Europarecht

Kaufpreis, Fahrzeug, Schadensersatzanspruch, Unfall, Annahmeverzug, Sittenwidrigkeit, Streitwert, Software, Vertragsschluss, betrug, Pkw, Sicherheitsleistung, Klage, Kilometerstand, Kosten des Rechtsstreits, nicht ausreichend, Zahlung des Kaufpreises

Aktenzeichen  23 O 450/19

Datum:
29.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 58179
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zuvollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 44.623,00 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
I. Der Klagepartei steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe des Kaufpreises abzüglich gezogener Nutzungen zu (§ 826 BGB).
Der Sachvortrag der Klagepartei ist nicht ausreichend, die Tatbestandsvoraussetzungen der sittenwidrigen Schädigung nach § 826 BGB auszufüllen.
1. Im Gegensatz zu Fällen des Einbaus des Motors Typ EA 189 – bei denen nicht nur eine unzulässige Abschalteinrichtung vorliegt und auch aufgrund der konkreten Ausgestaltung derselben (spezielle, allein auf das Prüfverfahren abgestimmte Steuerungssoftware, die bei Aktivierung dazu führt, dass das Prüfverfahren keinerlei Rückschlüsse auf die tatsächlichen Eigenschaften des Fahrzeugs im Normalbetrieb zulässt, was erkennbar und bewusst dem Zweck der maßgeblichen Vorschriften der VO (EG) Nr. 715/2007 widersprach) unproblematisch davon auszugehen ist, dass die handelnden Personen auch subjektiv die die Sittenwidrigkeit begründenden Tatumstände (vgl. hierzu Palandt – Sprau, BGB – Kommentar, 78. Aufl. 2019, § 826 Rn. 8) kannten – kann dies im konkreten Fall nicht unterstellt werden.
Die Klagepartei beschränkt sich darauf, die technischen Gegebenheiten rudimentär und unsubstantiiert zu schildern und daraus den rechtlichen Schluss der Sittenwidrigkeit zu ziehen.
a) Ausreichende Anknüpfungstatsachen dafür, dass im vorliegenden Fall – wie bei dem Motor des Typs EA 189 – eine Lenkwinkelerkennung vorliegt sind nicht vorgetragen. Die Bezugnahme auf Ermittlungen in den USA ist hierfür nicht ausreichend. Ein pauschales Abstellen auf die gemeinsame Entwicklungshistorie der Motoren EA 189 und EA 288 reicht hierfür ebenfalls nicht aus.
b) Soweit die Klagepartei auf das „Thermofenster“ abstellt, hätte diese dartun müssen, warum dieses nicht notwendig ist, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeuges zu gewährleisten (OLG München, Beschluss vom 29.08.2019, Aktenzeichen 8 U 1449/19, Rz. 39, 41). Auch insoweit wären entsprechend angreifbare Anhaltspunkte aufzuzeigen gewesen.
Angesichts der von der Beklagten in Einzelheiten dargetanen technischen Funktionsweise der vom KBA als zulässige Abschalteinrichtungen gewerteten Motorsteuerungskonfigurationen erscheint es – im Gegensatz zu Fällen des Motortyps EA 189 – nicht von vornherein
ausgeschlossen, dass die Entwickler davon ausgingen, dass es sich um erlaubte Ausnahmen nach Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007 handele, etwa zum Schutz des Motors. Dies erscheint hier schon deshalb sogar naheliegend, weil die Funktionen offenbar gerade nicht ausschließlich dazu dienen, im Prüfverfahren zur Anwendung zu kommen und das reale Emissionsverhalten zu verschleiern, sondern der Warmlaufmodus etwa auch bei einem Kaltstart im Winter eingesetzt wird und geeignet ist, das Emissionsverhalten des Fahrzeugs im Straßenbetrieb (regulärer, nach einigen Betriebsminuten zu erwartender Schadstoffausstoß) darzustellen und die reduzierte AdBlue-Einspritzung sich ersichtlich weder auf dem Prüfstand noch im größten Teil des regulären Fahrbetriebs auswirkt.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag der Klagepartei zur angeblichen Manipulation des On-Board-Diagnosesystems, der angeblichen Temperaturerkennung sowie der behaupteten Zeiterfassung.
c) Der Vortrag der Klagepartei ist daher auch nicht geeignet, eine sekundäre Darlegungslast der Beklagten auszulösen. Insbesondere ist im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, dass kein Rückruf des KBA nach dessen von der Beklagten vorgetragenen Prüfung erfolgt ist.
d) Lediglich ergänzend ist auszuführen, dass bei dieser Sachlage ein dem Vorstand zurechenbares Wissens- und Wollenselement nicht nachgewiesen ist.
II. Weitere deliktische, auf Naturalrestitution gerichtete Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte kommen nach Auffassung des Gerichts nicht in Betracht.
1. Ein Anspruch nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit Art. 5 Abs. 2 VO (EG) Nr. 715/2007 ist nicht gegeben.
Bei den zitierten europarechtlichen Regelungen handelt es sich nach Ansicht des Gerichts nicht um Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB (OLG München, aaO., Rz. 47).
Ziel der VO (EG) Nr. 715/2007 ist die Harmonisierung des Binnenmarkts bzw. die Vollendung des Binnenmarktes durch Einführung gemeinsamer technischer Vorschriften zur Begrenzung von Fahrzeugmissionen. Auch der EuGH hat einen Bezug zu Individualinteressen bei der vorgenannten Vorschrift verneint (OLG München, aaO., Rz. 51 mit weiteren Nachweisen).
2. Die Klagepartei hat gegen die Beklagte keinen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 263 Abs. 1, 25 Abs. 1 2. Fall StGB bzw. § 27 StGB.
Die Klagepartei hat eine Absicht rechtswidriger Bereicherung der Beklagten sowie die Stoffgleichheit des Schadens nicht dargelegt.
Bereicherungsabsicht setzt voraus, dass die Tat subjektiv auf die Erlangung eines rechtswidrigen Vermögensvorteils für den Täuschenden oder einen Dritten gerichtet ist; dabei muss der Vorteil die Kehrseite des Schadens und ihm „stoffgleich“ sein. Der Täter muss den Vorteil unmittelbar aus dem Vermögen des Geschädigten in der Weise anstreben, dass der Vorteil die Kehrseite des Schadens ist. Es ist davon auszugehen, dass es für die Stoffgleichheit ausreicht, wenn Vorteil und Schaden auf derselben Verfügung beruhen und der Vorteil zu Lasten des geschädigten Vermögens geht (vgl. Schönke/Schröder/Perron, StGB § 263 Rn. 168169, beckonline). Soweit der Kläger einen Schaden durch den Vertragsschluss und die Belastung mit der Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises geltend macht, fehlt es an der Unmittelbarkeit der Vermögensverschiebung. Der Vertragsschluss mit dem Händler stellt insoweit die mittelbare Folge der von der Beklagten primär beabsichtigten (unmittelbaren) Veräußerung des Fahrzeugs an den Vertragshändler dar. (LG Braunschweig, Urteil vom 29.12.2016, Az. 1 O 2084/15).
III. Die aus dem Hauptanspruch abgeleiteten Nebenansprüche auf Feststellung des Annahmeverzugs sowie Zahlung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten und Zinsen teilen das Schicksal der Hauptforderung.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 709 S. 1, 2 ZPO.
Der Streitwert wurde gemäß §§ 3 ZPO, 63 GKG festgesetzt.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben