Europarecht

Kartellrechtsneutralität einer Abschlusserklärung nach patentrechtlicher einstweiliger Verbotsverfügung

Aktenzeichen  29 U 2134/19 Kart

Datum:
11.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
WuW – 2019, 536
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 927, § 936
GWB § 1, § 19
BGB § 134

 

Leitsatz

1. Verzichtet ein Schuldner einer einstweiligen Verfügung, in der diesem verboten wurde, patentverletzende Generika in die maßgebliche Datenbank als in Deutschland erhältliche Arzneimittel aufzunehmen oder zu führen, im Rahmen einer Abschlusserklärung unter anderem auf die Rechte nach § 927 ZPO, so gilt dieser Verzicht grds. solange das Streitpatent nicht rechtskräftig für nichtig erklärt wurde (bzw. aus anderem Grunde nicht mehr existent ist). Eine andere Auslegung würde den Gläubiger einer einstweiligen Verfügung trotz Abschlusserklärung schlechter stellen als denjenigen eines gleichlautenden rechtskräftigen Hauptsachetitels. (Rn. 12)
2. Die Befolgung einer aufgrund einer Abschlusserklärung bestandskräftigen Gerichtsentscheidung durch den Schuldner kann mangels Entscheidungsspielraums des Schuldners keine missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung iSv § 19 Abs. 1 GWB sein. (Rn. 12)
3. Die Abgabe einer Abschlusserklärung ist kartellrechtlich neutral, wenn der Schuldner im Zeitpunkt der Abgabe objektiv gerechtfertigte Gründe hatte, ernstlich anzunehmen, auch in einem Hauptsacheprozess zu unterliegen. (Rn. 16)
4. Hebt die erste Instanz eine zuvor erlassene einstweilige Verfügung auf einen Antrag nach § 927 ZPO zu Unrecht auf, so ist das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und der Aufhebungsantrag zurückzuweisen. Eines erneuten Erlasses der einstweiligen Verfügung bedarf es indes nicht. (Rn. 18)

Verfahrensgang

21 O 19033/16 2019-04-05 Endurteil LGMUENCHENI LG München I

Tenor

I. Auf die Berufung der Aufhebungsbeklagten werden das Urteil des Landgerichts München I vom 05.04.2019, Az.: 21 O 19033/16, ergänzt durch Ergänzungsurteil vom 26.06.2019, aufgehoben und der Aufhebungsantrag zurückgewiesen.
II. Die Aufhebungsklägerin hat die Kosten des Aufhebungsverfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Von einem Tatbestand wird gemäß § 540 Abs. 2, § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
II.
Die zulässige Berufung ist begründet. Im Hinblick auf die seitens der Aufhebungsklägerin abgegebene Abschlusserklärung vom 18.11.2016 fehlt der Aufhebungsklägerin für einen Antrag nach § 927 ZPO, gestützt auf die bislang vorliegende, nicht rechtskräftige Entscheidung des BPatG vom 17.07.2018 (Az.: 3 Ni 23/16 (EP); 3 Ni 19/17 (EP)) das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis, so dass dieser als unzulässig zurückzuweisen ist. Weder ist der in der Abschlusserklärung erklärte Verzicht auf das in § 927 ZPO vorgesehene Rechtsmittel gegen die einstweilige Verfügung vom 14.11.2016 wegen Eintritts einer auflösenden Bedingung für die Aufhebungsklägerin nicht mehr bindend, noch kann dessen Erklärung als kartellrechtswidrig und damit unwirksam angesehen werden.
1. § 927 ZPO iVm § 936 ZPO gewährt dem Schuldner einer einstweiligen Verfügung grundsätzlich die Möglichkeit, die Aufhebung einer gegen ihn ergangenen einstweiligen Verfügung zu beantragen, wenn eine der Voraussetzungen für deren Erlass infolge einer Veränderung der Umstände weggefallen ist. § 927 ZPO ist Ausdruck der eingeschränkten Rechtskraft- und Bindungswirkung der von dieser Norm wegen § 936 ZPO neben dem Arrest ebenfalls erfassten einstweiligen Verfügung (Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 32. Aufl., § 927 Rn. 1). Das dort geregelte Aufhebungsverfahren erübrigt sich daher, wenn entweder der Gläubiger einer diesen sichernden einstweiligen Verfügung auf die ihm dort zugesprochene Rechtsposition verzichtet, oder – was vorliegend inmitten steht – der Schuldner die der einstweiligen Verfügung an sich immanenten Einschränkungen der Rechtskraft- und Bindungswirkung beseitigt, indem er die vorläufige Maßnahme als endgültige anerkennt.
2. Ein Verzicht auf die Möglichkeit der Stellung eines Aufhebungsantrags nach § 927 ZPO ist daher grundsätzlich möglich (s. hierzu Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 32. Aufl., § 927 Rn. 9a) und ist insbesondere Gegenstand einer Abschlusserklärung. Deren Ziel ist es, die Defizite einer einstweiligen Verfügung zu überwinden und dem Gläubiger die angestrebte Rechtsposition zu verschaffen, indem der einstweiligen Verfügung auf Dauer vergleichbare Wirkungen beigelegt werden wie einem Hauptsachetitel (Bacher, in: Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 12. Aufl., Kap. 43 Rn. 3, 4 unter Verweis auf die einschlägige BGH-Rspr.).
3. Vorliegend hat die Aufhebungsklägerin unter dem 18.11.2016 eine Abschlusserklärung abgegeben, die der Zulässigkeit der hier erhobenen Aufhebungsklage entgegensteht.
a) In der im Rahmen der Anlage ASt 3 vorgelegten Erklärung der Aufhebungsklägerin heißt es, dass diese
1. die unter dem Aktenzeichen 21 O 19033/16 am 14. November 2016 ergangene einstweilige Verfügung (Beschluss) des Landgerichts München I als endgültige und zwischen den Parteien materiellrechtlich verbindliche Regelung, die in ihren Wirkungen einem rechtskräftigen Urteil gleichstehe, anerkenne;
2. auf alle Rechtsmittel gegen die in Ziff. 1 genannte einstweilige Verfügung, insbesondere die Rechtsmittel der Fristsetzung zur Hauptsacheklage (§ 926 ZPO), der Aufhebung wegen veränderter Umstände (§ 927 ZPO), sowie darauf, die Unrichtigkeit der einstweiligen Verfügung durch Feststellungsklage, negative Feststellungsklage, Inzident-Feststellungsklage oder Einwendung in einem Rechtsstreit geltend zu machen, verzichte.
In dem ebenfalls mit der Anlage ASt 3 vorgelegten anwaltlichen Begleitschreiben vom 23.11.2016 an die Aufhebungsbeklagte wird zudem ergänzend zu der Abschlusserklärung bemerkt, dass die Unterlassungserklärung, Produkte enthaltend P. nicht aufzunehmen, für die Dauer des entsprechenden Patentschutzes gelte.
Mit Anwaltsschreiben vom 08.12.2016 an die Aufhebungsklägerin (Anlage ASt 4) sandte die Aufhebungsbeklagte die von ihr am 28.11.2016 gegengezeichnete Abschlusserklärung zurück (in welcher sie ihrerseits erklärte, keine Kostenerstattungsansprüche aus dem Verfahren 21 O 19033/16 gegen die Aufhebungsklägerin geltend zu machen, was auch für die Kosten aufgrund der Abschlusserklärung gelte) und erklärte ergänzend in dem anwaltlichen Anschreiben, dass die abgegebene Unterlassungserklärung selbstverständlich lediglich bis zum Ablauf des Schutzrechts der Aufhebungsbeklagten gelte.
b) Die hinsichtlich des Umfangs der Abschlusserklärung vorzunehmende Auslegung lässt entgegen der Auffassung der Aufhebungsklägerin nicht den Schluss zu, dass der Verzicht auf Stellung eines Aufhebungsantrags in der vorliegenden Situation (nicht rechtskräftige Nichtigerklärung des Streitpatents durch das BPatG) nicht (mehr) gelten soll.
aa) Im Streitfall kann dahinstehen, ob es sich bei der hier seitens der Aufhebungsklägerin unter dem 18.11.2016 abgegebenen Erklärung um einen außerprozessual erklärten Rechtsbehelfsverzicht handelt, dessen Wirkung unabhängig von der Zustimmung der Gegenseite eingetreten ist, oder um eine auf den Abschluss eines Abschlussvertrags gerichtete Willenserklärung (vgl. hierzu Bacher, in: Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 12. Aufl., Kap. 43 Rn. 10; Retzer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 4. Aufl., § 12 Rn. 646), denn unstreitig hat die Aufhebungsbeklagte die abgegebene Abschlusserklärung am 28.11.2016 gegengezeichnet und die so gegengezeichnete Erklärung der Gegenseite zugesandt, so dass jedenfalls ein Abschlussvertrag vorliegt.
bb) Welcher Erklärungsinhalt einer Abschlusserklärung zu entnehmen ist, ist nach allgemeinen Grundsätzen durch Auslegung zu ermitteln (BGH, GRUR 2009, 1096 Rn. 26 – Mescher weis). Der Erklärungsgehalt richtet sich nach dem objektiven Empfängerhorizont unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben. Wird in einer Abschlusserklärung auf die Rechte aus §§ 924, 926 und 927 ZPO ohne ausdrückliche Einschränkung verzichtet, so kann dem Verzicht nach Treu und Glauben kein weitergehender Erklärungsinhalt beigemessen werden, als er für den Zweck der Abschlusserklärung, die angestrebte Gleichstellung des vorläufigen mit dem Hauptsachetitel zu erreichen, erforderlich ist. Es kann dann nicht angenommen werden, dass der Unterlassungsschuldner auf die Rechte aus § 927 ZPO auch insoweit verzichten wollte, als sie mit den Einwendungen übereinstimmen, die einem rechtskräftigen Hauptsachetitel nach § 767 ZPO entgegengehalten werden könnten (BGH, GRUR 2009, 1096 Rn. 26 – Mescher weis).
cc) Gemessen an diesen Grundsätzen erfasst der seitens der Aufhebungsklägerin erklärte Verzicht auf einen Antrag nach § 927 ZPO die hier streitgegenständliche Konstellation. Dabei kann offen bleiben, ob die Abschlusserklärung in Bezug auf die Dauer des Patentschutzes eine auflösende Bedingung enthält oder sich ein entsprechender Umfang ohnehin aus der vorzunehmenden Auslegung der Erklärung ergibt.
(i) Aus Sicht eines objektiven Empfängers ist die seitens der Aufhebungsklägerin abgegebene Abschlusserklärung auch unter Berücksichtigung der im anwaltlichen Begleitschreiben enthaltenen Bemerkung einerseits dahingehend auszulegen, dass sie jedenfalls dazu dient, die Aufhebungsbeklagte als Gläubigerin der einstweiligen Verfügung klaglos zu stellen und diese daher nicht gehalten ist, einen rechtskräftigen Hauptsachetitel erstreiten zu müssen; andererseits ist die Erklärung so zu verstehen, dass hierdurch der Gläubiger gegenüber dem Inhaber eines rechtskräftigen Hauptsachetitels nicht besser gestellt werden sollte, da es eines derart weitreichenden Rechtsbehelfsverzichts zur Vermeidung einer Hauptsacheklage schlicht nicht bedarf (vgl. Retzer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 4. Aufl., § 12 Rn. 639).
(ii) Einem rechtskräftigen Hauptsachetitel mit dem Inhalt der hier zugrundeliegenden Unterlassungsverfügung könnte die Entscheidung des BPatG vom 17.07.2018 jedoch nicht entgegen gehalten werden, da sie unstreitig nicht rechtskräftig ist.
(1) Die Gestaltungswirkung des gem. § 84 Abs. 1 PatG erlassenen Urteils des BPatG tritt erst mit seiner materiellen Rechtskraft ein (Mes, PatentG, 4. Aufl., § 84 Rn. 63). Das Streitpatent ist mithin zumindest noch als erteilt anzusehen.
(2) Erst jedoch, wenn der Bestand eines Patents aufgrund der Nichtigerklärung im Nichtigkeitsverfahren bestandskräftig in Wegfall gekommen ist, steht dem bereits rechtskräftig aus diesem Patent verurteilten Schuldner in entsprechender Anwendung des § 580 Nr. 6 ZPO die Restitutionsklage zu (BGH, GRUR 2012, 753 Rn. 13 – Tintenpatrone III). Eine Möglichkeit, sich vor Bestandskraft der Nichtigerklärung gegen ein bereits rechtskräftiges Urteil im Verletzungsprozess auf die Nichtigkeit des Streitpatents zu berufen, besteht indes nicht.
(iii) Da die einstweilige Verfügung der 21. Zivilkammer des Landgerichts München I mit der Abschlusserklärung der Aufhebungsklägerin einem rechtskräftigen Hauptsachetitel gleichgestellt wurde, ist der Verzicht auf die Geltendmachung veränderter Umstände vorliegend folglich so auszulegen, dass dieser jedenfalls solange gilt, solange das Streitpatent nicht rechtskräftig für nichtig erklärt wurde (bzw. aus anderem Grunde nicht mehr existent ist). Eine andere Auslegung würde die Aufhebungsbeklagte als Gläubigerin der vorliegenden Beschlussverfügung schlechter stellen als die Gläubigerin eines gleichlautenden rechtskräftigen Hauptsachetitels, was ersichtlich nicht Sinn und Zweck der von der Aufhebungsklägerin abgegebenen Abschlusserklärung war.
(iv) Nichts anderes ergibt sich aus den ergänzenden Bemerkungen der anwaltlichen Vertreter innerhalb des Abschlussverfahrens. Auch dort wurde auf die Dauer des Patentschutzes Bezug genommen, was im Hinblick auf Sinn und Zweck der Abschlusserklärung nur dahingehend verstanden werden kann, dass sich eine maßgebliche Änderung der Rechtslage aus Sicht beider Parteien erst dann einstellt, wenn der Patentschutz tatsächlich als nicht mehr existent anzusehen ist – was hier derzeit jedenfalls nicht der Fall ist.
(v) Soweit die Aufhebungsklägerin meint, es sei ihr nicht zuzumuten, bis zum Eintritt der Rechtskraft des Urteils des Bundespatentgerichts zuzuwarten, vielmehr sei eine Aufhebung der einstweiligen Verfügung bereits jetzt gerechtfertigt, überzeugt dies nicht.
(1) Die Aufhebungsklägerin begründet ihre Auffassung mit ihrer Tätigkeit als Clearingstelle der pharmazeutischen Industrie, des pharmazeutischen Großhandels und der Apotheker in der Bundesrepublik Deutschland, weshalb sie regelmäßig in die Auseinandersetzungen zwischen Originalherstellern und Generikaanbietern involviert sei. So habe das Landgericht Frankfurt in seiner Entscheidung vom 10.08.2018 (Az.: 2-03 O 211/17) in einer anderen Angelegenheit die Verpflichtung der Aufhebungsklägerin nach § 20 GWB festgestellt, generische Wettbewerber nicht zu behindern. Wäre die Aufhebungsklägerin aber noch an die einstweilige Verfügung des Landgerichts München I gebunden, nachdem das streitgegenständliche Patent für nichtig erklärt worden sei, könnte sie generische P. -haltige Artikel von Wettbewerbern nicht in ihren Informationsdiensten veröffentlichen, obwohl das Patent nicht vollziehbar wäre. Die damit verbundene Behinderung generischen Wettbewerbs sei in dieser Situation nicht durch das Patent gerechtfertigt, so dass die Abschlusserklärung nicht über die Vollziehbarkeit des Patents und zulasten des generischen Wettbewerbs ausgelegt werden könne.
(2) Mit dieser Argumentation vermag die Aufhebungsklägerin aus mehreren Gründen nicht durchzudringen.
(a) So verkennt die Aufhebungsklägerin bereits den Umstand, dass es für das hiesige Aufhebungsverfahren nicht darauf ankommt, ob und inwieweit sie durch das Streitpatent selbst verpflichtet sein könnte, generischen Wettbewerb zu verhindern, sondern sich ihre Verpflichtung aus einer gerichtlichen Entscheidung ergibt, die sie lange vor der zwischenzeitlich ergangenen (und nicht rechtskräftigen) Entscheidung des BPatG durch ihre Abschlusserklärung einem rechtskräftigen Hauptsacheurteil gleichgestellt hat. Die Entscheidung, die in der einstweiligen Verfügung des Landgerichts vom 14.11.2016 genannten Produkte ohne Zustimmung der Aufhebungsbeklagten oder der L. Deutschland GmbH nicht in die Datenbank aufzunehmen oder zu führen, ist daher jetzt keine aufgrund eines bestehenden Entscheidungsspielraums getroffene, sondern stellt die Befolgung einer nach wie vor bestandskräftigen Gerichtsentscheidung dar. Eine derartige Befolgung kann von vornherein keine missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung iSv § 19 Abs. 1 GWB sein, denn vom Missbrauchsverbot des § 19 GWB werden Verhaltensweisen nur erfasst, wenn das von der Norm adressierte Unternehmen überhaupt über einen Entscheidungsspielraum verfügt (Weyer, in: Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht, § 19 Rn. 42).
