Europarecht

Kaufvertrag, Anordnungsgrund, Ungarn, Drittstaat, Anordnungsanspruch, Verbraucherschutz, Rinder, Ermessen, Fahrtenbuch, Mitgliedstaat, Unionsrecht, Gesundheitszustand, Transport, Streitwertfestsetzung, Vorwegnahme der Hauptsache, einstweiligen Anordnung, Schutz von Tieren beim Transport

Aktenzeichen  M 26b E 21.191

Datum:
18.1.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 335
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antragsgegner wird vorbehaltlich
• der am Transporttag selbst noch notwendigen Überprüfungen,
• der Zuweisung einer individuellen Kennnummer zum Fahrtenbuch und
• der Vorlage einer unterzeichneten Kopie von Abschnitt 1 des Fahrtenbuchs spätesten 48 Stunden vor dem geplanten Versand beim Vertreter des Antragsgsgners
verpflichtet, das Fahrtenbuch der Antragstellerin zu 2 für den am 21. Januar 2021 beantragten Transport von 31 trächtigen Rindern gemäß Art. 14 Abs. 1 lit. c) der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 des Rates vom 22. Dezember 2004 zu stempeln.
Der Antrag der Antragstellerin zu 1 wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin zu 1 trägt die Hälfte der Gerichtskosten, ihre außergerichtlichen Kosten sowie die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners. Der Antragsgegner trägt die Hälfte der Gerichtskosten, die Hälfte seiner außergerichtlichen Kosten sowie die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu 2.
III. Der Streitwert wird auf 15.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerinnen begehren die Stempelung des Fahrtenbuchs für den bevorstehenden Transport von Rindern von M. nach Ungarn.
Die Antragstellerin zu 1 hatte am 5. Dezember 2020 mit einem in Kasachstan ansässigen Milchviehbetrieb einen Kaufvertrag über 640 trächtige Rinder geschlossen. Die erste Teillieferung von 31 trächtigen Rinder soll am 21. Januar 2021 durch die Antragstellerin zu 2 nach Tiszasüly in Ungarn zu einer Firma transportiert werden, die die Rinder nach einer Einstallung mit 30-tägiger Quarantäne weiter nach Kasachstan zum Vertragspartner der Antragstellerin zu 1 transportieren soll.
Die Antragstellerinnen beantragten beim Antragsgegner per E-Mail vom 13. Januar 2021 die Stempelung eines für den 21. Januar 2021 geplanten zwölfstündigen Transportes von 31 trächtigen Rindern nach Ungarn. Dem Antrag war eine Anmeldung eines internationalen Tiertransports am 21. Januar 2021, das Fahrtenbuch ohne Zuweisung einer individuellen Kennnummer und als nicht unterzeichnete Kopie, die Zulassung der Antragstellerin zu 2 als Transportunternehmen, ein Zulassungsnachweis für Straßentransportmittel für lange Beförderungen sowie ein Befähigungsnachweis für den Fahrer beigefügt. Weiterhin war dem Antrag ein von der Antragstellerin zu 1 ausgefüllter Vordruck des Antragsgegners beigefügt, in dem eine Erklärung darüber abzugeben war, ob die Tiere noch vor dem Abkalben in ein Drittland weiter exportiert werden, was die Antragstellerin zu 1 dahingehend beantwortet hatte, dass die Tiere vier Wochen nach Quarantänebeginn nach Kasachstan exportiert werden würden.
Gemäß Einschätzung des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz (vgl. https://www…de/themen/tiergesundheit_tierschutz/tierschutz/tierschutz/tiertransporte_drittstaaten/index.htm, aufgerufen am 15.1.2021) bestehen bei Tiertransporten in insgesamt 18 Staaten, zu denen auch Kasachstan zählt, erhebliche Zweifel, dass die deutschen Tierschutzstandards durchgehend beim Transport bis zum Zielort der Tiere eingehalten werden.
Der Antragsgegner informierte den Bevollmächtigten der Antragstellerinnen mit E-Mail vom 13. Januar 2021, dass die beantragte Abfertigung des Transports nicht erfolgen werde, da sich aus den vorgelegten Unterlagen ergebe, dass Kasachstan das Endbestimmungsland sei. Hinsichtlich Kasachstan bestünden erhebliche Zweifel, dass die Tierschutzstandards beim Transport durchgehend bis zum Zielort der Tiere eingehalten werden könnten, weshalb eine Abfertigung erst möglich sei, wenn diese Zweifel ausgeräumt seien.
Mit Schreiben vom 14. Januar 2021 stellte der Bevollmächtigte der Antragstellerinnen einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz. Er beantragt,
den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zu verpflichten, den für den 21. Januar 2021 beantragten Transport der 31 Zuchtrinder aus den Tierlisten gemäß Anlage A nach Ungarn nach Erteilung der tierseuchenrechtlichen Gesundheitszeugnisse durch die zuständigen Veterinärämter abzufertigen und das Fahrtenbuch abzustempeln sowie durch einen Amtsveterinär abzuzeichnen.
Zur Begründung wird insbesondere ausgeführt, dass ein Anspruch auf die beantragte Abfertigung bestehe. Die nach Art. 14 Abs. 1 lit. a) der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 des Rates vom 22. Dezember 2004 erforderlichen Voraussetzungen lägen vor. Bestimmungsort der geplanten Beförderung sei Ungarn. Hiervon zu unterscheiden sei der spätere Weitertransport der Rinder nach von Ungarn nach Kasachstan, für deren Prüfung die Behörden in Ungarn zuständig seien. Die Weigerungshaltung des Antragsgegners verletze die Antragstellerinnen insbesondere in deren Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1 sowie Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz, da dem Antragsgegner kein Vorprüfungsrecht in Bezug auf die Ausstellung späterer Bescheinigungen für Transporte, die die EU-Außengrenzen überschreiten würden. Ein Anordnungsgrund und die gebotene Vorwegnahme der Hauptsache resultiere aus der mangelnden Transportfähigkeit der 31 Rinder zu einem späteren Zeitpunkt. Zudem würde ein Unterbleiben der Abfertigung am 21. Januar 2021 zu einem Reputationsverlust der Antragstellerin zu 1 sowie zu Schadensersatzansprüchen des Kunden führen, während eine Alternativvermarktung der Rinder zu einem Verlust von 500 bis 600 Euro pro Stück bei der Antragstellerin zu 1 führen würde. Bei der Antragstellerin zu 2 würde die generell ablehnende Haltung des Antragsgegners hinsichtlich einer Abfertigung von Transporten in andere EU-Mitgliedstaaten, von denen aus die Tiere einen Drittstaat weiter transportiert werden sollen, zu einem Wegfall eines wesentlichen Geschäftsbereichs ihres Transportunternehmens führen. Mit Schreiben vom 18. Januar 2021 wurde der Vortrag dahingehend ergänzt, dass die Antragsberechtigung der Antragstellerin zu 1 aus ihrer Eigenschaft als Käuferin der Tiere respektive die Antragsberechtigung der Antragstellerin zu 2 aus ihrer Organisatoreneigenschaft resultiere sowie aus der Beeinträchtigung von deren Rechten. Auch habe der Antragsgegner in der Vergangenheit keine tierschutzrechtlichen Bedenken bei Tiertransporten nach Ungarn oder Drittstaaten geäußert. Zudem käme dem Antragsgegner nur ein sehr eingeschränktes Ermessen zu.
Mit Schreiben vom 15. Januar 2021 beantragt der Antragsgegner,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wird insbesondere ausgeführt, dass bereits die Antragsberechtigung beider Antragsteller fraglich erscheine, da die TTVO an den Organisator anknüpfe. Der Prüfungsumfang der für die Abfertigung zuständigen Behörde umfasse auch eine dahingehende Plausibilitätsprüfung, ob während des gesamten Transports bis nach Kasachstan eine dauerhafte Einhaltung des Tierschutzes gewährleistet sei. Diese Befugnis zur Plausibilitätsprüfung resultiere aus dem Sinn und Zweck der Verordnung, der dem Schutz von Tieren beim Transport Rechnung trage. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs gelte die Verordnung auch für den außerhalb der EU liegenden Beförderungsabschnitt. In der Vergangenheit seien bei Rindertransporten nach Kasachstan erhebliche tierschutzrechtliche Verstöße festgestellt worden mangels ausreichender Versorgungsmöglichkeiten der Tiere aus dem Transportweg. Um einer Umgehung der europäischen Tierschutzvorschriften entgegenzuwirken und einen Rechtsmissbrauch zu vermeiden, könne eine Abfertigung in osteuropäische EU-Mitgliedstaaten nur dann erfolgen, sofern eine Verletzung oder Umgehung tierschutzrechtlicher Vorschriften auf dem gesamten Transportweg bis nach Kasachstan nicht zu befürchten und entsprechende Zweifel ausgeräumt seien. Zur Ausräumung dieser Zweifel sei es erforderlich, dass bereits die für die Abfertigung eines Transportes in einen osteuropäischen Mitgliedsstaat zuständige Behörde Kenntnis auch über Details des Weitertransportes der Tiere in den Drittstaat erlange. Da die diesbezüglichen Zweifel im streitgegenständlichen Fall nicht ausgeräumt seien, könne der eine entsprechende Abfertigung des Transportes nicht erfolgen. Schließlich bestünden auch Zweifel hinsichtlich eines Anordnungsgrundes, da ein entsprechender Ankaufsvertrag nicht vorgelegt worden sei und eine Verschiebung des Transportes in der Vergangenheit bereits möglich war, zumal eine Lieferung laut Vertrag bis Juni 2021 erfolgen könne.
Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
1. Der Antrag hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Erforderlich ist, dass der Antragsteller einen materiellen Anspruch (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung gerade im einstweiligen Rechtsschutzverfahren (Anordnungsgrund) glaubhaft macht.
a) Der Antrag ist bereits nur teilweise zulässig. Der Antragstellerin zu 1 fehlt die erforderliche Antragsbefugnis.
Die Antragsbefugnis analog § 42 Abs. 2 VwGO setzt voraus, dass die Antragstellerinnen darlegen können, dass ihnen der geltend gemachte Anordnungsanspruch zustehen kann.
Aus Art. 14 Abs. 1 lit. a) Ziffer ii, lit. b) Verordnung (EG) Nr. 1/2005 des Rates vom 22. Dezember 2004 über den Schutz von Tieren beim Transport und damit zusammenhängenden Vorgängen sowie zur Änderung der Richtlinie 64/432/EWG und 93/199/EG und der Verordnung (EG) Nr. 1255/97 (Abl. L 3 vom 5.1.2005, S. 1 ff.) (nachfolgend: TT-VO) ersichtlich ist allein der Organisator der Beförderung der Adressat der in Art. 14 TT-VO geregelten Kontrolle.
Dass Art. 14 TT-VO trotz seiner Aufhebung durch Art. 154 Abs. 1 Nr. 2 der Verordnung (EU) 2017/625 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2017 über amtliche Kontrollen und andere amtliche Tätigkeiten zur Gewährleistung der Anwendung des Lebens- und Futtermittelrechts und der Vorschriften über Tiergesundheit und Tierschutz, Pflanzengesundheit und Pflanzenschutzmittel, zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 999/2001, (EG) Nr. 396/2005, (EG) Nr. 1069/2009, (EG) Nr. 1107/2009, (EU) Nr. 1151/2012, (EU) Nr. 652/2014, (EU) 2016/429 und (EU) 2016/2031 des Europäischen Parlaments und des Rates, der Verordnungen (EG) Nr. 1/2005 und (EG) Nr. 1099/2009 des Rates sowie der Richtlinien 98/58/EG, 1999/74/EG, 2007/43/EG, 2008/119/EG und 2008/120/EG des Rates und zur Aufhebung der Verordnungen (EG) Nr. 854/2004 und (EG) Nr. 882/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates, der Richtlinien 89/608/EWG, 89/662/EWG, 90/425/EWG, 91/496/EEG, 96/23/EG, 96/93/EG und 97/78/EG des Rates und des Beschlusses 92/438/EWG des Rates (Verordnung über amtliche Kontrollen) (Abi. L 95 vom 7.4.2017, S. 1 ff.) noch bis zum 14. Dezember 2022 zur Anwendung kommt, ergibt sich aus Art. 154 Abs. 2 der vorgenannten Verordnung.
Wer Organisator der Beförderung ist, regelt Art. 2 lit. q TT-VO.
Danach kann Organisator ein Transportunternehmer sein, der mindestens einen Beförderungsabschnitt bei einem anderen Transportunternehmer in Auftrag gegeben hat (Ziffer i), eine natürliche oder juristische Person, die eine Beförderung mehr als einem Transportunternehmer in Auftrag gegeben hat (Ziffer ii) oder eine Person, die Abschnitt 1 des Fahrtenbuchs gemäß Anhang II unterzeichnet hat (Ziffer iii). Eine Beförderung stellt dabei den gesamten Transportvorgang vom Versand- zum Bestimmungsort dar, einschließlich des Entladens, Unterbringens und Verladens an Zwischenstationen (Art. 2 lit. j TT-VO). Bestimmungsort ist dabei der Ort, an dem ein Tier von einem Transportmittel entladen und während mindestens 48 Stunden vor seiner Weiterbeförderung untergebracht wird oder geschlachtet wird (Art. 2 lit. s TT-VO).
Da die zu transportierenden Rinder in Ungarn für einen Zeitraum von 30 Tagen quarantänisiert werden sollen, mithin länger als 48 Stunden vor ihrer Weiterbeförderung nach Kasachstan untergebracht werden sollen, stellt der Transport der Rinder von M. nach Ungarn eine Beförderung dar, während der Weitertransport der Rinder von Ungarn nach Kasachstan eine hiervon zu unterscheidende weitere, gesondert zu beurteilende Beförderung darstellt Dass der Europäische Gerichtshof (U. v. 23.4.2017 – C-424/13) entschieden hat, dass die TT-VO auch für in Drittländern liegende Beförderungsabschnitte gilt, steht diesem Verständnis nicht entgegen, da der Transport der Rinder von Ungarn nach Kasachstan nicht einen Beförderungsabschnitt (einer einheitlich zu beurteilenden Beförderung von M. nach Kasachstan) darstellt, sondern eine eigenständige Beförderung im Sinne der Verordnung ist. Dem vom EuGH entschiedenen Fall lag hingegen ein einheitlicher Transport von Kempten nach Andijan (Usbekistan) über eine Strecke von 7.000 km zugrunde, der nicht durch einen längeren Aufenthalt unterbrochen war. Anders als in dem vom EuGH entschiedenen Fall erfüllt im vorliegenden Fall der Transport von M. nach Ungarn nach der eindeutigen Definition des Art. 2 lit. s) TT-VO den Begriff der Beförderung. Allein dieser Transport ist nach dem Fahrtenbuch Gegenstand der Beurteilung.
Da die Antragstellerin zu 2 die Beförderung von M. nach Ungarn gänzlich selbst durchführt, während die Antragstellerin zu 1 nur die Antragstellerin zu 2 mit der Beförderung der Tiere von M. nach Ungarn beauftragt hat, sind die Voraussetzungen nach Art. 2 lit. q) Ziffern i) und ii) nicht erfüllt, so dass sich die Organisatoreneigenschaft nach Art. 2 lit. q) Ziffer iii) richtet. Organisator ist somit derjenige, der Abschnitt 1 des Fahrtenbuchs gemäß Anhang II der TT-VO unterzeichnet hat; dies ist ausweislich der mit dem Antrag vom 13. Januar 2021 vorgelegten Unterlagen die Antragstellerin zu 2. Daher ist allein die Antragstellerin zu 2 im Hinblick auf den geltend gemachten Anspruch, das Fahrtenbuch abzustempeln, antragsbefugt.
Nichts anderes ergibt sich aus Anhang II Nr. 4 TT-VO, wonach der Tierhalter am Versandort verpflichtet ist, die ihn betreffenden Abschnitte des Fahrtenbuches ordnungsgemäß auszufüllen und zu unterzeichnen. Ausweislich des mit dem Antrag vom 13. Januar 2021 vorgelegten Abschnitts 2 des Fahrtenbuchs betreffend den Versandort wurde als Tierhalter am Versandort nicht die Antragstellerin zu 1, sondern ein Dritter benannt.
Schließlich gebietet auch der Umstand, dass die Antragstellerin zu 1 bei einer unberechtigten Verweigerung der Abfertigung durch den Antragsgegner einen finanziellen Schaden erleiden würde, keine anderweitige Bewertung. Vielmehr wäre die Antragstellerin zu 1 insofern abhängig von der Ausgestaltung des Transportvertrages und der Reaktion der Antragstellerin zu 2 auf eine unberechtigte Abfertigungsverweigerung auf zivilrechtliche Ansprüche gegen die Antragstellerin zu 2 zu verweisen.
b) Soweit der Antrag zulässig ist, ist dieser auch begründet.
Die Antragstellerin zu 2 hat sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
aa) Die Antragstellerin zu 2 hat glaubhaft gemacht, dass ihr zum geplanten Zeitpunkt der Abfertigung am 21. Januar 2021 um 10 Uhr ein Anordnungsanspruch zustehen wird. Es ist davon auszugehen, dass die für das Stempeln des Fahrtenbuchs erforderlichen Voraussetzungen nach Art. 14 Abs. 1 lit. c) und Anhang II Nr. 3 lit. a) und b) TT-VO vorliegen werden.
(1.) Nach Art. 14 Abs. 1 lit c) TT-VO versieht die am Versandort zuständige Behörde bei langen Beförderungen, mithin bei Beförderungen von mehr als 8 Stunden, vgl. Art. 2 lit. m) TT-VO, wie der streitgegenständlichen, das Fahrtbuch mit einem Stempel, wenn das Ergebnis der Kontrolle gemäß Art. 14 Abs. 1 lit. a) TT-VO zufrieden stellend ist. Nach Art. 14 Abs. 1 lit. a) TT-VO wird überprüft, ob die im Fahrtenbuch angegebenen Transportunternehmer über die entsprechenden gültigen Zulassungen, die gültigen Zulassungsnachweise für Transportmittel, die für lange Beförderungen eingesetzt werden, und gültige Befähigungsnachweise für Fahrer und Betreuer verfügen sowie ob das vom Organisator vorgelegte Fahrtenbuch wirklichkeitsnahe Angaben enthält und darauf schließen lässt, dass die Beförderung den Vorschriften dieser Verordnung entspricht. Gemäß Anhang II Nr. 3 lit a) und b) VV-TO muss der Organisator zudem dem Fahrtenbuch eine individuelle Kennnummer zuweisen und spätestens zwei Werktage vor dem Versand bei der zuständigen Behörde des Versandortes eine unterzeichnete Kopie von Abschnitt 1 des Fahrtenbuchs mit den ordnungsgemäßen Eintragungen außer den Nummern der Veterinärbescheinigungen vorlegen.
Liegen die Voraussetzungen für eine Stempelung vor, muss die zuständige Behörde das Fahrtenbuch stempeln, Ein Ermessen kommt der Behörde nur insoweit zu, als sie dazu befugt ist, Unwägbarkeiten, die eine zum Teil in Drittländern stattfindende lange Beförderung mit sich bringt, angemessen Rechnung zu tragen (vgl. EuGH, U. v. 23.4.2015 – C 424/13 – beck-online Rn. 52; ebenso VG Köln, B. v. 4.12.2020 – 21 L 2254/20 – beck-online Rn. 11). Diese Maßgabe gilt allerdings nur dann, wenn die Beförderung im Sinne von Art. 2 lit. s TT-VO die gesamte (ununterbrochene) Transportstrecke bis ins Drittland umfasst. Im vorliegenden Fall endet die Beförderung im Sinne der Definition allerdings in Ungarn, so dass eine weitergehende Prüfkompetenz hinsichtlich des weiteren Transports der Tiere von Ungarn nach Kasachstan dem Antragsgegner nicht zusteht.
Soweit der Antragsgegner sich diesbezüglich zunächst auf den Sinn und Zweck Verordnung, namentlich dem Schutz von Tieren beim Transport, beruft sowie auf Art. 3 TT-VO, wonach niemand eine Tierbeförderung veranlassen darf, wenn den Tieren dabei Verletzungen oder unnötige Leiden zugefügt werden könnten, ergibt sich bereits aus Art. 3 TT-VO selbst, dass sich dieses Verbot nur auf die konkrete Beförderung, wie sie in Art. 2 lit. j) TT-VO definiert ist, bezieht. Streitgegenständlich ist im vorliegenden Fall lediglich die Beförderung der Tiere von M. nach Ungarn (siehe hierzu auch die Ausführungen im Rahmen der Zulässigkeit). Dies bestätigt auch Art. 3 lit. f) TT-VO, wo von einem Transport zum Bestimmungsort gesprochen wird, wobei sich der Bestimmungsort, vgl. Art. 3 lit. s) TT-VO, wie bereits dargelegt wurde angesichts der Aufenthaltsdauer der Tiere von 30 Tagen und damit weit mehr als 48 Stunden in Ungarn dort und nicht in Kasachstan befindet.
