Europarecht

Herstellungsbeitrag (Wasserversorgung)

Aktenzeichen  20 B 16.189

Datum:
26.6.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 156236
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GO Art. 86 Nr. 1, Art. 88 Abs. 1
BayVwVfG Art. 1 Abs. 2
EbV § 1 Abs. 1
Betriebssatzung Regener Stadtwerke
KAG Art. 2 Abs. 1,Art. 5 Abs. 1 S. 1
BGB § 133
VwGO § 132, § 167

 

Leitsatz

Ein Eigenbetrieb ist gegenüber der allgemeinen Gemeindeverwaltung eine andere Behörde i.S.v. Art. 1 Abs. 2 BayVwVfG. Der Erlass von Beitragsbescheiden durch den Eigenbetrieb setzt deshalb die Übertragung der entsprechenden Befugnis voraus (vgl. BayVGH, U.v. 25.1.2010 – 23 B 09.1553; U.v. 6.9.2012 – 20 B 11.2171). (Rn. 17 und 19)

Verfahrensgang

RN 3 K 14.1980 2017-06-22 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Kostenbetrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Bescheid über einen Herstellungsbeitrag für die Wasserversorgung vom 14. März 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. November 2014 im Ergebnis zu Recht aufgehoben. Denn der Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Der streitgegenständliche Beitragsbescheid ist mangels sachlicher Zuständigkeit der erlassenden Behörde formell rechtswidrig, weil die R. Stadtwerke, die eine eigenständige Behörde i.S.d. Art. 1 Abs. 2 BayVwVfG darstellen (1.) und die den Bescheid erlassen haben (2.), im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung nicht über eine Befugnis zum Erlass von Beitragsbescheiden (Verwaltungsakten) verfügten (3.). Der Mangel der sachlichen Unzuständigkeit ist auch nicht geheilt worden oder unbeachtlich (4.).
1. Sachlich zuständig zum Erlass des streitgegenständlichen Beitragsbescheides war gemäß Art. 27 Abs. 1 GO, Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG i.V.m. § 1 der Beitrags- und Gebührensatzung zur Wasserabgabesatzung der Stadt R. vom 1. Juli 1997 – BGS-WAS – i.d.F. der 5. Änderungssatzung vom 27. Juli 2011 die Beklagte, d.h. deren allgemeine Verwaltung. Dieser können nicht die Stadtwerke – quasi als Behörde der allgemeinen Verwaltung – zugerechnet werden. Behörde in diesem Sinne ist das Organ eines Verwaltungsträgers, das berechtigt ist, mit Außenwirkung Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen (Ronellenfitsch in Bader/Ronellenfitsch, Beck´scher Online-Kommentar VwVfG, Stand 1.4.2016, § 1 Rn. 66 mit Verweis auf BVerwG, U.v. 20.7.1984 – 7 C 28.83 – juris; U.v. 3.11.2011 – 7 C 3.11 – juris). An diesen Behördenbegriff knüpfen die Vorschriften über die sachliche Zuständigkeit an. Bei den R. Stadtwerken handelt es sich aber gemäß § 1 Abs. 1 der Betriebssatzung vom 29. Juli 2009 um einen Eigenbetrieb i.S.d. Art. 86 Nr. 1, 88 Abs. 1 GO und damit um ein gemeindliches Unternehmen, das außerhalb der allgemeinen Verwaltung als Sondervermögen ohne eigene Rechtspersönlichkeit geführt wird (Art. 88 Abs. 1 GO, § 1 Abs. 1 der Eigenbetriebsverordnung – EbV – v. 29.5.1987 i.d.F. der VO v. 22.7.2014 – GVBl. S. 286, vgl. auch § 1 Abs. 1 der Betriebssatzung). Daher stellt der Eigenbetrieb gegenüber der Gemeinde, d.h. der allgemeinen Gemeindeverwaltung, eine andere Behörde i.S.v. Art. 1 Abs. 2 BayVwVfG dar (Hölzl/Hien/Huber, Gemeindeordnung mit VGemO, LKrO und BezO, Stand August 2012, Anm. 3 zu Art. 88 GO; Widtmann/Grasser/Glaser, Bayer. Gemeindeordnung, Stand Dez. 2015, Art. 88 Rn. 7; Praxis der Kommunalverwaltung Bayern, Band B I, Erl. 1.1 zu Art. 88 GO; Schulz, BayVBl. 2010, 539).
2. Dass die R. Stadtwerke und nicht etwa die allgemeine Verwaltung der Beklagten den angefochtenen Bescheid erlassen haben, ergibt die gebotene Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont. Die Anforderungen an die Auslegung öffentlich-rechtlicher Willenserklärungen, zu denen auch Verwaltungsakte zählen, sind in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt. Danach sind solche Erklärungen in entsprechender Anwendung des § 133 BGB nach ihrem objektiven Erklärungswert unter Berücksichtigung der Begleitumstände auszulegen; abzustellen ist auf den erklärten Willen, wie ihn der Adressat von seinem Standpunkt aus bei verständiger Würdigung verstehen konnte (stRspr., vgl. BVerwG, U.v. 24.7.2014 – 3 C 23.13 – juris Rn. 18; B.v. 29.1.2016 – 8 B 6.16 – juris Rn. 9). Dass die Stadtwerke und nicht etwa die allgemeine Stadtverwaltung den Bescheid erlassen haben, folgt zum einen bereits daraus, dass dieser den Briefkopf der R. Stadtwerke trägt. Des Weiteren wird in der Bescheidsüberschrift auf die R. Stadtwerke Bezug genommen. Schließlich musste die Klägerin, die zugleich einen unstreitig von der allgemeinen Stadtverwaltung erlassenen Beitragsbescheid für die Entwässerung erhalten hat, angesichts der unterschiedlichen Behördenbezeichnung auch davon ausgehen, dass die beiden Beitragsbescheide von unterschiedlichen Behörden erlassen wurden. Objektiv waren des Weiteren keine Zweifel am Erlass des hier angefochtenen Bescheides durch die Stadtwerke angebracht, weil diese für den Bürger die kommunale Wasserversorgung nach außen verkörpern. Denn der Bürger hat im Regelfall keinen Einblick in die interne Verteilung der Zuständigkeiten innerhalb der Gemeinde und muss sich diesen insoweit auch nicht verschaffen. Danach konnte der streitgegenständliche Beitragsbescheid bei verständiger Würdigung vom Standpunkt der Klägerin als Adressatin aus betrachtet objektiv nur so verstanden werden, dass er von den Stadtwerken erlassen werde. Etwas anderes kann nicht daraus abgeleitet werden, dass die Erste Bürgermeisterin der Stadt den hier streitgegenständlichen Bescheid unterschrieben hat. Denn sie ist insoweit für die R. Stadtwerke tätig geworden, als deren Organ sie nach der Betriebssatzung neben dem Werkleiter, dem Werkausschuss und dem Stadtrat nach außen auftreten kann (vgl. §§ 3, 4 Abs. 5, 7 der Betriebssatzung). Ob sie dabei im Rahmen der ihr nach der Betriebssatzung zugewiesenen Befugnisse, also der Vertretungsbefugnis im Innenverhältnis gehandelt hat, spielt für diese Betrachtung keine Rolle. Die Beklagte kann sich demgegenüber auch nicht darauf berufen, dass der Bescheid aus steuerlichen Gründen auf dem Briefkopf der Stadtwerke erlassen worden sei bzw. habe erlassen werden müssen. Denn dieser Umstand spricht zusätzlich dafür, dass der Bescheid dann von dem Eigenbetrieb erlassen wird.
3. Den R. Stadtwerken ist keine Befugnis zum Erlass von Beitragsbescheiden und damit von Verwaltungsakten übertragen worden. Eine solche Befugnisübertragung war aber erforderlich, weil weder die Vorschriften der Gemeindeordnung über den Eigenbetrieb (Art. 86 Nr. 1, 88 GO) noch die Eigenbetriebsverordnung (EbV) eine derartige Befugnis enthalten (BayVGH, U.v. 25.1.2010 – 23 B 09.1553 – BayVBl. 2010, 536 m. Anm. Schulz; U.v. 6.9.2012 – 20 B 11.2171 – juris). Anders als bei selbständigen Kommunalunternehmen i.S.d. Art. 86 Nr. 2, 89 ff. GO, bei denen in der Regelung der Befugnis zur Vollstreckung von Verwaltungsakten in Art. 91 Abs. 4 GO die Befugnis zum Erlass solcher Verwaltungsakte gesetzlich vorausgesetzt ist (vgl. BayVGH, U.v. 16.2.2017 – 20 BV 16.90 – juris Rn. 20), folgt daher bei Eigenbetrieben – allgemeinen öffentlich-rechtlichen Grundsätzen entsprechend – aus einer Aufgabenzuweisung keine Befugnis zum Erlass von Verwaltungsakten. Eine Befugnisübertragung ergibt sich hier weder aus der der Beitragserhebung gem. Art. 2 Abs. 1 KAG zugrundeliegenden Beitrags- und Gebührensatzung zur Wasserabgabesatzung – BGS-WAS, noch aus der dazugehörigen Stammsatzung (Satzung für die öffentliche Wasserversorgungseinrichtung der Stadt R., Wasserabgabesatzung – WAS – vom 1.7.1997 i.d.F. der 1. Änderungssatzung v. 15.9.1999), noch aus der Betriebssatzung für den Eigenbetrieb „R. Stadtwerke“ (Betriebssatzung). In der Beschreibung des Unternehmensgegenstandes (§ 2 der Betriebssatzung) ist zwar eine Aufgabenzuweisung, aber keine Befugnisübertragung zu sehen (vgl. BayVGH, U.v. 25.1.2010 – 23 B 09.1553 – BayVBl. 2010, 536/537). Die daran anschließenden Vorschriften über die Organe des Eigenbetriebes (§§ 3 bis 7 der Betriebssatzung) enthalten ebenfalls keine Übertragung der Befugnis zum Erlass von Beitragsbescheiden. Soweit in § 6 Abs. 1 Nr. 5 der Betriebssatzung dem Stadtrat u.a. die „Festsetzung (…) allgemeiner Tarife, Gebühren und Beiträge“ zugewiesen ist, ist damit nach dem Regelungszusammenhang keine Festsetzung im Sinne des Erlasses eines Festsetzungsbescheides gemeint, sondern die Bestimmung allgemeiner Tarife, Beiträge und Gebühren; soweit dort die Befugnis des Stadtrates zum Erlass von Abgabesatzungen nach Art. 2 Abs. 1 KAG geregelt ist, hat die Vorschrift zudem nur deklaratorische Funktion, weil sich diese Ermächtigung bereits aus Art. 2 Abs. 1, 5 Abs. 1 Satz 1 und 8 Abs. 1 Satz 1 KAG i.V.m. Art. 29, 32 Abs. 2 GO ergibt (vgl. BayVGH a.a.O., 538). Sachlich zuständig zum Erlass des streitgegenständlichen Bescheides war damit die allgemeine Verwaltung der Beklagten (Art. 27 Abs. 1 GO, Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG i.V.m. § 1 der Beitrags- und Gebührensatzung zur Wasserabgabesatzung der Stadt R. – BGS-WAS – i.d.F. der 5. Änderungssatzung v. 27.7.2011), weshalb mit den Stadtwerken eine sachlich unzuständige Behörde gehandelt hat.
4. Der Verstoß gegen die Zuständigkeitsregelung führt zur formellen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Beitragsbescheids. Er konnte auch nicht gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 b) KAG i.V.m. § 126 AO geheilt werden, weil den Stadtwerken die sachliche Zuständigkeit als Behörde fehlte. Der Fehler ist auch nicht nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b) KAG i.V.m. § 127 AO unbeachtlich, weil ausdrücklich nur Verletzungen von Vorschriften u.a. über die örtliche Zuständigkeit als unbeachtlich angesehen werden. Alle anderen Zuständigkeitsverstöße stellen einen wesentlichen Verfahrensmangel dar und sind damit beachtlich (BayVGH, U.v. 11.5.2017 – 20 B 15.285 – juris Rn. 21 m.w.N.; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung – AO, Stand Oktober 2015, § 127 Rn. 10 f.).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).


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