(b) Ob die Entscheidung, ein im jetzigen Zeitpunkt noch zur Verfügung stehendes Rechtsmittel gegen ein gerichtliches Verbot nicht einzulegen, grds. als von § 19 GWB erfasstes Verhalten angesehen werden kann, ist vorliegend nicht zu entscheiden. Denn im Streitfall ist die Aufhebungsklägerin durch ihre bereits im November 2016 abgegebene Abschlusserklärung und den darin erklärten Verzicht – wie oben dargelegt – gehindert, ein solches einzulegen.
c) Der Wirksamkeit des innerhalb der Abschlusserklärung erklärten Rechtsbehelfsverzichts steht die vom Landgericht angenommene Kartellrechtswidrigkeit nicht entgegen. Diese ergibt sich weder aus § 19 Abs. 1 GWB noch aus § 1 GWB.
aa) Im Ergebnis kann offenbleiben, ob und unter welchen Voraussetzungen Abschlusserklärungen Gegenstand einer kartellrechtlichen Überprüfung sein können. Generell aber sind Vereinbarungen, die zumindest auch die Nutzung eines Schutzrechts regeln, an den Maßstäben von § 1 GWB bzw. Art. 101 Abs. 1 AEUV zu messen und genießen keine Privilegierung (Brinker, in: Bechtold/Bosch/Brinker, EU-Kartellrecht, 3. Aufl. 2014, Art. 101 Rn. 223). Da die hier streitgegenständliche Abschlusserklärung letztlich eine Regelung über die Nutzung des Streitpatents enthält, spricht viel dafür, auch diese grds. am Maßstab kartellrechtlicher Bestimmungen überprüfen zu können.
bb) Kartellrechtswidrig sind Nutzungsvereinbarungen über Schutzrechte – sofern sie nicht gesetzlich freigestellt sind -, wenn sie entweder eine Wettbewerbsbeschränkung bezwecken oder eine spürbare Wettbewerbsbeschränkung bewirken. Sie sind allerdings kartellrechtsneutral, soweit sie lediglich die bestehenden Schutzrechte konkretisieren, weil die Regelungen des Marktverhaltens dann nicht auf der privatautonomen (Abgrenzungs-)Vereinbarung, sondern auf dem Schutzinhalt der geregelten Schutzrechte beruhen (OLG Düsseldorf, NZKart 2015, 109, 110). Doch auch soweit die Vereinbarung über die Konkretisierung hinausgeht, ist zu berücksichtigen, dass eine damit einhergehende tatsächliche Wettbewerbsbeschränkung hinzunehmen sein kann, wenn die Vereinbarung eine solche nicht bezweckt, sondern nur bewirkt und bei Abschluss der Vereinbarung ein ernsthafter, objektiv begründeter Anlass zu der Annahme bestanden hatte, dem begünstigten Vertragspartner stehe ein Anspruch auf Unterlassung des durch die Vereinbarung untersagten Marktverhaltens zu, so dass ernstlich damit zu rechnen war, dass dem Betroffenen dieses Marktverhalten gerichtlich untersagt worden wäre. Dabei ist ausschließlich auf die im Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung tatsächlich bestehenden oder ernsthaft in Betracht kommenden Kollisionslagen abzustellen, insbesondere darauf, ob die von der Vereinbarung erfassten Schutzrechte bestanden haben oder für ihr Bestehen zumindest ein objektiv begründeter Anlass gegeben war (OLG Düsseldorf, NZKart 2015, 109, 110/111).
cc) Gemessen an diesen Maßstäben ist die Abschlusserklärung nicht wegen eines Verstoßes gegen § 1 GWB gem. § 134 BGB nichtig.
(i) Da es wie dargestellt für die Beurteilung der Kartellrechtswidrigkeit auf den Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung ankommt, ist entscheidend, ob seinerzeit für die Annahme des Bestehens des Schutzrechts zumindest ein objektiv begründeter Anlass gegeben war (OLG Düsseldorf, NZKart 2015, 109, 111), denn Wettbewerbsbeschränkungen, die aufgrund ernsthafter, begründeter Unsicherheit der Rechtslage mit einer entsprechenden Einigung – die wie hier unstreitig nicht den Zweck hatte, den Wettbewerb zu beschränken, sondern lediglich eine gerichtliche Auseinandersetzung für die Dauer des Patentschutzes zu beenden -, sind erforderlich, um den kartellrechtsneutralen Hauptzweck dieses von der Rechtsordnung nicht nur gebilligten, sondern begrüßten Instituts einer Abschlusserklärung zu erreichen (vgl. Kirchhoff, GRUR 2017, 248, 253 zu markenrechtlichen Abgrenzungsvereinbarungen).
(ii) Genau dies war vorliegend der Fall. Die Aufhebungsbeklagte ist Inhaberin eines geprüften Schutzrechts, eine Entscheidung, die das erteilte Patent für nichtig erklären würde, war im Zeitpunkt der Abgabe der Abschlusserklärung nicht zu erwarten, und der Aufhebungsklägerin war zudem gerichtlich geboten worden, dass Streitpatent zu beachten. Sie hatte mithin im Zeitpunkt der Abgabe der Abschlusserklärung objektiv gerechtfertigte Gründe, ernstlich anzunehmen, auch in einem Hauptsacheprozess gegen die Aufhebungsbeklagte zu unterliegen.
(iii) Vor diesem Hintergrund war ihre Entscheidung, die gerichtliche Auseinandersetzung durch eine Abschlusserklärung zu beenden, kartellrechtlich neutral. Allein die theoretische Möglichkeit, dass sie in einem Widerspruch oder einem Hauptsacheverfahren obsiegen könnte, begründete für sie keine rechtliche Verpflichtung, auf die Abgabe einer Abschlusserklärung zu verzichten und sich allein von ihr (und nicht den durch das Verbot mittelbar betroffenen Wettbewerbern) zu tragenden weiteren Kostenrisiken auszusetzen. Den durch das Kartellrecht berücksichtigten Interessen an der Verhinderung nicht gerechtfertigter Wettbewerbsbeschränkungen hat sie vielmehr jedenfalls dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass sie sich durch die Beschränkung ihrer Abschlusserklärung auf die Dauer des Patentschutzes die Möglichkeit offen gelassen hat, die Verbotsverfügung und die damit einhergehenden Beschränkungen Dritter zu beseitigen, wenn rechtskräftig kein Patentschutz mehr zugunsten der Aufhebungsbeklagten besteht.
(iv) Weitergehende Pflichten bestanden für die Aufhebungsklägerin bei Abgabe der Abschlusserklärung jedenfalls nicht. Insbesondere war sie nicht gehalten, auch für den hier maßgeblichen Fall einer noch nicht rechtskräftigen Nichtigerklärung des Streitpatents eine auflösende Bedingung für ihren Rechtsbehelfsverzicht vorzusehen. Denn eine derartige Abschlusserklärung hätte die Aufhebungsbeklagte gerade nicht klaglos gestellt, weil die Gleichstellung der Beschlussverfügung mit einem rechtskräftigen Hauptsachetitel nicht erreicht worden wäre.
(v) Ein derart kartellrechtsneutrales Verhalten der Aufhebungsklägerin kann folglich auch nicht als missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung iSv § 19 Abs. 1 GWB, insbesondere auch nicht als unbillige Behinderung iSv § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB angesehen werden.
(1) Zu Recht stellt das Landgericht darauf ab, dass die Unbilligkeit nach ständiger Rechtsprechung auf Grund einer umfassenden Abwägung der Interessen der Beteiligten unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des GWB zu beurteilen ist (st. Rspr., vgl. BGH, NJW 2012, 2110 Rn. 29 – Vertriebsumstellung).
(2) Der Auffassung des Landgerichts, dass es unbillig sei, dass es der Aufhebungsklägerin aufgrund des Verzichts auf § 927 ZPO nicht möglich sei, die hier erfolgte – nicht rechtskräftige -Feststellung der Nichtigkeit zur Aufhebung der einstweiligen Verfügung geltend zu machen, wodurch die Generikahersteller behindert würden, folgt der Senat jedoch nicht. Denn eine Unbilligkeit könnte nur dann angenommen werden, wenn man für den Fall, dass die Aufhebungsklägerin keine Abschlusserklärung abgegeben hätte, eine Rechtspflicht der Aufhebungsklägerin annehmen würde, aufgrund einer nicht rechtskräftigen Nichtigkeitsentscheidung auf eigenes Risiko ohne Möglichkeit der Schadloshaltung den Bestand der einstweiligen Verfügung anzugreifen. Eine solche Pflicht, sich gegen eine gerichtliche Entscheidung der vorliegenden Art zu wehren, gibt es indes nicht, und die Annahme einer solchen stünde zudem in Widerspruch zu den obigen Ausführungen zur kartellrechtlichen Neutralität der hier abgegeben Abschlusserklärung.
4. Der mit der Abschlusserklärung erklärte, nach obigen Ausführungen wirksame Verzicht auf den Rechtsbehelf nach § 927 ZPO führt zur Unzulässigkeit der erhobenen Aufhebungsklage. Ob es dafür – da die Abschlusserklärung außergerichtlich abgegeben wurde – einer Einrede der Aufhebungsbeklagten bedurfte (vgl. zur Berufung BGH, NJW-RR 1997, 1288; NJW 2002, 2108, 2109), während ein Rechtsmittelverzicht in Form einer gegenüber dem Gericht abgegebenen Erklärung von Amts wegen zu berücksichtigen ist (BGH, Beschluss v. 24.10.2017, Az.: X ARZ 326/17, BeckRS 2017, 135207 Rn. 17), kann dahinstehen, denn die Aufhebungsbeklagte beruft sich ausdrücklich auf die Abschlusserklärung und den darin erklärten Rechtsbehelfsverzicht.
III.
Das erstinstanzliche Urteil war daher aufzuheben und der Aufhebungsantrag zurückzuweisen. Eines erneuten Erlasses der einstweiligen Verfügung bedurfte es nicht, denn Prüfungsgegenstand einer Aufhebungsklage ist nicht die Rechtmäßigkeit der einstweiligen Verfügung im Zeitpunkt ihres Erlasses, sondern nur, ob sich die Entscheidungsgrundlage zwischenzeitlich zugunsten des Schuldners verändert hat (vgl. Mayer, in: BeckOK, ZPO, 32. Ed. 01.03.2019, § 927 Rn. 1, 18). Ist keine Veränderung der Umstände eingetreten oder die Aufhebungsklage -wie hier – bereits unzulässig, verbietet sich eine erneute Prüfung des Vorliegens von Verfügungsgrund und -anspruch, so dass ein erneuter Erlass einer in erster Instanz nach § 927 ZPO aufgehobenen einstweiligen Verfügung in zweiter Instanz nicht in Betracht kommt, diese vielmehr allein durch die in der Berufung erfolgende Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung und Zurückweisung des Aufhebungsantrags wieder in Kraft tritt. Jedenfalls gebietet es die Interessenlage dann nicht, eine vom Erstgericht nach § 927 ZPO aufgehobene einstweilige Verfügung erneut zu erlassen, wenn diese – wie vorliegend – nicht aus einem Grund aufgehoben wurde, der seine ursprüngliche Fehlerhaftigkeit ergeben würde (OLG Karlsruhe, Urt. v. 22.01.2014, Az.: 6 U 135/10, BeckRS 2014, 7252). Daher bedarf es vorliegend auch keiner erneuten Invollzugsetzung, auch nicht angesichts der einstweiligen Einstellung der Vollziehung aufgrund des landgerichtlichen Beschlusses vom 05.11.2018. Da diese – wie sich den Entscheidungsgründen entnehmen lässt – im Hinblick auf das seinerzeit noch laufende Aufhebungsverfahren ausgesprochen wurde, verliert die Einstellungsentscheidung spätestens durch die Verkündung dieser das Aufhebungsverfahren abschließenden Entscheidung ihre Wirkung.
IV.
Zu den Nebenentscheidungen:
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 ZPO.
Für die Zulassung der Revision ist im Streitfall kein Raum (vgl. § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO).


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