Eine sich auf den weiteren Transport von Ungarn nach Kasachstan erstreckende Prüfungsbefugnis ergibt sich entgegen der Auffassung des Antragsgegners insbesondere auch nicht aus der Gefahr einer Umgehung einschlägiger Vorschriften, da diese im Hinblick auf den weiteren Transport von Ungarn nach Kasachstan von den ungarischen Behörden in eigener Zuständigkeit überprüft werden. Sie folgt auch nicht aus dem unionsrechtlichen Verbot des Rechtsmissbrauchs. Dieser Grundsatz berechtigt den Antragsgegner jedenfalls nicht dazu, sich Teile der den ungarischen Behörden zukommenden Prüfungskompetenz für die weitere Beförderung der Tiere von Ungarn nach Kasachstan anzueignen. Vielmehr gebietet der dem Unionsrecht innewohnende Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens, der in allen dem Unionsrecht unterfallenden Bereichen Anwendung findet, dass jeder Mitgliedstaat, abgesehen von außergewöhnlichen Umständen, davon auszugehen hat, dass alle anderen Mitgliedstaaten das Unionsrecht beachten (vgl. EuGH, Gutachten 1/17 (CETA-Gutachten) vom 30.4.2019 – Rn. 128). Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die ungarischen Behörden die unionsrechtlichen tierschutzrechtlichen Vorgaben insbesondere der TT-VO nicht berücksichtigen würden, sind weder vorgetragen worden noch anderweitig ersichtlich.
(2.) Ausweislich der mit Antrag vom 13. Januar 2021 vorgelegten Unterlagen, die vom Antragsgegner nicht grundlegend beanstandet wurden, ist davon auszugehen, dass die Antragstellerin zu 2 über die erforderlichen Zulassungen und Nachweise verfügt und das vorgelegte Fahrtenbuch wirklichkeitsnahe Angaben enthält, die darauf schließen lassen, dass die Beförderung den Vorschriften der TT-VO entspricht.
Soweit es um einzelne, unmittelbar vor Transport zu prüfende Details geht (aktueller Gesundheitszustand der Rinder, Nummern der Veterinärsbescheinigungen, Funktionsfähigkeit der Tränken und Ventilatoren, Mitführen eines ausreichenden Menge von Futter und Wasser, etc.) sowie darum, dem Fahrtenbuch eine individuelle Kennnummer zuzuweisen und spätestens zwei Werktage vor dem Versand bei der zuständigen Behörde des Versandortes eine unterzeichnete Kopie von Abschnitt 1 des Fahrtenbuchs mit den ordnungsgemäßen Eintragungen außer den Nummern der Veterinärbescheinigungen vorzulegen (bislang liegt nur eine nicht unterzeichnete Kopie vor), ist dem durch den Vorbehalt der Tenorierung der einstweiligen Anordnung Rechnung zu tragen, vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 938 Abs. 1 ZPO (siehe hierzu auch BayVGH, B. v. 12.4.2017 – 10 CE 17.751 – NvwZ-RR 2017, 574).
bb) Weiterhin hat die Antragstellerin zu 2 auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
Der Anordnungsgrund im Sinne der Eilbedürftigkeit der Entscheidung ist glaubhaft gemacht. Der Tiertransport nach Ungarn ist bereits beauftragt und steht unmittelbar bevor. Der Transport ist zur Überzeugung der Kammer auch nicht beliebig verschiebbar, da ein Transport und ein sich anschließender Weitertransport nur in Abhängigkeit des Trächtigkeitsstadiums der Rinder möglich erscheint (ebenso VG Köln, a.a.O., Rn. 24; VG München, B. v. 7.5.2019 – M 18 E 19.2125 – Rn. 23). Dass den Antragstellerinnen bis Ende Juni 2021 Zeit verbleibt, die eidesstattlich versicherte Lieferverpflichtung von 640 trächtigen Rindern durchzuführen, vermag die Eilbedürftigkeit dieser Entscheidung nicht in Frage zu stellen, da eine sukzessive Vertragserfüllung angesichts der Menge der zu liefernden Rinder und des erforderlichen Ankaufs derselben in Abhängigkeit von deren Verfügbarkeit naheliegend erscheint.
Erschwerend kommt hinzu, dass sich das Landratsamt bei seiner ablehnenden Haltung auf eine Weisung (sog. Negativliste) des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz beruft, welche dem Gericht nicht vorliegt, die aber ausweislich der Behördenakte offenbar zur Folge hat, dass das Landratsamt nicht nur die streitgegenständliche Abfertigung verweigert, sondern auch zukünftige Abfertigungen von Tiertransporten, bei denen die Tiere letztlich in einen der genannten Drittsaaten verbracht werden sollen, voraussichtlich verweigern wird, wodurch die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) der auf Tiertransporte spezialisierten Antragstellerin zu 2 empfindlich eingeschränkt wird (ebenso VG Köln, a.a.O., Rn. 25).
Aus diesen Gründen ist im vorliegenden Fall auch eine Vorwegnahme der Hauptsache aus Gründen effektiven Rechtsschutzes geboten, da andernfalls irreparable Schäden für den Antragsteller zu befürchten sind.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 VwGO.
3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben