Europarecht

Kein Anspruch auf Schadensersatz bei Kauf eines Gebrauchtwagens mit dem Motor des Typs EA 189 erheblich nach Herausgabe der Adhoc-Mitteilung

Aktenzeichen  18 U 2526/19

Datum:
28.8.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 48309
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 280 Abs. 1 S. 1, § 311 Abs. 2, Abs. 3, § 826

 

Leitsatz

1. Ein Anspruch aus § 280 Abs. 1 Satz 1, § 311 Abs. 2 und 3 BGB gegen den Hersteller eines PKW mit einem Motor des Typs EA 189 kommt regelmäßig nicht in Betracht. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Käufer eines PKW mit einem Motor des Typs EA 189, der den PKW nach Bekanntwerden des sogenannten Abgasskandals erworben hat, hat darzulegen, dass er davon ausgegangen ist, das von ihm erworbene Fahrzeug sei von der Problematik nicht betroffen. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

3 O 735/18 2019-04-18 Urt LGTRAUNSTEIN LG Traunstein

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 18.04.2019, Az. 3 O 735/18, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis 18.9.2019.

Gründe

Der Senat ist einstimmig der Auffassung, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.
Gemäß § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf einer Rechtsverletzung im Sinne von § 546 ZPO beruht oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Dies zeigt die Berufungsbegründung nicht auf. Das Landgericht hat die auf Schadensersatz wegen des Erwerbs eines vom sogenannten Dieselskandal betroffenen Pkw gerichtete Klage vielmehr im Ergebnis zu Recht als unbegründet abgewiesen.
I.
Der Kläger kann den mit vorliegender Klage geltend gemachten Schadensersatzanspruch nicht auf die vom Landgericht herangezogene Anspruchsgrundlage § 280 Abs. 1 Satz 1, § 311 Abs. 2 und 3 BGB stützen. Er hat nicht nachvollziehbar dargelegt, dass die Beklagte, die unstreitig nicht Vertragspartnerin des Klägers geworden ist, in besonderem Maße persönliches Vertrauen für sich in Anspruch genommen und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst hätte. Diese Voraussetzungen sind nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nur erfüllt, wenn der Dritte unmittelbar oder mittelbar – durch eine für ihn handelnde Person – an den Vertragsverhandlungen teilgenommen und dabei durch sein Auftreten eine über das normale Verhandlungsvertrauen hinausgehende persönliche Gewähr für die Seriosität des Geschäfts oder die Erfüllung des Vertrages übernommen hat (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 78. Aufl., § 311 Rn. 63 m.w.N.). Der Kläger hat den streitgegenständlichen gebrauchten VW Tiguan jedoch ohne Mitwirkung der Beklagten von einem KFZ-Händler gekauft.
II.
Ein grundsätzlich in Betracht kommender deliktischer Schadensersatzanspruch, insbesondere aus §§ 826, 31 BGB, scheitert im vorliegenden Fall jedenfalls daran, dass der Kläger weder hinreichend dargelegt noch nachgewiesen hat, dass eine Täuschung seitens der Beklagten für seine Entscheidung zum Erwerb des streitgegenständlichen Pkw kausal geworden ist und er den Pkw nicht erworben hätte, wenn er gewusst hätte, dass dieses Fahrzeug vom sogenannten Diesel-Abgasskandal betroffen ist.
II.
Die Schädigungshandlung der Beklagten kann allein darin gesehen werden, dass sie einen Motor in Verkehr gebracht hat, der mit dem im Tatbestand des angefochtenen Urteils näher beschriebenen Abgasrückführungssystem ausgestattet war, der bestimmungsgemäß in ein Kraftfahrzeug eingebaut und sodann an einen Endkunden verkauft werden sollte, dem gegenüber die Funktionsweise des Abgasrückführungssystems nicht offengelegt wird. In Übereinstimmung mit dem Oberlandesgericht Karlsruhe (Hinweisbeschluss vom 5.3.2019 – 13 U 142/18 -, BeckRS 2019, 3395) wertet der Senat das Inverkehrbringen eines mit einer solchen nicht offengelegten Abschalteinrichtung ausgestatteten Motors als konkludente Täuschung des Endkunden, der das Fahrzeug, in das der Motor eingebaut worden ist, erwirbt.
Ob die vom Landgericht vertretene Ansicht zutrifft, die Beklagte habe mit der Informationspflichten erfüllt, oder ob die vorherige Schädigungshandlung trotz dieser Mitteilung fortwirkt, kann dahinstehen, da die Klage sich unabhängig davon als unbegründet erweist.
Ad-Hoc-Mitteilung vom 22.9.2015 (Anlage zur Klageerwiderung)
ihre
II.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht der Schaden im Falle einer durch arglistige Täuschung verübten sittenwidrigen Schädigung (§ 826 BGB) regelmäßig in der eingegangenen Verpflichtung, die der Getäuschte bei Kenntnis der Umstände nicht eingegangen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 21.12.2004 – VI ZR 306/03 -, BGHZ 161, 361).
II) Die Darlegungs- und Beweislast für den Kausalzusammenhang zwischen Täuschung und eingegangener Verpflichtung trifft den Geschädigten; auf den Nachweis der konkreten Kausalität der Täuschung für den Willensentschluss des Getäuschten kann nicht verzichtet werden (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 78. Aufl., § 826 Rn. 18; BGH, Urteil vom 4.6.2013 – VI ZR 288/12 -, NJW-RR 2013, 1448). Dabei kann es genügen, dass der Getäuschte Umstände darlegt, die für seinen Entschluss von Bedeutung sein konnten, und dass die arglistige Täuschung nach der Lebenserfahrung bei der Art des zu beurteilenden Rechtsgeschäfts Einfluss auf die Entschließung hat (vgl. BGH, Urteil vom 12.5.1995 – V ZR 34/94 -, NJW 1995, 2361).
II) Das Oberlandesgericht Karlsruhe stellt in seinem vorerwähnten Hinweisbeschluss unter anderem darauf ab, dass nach der Lebenserfahrung niemand ein Kraftfahrzeug in Kenntnis einer nicht bestehenden Genehmigung oder Genehmigungsfähigkeit käuflich erwerben würde (a.a.O., Rn. 23). Dieser Gedanke erscheint allerdings nur dann uneingeschränkt tragfähig, wenn der Käufer – wie in dem vom Oberlandesgericht Karlsruhe beurteilten Fall – den Pkw vor Bekanntwerden des Abgasskandals erworben hat. Hatte der Käufer dagegen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses Kenntnis von den Abgasmanipulationen, was angesichts der breiten Erörterung dieses Themas in den Medien ab September 2015 regelmäßig anzunehmen ist, muss er nachvollziehbar darlegen, aus welchen Gründen er davon ausgegangen ist, dass das von ihm erworbene Fahrzeug von der Problematik nicht betroffen ist. Einer Kausalität der Täuschung für den Vertragsschluss steht im Regelfall bereits entgegen, dass der Käufer es jedenfalls für möglich gehalten hat, dass der Pkw betroffen sein könnte, aber keine Veranlassung gesehen hat, diese Frage vor Vertragsschluss zu klären.
II) Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe fehlt es im vorliegenden Fall an einer für den Erwerb des streitgegenständlichen Pkw durch den Kläger kausalen Täuschungshandlung der Beklagten.
Der Kläger hat bei seiner informatorischen Anhörung im Termin vom 24.9.2018 (S. 2/5 des Protokolls, Bl. 117/120 d.A.) angegeben, er habe sich für den Kauf des streitgegenständlichen Fahrzeugs entschieden, weil er schon früher mehrfach einen VW Tiguan besessen habe und damit stets zufrieden gewesen sei. Seine Kriterien für den Kauf eines Fahrzeugs seien gewesen, dass es wirtschaftlich und sparsam sei. Er habe vor dem Kauf des streitgegenständlichen VWs zwar mitbekommen, dass „irgendwas in Amerika passiert“ sei, dass man „wohl irgendeinen Schmarrn gemacht“ habe. Er habe aber nicht gedacht, dass ihn das irgendwie tangieren würde, und habe seines Wissens auch mit dem Autohändler nicht darüber gesprochen. Die Sache habe ihn erstmals interessiert, als er nach dem Erwerb des Fahrzeugs eine entsprechende Mitteilung von VW bekommen habe.
Den Angaben des Klägers kann bereits nicht entnommen werden, dass die Dieselproblematik im Rahmen seiner Kaufentscheidung überhaupt von Bedeutung gewesen wäre, zumal er nach seinen Angaben die Gewohnheit hatte, seine PKWs alle drei bis vier Jahre zu wechseln. Zudem hat der Kläger keine konkreten Tatsachen genannt, auf deren Grundlage er davon ausgegangen sein will, dass das konkrete Fahrzeug nicht betroffen sei. Aus der oben genannten Ad-Hoc-Mitteilung und der nachfolgenden, allgemein bekannten Medienberichterstattung ging jedenfalls klar hervor, dass die mit der unzulässigen Steuerungssoftware versehenen Dieselmotoren nicht nur in Amerika, sondern weltweit in einer Vielzahl von Fahrzeugen verbaut wurden und dies auch zu Problemen mit dem Deutschen Kraftfahrtbundesamt führte. Auch setzt eine Kenntnis von der vorangegangenen Täuschungshandlung der Beklagten nicht voraus, dass dem Kläger die technischen Einzelheiten oder die möglichen Auswirkungen des Fahrzeugmangels bekannt waren.
Im Übrigen sind die Angaben des Klägers zu seinem Kenntnisstand nicht bewiesen. Verbleibende Zweifel gehen zum Nachteil des beweisbelasteten Klägers.
Daher geht der Senat davon aus, dass sich eine konkludente Täuschung seitens der Beklagten auf die Entscheidung des Klägers für den Erwerb des streitgegenständlichen Pkw nicht ausgewirkt hat.
III.
Die obigen Ausführungen gelten entsprechend für einen auf die Verwirklichung des Straftatbestandes des Betrugs gestützten Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB. Denn auch der Betrugstatbestand setzt – unter anderem – voraus, dass der Vermögensschaden durch eine irrtumsbedingte Vermögensverfügung des Getäuschten verursacht worden ist (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 78. Aufl., § 823 Rn. 81).
Zur Vermeidung weiterer Kosten regt der Senat die Zurücknahme der offensichtlich unbegründeten Berufung an. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz).


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