. 2 Abs. 1, Art. 4, Art. 21b
VO 822/2004/EG Art. 4 Abs. 1, Abs. 3, Art. 26, Art. 27 Abs. 4 lit. a
BayVwVfG BayVwVfG Art. 28 Abs. 1
GG GG Art. 72 Abs. 1, Art. 74 Abs. 1 Nr. 20
VO 854/2004/EG Art. 4 Abs. 9, Art. 5 Abs. 5
AEUV AEUV Art. 267 Abs. 3

 

Leitsatz

1 Eine ungenügende oder unterbliebene Notifikation der Gebührenkalkulation gegenüber der Europäischen Kommission führt zu keinem Aufhebungsanspruch des Gebührenbescheids nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO, weil Art. 27 Abs. 12 VO 882/2004/EG keinen Drittschutz vermittelt. (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Lebensmittelsicherheit durch effiziente Kontrollen zu sichern und an diesen Kontrollen nicht aus finanziellen Gründen Abstriche machen zu müssen, ist der Leitgedanke der VO 882/2004/EG; dies spricht für die Einbeziehung nicht nur der Einzel- sondern auch der Gesamtkosten in die Kalkulation der Gebühren. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klagen werden abgewiesen.
II.
Der Kläger trägt die Kosten der Verfahren.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässigen Klagen auf Aufhebung der angefochtenen Bescheide im beantragten Umfang sind unbegründet, da die Bescheide insoweit nicht rechtswidrig sind und den Kläger nicht in dessen Rechten verletzen (§ 113 Abs.1 Satz 1 VwGO).
Gegenstand der Klage ist die Erhebung von Fleischuntersuchungsgebühren, die über die Mindestgebühren nach Anhang IV Abschnitt B der VO 882/2004/EG hinausgehen, also nicht die darin enthaltenen Mindestgebühren und jene Kosten für BSE-Probenentnahmen, die im Einklang mit Art. 27 Abs. 10 VO 882/2004/EG auf Art. 20 Abs. 1 VO 999/2001/EG beruhen.
1. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind formell rechtmäßig.
a) Die Zuständigkeit der Beklagten für die Erhebung von Gebühren nach Art. 27 VO 882/2004/EG ergibt sich für sie als kreisfreie Stadt aus Art. 1 Abs. 3 Nr. 2, Art. 2 Abs. 1, Art. 4 und Art. 21b BayGDVG i. V. m. Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 BayVwVfG (Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz).
b) Die fehlende vorherige Anhörung des fleischverarbeitenden Betriebs nach Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG ist durch die Äußerungsmöglichkeit im Widerspruchsverfahren nach Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BayVwVfG geheilt worden.
c) Verstöße gegen die Formvorschriften des Art. 39 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 BayVwVfG liegen nicht vor, denn die knappe Begründung der Bescheide ermöglicht die Prüfung der sachlichen und rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung. Die Höhe der erhobenen Gebührensätze ist dem fleischverarbeitenden Betrieb mit gesonderten Schreiben vom 3. September 2008 mitgeteilt worden, was er nicht bestreitet.
d) Die Rüge mangelnder Bestimmtheit der Gebührenerhebungstatbestände greift nicht.
Die Gebührenerhebung durch die Beklagte findet ihre Grundlage in Art. 21b BayGDVG i. V. m. Art. 5 Abs. 1 und Abs. 5, Art. 6 Abs. 1 des Kostengesetzes (KG), wonach das Kostenverzeichnis als Verordnung erlassen wird und darin grundsätzlich die Höhe der Gebühr u. a. nach dem Verwaltungsaufwand aller an der Amtshandlung beteiligter Behörden und Stellen festgelegt wird. Nach Art. 5 Abs. 5 KG wird hiervon abweichend festgelegt, dass, wenn ein Bundesgesetz, eine darauf beruhende Rechtsvorschrift oder ein Rechtsakt der Europäischen Gemeinschaft neben der Erhebung von Kosten (Gebühren und Auslagen) im Sinn des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 KG auch die Erhebung von Gebühren und Auslagen für Prüfungen, Untersuchungen oder eine andere Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung des Staates im Sinn des Art. 21 Abs. 1 Satz 1 KG vorsieht, diese Gebühren und Auslagen abweichend von Art. 21 Abs. 1 Satz 1 KG oder von entsprechenden Ermächtigungen nach anderen Rechtsvorschriften im Kostenverzeichnis festgelegt werden können. Enthält eine Rechtsnorm oder ein Rechtsakt im Sinn des Satzes 1 Vorgaben für die Bemessung von Gebühren und Auslagen, so sind die Gebühren und Auslagen nach Maßgabe dieser Vorschriften festzulegen. Somit stellen Art. 21b BayGDVG i. V. m. Art. 5 Abs. 1 und Abs. 5, Art. 6 Abs. 1 KG i. V. m. dem Kostenverzeichnis unter Bindung an das Äquivalenzprinzip eine hinreichende Ermächtigung dar (vgl. BVerwG, U. v. 27.6.2013 – 3 C 7/12 – juris Rn. 13). Die hierbei in Bezug genommenen normativen europarechtlichen Grundlagen für die Fleischbeschau durch amtliche Tierärzte finden sich in Art. 5 VO 854/2004 u. a. zur Lebendbeschau der Tiere, zur Schlachttieruntersuchung und zur Fleischuntersuchung sowie zur Genusstauglichkeitskennzeichnung, wobei ihm amtliche Fachassistenten zuarbeiten können. Der Bedarf an amtlichem Personal muss risikobezogen festgelegt werden. Dies ist Teil eines integrierten Konzepts der Lebensmittelsicherheit nach Erwägungsgrund 45 der VO 882/2004/EG.
