Europarecht

Kein Anspruch zur Sonntagsöffnung eines Ladengeschäftsinhabers

Aktenzeichen  Au 5 K 19.2144

Datum:
18.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 11568
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
LadSchlG § 3 S. 1 Nr. 1
LadSchlG § 14 Abs. 1
Ladenverkaufszeitverordnung der Stadt *
VwGO § 43 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
III. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Die Klägerin hat kein berechtigtes Interesse an der mit der Klage begehrten Feststellung (§ 43 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
1. Die Klage ist zulässig.
Es kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei der anlässlich eines Telefongesprächs am 21. Oktober 2019 zwischen dem Vertreter der Klägerin und dem zuständigen Mitarbeiter der Beklagten ausgesprochenen „Untersagung“ der Öffnung des Ladengeschäfts der Klägerin anlässlich des „*marktes“ am 27. Oktober 2019 um einen Verwaltungsakt i.S. des Art. 35 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) gehandelt hat. Für den Fall, dass man die telefonische „Untersagung“ als Verwaltungsakt ansehen wollte, hätte sich dieser mit Ablauf des 27. Oktober 2019, also bereits vor Klageerhebung am 16. Dezember 2019, erledigt. In diesem Fall wäre die Klage als Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog statthaft. Für den Fall, dass ein bloßer „Realakt“ vorliegt, wovon der Bevollmächtigte der Klägerin ausgeht, ist die Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO statthaft. In beiden Fällen liegt das besondere Feststellungsinteresse in Form der Wiederholungsgefahr vor. Die Klage ist demnach bei jeder Betrachtungsweise zulässig.
2. Die Klage ist jedoch nicht begründet.
Die Beklagte hat der Klägerin die Geschäftsöffnung am Sonntag, den 27. Oktober 2019 anlässlich des „*marktes“ zu Recht untersagt. Die Klägerin hatte keinen Anspruch, ihr Ladengeschäft am Sonntag, den 27. Oktober 2019 zu öffnen. Auch für künftige Marktsonntage ist ein derartiger Anspruch nicht gegeben.
a) Der Anspruch zur Sonntagsöffnung kann nicht auf § 1 der Ladenverkaufszeitverordnung der Beklagten vom 13. Mai 2019, die auf Grundlage von § 14 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes über den Ladenschluss (LadSchlG) erlassen wurde, gestützt werden.
Nach § 1 Abs. 2 der Ladenverkaufszeitverordnung der Beklagten dürfen „aus Anlass des *marktes“ am 4. Sonntag im Oktober die Verkaufsstellen, die innerhalb der „Einkaufsinnenstadt“ liegen, von 12.30 Uhr bis 17.30 Uhr geöffnet sein“. Bestandteil der Ladenverkaufszeitverordnung ist ein Lageplan, in dem der räumliche Geltungsbereich der Verordnung, der als „Einkaufsinnenstadt“ bezeichnet wird, dargestellt ist. Der Begriff der „Einkaufsinnenstadt“ geht auf die Fortschreibung des Einzelhandelskonzeptes der Beklagten im Jahr 2013 zurück, wo der räumliche Umgriff der „Einkaufsinnenstadt“ definiert wurde. Das Ladengeschäft der Klägerin liegt unstreitig nicht im räumlichen Geltungsbereich der Verordnung und kann sich deshalb auf die Ausnahmeregelung der Verordnung nicht berufen.
Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Beklagte im Vollzug der Verordnung willkürlich handeln würde. Die Klägerin trägt hierzu vor, dass das „*“ weiter entfernt vom Marktgeschehen liege als das Ladengeschäft der Klägerin. Es sei deshalb willkürlich, wenn das „*“ am Marktsonntag öffnen dürfe, die Klägerin ihr Ladengeschäft jedoch geschlossen halten müsse. Das „*“ liegt jedoch unstreitig im räumlichen Geltungsbereich der Ladenverkaufszeitverordnung vom 13. Mai 2019 und kann sich deshalb unmittelbar auf die Regelungen in § 1 der Verordnung berufen. Damit unterscheidet sich der bei der Klägerin vorliegende Sachverhalt wesentlich von der rechtlichen Lage beim „*“. Eine willkürliche Ungleichbehandlung kann daraus nicht abgeleitet werden. Vielmehr gibt es für die „Ungleichbehandlung“ einen sachlich rechtfertigenden Grund in Form der Regelungen in der Ladenverkaufszeitverordnung. Es ist auch weder von der Klägerin vorgetragen noch ersichtlich, dass die Beklagte Ladengeschäften, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs der Ladenverkaufszeitverordnung liegen, die Öffnung an den Markttagen gestattet hätte.
b) Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Normergänzung in Form der räumlichen Erweiterung der Ladenverkaufszeitverordnung.
Der Bevollmächtigte der Klägerin macht geltend, dass der Begriff der „Einkaufsinnenstadt“ in der Ladenverkaufszeitverordnung willkürlich definiert worden sei. Sichtlich sollten größere Geschäfte wie das der Klägerin bei den Märkten außen vorgelassen werden. Dies verstoße gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Grundgesetz (GG) sowie gegen Art. 12 GG. Die Rechtswidrigkeit der Verordnung werde jedoch nicht geltend gemacht (s. Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 12. Dezember 2019). Dies wäre im Rahmen der vorliegenden Feststellungsklage auch unzulässig, vielmehr müsste ein Normenkontrollverfahren eingeleitet werden (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 16.4.2015 – 4 CN 2/14 – juris). Zudem würde mit Feststellung der Rechtswidrigkeit der Ladenverkaufszeitverordnung die gesetzliche Regelung des § 3 Satz 1 Nr. 1 LadSchlG mit dem Verbot der Sonntagsöffnung gelten.
Sinngemäß begehrt die Klägerin demnach die Einbeziehung in den räumlichen Geltungsbereich der Verordnung. Für eine derartige Klage ist die Feststellungsklage die statthafte Klageart (BVerwG, U.v. 16.4.2015 a.a.O. Rn. 11). Das Ergebnis dieses Verfahrens bindet nur die Beteiligten. Die Feststellungsklage kann jedoch nur erfolgreich sein, wenn die Klägerin einen Anspruch auf die Einbeziehung in den räumlichen Geltungsbereich der Verordnung hat. Der von der Klägerin gerügte Umstand, dass andere Geschäfte zu Unrecht in den räumlichen Geltungsbereich der Verordnung einbezogen worden wären, weil sie viel weiter entfernt vom Marktgeschehen lägen als das Geschäft der Klägerin, kann einen derartigen Anspruch nicht begründen, weil es keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht gibt.
Das Ladengeschäft der Klägerin erfüllt die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 LadSchlG, der eine Ausnahme vom gesetzlichen Sonntagsöffnungsverbot ermöglichen würde, nicht. Die Sonntagsöffnung aus Anlass eines Marktes auf Grundlage von § 14 Abs. 1 LadSchlG ist nur zulässig, wenn die prägende Wirkung des Marktes für den öffentlichen Charakter des Tages gegenüber der typisch werktäglichen Geschäftigkeit der Ladenöffnung überwiegt; das setzt regelmäßig voraus, dass die Ladenöffnung in engem räumlichen Bezug zum konkreten Marktgeschehen steht (BVerwG, U.v. 11.11.2015 – 8 CN 2/14 – juris Rn. 25; VG Bayreuth, U.v. 30.10.2018 – B 8 K 18.832 – juris Rn. 68). Das Ladengeschäft der Klägerin steht nicht in dem geforderten, engen räumlichen Bezug zum Marktgeschehen. Der „*markt“ und der „*markt“ finden, wie sich aus dem von der Beklagten vorgelegten Marktbelegungsplan sowie den Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung ergeben hat, zum einen auf dem „*“, zum anderen im Bereich des * und des * über die * bis zum * statt. In Nebengassen oder -straßen zu den genannten Örtlichkeiten findet kein Marktgeschehen statt. Vor diesem Hintergrund ist bereits fraglich, ob die prägende Wirkung der beiden Märkte tatsächlich die gesamte „Einkaufsinnenstadt“ erfasst. Hierauf kommt es vorliegend jedoch nicht in entscheidungserheblicher Weise an, weil die Rechtsmäßigkeit der Verordnung nicht Gegenstand des Verfahrens ist. Das Ladengeschäft der Klägerin liegt deutlich entfernt vom Marktgeschehen. Der „*“ ist ca. 600 m Luftlinie entfernt. Auch ein enger räumlicher Zusammenhang zum Marktgeschehen am * (Entfernung: ca. 500 m Luftlinie), * (Entfernung: ca. 370 m Luftlinie) und * (Entfernung: ca. 300 m Luftlinie) ist nicht erkennbar. Das Ladengeschäft der Klägerin liegt weder in einer der Straßen, auf denen das Marktgeschehen unmittelbar stattfindet, noch in einer angrenzenden Neben straße. Es ist vielmehr im Wesentlichen durch drei weitere Straßenzüge (*,, *) vom eigentlichen Marktgeschehen getrennt. Der Bezug zum Markt wird nach Angaben des Vertreters der Klägerin dadurch geschaffen, dass viele Marktbesucher im Bereich seines Ladengeschäftes parken würden und von dort den Markt aufsuchen. Allein der Umstand, dass das Geschäft des Klägers in fußläufiger Entfernung zum Marktgeschehen liegt und die Parkplätze des Geschäfts von Marktbesuchern benutzt werden, begründet jedoch noch nicht die erforderliche räumliche Nähe. Erforderlich wäre hierfür, dass die Besucher für einen neutralen Beobachter als Teilnehmer der Anlassveranstaltung deutlich erkennbar und sie insbesondere von den Kaufinteressenten zweifelsfrei abgrenzbar sind (VG Bayreuth, U.v. 30.10.2018 a.a.O. Rn. 68). Dies ist am Standort des Ladengeschäfts der Klägerin nicht der Fall. Insbesondere können Kunden, die die Sonntagsöffnung nur dazu nutzen wollen, beispielsweise das Ladengeschäft der Klägerin aufzusuchen und hierfür unmittelbar vor Ort parken zu können, nicht von potentiellen Marktbesuchern abgegrenzt werden. In diesem Fall stünde jedoch die typisch werktägliche Beschäftigung der Ladenöffnung gegenüber der anlassgebenden Veranstaltung im Vordergrund. Eine zweifelsfreie Abgrenzung der Teilnehmer der Anlassveranstaltung von den Kaufinteressenten ist wegen der Entfernung zum eigentlichen Marktgeschehen deshalb nicht möglich. Vor diesem Hintergrund kommt eine Einbeziehung des Ladengeschäfts der Klägerin in den räumlichen Geltungsbereich der Ladenverkaufszeitverordnung vom 13. Mai 2019 nicht in Betracht.
Nachdem die Klägerin nicht in den Geltungsbereich der Ladenverkaufszeitverordnung vom 13. Mai 2019 fällt und auch keinen Anspruch auf Einbeziehung in den räumlichen Geltungsbereich der Verordnung hat, verbleibt es bei der Regelung des § 3 Satz 1 Nr. 1 LadSchlG. Danach müssen Verkaufsstellen an Sonn- und Feiertagen für den geschäftlichen Verkehr mit Kunden geschlossen sein. Damit war die gegenüber der Klägerin ausgesprochene Untersagung der Ladenöffnung am Sonntag, den 27. Oktober 2019, rechtmäßig.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).


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