Europarecht

Kein Anspruch auf Schadensersatz aus einem Kaufvertrag über ein Diesel-Fahrzeug, Marke Mercedes Benz C 200d

Aktenzeichen  3 O 728/19

Datum:
10.12.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 56781
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 31,  § 123 Abs. 1 Alt. 1, § 134, § 142 Abs. 1, § 166, § 278, § 311 Abs. 2, § 323 Abs. 1, § 346 Abs. 1, § 433 Abs. 1 S. 2, § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, § 437, § 440 S. 1 u. 2, § 443, § 812 Abs. 1 S. 1, § 823 Abs. 2, § 826, § 831
EG-FGV § 4, § 6, § 25 Abs. 2, § 27
StGB § 13 Abs. 1, § 223, § 224, § 229, § 263 Abs. 1
RL 2007/46/EG Art. 8 Abs. 1, Art. 12, Art. 18 Abs. 2, Art. 46
UWG § 4 Nr. 11, § 16
ZPO § 139, § 253 Abs. 2 Nr. 2
StVZO § 19 Abs. 2 S. 2 Nr. 3, Abs. 7, Art. 13
VO (EU) Nr. 715/2007 Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2
VwVfG § 44 Abs. 1, § 48, § 49
Pkw-EnVKV § 1, § 4, § 5
StVG § 7, § 18

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. 
3. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar. 
Beschluss
Der Streitwert wird auf die Wertstufe bis 35.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Es kann dahinstehen, ob die Klage zulässig, insbesondere Klageantrag Ziffer 1 hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist, da die Klage jedenfalls unbegründet ist.
Die Klage ist unbegründet, da der Klagepartei unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt die geltend gemachten Ansprüche zustehen.
I.
1. a) Der Umstand, dass durch Bescheid des Kraftfahrt-Bundesamtes vom 03.08.2018 ein Rückruf hinsichtlich des verfahrensgegenständlichen Fahrzeuges angeordnet worden ist, kann nicht damit gleichgesetzt werden, dass das Fahrzeug tatsächlich mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet ist, da aufgrund des Widerspruchs der Beklagten gegen jenen Bescheid noch keine Rechtskraft eingetreten ist.
Es kann letztlich jedoch dahinstehen, ob tatsächlich eine unzulässige Abschalteinrichtung in dem verfahrensgegenständlichen Fahrzeug vorhanden ist oder nicht, da der Klagepartei gegen die Beklagte selbst dann, wenn man das Vorhandensein einer solchen als zutreffend unterstellt, aus den nachfolgenden Gründen keine Ansprüche zustehen.
b) Der klägerische Sachvortrag, das Fahrzeug sei von einem erhöhten Kraftstoffverbrauch und erhöhtem CO₂-Ausstoß betroffen, erweist sich als unsubstantiiert, da die Klagepartei konkret vortragen müsste, welcher konkrete Kraftstoffverbrauch und welcher konkrete CO₂-Ausstoß durch wen, wann und in welcher Form der Klagepartei mitgeteilt worden ist und wie sich davon abweichend der tatsächliche Kraftstoffverbrauch und der tatsächliche CO₂-Ausstoß darstellen. Nachdem die Beklagte den pauschalen Vortrag der Klagepartei und dadurch die fehlende Substantiierung des klägerischen Sachvortrages gerügt hat, bedurfte es insofern keines gerichtlichen Hinweises gem. § 139 ZPO. Von der fehlenden Substantiierung abgesehen, die Voraussetzung für die Erholung eines Sachverständigengutachtens wäre, ohne eine reine Ausforschung darzustellen, ist die Klage auch aus nachfolgenden Gründen unbegründet.
2. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch aus § 812 Abs. 1 BGB zu, da der Kaufvertrag hinsichtlich des verfahrensgegenständlichen Fahrzeuges Bestand hat.
a) Der Kaufvertrag ist nicht gem. § 134 BGB i.V.m. § 27 EG-FGV nichtig, da die Nichtigkeitsfolge des § 134 BGB in der Regel nur dann eintritt, wenn sich das verletzte Verbotsgesetz an beide Parteien richtet, wohingegen bei einseitigen Verbotsgesetzen das verbotswidrige Rechtsgeschäft in der Regel wirksam ist (Palandt, 78. Aufl., 2019, § 134 BGB, Rn. 8 ff. m.w.N.). Richtet sich das Verbot nur gegen eine Vertragspartei, wie § 27 EG-FGV an den Verkäufer, führt dies nur dann zur Vertragsnichtigkeit, wenn es mit Sinn und Zweck der Verbotsnorm unvereinbar wäre, von der Vertragswirksamkeit auszugehen. Dies ist im Falle eines Verstoßes gegen § 27 EG-FGV jedoch nicht der Fall, da in § 25 EG-FGV explizit die Folgen einer Nichtübereinstimmung der Produktion mit dem genehmigten Typ geregelt sind. Ebenso wenig erfordert Art. 46 RL 2007/46/EG zwingend die Nichtigkeit zivilrechtlicher Kaufverträge (Kamp/Weiß, VuR 2018, 412 m.w.N.). Entgegen der klägerischen Rechtsansicht ist die EG-Übereinstimmungsbescheinigung nicht ungültig. Der nationale Gesetzgeber ging nicht davon aus, dass etwaige Unregelmäßigkeiten im Typgenehmigungsverfahren zur Unwirksamkeit der Übereinstimmungsbescheinigung führen. Denn der Gesetzgeber hat den Fall, dass bereits im Verkehr befindliche Fahrzeuge nicht vorschriftsgemäß sind in § 25 Abs. 2 EG-FGV geregelt, indem er das Kraftfahrt-Bundesamt ermächtigt hat, nachträglich die Typgenehmigung mit Nebenbestimmungen zu versehen, wohingegen hinsichtlich der Übereinstimmungsbescheinigung eine entsprechende Regelung nicht existiert. Dies legt den Schluss nahe, dass der Umstand eines bereits nicht vorschriftsgemäß im Verkehr befindlichen Fahrzeugs keine Auswirkung auf die Übereinstimmungsbestimmung haben soll (LG Braunschweig, Urt. v. 16.03.2018 – 11 O 3669/16; BeckRS 2018, 3242, Rn. 95 ff.).
b) Die Klagepartei hat gegen die Beklagte keinen Anspruch aus § 812 Abs. 1 BGB, da der Kaufvertrag nicht infolge der seitens des Klägers erklärten Anfechtung gem. § 142 Abs. 1 BGB als von Anfang an nichtig anzusehen ist, da es dem Kläger mangels ausreichender Darlegung einer arglistigen Täuschung durch die Beklagte hierfür an einem Anfechtungsgrund gem. § 123 Abs. 1, 1. Alt. BGB fehlt, worauf er seitens der Beklagtenpartei aufmerksam gemacht worden ist (Bl. 164 d.A.), weswegen es insofern keines gerichtlichen Hinweises gem. § 139 ZPO bedurfte. Eine arglistige Täuschung vorgenommen durch die Beklagte, durch welche der Kläger zur Abgabe seiner auf Abschluss des streitgegenständlichen Kaufvertrages gerichteten Willenserklärung bestimmt worden ist, stellt weder die seitens der Beklagten ausgestellte EG-Übereinstimmungsbescheinigung dar, da diese auf den 27.05.2016 datiert und dem Kläger erst nach ihrer Ausstellung bei der Fahrzeugabholung ausgehändigt worden ist und jene daher nicht für den zeitlich früheren Kaufvertragsabschluss im März 2016 ursächlich gewesen sein kann noch die E-Mails vom 28.04.2016, da jene ebenfalls erst nach der verbindlichen Fahrzeugbestellung im März 2016 an den Kläger versandt worden sind.
3. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rückabwicklung des verfahrensgegenständlichen Kaufvertrages aus diesem Kaufvertrag in Verbindung mit §§ 433 Abs. 1 S. 2, 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, 437 Nr. 2, 346 Abs. 1 BGB.
Es kann dahinstehen, ob das klägerische Fahrzeug im Zeitpunkt des Gefahrübergangs mangelhaft war, da es jedenfalls an der für einen wirksamen Rücktritt gem. § 323 Abs. 1 BGB erforderlichen Fristsetzung zur Nacherfüllung, die entgegen der klägerischen Rechtsansicht nicht entbehrlich war, fehlt.
Die Nacherfüllung ist möglich und durch Vornahme des Softwareupdates beim klägerischen Pkw bereits erfolgt. Denn durch jenes Update, das ausweislich der Anlage B1, durch das KBA freigegeben worden ist, droht für das klägerische Fahrzeug keine Nutzungsuntersagung infolge des Rückrufs mehr, weswegen das Fahrzeug insoweit uneingeschränkt im Straßenverkehr weitergenutzt werden kann (OLG Dresden, Urt. v. 20.08.2019 – 9 U 1101/19; BeckRS 2019, 19560). Der klägerische Sachvortrag, dass die Beklagte kein Update vorhalte und dass ein solches zu entwickeln wäre (Bl. 89 d.A.), stellt sich als unzutreffend dar, da der Kläger selbst ausführte, dass bei seinem Fahrzeug ein Update bzgl. der Abgasrückführung vorgenommen worden sei. Die Fristsetzung war auch nicht wegen Unzumutbarkeit der Nacherfüllung entbehrlich gem. § 440 S. 1 BGB, da sich die Klagepartei insofern widersprüchlich verhält als sie den Mangel der Kaufsache aus dem Rückrufbescheid des KBA herleiten will, jedoch die Freigabeerklärung des KBA hinsichtlich des seitens der Beklagten entwickelten Softwareupdates nicht gegen sich gelten lassen will und sie damit einerseits einen Bescheid des KBA zur Begründung des Vorliegens eines Mangels heranzieht, andererseits jedoch dem KBA abspricht, beurteilen zu können, ob das Softwareupdate zur Beseitigung des vorgenannten Mangels geeignet ist. Lediglich befürchtete nachteilige Veränderungen durch das Softwareupdate führen nicht zu einer Unzumutbarkeit seiner Vornahme im Sinne des § 440 S. 1 BGB (OLG Dresden, Urt. v. 20.08.2019 – 9 U 1101/19). Ein Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass der Kläger vorgetragen hat, festgestellt zu haben, dass sein AdBlue-Verbrauch angestiegen sei, da dies durch ihn nicht durch Zahlen konkretisiert werden konnte und zudem ausweislich § 440 S. 2 BGB eine Nachbesserung erst nach dem zweiten erfolglosen Versuch als fehlgeschlagen gilt und demnach der erhöhte AdBlue-Verbrauch tatsächlich eine Folge des erfolgten Softwareupdates sein müsste, der Beklagten ein zweiter Nachbesserungsversuch ermöglicht werden müsste, ehe dem Kläger – bei unterstellter Mangelhaftigkeit – ein Rücktrittsrecht zustünde. An all jenen Voraussetzungen fehlt es hier jedoch.
4. a) Der Klagepartei steht gegen die Beklagte kein Schadensersatzanspruch gem. §§ 826, 31 BGB zu, da die Ersatzpflicht auf solche Schäden beschränkt ist, die in den Schutzbereich des verletzten Ge- oder Verbotes fallen. Jedoch dient weder die Richtlinie Nr. 2007/46/EG noch die EG-FGV dem Schutz des Vermögens von Kraftfahrzeugkäufern, da, wie sich aus Erwägungsgründen 2 und 3 der Richtlinie Nr. 2007/46/EG ergibt, diese der Harmonisierung des Binnenmarktes dienen und auf eine hohe Verkehrssicherheit, hohen Schutz der Umwelt und der Gesundheit, rationelle Energienutzung und wirksamen Schutz gegen unbefugte Benutzung abzielen. Die Umsetzung dieser und weiterer Richtlinien mit entsprechendem Regelungszweck in deutsches Recht erfolgt durch die EG-FGV. Überdies teilt das Gericht auch die Rechtsansicht des Landgerichts Ellwangen (Urt. v. 18.01.2017 – 5 O 291/16), dass sich der Vertrieb eines Fahrzeuges, dessen Motorsoftware gegen Art. 3 Nr. 10 und Art. 5 Abs. 2 VO (EU) 715/2007 verstößt, nicht als sittenwidrig darstellt, da die Vorschriften der VO (EU) 715/2007 der Harmonisierung der nationalen Regelungen und der Stärkung des Binnenmarktes sowie dem Umweltschutz dienen und demnach gerade nicht Ausdruck einer sittlichen Gesinnung sind. Voraussetzung für eine Haftung nach § 826 BGB ist unter anderem das Vorliegen des erforderlichen Schutzzweckzusammenhangs (MüKo, 7. Aufl., 2017, § 826 BGB, Rn. 46), woran es im Falle des tatsächlichen Vorhandenseins einer unzulässigen Abschalteinrichtung fehlen würde, nachdem die Beklagte in einem solchen Fall lediglich Bestimmungen der Verordnung nicht beachtet hätte, die keinen Zusammenhang mit den klägerseits behaupteten Nachteilen aufweisen würden, sondern auf Gesundheits- und Umweltschutz abzielen.
b) Sofern die Klagepartei Ansprüche aus § 826 BGB mit dem Vortrag, die Beklagte habe gehandelt, um entsprechende Gewinne für die Investoren generieren zu können und den notwendigen Kostenaufwand gescheut habe, begründet, stellt dies – als zutreffend unterstellt – ein Handeln aus Gründen der Kostenersparnis dar, was in einem marktwirtschaftlichem System grundsätzlich nicht zu beanstanden ist (LG Ellwangen, Urt. v. 18.01.2017 – 5 O 291/16).
c) Entgegen der klägerischen Rechtsansicht, dass die Beklagte eine sekundäre Darlegungslast treffen würde, ist dies nicht der Fall. Auch hinsichtlich Ansprüchen aus § 826 BGB gilt im Ausgangspunkt die allgemeine Regel der Beweislast, dass derjenige, der sich auf eine deliktische Haftung stützt, grundsätzlich alle Umstände darzulegen und zu beweisen hat, aus denen sich die Verwirklichung der einzelnen Tatbestandsmerkmale ergibt (BeckOK, 48. Ed., Stand: 01.11.2018, § 826 BGB, Rn. 52). Eine Verlagerung der Nachweispflicht bis hin zu einer Beweislastumkehr kann lediglich im Einzelfall gegeben sein, wie etwa bei groben ärztlichen Behandlungsfehlern. Wenn jedoch die vorsätzliche Begehung eines Straftatbestandes im Raum steht, scheidet bereits eine Beweiserleichterung mit Hilfe des Anscheinsbeweises aus, da das zugrundeliegende kriminelle Verhalten stark persönlich geprägt ist und nicht typisiert betrachtet werden kann (BeckOK, 43. Ed., Stand: 15.06.2017, § 823 BGB, Rn. 283, 284). Die Annahme einer sekundären Beweislast ist mit den vorgenannten allgemeinen beweisrechtlichen Grundsätzen nicht in Einklang zu bringen.
5. Ein Schadensersatzanspruch der Klagepartei gegen die Beklagte ergibt sich auch nicht aus §§ 823 Abs. 2, 31, 278, 166 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB aus nachfolgenden Gründen:
a) Sofern die Klagepartei lediglich schildert, dass auf das Vorstellungsbild eines anderen durch Manipulation der Software eingewirkt worden sei und durch Täuschung gegenüber den für die Typenzulassung zuständigen Stellen über die wahren Schadstoffemissionen eine falsche Vorstellung erzeugt worden sei, stellt dies keinen schlüssigen Tatsachenvortrag der Klagepartei hinsichtlich einer Täuschungshandlung dar. Denn der vorgenannte Sachvortrag beinhaltet nicht, dass zum einen die Klagepartei selbst und zum anderen durch wen seitens der Beklagten konkret getäuscht worden sein soll. Sofern die Klagepartei darauf abstellt, dass die Beklagte für die Typenzulassung zuständige Stellen getäuscht habe, ergibt sich hieraus kein Schadensersatzanspruch der Klagepartei, da § 263 Abs. 1 StGB eine Vermögensverfügung des aufgrund der Täuschung Irrenden voraussetzt, was damit nicht dargelegt worden ist.
Ebenso verhält es sich hinsichtlich des klägerischen Sachvortrags, dass die Täuschung auf die Vorstellung des Adressaten über das Äquivalenzinteresse im Verhältnis Leistung und Gegenleistung abziele, da die Klagepartei dabei wiederum nicht behauptet, dass sie selbst getäuscht worden sei und auch nicht, durch wen konkret seitens der Beklagte diese Täuschung erfolgt sein soll. Wie bereits zuvor ausgeführt, setzt der Betrugstatbestand des § 263 Abs. 1 StGB jedoch eine Vermögensverfügung des aufgrund der Täuschung Irrenden voraus. Darüber hinaus beinhaltet aufgrund der Vertragsfreiheit das Verlangen eines bestimmten Preises oder einer Vergütung grundsätzlich nicht die Behauptung ihrer Angemessenheit oder Üblichkeit (Schönke/Schröder, 29. Aufl., 2014, § 263 StGB, Rn. 17c).
Auch aufgrund der seitens des Klägers im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgelegten E-Mails vom 28.04.2016 ergibt sich nichts Anderes, da jene erst nach der verbindlichen Fahrzeugbestellung durch den Kläger im März 2016 erfolgt sind und somit für den Kaufvertragsabschluss nicht mehr maßgeblich sein konnten.
Der Vortrag der Klagepartei, sie sei darüber getäuscht worden, dass das Fahrzeug der Typgenehmigung unterfalle, vermag ebenso wenig klägerische Ansprüche gegen die Beklagte aus nachfolgenden Gründen zu begründen:
Die Typgenehmigung für das verfahrensgegenständliche Fahrzeug ist nicht erloschen. Ein Erlöschen gem. § 19 Abs. 7, Abs. 2 S. 2 Nr. 3 StVZO scheidet aus, da diese Regelung lediglich den Fall der nachträglichen Änderungen an einem Fahrzeug, nachdem dieses sich bereits im Verkehr befindet, erfasst und nicht auf den vorliegenden Fall anwendbar ist. Dies ergibt sich aus der Begründung hinsichtlich der Neufassung des damaligen § 19 Abs. 2 StVZO (BR-Drucksache 629/93, S. 15 f.), denn dort wird ausgeführt, dass die Gesetzesänderungen aufgrund der Änderung der Verfahren bezüglich nachträglicher Änderungen am Fahrzeug erforderlich geworden seien und der Schluss gezogen werden könne, dass den EG-Mitgliedstaaten die Regelungen von Veränderungen an bereits im Verkehr befindlichen Fahrzeugen überlassen sei (LG Braunschweig, Urt. v. 15.09.2017 – 11 O 4073/16). Eine Änderung an dem Fahrzeug verglichen mit dem genehmigten Typ ist nicht gegeben.
Die erteilte Typgenehmigung ist nicht aufgrund des seitens des KBA mit bislang nicht rechtskräftigem Bescheid angeordneten Rückrufs nichtig gem. § 44 Abs. 1 VwVfG, wonach ein Verwaltungsakt nichtig ist, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. Die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 VwVfG sind vorliegend nicht erfüllt, insbesondere unter Berücksichtigung des Umstandes, dass gem. Art. 13 VO (EG) 715/2007 die Mitgliedstaaten für Hersteller für das Verwenden von Abschalteinrichtungen Sanktionen festlegen können, wohingegen jedoch nicht geregelt ist, dass eine aufgrund dessen erteilte Genehmigung automatisch nichtig und von Anfang unwirksam ist.
Seitens des Kraftfahrt-Bundesamtes erfolgte bislang weder ein Entzug bzw. eine Rücknahme der Betriebserlaubnis noch ein Widerruf der Typgenehmigung gem. §§ 48, 49 VwVfG.
Hinsichtlich der weiteren klägerseits aufgeführten Punkte (Bl. 36 f. d.A.), über die der Kläger nach seinem Vortrag getäuscht worden sein soll, trägt er nicht konkret vor, durch wen die Täuschung seitens der Beklagten erfolgt sein soll. Nachdem das deutsche Strafrecht jedoch nur eine Strafbarkeit natürlicher, nicht hingegen juristischer Personen kennt, ist für die Erfüllung des Betrugsstraftatbestandes konkreter Sachvortrag seitens des Klägers dazu, durch wen die von ihm behauptete Täuschung tatsächlich vorgenommen worden sein soll, erforderlich, jedoch nicht erfolgt.
b) Eine strafrechtlich relevante Täuschung der Beklagten durch Unterlassen hat die Klagepartei ebenso wenig dargestellt:
Eine Täuschung durch Unterlassen setzt gem. § 13 Abs. 1 StGB eine Garantenstellung des Täuschenden voraus, nämlich dass er für die Abwendung des Erfolges einzustehen hat, woraus sich rechtfertigt, ein bloßes Unterlassen dem aktiven Tun gleichzusetzen. Eine Offenbarungspflicht des Verkäufers gegenüber dem Käufer ist erst gegeben, wenn wertbildende Faktoren von besonderem Gewicht der Kaufsache betroffen sind, wie etwa die Kennzeichnung eines Fahrzeuges als unfallfrei oder die Unterscheidung zwischen einfachen Blech- und schwerwiegenden Rahmenschäden (BayObLG, Beschluss vom 09.12.1993, 3 St RR 127/93, zitiert nach juris, Rn. 24, 25). Des Weiteren haben Käufer in der Regel lediglich an gewichtigen Umständen hinsichtlich der Kaufsache Interesse, wozu nicht technische Einzelheiten einer behördlichen Genehmigung gehören.
Eine Garantenstellung der Beklagten kann hier auch nicht aus einem pflichtwidrigen Vorverhalten (Ingerenz) abgeleitet werden, da eine Pflichtwidrigkeit nur dann zu einer Garantenpflicht führt, wenn die verletzte Norm dem Schutz des betroffenen Rechtsguts dient. Die klägerischen Vermögensinteressen sind jedoch nicht vom Schutzbereich der europarechtlichen Normen bezüglich des Verbots des Einsatzes von Abschalteinrichtungen bei der Typgenehmigung, Art. 5 Abs. 2, Art. 3 Ziffer 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 sowie der EU-RL 2007/46/EG umfasst. Ausweislich des Erwägungsgrundes 2 der vorgenannten EU-Richtlinie dient diese der Harmonisierung des Binnenmarktes und zielt ausweislich Erwägungsgrund 3 auf hohe Verkehrssicherheit, hohen Gesundheits- und Umweltschutz, rationelle Energienutzung und wirksamen Schutz gegen unbefugte Benutzung ab.
c) Entgegen der klägerischen Rechtsansicht, dass die Beklagte eine sekundäre Darlegungslast treffen würde, ist dies nicht der Fall. Auch hinsichtlich Ansprüchen aus § 823 Abs. 2 BGB gilt im Ausgangspunkt die allgemeine Regel der Beweislast, dass derjenige, der sich auf eine deliktische Haftung wegen Schutzgesetzverletzung stützt, grundsätzlich alle Umstände darzulegen und zu beweisen hat, aus denen sich die Verwirklichung der einzelnen Tatbestandsmerkmale des Schutzgesetzes ergibt. Eine Verlagerung der Nachweispflicht bis hin zu einer Beweislastumkehr kann lediglich im Einzelfall gegeben sein, wie etwa bei groben ärztlichen Behandlungsfehlern. Wenn jedoch die vorsätzliche Begehung eines Straftatbestandes im Raum steht, scheidet bereits eine Beweiserleichterung mit Hilfe des Anscheinsbeweises aus, da das zugrundeliegende kriminelle Verhalten stark persönlich geprägt ist und nicht typisiert betrachtet werden kann (BeckOK, 43. Ed., Stand 15.06.2017, § 823 BGB, Rn. 283, 284). Die Annahme einer sekundären Beweislast ist mit den vorgenannten allgemeinen beweisrechtlichen Grundsätzen nicht in Einklang zu bringen.
6. a) Einen Anspruch der Klagepartei gegen die Beklagte vermag auch die Ausstellung der EG-Übereinstimmungsbescheinigung aus nachfolgenden Gründen nicht zu begründen:
Das Ausstellen einer solchen Übereinstimmungsbescheinigung ist zur Begründung eines Schuldverhältnisses im Sinne des § 311 Abs. 2 BGB zwischen der Beklagten und der Klagepartei als Fahrzeugkäufer nicht geeignet. Entgegen der klägerischen Rechtsansicht handelt es sich bei der Übereinstimmungsbescheinigung auch nicht um eine Garantieerklärung der Beklagten, da jene zur Ausstellung dieser verpflichtet war und deren Wortlaut vorgegeben worden war. Die Übereinstimmungsbescheinigung stellt demnach keine rechtsgeschäftliche Willenserklärung, sondern eine reine Wissenserklärung, mit der kein rechtsgeschäftlicher Erfolg angestrebt wird, dar (Schröder, DVBl. 2017, 1193, 1196). Es hätte demnach einer eindeutigen Formulierung bedurft – die ihr tatsächlich jedoch nicht zu entnehmen ist -, wenn die Beklagte derart weitreichende Erklärungen hätte abgeben wollen (LG Braunschweig, Urt. v. 31.08.2017 – 3 O 21/17).
Auch der Umstand, dass gemäß Art. 18 Abs. 2 der RL 2007/46/EG die Übereinstimmungsbescheinigung nicht zwingend in der vom konkreten Verbraucher gesprochenen Sprache formuliert sein muss, sondern die Übereinstimmungsbescheinigung lediglich in einer Amtssprache der Gemeinschaft abzufassen ist, spricht gegen eine vertrauensbegründende Wirkung der EG-Übereinstimmungsbescheinigung.
Dagegen, dass sich aus der EG-Übereinstimmungserklärung individualrechtliche Ansprüche des Käufers eines Fahrzeugs ergeben, spricht zudem, dass die RL 2007/46/EG und die sie konkretisierende Verordnung (EG 385/2009) ausweislich ihrer Gründe nicht individuellen Zwecken, sondern ausschließlich gesamtgesellschaftlichen Zielen, nämlich der Weiterentwicklung des Binnenmarktes durch Harmonisierung der technischen Vorschriften über die Typgenehmigung von Fahrzeugen und der Sicherstellung eines hohen Sicherheits- und Umweltschutzes dienen.
Ein Anderes ergibt sich auch nicht aus Ziffer 0. bezüglich der Ziele des Anhangs IX zur RL 2007/46/EG – ersetzt durch den Anhang IX zur Richtlinie EG 385/2009 – bezüglich der Übereinstimmungsbescheinigung, wonach die Übereinstimmungserklärung eine Erklärung des Fahrzeugherstellers darstellt, in der er dem Fahrzeugkäufer versichert, dass das von ihm erworbene Fahrzeug zum Zeitpunkt seiner Herstellung mit den in der Europäischen Union geltenden Rechtsvorschriften übereinstimme. Die gewählte Formulierung „versichert“ wird nämlich durch das unter Ziffer 1.1 in Bezug genommene Muster relativiert, da nach dem in diesem Muster verwendeten Wortlaut der Unterzeichner, also der Fahrzeughersteller, lediglich „bestätigt“. Das erkennende Gericht schließt sich dabei der Rechtsauffassung des Landgerichts Braunschweig (Urt. v. 01.09.2017 – 11 O 3828/16; BeckRS 2017, 123409) an.
Die Übereinstimmungsbescheinigung ist nicht falsch, sondern gültig. Voraussetzungen für die Gültigkeit der Übereinstimmungsbescheinigung sind die in Art. 18 der Rahmenrichtlinie 2007/46/EG genannten Eckpunkte, nämlich die Ausstellung durch den Hersteller, die Abfassung in einer Amtssprache, Verwendung des Formulars gem. Anhang IX, Fälschungssicherheit und Vollständigkeit, die Existenz einer EG-Typgenehmigung als Verwaltungsakt im Zeitpunkt ihrer Ausstellung sowie eine zutreffende Beschreibung des Bezugsobjekts. Demgegenüber stellt die Übereinstimmung des einzelnen Fahrzeugs mit dem genehmigten Typ keine Gültigkeitsvoraussetzung dar. Selbst aus dem unrichtigen Inhalt der Übereinstimmungsbescheinigung folgt nicht ihre Ungültigkeit (Schröder, DVBl. 2017, 1193, 1197 f.; ebenso LG Ansbach, Urt. v. 01.10.2018 – 2 O 266/18). Gemessen an diesen Maßstäben ist die seitens der Beklagten erteilte Übereinstimmungsbescheinigung gültig im vorgenannten Sinne, zumal im Zeitpunkt ihrer Ausstellung eine wirksame EG-Typgenehmigung vorlag. Die erteilte Typgenehmigung ist nicht aufgrund des durch bislang nicht rechtskräftigen Bescheid des Kraftfahrt-Bundesamtes angeordneten Rückrufs betreffend die Abgasrückführung nichtig gem. § 44 Abs. 1 VwVfG, wonach ein Verwaltungsakt nichtig ist, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. Die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 VwVfG sind vorliegend nicht erfüllt, insbesondere unter Berücksichtigung des Umstandes, dass gem. Art. 13 VO (EG) 715/2007 die Mitgliedstaaten für Hersteller für das Verwenden von Abschalteinrichtungen Sanktionen festlegen können, wohingegen jedoch nicht geregelt ist, dass eine aufgrund dessen erteilte Genehmigung automatisch nichtig und von Anfang unwirksam ist.
b) Die Klagepartei hat keinen Anspruch auf Schadensersatz gegen die Beklagte aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 12, Art. 18 der Richtlinie Nr. 2007/46/EG und §§ 4, 6, 25, 27 EG-FGV, da die von ihr geltend gemachten Schäden nicht in den Schutzbereich der vorgenannten Normen fallen, was jedoch Voraussetzung für Ansprüche aus unerlaubter Handlung ist. Denn weder die Richtlinie Nr. 2007/46/EG noch die EG-FGV dient dem Schutz des Vermögens von Kraftfahrzeugkäufern, da, wie sich aus Erwägungsgründen 2 und 3 der Richtlinie Nr. 2007/46/EG ergibt, diese der Harmonisierung des Binnenmarktes dienen und auf eine hohe Verkehrssicherheit, hohen Schutz der Umwelt und der Gesundheit, rationelle Energienutzung und wirksamen Schutz gegen unbefugte Benutzung abzielen. Die Umsetzung dieser und weiterer Richtlinien mit entsprechendem Regelungszweck in deutsches Recht erfolgt durch die EG-FGV.
c) Ebenso wenig vermag der klägerische Vortrag, die Beklagte verfüge über kein funktionierendes Qualitätsmanagementsystem, das gem. Art. 8 Abs. 1 und 12 der RL 2007/46/EG zwingende Voraussetzung für eine EG-Typgenehmigung sei, einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte in Verbindung mit § 823 Abs. 2 BGB zu begründen, da es insofern am erforderlichen Schutzzweckzusammenhang fehlt, da – wie bereits ausgeführt – die vorgenannte Richtlinie wie sich aus ihren Erwägungsgründen 2 und 3 ergibt, der Harmonisierung des Binnenmarktes dient und auf eine hohe Verkehrssicherheit, hohen Schutz der Umwelt und der Gesundheit, rationelle Energienutzung und wirksamen Schutz gegen unbefugte Benutzung abzielt.
7. Ein Anspruch der Klagepartei gegen die Beklagte auf Schadensersatz ergibt sich auch nicht aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 16 UWG, da es sich bei § 16 UWG – entgegen der klägerischen Rechtsauffassung – nicht um ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB handelt (Schünemann/G. Einordnung des Wettbewerbsrechts in das Rechtssystem/5. Verhältnis zum bürgerlichen Recht in: Teplitzky/Peifer/Leistner, UWG, 2. Aufl., 2013, Rn. 129 m.w.N.).
8. Ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte folgt auch nicht aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 4 Nr. 11 UWG a.F., §§ 1, 5 Pkw-EnVKV, da die Klagepartei insoweit zutreffend selbst davon ausgeht, dass es sich bei § 4 Nr. 11 UWG a.F. um kein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB handelt (ebenso LG Limburg, Urt. v. 21.11.2014 – 5 O 18/14). Ein Verstoß der Beklagten gegen Vorschriften, deren Einhaltung § 4 Nr. 11 a.F. UWG schützt, ist nicht gegeben. Aus den §§ 1, 4, 5 Pkw-EnVKV ergibt sich lediglich, dass die im Typgenehmigungsverfahren erzielten Kraftstoffverbrauchs- und Immissionswerte zu nennen sind.
9. Die Beklagte haftet dem Kläger auch nicht aus §§ 7, 18 StVG, § 823 BGB i.V.m. §§ 223, 224, 229 StGB wegen einer strafbaren Körperverletzung begangen durch die Klagepartei durch den Betrieb ihres Fahrzeuges. Für eine derartige Haftung fehlt es bereits an der klägerischen Darlegung, dass gerade durch den Betrieb des Fahrzeuges der Klagepartei konkrete Gesundheitsschädigungen durch dessen Emissionen drohen oder drohten. Es kann dabei durch das Gericht ausgeschlossen werden, dass selbst ein unterstellter erhöhter NOx-Ausstoß des verfahrensgegenständlichen Fahrzeuges irgendwelche Gesundheitsschäden verursachen kann, was zudem nicht substantiiert dargelegt wird. Der Betrieb des klägerischen Fahrzeuges ist weder rechtswidrig noch stellt er ein rechtlich missbilligtes Risiko dar, weswegen eine strafrechtliche Sanktionierung der Klagepartei ausgeschlossen erscheint.
10. Mangels Erfüllung deliktischer Haftungstatbestände vermag auch § 831 BGB die Klageanträge nicht zu begründen.
11. Mangels Bestehen einer Hauptforderung hat der Kläger gegen die Beklagte auch keinen Anspruch hinsichtlich der geltend gemachten Nebenforderungen.
II.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO.
III.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 709 ZPO.


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