Auf dieser Grundlage wurde im Kostenverzeichnis (vgl. § 1 der Verordnung zur Änderung des Kostenverzeichnisses vom 18.11.2007, GVBl. S. 816/820 f.; § 1 der Verordnung zur Änderung des Kostenverzeichnisses vom 27.10.2009, GVBl. S. 560/816/568 f.) in der Tarifstelle zu Nr. 7.IX.11. unter Nr. 5.6 ff. mit Unterpunkten, auf welche die angefochtenen Bescheide verweisen, ein Gebührenrahmen geschaffen, der so konkret und eng gespannt ist, dass er die Höhe der Gebühr abschätzbar werden lässt (vgl. zu dieser Anforderung BVerwG, U. v. 27.6.2013 – 3 C 7/12 – juris Rn. 17). Er enthält zwar selbst keinen näheren Maßstab für die Verteilung der Kosten, also der Bestimmung eines Bezugspunkts für den Gebührensatz, wie etwa die Anknüpfung an Schlachtgewicht, Tierkategorie, Schlachtzahl u. a. oder an eine einheitliche Untersuchungsgebühr. Ein solcher lässt sich jedoch Anhang VI der VO 882/2004/EG als unmittelbar bindendes, entgegenstehendes nationales Recht verdrängender europäischer Regelung entnehmen. Beides zusammen – der enge landesrechtliche Gebührenrahmen und die europarechtlichen Gebührenbemessungsmaßstäbe – führen hier zu einer hinreichend konkreten normativen Bestimmung der Gebühr. Die Bestimmung ist damit durch seinerseits hinreichend bestimmten Rechtssatz getroffen (als Anforderung bei BVerwG, U. v. 27.6.2013 – 3 C 7/12 – juris Rn. 19). Dieser im Freistaat Bayern geltende eng gespannte Gebührenrahmen unterscheidet sich insoweit entscheidungserheblich von weiter gespannten und deswegen bestandeten Gebührenrahmen anderer Bundesländer (vgl. OVG SH, U. v. 23.6.2016 – 4 LB 22/15, S. 7 f.).
2. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind materiell rechtmäßig und verstoßen insbesondere nicht gegen die Vorgaben des Art. 27 VO 882/2004/EG.
a) Der fleischverarbeitende Betrieb, dessen Insolvenzverwalter der Kläger ist, war als Veranlasser der Amtshandlung nach Art. 2 Abs. 1 Satz 3 KG Gebührenschuldner und richtiger Adressat des Bescheids.
b) Die Gebührenpflicht besteht dem Grunde nach, insbesondere beruht die Gebührenerhebung auf einer ausreichenden gesetzlichen Ermächtigung entsprechend dem Gesetzesvorbehalt (Art. 20 Abs. 3 GG).
aa) Eine Europarechtliche Ermächtigung für die Gebührenerhebung liegt vor.
Die Europäische Union hat mit Art. 1 Abs. 1, Art. 4 Abs. 1 und 3 sowie Art. 26 f. der VO 822/2004/EG (ABl. L 191 vom 28.5.2004) Regelungen für die Durchführung amtlicher Kontrollen zum Risikoschutz besonders im Lebensmittelbereich geschaffen und den Vollzug in die Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten mit der Möglichkeit einer Delegation gegeben. Die Voraussetzungen dieser Delegation, die Sicherstellung einer effektiven Koordinierung der beteiligten Stellen, ist in der Bundesrepublik und im Freistaat Bayern ungeachtet des föderalen Staatsaufbaus durch die bewährte Verwaltungsstruktur gesichert. So nimmt die Beklagte in ihrem räumlichen Zuständigkeitsbereich die Aufgaben der staatlichen Stellen nach Art. 1 Abs. 3 Nr. 2, Art. 2 Abs. 1, Art. 4 und Art. 21b BayGDVG wahr. Damit sind eine effektive Koordination und eine fachliche und rechtliche Kontrolle gewährleistet. Die Delegation des Vollzugs auf Kommunen wie die Beklagte begegnet daher keinen Bedenken (vgl. nur BVerwG vom 9.10.2006, Az. 3 B 76/06, juris, Rn. 10 m. w. N.).
Die Befugnis und zugleich Verpflichtung zur Gebührenerhebung ergibt sich aus Art. 27 Abs. 1 bis Abs. 3 VO 882/2004/EG, wonach die Mitgliedstaaten Gebühren zur Deckung der Kosten erheben können, die durch die amtlichen Kontrollen zur Überprüfung der Einhaltung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts sowie der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz entstehen, sowie aus ihrer Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass eine (Mindest-)Gebühr erhoben wird.
bb) Eine nationale Ermächtigung zur Gebührenerhebung liegt vor.
Die Bundesrepublik hat von ihrer konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG keinen Gebrauch gemacht, so dass es bei der Gesetzgebungskompetenz der Länder nach Art. 72 Abs. 1 GG bleibt. Dementsprechend hat der Freistaat Bayern landesgesetzliche Regelungen für den Bereich der Fleischhygiene einschließlich der Gebührenerhebung in Art. 1 Abs. 3 Nr. 2, Art. 2 Abs. 1, Art. 4 und Art. 21b BayGDVG sowie in Art. 1, 2, 5 und 10 BayKostG i. V. m. dem Kostenverzeichnis zur Umsetzung der VO 882/2004/EG geschaffen.
cc) Die Gebührenerhebung verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, selbst wenn eine Notifikation der Gebührenkalkulation unter Verstoß gegen Art. 27 Abs. 12 VO 882/2004/EG unterblieben wäre.
Eine nach Auffassung des Klägers ungenügende oder unterbliebene Notifikation der Gebührenkalkulation gegenüber der Europäischen Kommission führt für ihn zu keinem Aufhebungsanspruch des Gebührenbescheids nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, weil ihm Art. 27 Abs. 12 VO 882/2004/EG keinen Drittschutz vermittelt. Bereits der Vorgängerregelung des Art. 6 Abs. 1 RL 85/73/EWG wurde kein Drittschutz entnommen, weil die Notifikation nur eine objektive Rechtsverpflichtung der Mitgliedsstaaten gegenüber der Kommission allein zum Zweck der Vollzugskontrolle, nicht zum Drittschutz des einzelnen Gebührenschuldners darstellt und kein mitgliedschaftliches Verhalten zur Begünstigung oder Förderung individueller Interessen regelt (vgl. VGH Mannheim vom 30.3.2006, Az. 2 S 831/05, juris, Rn. 45; BayVGH vom 6.12.2007, Az. 4 ZB 07.262, juris, Rn. 16). So verhält es sich auch bei Art. 27 Abs. 12 VO 882/2004/EG, denn die Notifikation der „Methode für die Berechnung der Gebühren“ zwecks Prüfung durch die Kommission, „ob die Gebühren den Anforderungen dieser Verordnung entsprechen“, dient erkennbar der Harmonisierung des nationalen Rechts, nicht individuellen Interessen einzelner Gebührenschuldner. So teilte die Kommission (Antwort vom 11.6.2008, Dok.-Nr. E-2394/2008) mit, sie plane keinen eigenen Leitfaden zur Berechnung kostendeckender Gebühren, sondern eine Erhebung in den Mitgliedsstaaten mit dem Ziel der Bewertung und Harmonisierung des Systems zur Gebührenerhebung, woraus Vorschläge zur Änderung der Europarechtlichen Regelungen folgen sollten. Damit ist das Notifikationsverfahren rein bipolar ausgestaltet. Ein etwaiger Verstoß gegen die Notifikationspflicht führt im streitgegenständlichen Einzelfall nicht zu einem Aufhebungsanspruch (vgl. BVerwG, U.v. 25.4.2013 – 3 C 1.12 – juris Rn. 22; BayVGH, B.v. 9.6.2009 – 4 CS 09.603 – juris Rn. 10).
Gleiches gilt für die Publikation der Kalkulationsmethode. Eine Veröffentlichung mag nicht nur der Information der Europäischen Kommission, sondern auch als Nebenzweck der Transparenz des Gebührenerhebungsverfahrens allgemein dienen. Die Zielrichtung bleibt jedoch dieselbe wie bei einer Notifikation, denn anders als im individualschützenden Rechtsbehelfsverfahren nach nationalem Recht, in welchem der Gebührengläubiger seine Gebührenkalkulation im Wege der Akteneinsicht dem Gebührenschuldner offenlegt, dient die Publikation und Notifikation hier der generellen Überwachung des Verordnungsvollzugs durch die Mitgliedsstaaten. Damit bleibt die Wirkung der Verpflichtung aus Art. 27 Abs. 12 S. 1 VO 882/2004/EG auf die bipolare Beziehung zwischen Mitgliedsstaat und Europäischer Kommission unter Ausklammerung des Gebührenschuldners beschränkt und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. soeben). Im Übrigen hat die Beklagte dem fleischverarbeitenden Betrieb die Gebührenkalkulation nach ihren unbestrittenen Angaben mit ihrem Schreiben vom 3. September 2008 direkt offengelegt. Auf ein etwaiges Informationsinteresse Dritter und eine etwa unterbliebene Veröffentlichung kann sich der fleischverarbeitende Betrieb mangels eigener Rechtsverletzung daher nicht berufen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
c) Die Gebührenpflicht besteht der Höhe nach, insbesondere verstößt die hier allein streitgegenständliche Erhöhung der geforderten Gebühren über die in Anhang IV Abschnitt B der VO 882/2004/EG vorgesehenen Mindestgebühren hinaus – unter Ausklammerung der nicht angefochtenen Gebühren für BSE-Probenentnahmen – nicht gegen geltendes Recht.
aa) Für die Erhebung von Gebühren über die Mindestgebühren hinaus besteht eine hinreichende Rechtsgrundlage.
Nach Art. 26 VO 882/2004/EG sind die Mitgliedsstaaten der EU verpflichtet, die amtlichen Kontrollen durchzuführen und angemessene finanzielle Mittel hierfür bereitzustellen. Diese können sie aus beliebigen, von ihnen für angemessen gehaltenen Mitteln gewinnen, sowohl aus einer „allgemeinen Besteuerung“ als auch aus der „Einführung von Gebühren oder Kostenbeiträgen“. Damit ist eine reine Gebührenfinanzierung möglich. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die in Anhang IV Abschnitt B der VO 882/2004/EG ausdrücklich als „Mindestgebühren“ bezeichneten Beträge überschritten werden dürfen.
Die Erhöhung der Gebühren über die Mindestbeträge hinaus findet daher ihre Ermächtigungsgrundlage direkt in Art. 26 und Art. 27 Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 a) VO 882/2004/EG, so dass es hierfür einer gesonderten nationalen Ermächtigung nicht mehr bedarf. Dieses Ergebnis wird gestützt durch Erwägungsgrund 32 zur VO 882/2004/EG. Somit handelt es sich nicht um eine bloße Ermächtigung der Mitgliedsstaaten – hier: der Bundesrepublik Deutschland – zur Erhebung kostendeckender Gebühren, sondern zugleich um eine direkte Ermächtigung der nach nationalem Recht zum Vollzug zuständigen Behörden. Dazu gehört die Beklagte als Trägerin ihrer Kontrollbehörde.
bb) Die erhobenen Gebühren verletzen weder die über die verbindlichen Mindestgebühren des Art. 27 Abs. 3 VO 882/2004/EG wirkende Gebührenuntergrenze noch die aus dem in Art. 27 Abs. 4 Buchst. a) VO 882/2004/EG enthaltenen Kostendeckungsprinzip folgende Gebührenobergrenze (vgl. EuGH, U. v. 19.3.2009 – C-270/07 – juris Rn. 31 f.; EuGH, U. v. 7.7.2011 – C-523/09 – juris Rn. 22 f., 27).
Art. 27 Abs. 3 VO 882/2004/EG verbietet die Erhebung von Gebühren, die niedriger sind als die in Anhang IV Abschnitt B der VO 882/2004/EG ausdrücklich als „Mindestgebühren“ bezeichneten Beträge. Dass die Beklagte niedrigere als die Mindestgebühren von dem fleischverarbeitenden Betrieb erhoben hat, macht weder der Kläger geltend, noch bieten sich hierfür irgendwelche Anhaltspunkte. Im Gegenteil hat der Kläger aus seiner Sicht überhöhte Gebühren reklamiert.
Art. 27 Abs. 4 Buchst. a) VO 882/2004/EG verbietet höhere Gebühren als die von der zuständigen Behörde getragenen Kosten in Bezug auf die Ausgaben gemäß Anhang VI der VO 882/2004/EG, wozu Löhne und Gehälter des für die amtlichen Kontrollen eingesetzten Personals (Nr. 1), Kosten für das für die amtlichen Kontrollen eingesetzte Personal einschließlich der Kosten für Anlagen, Hilfsmittel, Ausrüstung und Schulung sowie Reise- und Nebenkosten (Nr. 2) sowie Kosten für Probenahme und Laboruntersuchung (Nr. 3) gehören.
Diesem Rahmen entsprechen die vom Freistaat Bayern im Kostenverzeichnis unter Ziff. 7.IX.11/5.6 ff. festgesetzten und von der Beklagten beachteten Rahmengebühren. Den durch die europäischen Mindestgebühren nach unten und durch die landesrechtlichen Rahmensätze auch nach oben gesteckten Rahmen hat die Beklagte ausgefüllt, aber nicht überschritten (dazu sogleich).
cc) Die konkret erhobenen Gebühren verletzen auch in ihrer Zusammensetzung nicht das Kostendeckungsprinzip des Art. 27 Abs. 4 Buchst. a) VO 882/2004/EG.
Ausweislich ihrer vorgelegten Kalkulation (Behördenakte Geheft I) hat die Beklagte außer reinen Personalkosten auch eigenen Wäschereibedarf, Personalkosten der Verwaltung, administrative und Leitungsaufgaben, verschiedenen Betriebsaufwand, Bürobedarf, Bücher, Zeitschriften, Telekommunikationsgebühren, Verwaltungskostenerstattungen sowie innere Verrechnungen für Zentrale Dienste und Versicherungen berücksichtigt und anteilig nach den tatsächlichen Schlachtzahlen im Jahr 2007 auf die nur geringfügig aufgerundeten prognostizierten Schlachtzahlen der Jahre 2008 und 2009 umgelegt (vgl. Tabelle „Schlachttier- und Fleischuntersuchung“ mit Erläuterungen ebenda). Dies entspricht dem Ziel der Transparenz, wonach die verschiedenen Kostenelemente klar und detailliert auszuweisen sind (vgl. EuGH, U. v. 19.3.2009 – C-270/07 – juris Rn. 41; BVerwG, B.v. 20.7.2015 – 3 B 51.14 – juris Rn. 5) und ist im Einzelnen nicht zu beanstanden:
(1) Der Einwand des Klägers, betriebsbezogene Kriterien seien nicht berücksichtigt worden und es fehle eine Feststellung der Erforderlichkeit dieses Personaleinsatzes nach Art. 5 Abs. 5 Buchst. b) VO 882/2004/EG, greift nicht durch, weil die Beklagte eine spezifische Berechnung für den hier betroffenen fleischverarbeitenden Betrieb durchgeführt hat. Nach Art. 27 Abs. 5 VO 882/2004/EG hat die Gebührenfestsetzung u. a. die Art des betroffenen Unternehmens und die entsprechenden Risikofaktoren, die Interessen der Unternehmer mit geringem Durchsatz und die traditionellen Methoden der Produktion, der Verarbeitung und des Betriebs zu berücksichtigen. Die über Art. 4 Abs. 9 und Art. 5 Abs. 5 Buchst. b) VO 854/2004/EG sowie Art. 3 Abs. 1 VO 882/2004/EG zu berücksichtigenden Risikofaktoren für die Gesundheit der Bevölkerung und der Tiere, das Wohlbefinden der Tiere, Art und Umfang der durchgeführten Prozesse und das bisherige Verhalten des Unternehmers sind bei der Bemessung des Personalbedarfs der amtlichen Mitarbeiter anzusetzen. Häufigkeit und Umfang amtlicher Kontrollen haben dieser Risikobewertung zu folgen, wobei höhere Schlachtzahlen die Annahme eines höheren Risikos und damit einen erhöhten Personalbedarf rechtfertigen und umgekehrt; unterbliebene Kontrollen hingegen schon – wie hier – keine einzelkontrollbezogenen Gebühren entstehen lassen (vgl. BVerwG, U. v. 26.4.2012 – 3 C 20.11 – juris Rn. 22) und daher nicht risikowidrig sind. Dem entspricht die von der Beklagten durchgeführte Gebührenkalkulation.
Zum Einen hat die Beklagte hier die tatsächlichen Schlachtzahlen des Vorjahres für die Kalkulation der anfallenden Kosten in den Folgejahren zugrunde gelegt, so dass bezogen auf die Schlachtzahlen im Betrieb eine konkrete Kalkulation unter Berücksichtigung des tatsächlichen Betriebsablaufs und der Art des Schlachtbetriebs vorliegt. Zum Anderen hat sie den Personaleinsatz einschließlich des Vorhalteaufwands so berechnet, dass sie den notwendigen zeitgleichen Einsatz der Bediensteten an verschiedenen Positionen des Schlachtvorgangs ermittelt und einschließlich etwaiger Ausfallzeiten durch Krankheit und Urlaub auf den Bedarf projiziert hat: Sie hat z. B. 5 Fleischkontrolleure am Band für die Schlachtung von Rindern und Kälbern als risikobezogenen Personaleinsatz angesetzt, dies mit dem Faktor 1,2 zur Kompensation der Ausfallzeiten multipliziert und einen rechnerischen Personalbedarf von 6 Fleischkontrolleuren auf den Gesamtzeitraum nachvollziehbar ermittelt. Dabei hat sie den durchschnittlichen Durchlauf am Band aufgrund von Erfahrungswerten als tatsächlich hohen Durchsatz einschließlich der Methoden der Produktion, der Verarbeitung und des konkreten Betriebs berücksichtigt. Dies stellt eine betriebsspezifische Risikobewertung dar, die nicht abstrakt nach Annahmen sondern konkret nach den tatsächlichen Eigenheiten des Betriebs erstellt wurde. Substantiierte Einwände hiergegen hat der Kläger nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich.
(2) Die weitere Rüge des Klägers, die erhobenen Gebühren überstiegen die tatsächlichen Kosten, ist durch die vorgelegte Kalkulation widerlegt. Wie der vorgelegten „Planübersicht 07/08/09/10 Verwaltungshaushalt Fleischhygiene“ (Behördenakte Geheft I) zu entnehmen ist, erwirtschaftete die Beklagte im Bereich der Fleischhygiene im Jahr 2007 ein Defizit von 47.500 Euro (Kostendeckungsgrad 93,87%), im Jahr 2008 ein Defizit von 97.200 Euro (Kostendeckungsgrad 87,52%), im Jahr 2009 ein Defizit von 121.500 Euro (Kostendeckungsgrad 84,65%) und im Jahr 2010 ein Defizit von 148.800 Euro (Kostendeckungsgrad 81,83%). Damit ist zur Überzeugung des Verwaltungsgerichts eine Kostenunterdeckung belegt und der Vorwurf einer Kostenüberdeckung widerlegt. Substantiierte Einwände hiergegen hat der Kläger nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich.
Auch dass der Tarifvertrag zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Beschäftigten in der Fleischuntersuchung vom 15. September 2009 mit im einzelnen genannten Stundenentgelten, nachdem der vormals geltende Tarifvertrag außer Kraft getreten ist, aber nach Angaben der Beklagten noch ihrer vorab erstellten Gebührenkalkulation zugrunde gelegt worden ist, zu niedrigeren Kosten für die Beklagte und deswegen zu einer überhöhten Gebühr geführt hätte, ist weder ersichtlich noch vom Kläger aufgezeigt. Soweit eine Differenzierung zwischen Groß- und anderen Schlachtbetrieben im früheren Tarifvertrag aufgegeben worden sei und deswegen Gebührensatzregelungen beanstandet wurden (vgl. HessVGH, U. v. 17.12.2013 – 5 A 1635/12 – Rn. 32 f.), trifft dies hier nicht zu, da die Beklagte einen einheitlichen Gebührensatz ohne Degression kalkuliert hat.
Die Erhöhung der Mindestgebühren bedurfte nach Art. 26 und Art. 27 Abs. 1 VO 882/2004/EG auch keines vorherigen Nachweises einer Kostenunterdeckung, denn die Mitgliedsstaaten der EU können die finanziellen Mittel für die Fleischhygiene aus beliebigen, von ihnen für angemessen gehaltenen Mitteln, sowohl aus einer „allgemeinen Besteuerung“ als auch aus der „Einführung von Gebühren oder Kostenbeiträgen“, gewinnen. Damit ist eine von Anfang an kostendeckende Gebührenfinanzierung möglich. Dieses Ergebnis wird durch Erwägungsgrund 32 zur VO 882/2004/EG gestützt, wonach die Behörden der Mitgliedsstaaten kostendeckende Gebühren oder Kostenbeiträge auf der Grundlage der entstandenen Kosten als Pauschalbeträge festlegen und erheben können. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die zuständigen Behörden nicht erst einen Zeitraum verstreichen lassen müssen, um den Nachweis höherer Kosten für die Vergangenheit in der Zukunft erbringen zu können. Sondern sie können von Anfang an auf der Grundlage von Erfahrungswerten voraussichtlich kostendeckende Gebühren kalkulieren und erheben (vgl. BVerwG, U. v. 25.4.2013 – 3 C 1.12 – juris Rn. 18; BayVGH, B. v. 9.6.2009 – 4 CS 09.603 – juris Rn. 14). Im Nachhinein haben sie nach Art. 27 Abs. 1 VO 882/2004/EG nötigenfalls den Beweis anzutreten, dass ihre Gebühren weder die tatsächlichen Kosten überschreiten noch die Europäischen Mindestgebühren unterschreiten. Diesen Beweis hat die Beklagte nach Überzeugung des Verwaltungsgerichts hier ebenfalls erbracht.
(3) Auch der Einwand des Klägers, als Kostenpositionen seien unionsrechtlich allein die Kosten des unmittelbar für die amtlichen Kontrollen eingesetzten Personals im überwachten Betrieb zulässig, nicht in der Verwaltung, greift nicht durch und führt daher nicht zu einer Fehlerhaftigkeit der Kalkulation und zu einer Rechtswidrigkeit der Gebührenerhebung. Die Kalkulation der Beklagten unter Einbeziehung u. a. der Verwaltungskosten verstößt nicht gegen Anhang VI VO 882/2004/EG.
Nach Art. 26 Abs. 1 VO 882/2004/EG haben die Mitgliedsstaaten durch Gebühren- und Kostenerhebung dafür zu sorgen, dass die erforderlichen personellen und sonstigen Mittel für die Untersuchungen bereitgestellt werden. Anhang VI der VO 882/2004/EG zählt zu den bei der Berechnung der Gebühren zu berücksichtigenden Kriterien die „Löhne und Gehälter des für die amtlichen Kontrollen eingesetzten Personals“ (Ziff. 1), die „Kosten für das für die amtlichen Kontrollen eingesetzten Personals einschließlich der Kosten für Anlagen, Hilfsmittel, Ausrüstung und Schulung sowie der Reise- und Nebenkosten“ (Ziff. 2) sowie die „Kosten für Probenahme und Laboruntersuchung“ (Ziff. 3) auf.
In ihrer Kalkulation (vgl. Tabelle „Schlachttier- und Fleischuntersuchung“ mit Erläuterungen, Behördenakte Geheft I) hat die Beklagte als Personalkosten zum Einen die Gehälter und Vergütungen für Fleischkontrolleure und Tierärzte sowie Wegstreckenentschädigungen mit einer Gesamtsumme von 466.649,00 Euro berücksichtigt. Das ist nicht zu beanstanden, handelt es sich dabei doch um Löhne und Gehälter einschließlich der Reisekosten im Sinne von Ziff. 2 des Anhangs VI der VO 882/2004/EG. Diese Kalkulationspositionen können konkret den einzelnen Untersuchungs- und Kontrollhandlungen zugeordnet werden und stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit der Durchführung der Kontrollen nach Art. 26 f. VO 882/2004/EG.
Zum Anderen hat die Beklagte auch als Sachkosten bezeichnete Kosten wie Wäschereibedarf, Dienstkleidung, Bürobedarf und Fachliteratur, vor allem aber administrative und Leitungsaufgaben, Betriebsaufwand, Telekommunikationsgebühren, Verwaltungskostenerstattungen sowie interne Verrechnungen von zentralen Diensten und Versicherungen berücksichtigt. Diese und insbesondere die darin enthaltenen Verwaltungsgemeinkosten und Verrechnungen für Leistungen anderer Dienststellen können als Gesamtkosten in der Kalkulation zwar nicht mehr konkret den einzelnen Untersuchungs- und Kontrollhandlungen zugeordnet werden, denn sie stehen nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Durchführung einer konkreten Kontrolle, sondern nur mittelbar mit der Vorhaltung des Kontrollsystems als Ganzem. Aber sie sind ebenfalls als Kosten des „für die amtlichen Kontrollen eingesetzten Personals einschließlich der Kosten für Anlagen, Hilfsmittel, Ausrüstung und Schulung sowie der Reise- und Nebenkosten“ im Sinne von Ziff. 2 des Anhangs VI der VO 882/2004/EG anzusehen.
Dies ergibt sich aus Ziff. 2 des Anhangs VI der VO 882/2004/EG zwar nicht nach der grammatikalischen Auslegungsmethode, weil darin einerseits die Kosten auf die „Kosten für das für die amtlichen Kontrollen eingesetzte Personal“ begrenzt werden, was für eine Einschränkung spricht. Andererseits werden unter dem Begriff der Kosten des „eingesetzten Personals“ aber auch Sachkosten wie die „Kosten für Anlagen, Hilfsmittel, Ausrüstung und Schulung sowie der Reise- und Nebenkosten“ verstanden. Gerade Anlagen, Hilfsmittel und Ausrüstung aber sind nicht mehr auf einzelne Kontrollhandlungen bezogen, stehen sie doch allen eingesetzten Mitarbeitern für sämtliche Kontrollhandlungen zur Verfügung. Beispielsweise Wäschereibedarf, Dienstkleidung, Bürobedarf und Fachliteratur sowie Versicherungen dienen noch der Durchführung der Kontrolle, können aber nur noch als allgemeine Vorhaltekosten berücksichtigt werden. Somit unterscheidet schon Ziff. 2 des Anhangs VI der VO 882/2004/EG nicht eindeutig zwischen Einzel- und Gesamtkosten.
Nichts anderes folgt aus der Stellungnahme der Kommission (Stellungnahme vom 7.3.2008; vgl. BVerwG, U. v. 26.4.2012 – 3 C 20.11 – juris Rn. 25). Sie führt zu Frage 8 unter Bezugnahme auf den Erwägungsgrund 32 aus, der Begriff des „eingesetzten Personals“ in Anhang VI der VO 822/2004/EG dürfte sich nicht unbedingt auf Personen beschränken, die bei den Kontrollen persönlich anwesend sind. Zu Frage 9 wird ausgeführt, im Vergleich zur Protokollerklärung vom 24. Januar 1989 zur Entscheidung 88/408/EWG komme es darauf an, ob die Kostenarten von den Kriterien des Anhangs VI der VO 822/2004/EG umfasst seien, letztere enthielten keine allgemeine Bezugnahme auf Verwaltungskosten. Damit gibt die Kommission letztlich den Text von Erwägungsgrund 32 und Anhang VI der VO 822/2004/EG wieder, weist allerdings darauf hin, keine rechtlich verbindliche Auslegung treffen zu können. Damit spricht die grammatikalische Auslegung weder eindeutig für noch gegen die Einbeziehung von Gesamtkosten in die Kalkulation.
Die historische Auslegung führt über Art. 5 Abs. 1 RL 85/73/EWG, an deren Stelle die hier maßgebliche VO 882/2004/EG ohne insoweit sachliche Änderung getreten ist, zur Bestätigung, dass der europäische Normgeber in Ziff. 2 des Anhangs VI der VO 882/2004/EG wie zuvor auch anteilige Verwaltungskosten für Leistungen von Querschnittsämtern wie Personalstelle, Rechtsamt, Kassenstelle zu den berücksichtigungsfähigen Verwaltungskosten zählt (vgl. BVerwG, U. v. 26.4.2012 – 3 C 20.11 – juris Rn. 19 f.; BVerwG, U. v. 25.4.2013 – 3 C 1.12 – juris Rn. 15).
Nach der systematischen Auslegung ist vor allem Erwägungsgrund 32 der VO 882/2004/EG als Auslegungshilfe heranzuziehen, der auf eine Gebührenerhebung zur Deckung der Kosten zielt, „die durch die amtlichen Kontrollen entstehen“. Diese Formulierung ist zwar nicht eindeutig, denn die Kausalbeziehung zwischen einer Kontrolle und den entstehenden Kosten kann eng oder weit im Sinne von Einzel- oder Gesamtkosten verstanden werden. Allerdings spricht Art. 26 VO 882/2004/EG von der Bereitstellung der „erforderlichen personellen und sonstigen Mittel“, ohne letztere näher zu umschreiben. „Sonstige Mittel“ zur Durchführung von Kontrollen sind aber alle als Gesamt- und damit auch Gemeinkosten kalkulierbaren sächlichen und personellen Hilfsmittel, welche dem eingesetzten Personal zur Verfügung stehen, dieses unterstützten und von der verwaltungsmäßigen Erfassung und Abwicklung einschließlich der Gebührenerhebung entlasten (vgl. BVerwG, U. v. 26.4.2012 – 3 C 20.11 – juris Rn. 26 a. E.) und damit den Kontrollhandlungen mindestens mittelbar dienen. Damit spricht die systematische Auslegung für die Einbeziehung von Gesamtkosten in die Kalkulation.
Das gefundene Ergebnis folgt eindeutig aus der teleologischen Auslegung von Ziel und Zweck der Norm. Die Erwägungsgründe 1, 4 und 5 der VO 882/2004/EG betonen den hohen Stellenwert von Qualität und Sicherheit von Lebensmitteln als öffentlichem Belang. Erwägungsgrund 11 der VO 882/2004/EG verlangt von den Behörden der Mitgliedstaaten die Erfüllung „operationeller Kriterien“ zwecks „Unparteilichkeit und Effizienz“. Dazu sollen die Behörden „über ausreichendes und entsprechend qualifiziertes und erfahrenes Personal sowie über adäquate Einrichtungen und Ausrüstungen zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung ihrer Aufgaben verfügen.“ Erwägungsgrund 32 der VO 882/2004/EG fordert die Mitgliedsstaaten schließlich zur Bereitstellung ausreichender Finanzmittel auf. Damit steht für den Normgeber der öffentliche Belang der Lebensmittelsicherheit an oberster Stelle. Diesen Belang durch effiziente Kontrollen zu sichern und an diesen Kontrollen nicht aus finanziellen Gründen Abstriche machen zu müssen, ist der Leitgedanke der VO 882/2004/EG. Dies spricht für die Einbeziehung nicht nur der Einzel- sondern auch der Gesamtkosten in die Kalkulation (vgl. BVerwG, U. v. 26.4.2012 – 3 C 20.11 – juris Rn. 21, 24 f.; BayVGH, B. v. 9.6.2009 – 4 CS 09.603 – juris Rn. 16). Anderenfalls müssten entgegen Ziff. 2 des Anhangs VI der VO 882/2004/EG Gesamt- und Vorhaltekosten als nicht umlagefähige Gemeinkosten ausgeschieden werden. Die Qualität der Kontrollen hinge dann von der aus anderen Finanzquellen zu finanzierenden Ausstattung der Kontrolleinheiten der Behörden ab. Das jedoch würde das Ziel der Effizienz aus Erwägungsgrund 11 der VO 882/2004/EG konterkarieren. Damit spricht die teleologische Auslegung für die Einbeziehung von Gesamtkosten in die Kalkulation.
Daraus folgt eine Einbeziehung von Gesamtkosten in die Kalkulation, soweit sie noch anteilig mindestens mittelbar der Durchführung von Kontrollen nach der VO 882/2004/EG zugeordnet werden können. Das ist bei den kalkulatorischen Positionen der Beklagte der Fall, denn Wäschereibedarf, Dienstkleidung, Bürobedarf und Fachliteratur, vor allem aber administrative und Leitungsaufgaben sowie verschiedener Betriebsaufwand, Telekommunikationsgebühren, Verwaltungskostenerstattungen, schließlich interne Verrechnungen von zentralen Diensten und Versicherungen können zumindest anteilig noch der Durchführung der Kontrollen zugeordnet werden.
Die Verwaltungskostenerstattungen aus Leistungen der Querschnittsämter wie Kämmerei und Personal dienen mittelbar der Erfüllung der Aufgaben der Behörde aus der Vorhaltung der Kontrolleinrichtungen, denn sie erledigen die mit der Beschäftigung des Kontrollpersonals und den angefallenen Untersuchungen verbundenen gebührentechnischen, arbeitsvertraglichen und vergütungstechnischen Arbeiten. Ohne diese Arbeiten aber könnte die Gebührenerhebung nicht durchgeführt und das Kontrollpersonal für seine eigentlichen Aufgaben nicht entlastet werden (OVG Saarl, U. v. 23.5.2016 – 2 A 75.15 – juris Rn. 41). Dies dient auch der Kostenminimierung zugunsten des Gebührenschuldners, denn müsste ein hochqualifizierter und entsprechend entgoltener amtlicher Tierarzt neben seiner eigentlichen Untersuchungstätigkeit auch noch Gebührenbescheide erstellen und die Gebührenzahlung überwachen, wären die zurechenbaren und damit für die Gebührenkalkulation relevanten Personalkosten hierfür weit höher als beim anteiligen Einsatz nicht so hoch qualifizierten und vergüteten Verwaltungspersonals. Gleiches gilt für die Leitungsaufgaben des Sachgebietsleiters als verantwortlichem Vorgesetzten zur Sicherung einer gleichmäßigen Durchführung der Kontrollen durch Planung und Überwachung des Personaleinsatzes.
Da die Zulässigkeit des Ansatzes solcher Verwaltungskosten einschließlich Verwaltungspersonalkosten nicht zweifelhaft ist, bedarf es insoweit keiner Einholung einer Vorabentscheidung des europäischen Gerichtshofs nach Art. 267 Abs. 3 AEUV (vgl. BVerwG, U. v. 26.4.2012 – 3 C 20.11 – juris Rn. 32).
(4) Soweit der Kläger rügt, aus einer erst ergangenen Entscheidung des europäischen Gerichtshofs ergebe sich, dass der Kostenmaßstab für die Erhebung von Fleischhygienegebühren abschließend und einer erweiternden Auslegung nicht zugänglich sei, ergibt sich für den vorliegenden Fall nichts Anderes.
Dass Art. 27 Abs. 4 Buchst. a) und Anhang VI Ziff. 1 und Ziff.2 VO 882/2004/EG der Berücksichtigung von Aufwendungen für die Löhne und Gehälter und für die Grundausbildung von Personen entgegensteht, die nicht tatsächlich an der Ausführung der amtlichen Kontrollen beteiligt sind (vgl. EuGH, U. v. 17.3.2016 – C-112/15 – juris Rn. 40 f.), ändert an der Rechtmäßigkeit der hier streitgegenständlichen Gebührenerhebung nichts, da die Beklagte nach ihrer Kalkulation keine Personal- oder Ausbildungskosten für Personen berücksichtigt hat, die nicht – auch nicht mittelbar administrativ (vgl. OVG Saarl, U. v. 23.5.2016 – 2 A 75.15 – juris Rn. 41) – mit der amtlichen Fleischkontrolle befasst sind. Gegenteiliges hat auch der Kläger nicht substantiiert aufgezeigt.
Auch hat die Beklagte nicht die Kosten für die Grundausbildung des eingesetzten Personals angesetzt, was ebenfalls gegen Art. 27 Abs. 4 Buchst. a) und Anhang VI Ziff. 1 und Ziff.2 VO 882/2004/EG verstieße (vgl. EuGH, U. v. 17.3.2016 – C-112/15 – juris Rn. 40 f.), sondern als „Ausbildungskosten“ lediglich die zentral beim Personalamt veranschlagten Fortbildungskosten für die amtlichen Fleischkontrolleure (vgl. Tabelle „Schlachttier- und Fleischuntersuchung“ mit Erläuterungen, Behördenakte Geheft I). Dies steht im Einklang mit Art. 27 Abs. 4 Buchst. a) und Anhang VI Ziff.2 VO 882/2004/EG, wonach die Kosten für Schulung berücksichtigungsfähig sind (vgl. EuGH, U. v. 17.3.2016 – C-112/15 – juris Rn. 30).
(5) Selbst wenn die Beklagte – entgegen der Überzeugung des Verwaltungsgerichts – unter den o.g. Kalkulationsposten zu Unrecht nicht umlagefähige Kosten angesetzt hätte, wäre dies möglicherweise rechtswidrig, würde aber nicht zu einem Aufhebungsanspruch des Klägers nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO führen, da eine Verletzung seiner Rechte bereits rechnerisch ausgeschlossen ist:
Wie die Beklagte nachvollziehbar dargelegt hat (vgl. „Planübersicht 07/08/09/10 Verwaltungshaushalt Fleischhygiene“, Behördenakte Geheft I), erwirtschaftete sie im Bereich der Fleischhygiene im Jahr 2008 ein Defizit von 97.200 Euro, im Jahr 2009 ein Defizit von 121.500 Euro und im Jahr 2010 ein Defizit von 148.800 Euro. Selbst wenn die genannten Kalkulationsposten zu Unrecht angesetzt worden und daher von den insgesamt der Kalkulation zugrunde gelegten Kosten abzuziehen wären, wäre das aus den umlagefähigen Kalkulationsposten entstandene Defizit noch längst nicht beseitigt. Da die Gebührenobergrenze kostendeckender Gebühren nicht verletzt wäre, ist ein Aufhebungsanspruch ausgeschlossen. Dies wirft keine europarechtlichen Zweifelsfragen auf, handelt es sich hinsichtlich dieser Gebührenobergrenze doch um einen „acte clairé“ im Sinne des Europarechts (vgl. EuGH, U. v. 19.3.2009 – C-270/07 – juris Rn. 31 f.; EuGH, U. v. 7.7.2011 – C-523/09 – juris Rn. 22 f., 27). Der Aufhebungsanspruch ist nach der autonomen Prozessordnung des Mitgliedstaats Bundesrepublik Deutschland ausgeschlossen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), die insoweit nicht europarechtlich determiniert ist:
Abrechnungsjahr (Beträge in EUR)
2008
2009
2010
Defizit im Jahr
-97.200,00
-121.500,00
-148.800,00
Pers.kosten Verwaltung
14.134,00
14.134,00
14.134,00
administrative und Leitungsaufgaben
18.500,00
18.500,00
18.500,00
VKE
15.244,00
15.244,00
15.244,00
Zentrale Dienste
500,00
500,00
500,00
verbleibendes Defizit
-48.822,00
-73.122,00
-100.422,00
d) Die Gebührenerhebung ist rechnerisch nicht fehlerhaft; zudem hat der Kläger keine konkreten Rechenfehler der ihm offengelegten Kalkulation aufgezeigt.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg, Hausanschrift: Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder Postfachanschrift: Postfach 11 23 43, 86048 Augsburg, schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, Hausanschrift in München: Ludwigstr. 23, 80539 München, oder Postfachanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München, Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach einzureichen. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4. das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind die in § 67 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO genannten Personen vertreten lassen.
Der Antragsschrift sollen 4 Abschriften beigefügt werden.
Beschluss:
Der Streitwert wird jeweils bis zur Verbindung
– im Verfahren Au 6 K 16.613 auf 22.351,40 EUR,
– im Verfahren Au 6 K 16.616 auf 25.793,48 EUR,
– im Verfahren Au 6 K 16.617 auf 22.742,67 EUR,
– im Verfahren Au 6 K 16.618 auf 21.033,92 EUR,
– im Verfahren Au 6 K 16.619 auf 23.075,63 EUR,
– im Verfahren Au 6 K 16.620 auf 27.142,33 EUR,
– im Verfahren Au 6 K 16.621 auf 21.649,75 EUR,
– im Verfahren Au 6 K 16.622 auf 25.593,15 EUR,
– im Verfahren Au 6 K 16.623 auf 21.363,92 EUR,
– im Verfahren Au 6 K 16.624 auf 22.619,11 EUR,
– im Verfahren Au 6 K 16.625 auf 30.051,55 EUR,
– im Verfahren Au 6 K 16.626 auf 25.803,11 EUR,
– im Verfahren Au 6 K 16.627 auf 25.692,70 EUR,
– im Verfahren Au 6 K 16.628 auf 28.955,51 EUR,
– im Verfahren Au 6 K 16.629 auf 23.667,45 EUR,
– im Verfahren Au 6 K 16.630 auf 22.514,22 EUR,
– im Verfahren Au 6 K 16.631 auf 29.240,69 EUR,
– im Verfahren Au 6 K 16.632 auf 22.206,56 EUR,
– im Verfahren Au 6 K 16.633 auf 22.218,96 EUR und
– im Verfahren Au 6 K 16.634 auf 28.676,35 EUR
– und ab der Verbindung auf 492.392,46 EUR festgesetzt.
Gründe:
Der Streitwert beruht auf § 52 Abs. 3 GKG (erhobene Gebühren abzüglich der Mindestgebühren und ohne Kosten für BSE-Probenentnahmen).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,– Euro übersteigt oder die Beschwerde zugelassen worden ist.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg, Hausanschrift: Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder Postfachanschrift: Postfach 11 23 43, 86048 Augsburg, schriftlich einzureichen oder zu Protokoll der Geschäftsstelle einzulegen; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Der Mitwirkung eines Bevollmächtigten bedarf es hierzu nicht.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift sollen 4 Abschriften beigefügt werden.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben